2009-06-27

I'm bad

Ich mochte ihn nicht. Also nicht persönlich, das ging ja mangels persönlicher Gelegenheit auch nicht. Aber als Künstler konnte ich mit ihm nichts anfangen. Ich fand seine Musik nie besonders geniereich. Da das aber alle anderen fanden, wurde ich ständig mit seinen Songs regelrecht penetriert. Ich konnte seine Stimme nicht leiden. Da machte das Überangebot seiner Musik im Radio, in den Clubs, in den Supermärkten unser Verhältnis nicht entspannter. Ich fand auch seine Tanzmoves nie sensationell. Ja, das stimmt: er hatte irgendwann mal einen neuen Style entwickelt (wobei ich eher vermute, das geschah wie üblich mit einem Choreographen zusammen), den hat er aber auch bis zur Übelsichtigkeit gebracht, hier und da in den Videos nur etwas anders ausgeleuchtet. Was er meiner Meinung nach wirklich sehr gut konnte, das waren seine Piouretten, er konnte auf der Bühne gut posen und sein „I love you!“ war auch irgendwie ein Renner und nicht zu vergessen, seine stilistische Konsequenz weiße Socken tragen. Kurz: künstlerisch hatte ich mit Michael Jackson genau gar nichts am Hut. Was nicht heißt, dass ich ihm die von anderen bescheinigten Talente oder sein Genie absprechen will oder werde. Er hat mich eben nie erreicht (hat übrigens Paul McCartney auch nie – ich bin demnach eh ein verlorener Fall) und ich hätte ihn sehr gerne einfach nur ignoriert. Das ging aber fremdbestimmt nie und so ging er darüber hinaus mir auch mit seinen Attitüden extrem auf den Geist. Nicht persönlich, er hätte sich da sicherlich für mich und sich auch etwas anderes gewünscht – das war alles medial gegeben, dafür konnte der Mann nichts. Er wollte nur sein Leben leben, wie er es für richtig und lebenswert hielt und hätte das ganz offensichtlich am liebsten ohne Öffentlichkeit getan.

All das wiederum machte mein Verhältnis zu ihm nicht einfach, denn ich bin natürlich Zeit meines Lebens nicht an diesem Mann vorbei gekommen. Was, das sage ich sehr ehrlich, teilweise unglaublich nervig und anstrengend war. Überlegt Euch bitte einen Künstler, den Ihr partout nicht abkönnt, dessen Stimme ihr nicht ertragt – und nun stellt Euch diesen Künstler mit der weltweiten impertinenten Medienpräsenz eines Michael Jackson vor – über gefühlte 30 Jahrzehnte. Menschen, die mit Michael Jackson nichts anfangen konnten, hatten es genau diese drei Jahrzehnte nicht besonders leicht auf diesem Gebiet, denn man kam an ihm nie vorbei. Man konnte ihn nicht ignorieren, man hatte auch nie eine echte Chance weghören zu können.

Von Menschen wie mir daher seit gestern allzu große Betroffenheit zu verlangen, das ist etwas kurzsichtig etwas viel verlangt. Ich muss auch nach 30 Jahren Michael Jackson-Gequäle nicht plötzlich auf das Umschwenken, was Menschen allzu gerne Pietät nennen möchten. Ich muss nicht über einen Mann, den ich nie persönlich kennen gelernt habe, dessen Schaffen ich nie schätzen konnte, nun nur weil er plötzlich verstorben ist, besonders rücksichtsvoll sprechen oder mir jeden Witz über ihn verkneifen, den nur zwölf Stunden vorher jeder andere über ihn gerissen hätte. Das wäre aus Sicht von Anderen, möglicherweise Fans, vielleicht pietätvoll, für mich wäre das heuchlerisch. Mir fällt kein Grund ein, warum ich Michael Jackson zuliebe plötzlich zur Heuchlerin werden sollte.

Nie geglaubt indes habe ich, dass Michael Jackson zu Recht verdächtigt wurde, sich an Kindern vergangen zu haben. In diesem Punkt habe ich in Diskussionen immer meine Hand über ihn gehalten und dafür stellenweise ganz gut verbale Dresche bekommen. Aber für mich war der Mann asexuell, und ich bezweifle ernsthaft, dass er jemals im Gemüt über das Stadium seiner Kindheit hinaus gekommen ist. Gestern gucke ich mir tapfer und ihm somit auf meine Weise Tribut zollend ein Konzert an, dass die ARD ausgestrahlt hatte. In den Szenen, in denen Jackson versuchte so etwas wie Sex in seine Bühnenshow zu integrieren, mit zu häufigen penetranten Beckenbewegungen und Tastversuchen ins Gemächt, schien er mir weiter weg vom praktischen Sexleben eines Erwachsenen denn je. Genau so asexuell fand ich die Show im Ganzen, er war gut in Militärschritten und -szenen gemeinsam mit seinen Tänzern, vielleicht war das choreographisch seine Vorstellung männliche Dominanz zu demonstrieren, auch das wirkte auf mich eher hilflos. Ja, man kann keinen Sex leben und trotzdem heiraten und auch Kinder bekommen. Das geht. Ich bin mir immer sicher gewesen, für Jackson waren Kinder heilig und absolut unantastbar.

