2011-03-04

Aussichten



Signed! Dann standen wir also gestern um 17:15 Uhr vor der Haustür zur Wohnungsübergabe … und keiner kam. Da war aber Eine aufgeregt. Berlin schenkte uns einen riesigen roten Sonnenball im Untergang begriffen und das Warten war besonders warm und schön. Also ab dem Moment in dem die Telefonate signalisiert hatten, es sei alles in Ordnung und es bliebe beim Termin, man verspäte sich nur ein wenig.

Das freundliche junge Pärchen, offiziell zu zweit, inoffiziell zu dritt, übergab die Wohnung und wir lasen derweil in der immer dunkler werdenden Wohnung – ohne Lampen – den Mietvertrag und die fünf Millionen Anhänge. Und sie zeichnete diese später in der völlig finsteren Wohnung im Schein der Taschenlampe fünfmillionenmal mal zwei Ausführungen. Der sehr nette Hausverwalter ging. Wir köpften die Flasche, saßen vor der glucksenden Heizung und konnten es nicht glauben. Geschafft! Das kann sich keiner vorstellen, wie sehr diese Wohnung der Rettungsanker war.

Sie ist dann nach Reinickendorf, also einmal die komplette Strecke der U8, um ihre Sachen zu holen. Da wussten wir schon: alle avisierten Transportmöglichkeiten mit dem Auto hatten sich zerschlagen. Ich zog los für ein standesgemäßes Berlin-Neuköllner Abendessen zu sorgen, in diesem Fall also Wiener Würstchen, deutscher Kartoffelsalat, italienische Mozarella, holländische Tomaten, türkische Oliven, griechische Weinblätter, türkisches Brot. Und Crémant. Aus meinen Beständen wanderten dann erste Küchenbestände nach drüben und der Baustrahler. Der Baustrahler, den ich mal kaufte, als ich anfing mit Still- und Proträtfotografie. Der hierfür als erste Lichtquelle herhalten musste. Der dann später dazu diente, beim besten Freund der Welt die Swimmingpoolreparatur noch nachts voranschreiten zu lassen, der nun im Keller vor sich hin döste und gestern die Wohnung hell erleuchtete. Und wärmte. Alles auf's Rad, rüber. Sind fünf Minuten Fußweg.

Der Onkel hat sie und die Tochter und die ganzen Klamotten dann doch freundlicherweise rumgefahren. Und ist genau einmal mit hoch in die Wohnung, hat uns dann mit dem ganzen Kram im Hausflur stehen lassen. Der Sohn kam kurz darauf mit seinen Freunden, zwei Matratzen in der S-Bahn transportiert und seinen ganzen Rapeiken und mit Frettchen Lino. Der Sohn und seine Freunde waren extrem happy mit der Wohnung und begeistert. Die Tochter … die ist so dermaßen radikalpubertär, sie rafft gar nix mehr. Eigentlich müsste man sie in eine Vitrine installieren und ausstellen – so ein Exemplar dermaßen voll auf Pubertätsspeed hat die Welt noch nicht gesehen.

Mit dem Jungen und seinen Freunden sind wir dann nachts um halb zwölf noch zu mir, mein Gästefuton hinüber tragen. Es gibt da ja erst mal nix. Den Kids gleich gezeigt, wo der lustige Swingerclub an der Ecke liegt, wo Tempelhof anfängt und wo der nächste Zeitungsladen liegt. Einweisung in die Discounter-Landschaft der Umgebung. Stille Begeisterung. Als wir bei mir waren, haben wir uns wegen der Lautstärke darauf geeinigt, dass nur zwei zu mir hochkommen. Ich schließe die Tür auf, der Freund vom Sohn (der dessen Frettchen die letzten Monate aufgenommen hatte und ihm eine grandiose Wohnwelt in seinem Zimmer geschaffen hatte) meinte nur begeistert: „Oh, Katzen!“ Und drei Katzen saßen in der Tür, die Betonung liegt auf drei, denn üblicherweise reduziert sich Talytha ja bei Fremden, vor allem bei groß gewachsenen Fremden, grundsätzlich erst einmal unter das Bett und meinten zu ihm begeistert: „Oh, Dan!“ Lino sehr würdevoll, Nishia begeistert überschäumend und Talytha still in der Ecke mit blitzenden Äuglein, so himmelten sie den Jungen in stiller Übereinkunft an, als wäre er ihr Messias. Nishi sprang auf ihn zu, rollte sich im Flur auf dem Boden hin- und her, was sie so noch nie bei Fremden getan hat. Das ist so faszinierend, wie manche Menschen für Tiere offensichtlich „Heimkommen“ bedeuten. Hoffentlich wird der Junge Tierarzt, der kann das.

