2012-10-15

Hostessen antatschen …

Zu diesem – wahrscheinlich wieder nur im Internet zu hörenden – Vorfall schreibt sich das halbe deutsche aktive Web heute betroffen die Finger wund. Der verlinkte Artikel beschreibt die Szene, um die es geht, ganz gut. Drollige Moderatoren befehlen sich auf einer Messe semilustige Dinge zu tun und in einem Fall geht es extrem dump sexistisch und feige zur Sache. Eine Hostess wird im Gespräch an ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen berührt.

Feige deswegen, weil ich gerne hätte sehen wollen, dass die das Gleiche mit einem 185 cm großen breitschultrigen Mann machen. Haben sie aber nicht, und die Gründe liegen hier auf der Hand.

Die weitere Diskussion zu dem eigentlichen Vorfall in einem öffentlich rechtlichen Medium überlasse ich gerne den üblichen klugen Stimmen, wie z. B. Antje Schrupp.

Mich beschäftigen als Ergebnis aus dem Vorfall zwei andere Fragen:

Auf Messen werden Produkte/Dienstleistungen/whatever gerne mittels dem Subjekt „Messehostess” offeriert. Diese ist vorzugsweise als weiblich, jung, attraktiv, gerne langhaarig, sehr gut gebaut, das heißt meist schlank bis sehr schlank zu beschreiben. Fast immer sind sie in Uniformen verpackt, als da wären eng an der Figur anliegende Kostüme, gerne mit kurzem Rock und hohe Schuhe, bei denen jedem Messebesucher allenfalls das Kennzeichen „Körperverletzung im Job” einfällt. Und/oder das „echte” Extrem auf den Spaßmessen, wie Auto- oder Games-Messen, mit sehr deutlich übertrieben erotisch bis sehr wenig anhabend knapper Bekleidung verkleidet. Hier darf die Dame gerne offensichtlich im Körbchen gut bedacht oder Inhaberin eines Boobs-Jobs sein.

Ob die auf „Titts & Ass” getrimmten Damen gleichfalls inhaltlich kompetent zu dem jeweils angebotenen Produkt Auskunft geben können, wollen oder überhaupt sollen, sei dahin gestellt. Meist ist es offensichtlich nur deren Job freundlich zu sein, Geschenke oder Getränke anzureichen und halbwegs plausibel auch ein wenig international daher quatschen zu können. Vor allem aber „nett” oder „attraktiv” auszusehen.

Firmen, die so Vertrieb gestalten, bedienen sich offensichtlich üblicher sexistischer Klischees. Und die Frauen, die diese Jobs ausüben, bedienen diese dann eben auch. Daraus resultierend meine erste Frage:

Warum lassen sich 2012 attraktive, emanzipierte Frauen auf Messen von den Arbeitgebern überhaupt als Sexobjekte präsentieren zum Zweck des Vertriebes?

Ich hätte in der gleichen Szene dem Antatscher pragmatisch praktisch den Ellenbogen in die Magengrube gerammt und seine daraus resultierende Plexusbiegung mit einem harten Tritt in seine Weichteile wieder entbogen.

Macht das eine Hostess? Verschwendet sie im Job auch nur einen Moment lang daran den Gedanken, dass das jetzt genau die einzige adäquate Antwort auf so einen Übergriff ist? Wenn ja, warum tut sie es dann nicht? Warum wehrt sie sich nicht? Das muss längt nicht körperlich übergriffig geschehen. Eine deutliche verbale Ansage hätte es auch getan!Und so stellt sich mir nämlich die zweite Frage:

Wie würden denn Arbeitgeber darauf reagieren, wenn ein „Firmenmitglied” sich anmaßenden Kunden gegenüber – völlig zu Recht – wehrt?

Die Antwort kennen wir doch alle, sie dürfte mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ihr Damenhandtäschchen nehmen und gehen. Fristlos. Und das ist der eigentliche Skandal: In einem durch Sexismus definierten Business kann doch vom Veranstalter der sexistische Übergriff lediglich als Zustimmung und Erfolg zum Vertriebsmodell gewertet werden. Welches Unternehmen mit einem offiziell auf weiblichen Reiz ausgeprägtem Erscheinungsbild auf einer solchen Messe, steht denn dann hinter der dienstleistenden Angestellten, meist angeworben von einem externen Dienstleister? Also ohne jeglichen sozialen Bezug zu dieser dienstleistenden weiblichen Person? Meines Erachtens liegt genau hier der Hase im Pfeffer begraben.