Ich habe an Michael Jackson besonders nicht geschätzt, wie er seine Fans belogen hatte. Zu erzählen, er hätte eine Krankheit, eine Pigementstörung, die seine Haut immer weißer werden ließ, war eine offensichtliche Unwahrheit. Genau so offensichtlich wie es Jacksons in die Realität umgesetzer Wunsch war, sich von dem äußeren Erscheinungsbild eines Schwarzen zu entfernen. Denn wegen einer Pigmentstörung werden nicht plötzlich auch Nasen schmaler, erscheint ein Kinn und die gesamte Gesichtsphysiognomie völlig anders geformt. Auch kommen krankhafte Pigmentstörungen nicht in einer derartigen perfekten Regelmäßigkeit her. Solche offensichtlichen Eingriffe zu verneinen, das ist Lüge. Natürlich war Jackson indes krank, das will ich ihm nicht absprechen. Gestern erklärte ein Prominenter, der Jackson persönlich als Freund kannte, dieser hätte ihm einmal erklärt, er wolle sich mit seiner Verwandlung äußerlich so weit wie möglich von seinem Vater entfernen. Das ergibt einen Sinn und es ist zu respektieren, will man nur einen Bruchteil dessen glauben, was über Michael Jacksons Jugend erzählt wird. Ich hätte mir nur gewünscht, er hätte sich diesbezüglich seinen Fans gegenüber eine Variante näher der Wahrheit in der Kommunikation gesucht. Denn es war zu offensichtlich, wenn ein schwarzer Mann primär Kontakt zu Weißen sucht, weiße Frauen ehelicht, mit weißen Frauen Kinder zeugt. Michael Jackson hat seinem Körper viel zugemutet, um so auszusehen, wie er zum Schluss aussah. Das geht nicht ohne Nebenwirkungen. Er hat sein Risiko selbst gewählt und gelebt.

Noch verstehe ich nicht, wie eine Versicherung einen Künstler wie Jackson für eine Konzerttournee in Millionenhöhe versichert und diesen Künstler natürlich vorher gesundheitlich sehr genau überprüft und dabei angeblich nicht bemerkt haben soll, dass er tabletten- und ja wohl auch morphinsüchtig ist. Der Mann war offensichtlich die letzten Jahre gesundheitlich alles andere als in Form. Ich verstehe auch nicht, wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte, Michael Jackson wieder auf die Bühne bringen zu wollen, bei allem Respekt vor seinen Schulden, vor allem in dieser unfassbaren Kürze der Zeit. Ich habe ihn damals bei der Verkündung der Termine gesehen – dieser minimale Auftritt eines eben ganz und gar nicht gesund wirken Mannes und habe bei mir gedacht: „Junge, aus der Nummer kommst Du nur noch raus, wenn Du vorher tot umfällst.“

Das hat er nun getan und damit ist er auch aus der ganz großen Nummer raus. Ich vertraue zwangsläufig auf die Wiedergeburt und nächste höhere Karmastufe. Ich mache mir da keine Sorgen wegen Michael Jackson, denn er hat es vermocht unglaublich vielen Menschen auf diesem Planeten sehr viel zu geben. Will man den Stimmen derer Glauben schenken, die ihn persönlich kannten, dann nicht nur als Künstler, auch als Mensch. Alle beschreiben ihn als besonders freundlich und warmherzig. Vergessen sollte man nicht, dass der Mann immer und außerordentlich viel für karitative Zwecke getan hat: für Kinder. Das alles erkenne ich ihm hoch an, auch wenn ich nicht zu denen zähle, die seine Musik genießen konnten. Er muss daneben sehr oft sehr viel und sehr tief gelitten haben. Physisch und psychisch. Ich hoffe, er konnte in den letzten Lebensjahren – trotz juristischer und öffentlicher Umstände - glücklich sein, für, wegen und mit seinen Kindern. Ich wünsche ihm, beim nächsten Mal wird es viel besser!

5 comments:

Anonym hat gesagt…

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bhuti hat gesagt…

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Anonym hat gesagt…

Stimmt, Du musst nicht heucheln. Du musst aber auch nicht nachtreten, finde ich. Okay, Du mochtest seine Show, seinen Tanzstil und seine Musik nicht. Fair enough.

Du misst MJ aber darüber hinaus mit einem Maßstab, dem kein Menschen - und schon gar nicht einer mit so vielen persönlichen Problemen wie MJ - gerecht werden kann.

Wer allerdings weder McCartney noch Jackson mag, bei dem nusikalisch einiges verloren. ;-)

Foxxi hat gesagt…

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creezy hat gesagt…

@anonym
Wo trete ich denn nach? Und wo messe ich Jackson mit einem Maßstab, dem er nicht gerecht werden konnte?

Eine bestimmte Art von Musik nicht zu mögen, heißt übrigens nicht zwangsläufig nicht deren Bedeutung oder Größe anerkennen zu können. Es heißt nur, dass man sie sich selber nicht kaufen will.

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