Café Steiner
Freundin Bel hatte schon länger davon geschwärmt und beschlossen, dass wir dort einmal Kaffee trinken müssen – wegen dem selbst gemachten Kuchen. Ihr wisst, auf Kuchen kann ich und auf selber gemachten Kuchen kann ich sowieso. Also haben wir uns neulich lebensmüde in eine teuflische Kombination von Tauwetter und anschließendem Glatteis gestürzt und uns angeguckt, wie in Schöneberger Höhen die Berliner Straßenräumkunst ihr Happening zelebriert. Straßenräumkunst glänzte durch Abwesenheit, das Happening lag also ganz alleine bei uns.
Das Café Steiner liegt in Berlins westlichem Regenbogenbezirk im Motzstraßenkiez direkt links neben einem meiner wirklichen Lieblingsrestaurants der Stadt, dem MORE, für das man aber als Hete dringend einen Alibi-Schwulen im sozialen Umfeld braucht. Wenn man den hat, dann muss man sich mit ihm nur noch prügeln, wer den besten Platz mit Aussicht auf die unglaublich attraktive (ich vermute ja in einer Gay-Modell-Agentur gecastete) Bedienung besetzen darf. Lauter übernatürlich attraktive Sahneschnitten mit überdurchschnittlich hoher Bedienkultur (will was heißen in dieser Stadt). Das Essen ist übrigens ebenfalls sehr lecker und preislich dafür absolut im Rahmen. Äh … aber ich wollte meinen Senf zu dem benachbarten Café ablassen.
(Erfreut Euch an der rauschenden Bildqualität meiner ixus 90.)
Café Steiner ist im Gegensatz zum MORE im alten Kaffeehausstil mit Antiquitäten eingerichtet, ohne muffig zu erscheinen. Bei der Einrichtung hat man auf weniger ist mehr gesetzt und so hat jedes einzelne Stück seinen Raum, um zu wirken. Sehr angenehm. Der Kuchen steht in der runden Kuchenvitrine als auch auf dem Buffett im Café-Raum. Das suggeriert das schöne Gefühl, man setzt sich an den gedeckten Kaffeetisch.
Als wir am späten Nachmittag eintrafen, gab es eine pragmatische Auswahl zwischen drei letzten Sorten Kuchen: für Berlin obligatorisch der Käsekuchen, ein letztes Stück Haselnuss nur mit Eischnee und …
Gugelhupf.
Ist das nicht eine Freude? Wo bekommt man heute noch einen Attitüde freien bodenständigen Gugelhupf mit feinem Hefegeschmack, seiner für ihn prädestinierten leichten Trockenheit mit der ein Kaffee oder Tee gleich doppelt so sinnvoll gut schmeckt? Ich hatte ein Herz für das letzte Stück Haselnuss, dass sehr nussig (natürlich) und locker daher kam. Bel den Gugelhupf. Serviert mit Charme und Herzlichkeit, wie man sich das in jedem Café wünschen möchte, weil's zu einem Kaffee am schlichtesten passt. Alleine dieser Spaß am servieren ist in Berlin ja schon vor 30 Jahren in die Gosse gegangen.
Nicht im Café Steiner, uns wurde empfohlen was es zu empfehlen gab – auch wenn das nicht so sehr viel war, weil die Auswahl bewusst eingeschränkt dafür aber liebevoll frisch gehalten wird. Aber mal ehrlich, mehr als drei Sorten Kuchen braucht kein Mensch an einem Nachmittag.
Etwas später wuchs dann wie durch Zauberhand für den mittlerweile (wegen mir) zur Neige gegangenen Haselnusskuchen eine Himbeertarte nach, die uns schüchtern errötet aus der Tortenvitrine anlächelte und der wir auch unserer Herz schenkten. Schon alleine deswegen, weil Himbeertorten bei Tauwetter das Beste sind, was dem eigenen, des Witterungsgrau wirklich müden, Auge vorgesetzt werden darf. Die schmucke Schöne kam mit einem feinen Mürbeteig auf dem eine sehr satte Mandelschicht als Bindeglied die fein säuberlich per Hand in Reihe und Glied sortierten Himbeeren beherbergte. Wenn jemals Himbeeren liebevoll verarbeitet wurden, dann wohl hier anlässlich dieser Tarteherstellung.
Nicht ganz so lobend kann ich mich leider über den von mir georderten Milchkaffee äußern, der schmeckte nach zu Tode geröstet oder wie diese Kaffeemischungen gerne schmecken, denen man die brutale Misshandlung der Billigkaffeestreckung nachsagen muss. Das ist richtig, richtig schade – weil ein guter Kaffee in einem Café gefälligst zu sein hat und jedes so schöne Gefühl empfindlich stört. In Zeiten von Kaffeehausketten, die das können und in denen selbst ein RTL-II-Publikum sehr wohl weiß, was ein Barista den ganzen Tag lang macht, darf man sich so einen Kaffee im Angebot nicht mehr erlauben. Der Tee von Bel soll dagegen wohl sehr gut gewesen sein. Insofern schade, weil die ganz reizenden Steiner-Jungs an dem Nachmittag an mir lässig noch zwei weitere Tassen hätten verdienen können. Das Café Steiner serviert auch Frühstück und eine leichte Küche, hat geöffnet von 8-19:00 Uhr (im Sommer wohl länger). Motzstraße 30, 10777 Berlin (U-Bahnhof Nollendorfplatz/U-Bahnhof Viktoria-Luise-Platz, div. Busse.)
Kleine Warnung für die leicht zu pikierende touristische Dame, der das Regenbogenmillieu nicht sehr geläufig ist. Im Café Steiner hat's nur für eine Metrosex-Toilette gereicht. Die Urinale sind dabei der einen abschließbaren Volltoilette räumlich vorsortiert – das muss man mögen – oder sich mit Erwachsenenwindeln eindecken.
3 comments:
Oh, das werde ich dann mal ausprobieren. Ich bin momentan kuchenmäßig noch ganz geschockt vom Verlust des Bierhimmels.
Aber das mit dem Kaffee ist wirklich merkwürdig. Ich kenne in der Gegend einige Cafés, die guten Kuchen servieren -- und fast alle fallen durch grottenschlechten Kaffee auf. So als ob dort jemand seine Balancebesessenheit durchsetze: gut + schlecht, am Ende muss 0 herauskommen...
Wieso Verlust des Bierhimmels? Da waren wir neulich doch erst noch … ?
Dieses grottenschlechten Kaffee zu servieren, scheint mir auch eine Besonderheit der westlichen City zu sein. Den gleichen miesen Kaffee gab es damals immer in der Rosaline R.i.P. (daher weiß ich auch, dass er gemeinhin dann gepanscht ist und kein Maschinenkaffee) oder dem Schwarzen Café … eklig. Und dafür gibt es auch keine Entschuldigung, wenn ich ein Kaffee aufmachen würde, würde ich viel daran setzen, den perfekten Kaffee zu servieren. Letztendlich verdient man an den Leuten, die gerne in den Laden gehen, nur um mal schnell einen Café zu trinken, weil er richtig gut ist und etwas was Freude macht, nicht unerheblich!
Die Kuchen und Torten in diesem Laden sind gar nicht selbstgebacken. Die kommen aus einem Biobäckerei.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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