Leider auch mit darin, dass sich oft diese jungen Frauen zu wenig darüber Gedanken machen, wie sehr sie eben auch Spielball sind – in einem Business namens „Sex sells”. Insofern bin ich für diesen durch ZDFneo initiierten Skandal dankbar. Wir sollen gelegentlich als emanzipierte Frauen darüber nachdenken, was wir eigentlich wie mit unseren Jobs bezwecken und bedienen; und wem wir für welchen Sinn und Zweck zu Diensten sind.

Selbstverständlich legitimiert das keinfesfalls sexuelle Übergriffe. Nur: es reduziert dummerweise auch nicht den Abstand zur Wunscherweckung bei einem unkontrollierten Gegenüber sexuell übergriffig zu werden.

Das geht dann in Richtung Arbeitgeber, auch diese sollten sich Gedanken über ihr Erscheinungsbild auf Messen hinsichtlich des Wirkens auf beide Geschlechter machen! Also heute im Jahr 2012. Sind sie wirklich emanzipiert genug, um ihr Produkt/ihre Dienstleistung ausschließlich über dieses Produkt zu verkaufen? Und wenn sie dazu den Support vom knapp bekleideten sogenannten schwachen Geschlecht brauchen, wie sieht deren Schutz diesen Frauen gegenüber im Ernstfall eigentlich aus?

2 Kommentare:

teresa m. buecker hat gesagt…

Danke für diese zusätzlichen und wichtigen Gedanken. Ich hatte während meines Studiums meist andere Nebenjobs, doch vermutlich kennen viele die Geldnot in diesem Lebensabschnitt, weil entweder das Bafög nicht reicht oder sie gar nicht erst Bafög bekommen, so wie es bei mir der Fall war. Hostessjobs sind zudem meist noch wesentlich besser bezahlt als Nebenjobs im Einzelhandel oder anderswo. Bei den erhöhten Studienanforderungen mit den neuen Studienordnungen kann man sich dann mit einem Wochenende als Hostess evtl. besser finanzieren, als wenn man Arbeit und Vorlesungen kombinieren muss. Mich hat der Job immer abgeschreckt. Ich habe während des Studiums u.a. zwei Jahre bei dem Kosmetikhersteller Lush gearbeitet, und selbst da sind sexuelle Übergriffe vorgefallen bzw. gab es unzählige Männer, die anzüglich wurden, wenn sie Zusätze für die Badewanne oder Massage kaufen würden. Das "Berufsbild" der Hostess muss in Frage gestellt werden, wenn dort Schönheitsnormen reproduziert werden und es dazu beiträgt, Frauen auf das Äußere zu reduzieren und sie mitunter einem erhöhten Risiko von sexuellen Übergriffen aufsetzt. Andererseits muss es möglich sein, auf Messen oder per se als Servicepersonal zu anständigen Bedingungen zu arbeiten, die die betroffenene Person nicht sexualisieren.

maribert hat gesagt…

Nun, ich denke, die Frage, warum junge attraktive (d. h. dem gängigen Schönheitsideal entsprechende) Frauen solche Jobs annehmen, ist rhetorisch gemeint, denn die Antwort liegt ja auf der Hand: Weil sie schlau sind und es können. Wer die entsprechende Optik aufweist, kann mit überschaubarem Aufwand relativ gutes Geld verdienen.

Daß die Hostessen in der Regel nicht besonders kompetent über die ausgestellten Produkte Auskunft geben können, liegt ja nicht daran, daß sie dumm sind (sind sie meist nicht, im Gegenteil: oft sind es Studentinnen), sondern daß sie nicht darauf vorbereitet wurden.

Es ist doch allen Beteiligten -- den Hostessen, den Ausstellern und auch den Messebesuchern -- klar, daß das auch nicht ihre Aufgabe ist. Sie sind Dekoration. Punkt. Daß das wirkt (und wenn es das nicht täte, würden die Aussteller kein Geld dafür ausgeben), kann man bedauerlich finden, aber es ist so; deswegen gibt es diese Jobs, und deswegen werden sie von denen ausgeführt, die dazu in der Lage sind. Wir haben es hier mit einer Art postfeministischem Verhalten zu tun: Frauen nutzen die Tatsache, daß Männer besser gucken als denken können, zu ihrem eigenen Vorteil aus, und (perdon) scheißen auf alle Vorurteile, daß das doch einer emanzipierten Frau nicht würdig sei pipapo.

Wie man allerdings auf die Idee kommen kann, eine Hostess anzutatschen (und ich gehe mal davon aus, daß es sich darum handelte, und nicht um eine eher zufällige Berührung), erschließt sich mir auch als Mann nicht.

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