Kurze Rede, sie sind jetzt angekommen und können sich akklimatisieren. Gestern vormittag hatte die Freundin auf dem Jugendamt ein langes Gespräch mit der künftigen Familienhelferin, das wohl sehr gut war. Das Mädel ist – zumindest laut ihrer Lehrer in der Schule, zu Hause leider noch so gar nicht – wie umgewandelt, seit ihre Mutter wieder da ist und sich um sie kümmert. Wir sind also guter Dinge, überlegen nur, ob wir das Tochterkind nicht gleich in den Keller ziehen lassen. Kleiner Witz. Erst mal nur an den Füßen über'n Balkon hängen, dürfte ja vielleicht auch reichen. Nächste Woche dann wieder Amtsgänge. Seufz.

Aber es wird. Ich meine, noch vor drei Wochen war sie so verzweifelt und wollte sie lieber vor den Zug springen – und das ist jetzt mitnichten übertrieben formuliert, und wir hätten damals nie geglaubt in so kurzer Zeit so weit zu kommen! Smiley ans Leben!

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Na das sind doch gute Aussichten! Da kann man ja fast Deine Wohnung sehen von Balkon aus — Rauchzeichen? Blinklichter in den Himmel? Dreimal kurz, einmal lang = "Kaffee und Prosecco bei mir?" :-)

(Wie kommt es eigentlich, dass ich bei "Stillfotografie" zuerst an Babies denke? Ach ja, die biologische Uhr …)

Maren hat gesagt…

Meld Dich einfach noch mal, wir würden gern helfen!

Kiki hat gesagt…

Du weißt schon, daß Du ein ganz besonderer Mensch bist und ich Dich auf der #rp11 erst einmal feste drücken muß, oder?

Bhuti hat gesagt…

Ach Mensch, ich freu mich so, für Deine Freundin, für Dich, für die Kinder und überhaupt.

kelef hat gesagt…

ich freu mich auch mit, ganz fest! manchmal wird doch alles (wieder) gut, und sogar die töchter werden irgendwann einmal vernünftig, mit sicherheit.

Pienznaeschen hat gesagt…

Es wird doch eben alles gut (wenn es manches mal auch lange dauern mag). Es rührt mich sehr was ihr gestern Abend erlebt habt, es lässt das Herz höher schlagen ...

Anonym hat gesagt…

Ja, Creezy scheint eine ganz nette zu sein. Ich würde in solchen Fällen auch helfen, wenn es meine Zeit mir erlauben würde. Aber es müssen kja Leute auch die Transferleistungen erwirtschaften, die z.B. hier eingesetzt werden, inkl. BVG-Sozialkarte und vielen anderen direkten und indirekten Unterstützungsleistungen. Das soll keine Schuldzuweisung sein, so läuft das System in Deutschland, und es ist nicht das schlechteste.

Anonym hat gesagt…

Ich wohne ein paar Häuser weiter, die S-Bahn stört nicht wirklich und man kann nachts sogar ein paar Sterne gucken...also halb so schlimm für einen baumelnden Teenager. Willkommen in der Nachbarschaft.

Indica hat gesagt…

Aha, dort werden die Drei also wohnen. Da hast du wirklich nahe Nachbarn und auch Frau Lorelei wird sich beim Betrachten des Fotos bestimmt erinnert fühlen. Der Stadtteil ist doch auch weit genug weg vom Erzeuger der Kinder, nicht wahr?

claudia hat gesagt…

@Lorelei
Tickt sie sooo laut? ,-) Wir machen das mit Rauchzeichen haben wir überlegt. Ist günstiger als telefonieren!

@Maren
Nächste Woche! Versprochen!

@Kiki
Ach nee, das ist alles noch völlig im Rahmen. Knuddeln lasse ich mich trotzdem. (Obwohl ich gar keine Karte habe, äh …) Brauchst Du noch 'ne Unterkunft?

@Bhuti, Kelef, Pienznäschen
Dankeschön! ,-)

@Anonym
Jaja, die kleinen Sozialschmarotzersidekicker, war wieder nicht genug Mut in der Hose sich 'nen Namen zu geben? Oder warum die suggestive Unterstellung, man muss bei einem Termin um 17:15 Uhr arbeitslos sein und nicht zum Sozialprodukt beitragen?

@Anonym2
Nee, die S-Bahn stört wirklich nicht. Aber der Teenager müsste schon einen verdammt guten Tag haben, dass wir sie mit dem Gesicht nach oben baumeln lassen. ,-)

@FrauIndica
An Frau Lorelei musste ich die letzten Tage viel und oft denken. ,- Ja, der Stadtteil ist weit genug. Der bekommt auch nicht die Adresse, das ist klar.

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