2008-07-23

Ach und quatsch.

Da schreibe ich also im vorhergehenden Post auf die Frage nach dem nächsten Urlaubsziel hübsche Orte auf, die ich kenne und vermisse oder nicht kenne, deswegen also auch vermisse und im Grunde ist das alles völliger Quatsch. Denn eigentlich … Eigentlich würde ich tatsächlich viel lieber, dringender und endlich nach Afrika wollen, dieses Land sehen mit seinen ultimativen Problemen, gegen die unsere hier Pippikram sind und ich würde all' diese Kinder in den Arm nehmen wollen, denen die Mutti an Aids dahin krepiert ist und ihnen sagen wollen, alles würde gut, so wie es jedes Baby in jeder Kultur ganz dringend jemand braucht, der ein Gefühl vermittelt von nicht verlassen zu werden. Kleine Hände halten und Mut mit aller Körpersprache zu sprechen, weil es für die Landessprache nicht reicht, was auch nicht wichtig ist, denn Körpersprache versteht jedes Kind.

Und … nebenbei hätte ich fürchterlich viel Angst vor so einem Tripp, weil ich genau weiß, ich stünde da und wüsste gar nicht welches Kind man zuerst retten soll in Angesicht dieser Masse an Menschenkinderaugen oder auch Menscherwachsenenaugen, die nicht begreifen können, warum es ihnen so gehen muss, wie es ihnen geht, denn sie wollen nicht mal in Saus und Braus leben, sondern einfach nur leben. Aber ihnen ihr Leben schenken und sie retten, will man sie alle. Und selbst das ginge nicht, denn man überhaupt eines retten könnte, denn man kann sie nicht einfach in die Tasche packen und mitnehmen und wenigstens in einem kleinen Leben alles gut werden zu lassen, wenn auch fern ihrer Kultur. Gar nichts könnte man vermutlich tun, allerhöchstens schreiben, mitleiden, teilen, das Wissen um das Leid der Anderen. Also hätte ich abgrundtiefe Angst zurückzukommen und zu realisieren, das Leben ist nach realen Bildern wie diesen nie mehr so, wie es einmal gewesen sein mag. Alles anders, neu, tiefer, schwerer. Leichtigkeit adé. Dem Tod in einer ganz anderen Dimension begegnet, denn da sind deutsche Zugunglücke ein Kinderkram gegen.

Ich vermute zu solchen Reisen werden wir wohl nie eingeladen werden, um darüber zu bloggen. Vielleicht auch, weil wir nicht wichtig genug scheinen. Vielleicht, weil es keiner lesen will? Die Öffentlichkeit bastelt sich ihre Angebote selber.

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wie wahr, wie wahr! leider berichten die Medien hier auch nur über die deutschen Zugunglücke und nicht über die Millionen hungernden und elternlosen Kinder in Afrika und anderen Ländern.

würdest du trotz des Wissens um das "hinterher" dorthin fahren oder nicht? Müßte es unbedingt Afrika sein?

creezy hat gesagt…

Doch ich würde, ich denke das ist eine Lebenserfahrung der ganz besonderen Art, vor der ich früher viel zu viel Angst gehabt hätte. Jetzt bin ich reif dafür, um es ertragen zu können und positiv für die Sache umsetzen können.

Natürlich reichen rumänische Kinderkrankenhäuser auch, um die Augen weit geöffnet zu bekommen. Aber in Afrika sind wohl die Dimensionen ganz andere.

Anonym hat gesagt…

Aidswaisen als "Lebenserfahrung"? Eingeladen werden, um Kinder zu umarmen?? Frau Creezy, diesen Beitrag könnte man aber auch als leicht eurozentristisch lesen, bzw. zynisch kommentieren. Wenn man Zeit hat, gäbe es auch hierzulande genug arme Kinder zu umarmen, ohne das touristische Erlebnis dabei.

creezy hat gesagt…

Weißt du, Frau Generator, jeder Blogeintrag kann in den falschen Hals bekommen werden Ich schreibe hier ein Blog, ein subjektives, kein Meinungsblatt für die Auflage. Mir ist zu meinem vorhergehenden Eintrag aufgefallen, dass unsereins bei Urlauszielen doch zuerst an schöne und für die Seele pflegeleichte Orte denkt, nur wenige von uns gehen in dieser Zeit vor Ort in Projekte helfen. Das aufzugreifen … Wo ist da bitte Zynismus? Emotion ja. Die darf. Ich bin in meinem Blog, nicht in Deinem.

Von jemanden, der mich wie Du nun gerade persönlich kennt, ärgert mich Dein Einwurf ehrlich enorm. Menschen sterben in vielen Gebieten Afrikas an Aids, an Hunger, an den Folgen ihres Flüchtlingdaseins. Eurozentrismus vorzuwerfen ist fehl am Platz. Ganz ehrlich, wenn ich an Darfur denke, empfinde ich abwehrendes «das ist gar nicht so schlimm, wie wir verwöhnten Europäer denken» deutlich eher als Zynismus. Es geht mir im übrigen nicht darum als Tourist einzufallen. Und selbstverständlich macht so ein Erleben Erfahrung, Lebenserfahrung im Endeffekt. Dessen sich im Vorfeld bewusst zu sein, daran ist nichts aber auch gar nichts falsch.

Allenfalls der letzte Absatz mit dem «eingeladen werden», da darf man, soll man natürlich Zynismus lesen. Natürlich sehe ich da einen Unterschied zwischen einer «Einladung» zu einer Blogkonferenz nach Übersee, Autopräsentation in Italien. Was aber wäre, wenn eine Organisation Blogger mitnehmen würde, um von deren Arbeit vor Ort zu bloggen? Um selber Hand anzulegen z. B. bei Bauvorhaben? Wer würde das tatsächlich tun? Nicht schon bei den Impfungen klein beigeben?

tyndra hat gesagt…

ich habe schon oft darüber nachgedacht, für das rote kreuz oder eine andere hilfsorganisation einen monat in afrika zu arbeiten, in irgendeiner funktion. aber ich habe das mittlerweile abgehakt, weil es mir ähnlich geht wie dir: ich könnte das elend der kinder einfach nicht aushalten.

wiederaufbau in katastrophengebieten, nach naturgewalten, nach kriegen: ok. schwer, aber ok. die kinder in afrika allerdings berühren mich auf eine ganz andere weise.

Anonym hat gesagt…

@Frau creezy
Nein, das hast du falsch verstanden. Ich meinte nicht, der beitrag sei zynisch, sondern könnte zynische Kommentare provozieren, denn Händehalten und Umarmen kleiner Kinder ist eventuell nicht gerade die praktische Hilfe, die dringendsten gebraucht wird.

Meine Cousine arbeitet in Tansania bei der Aids-Hilfe des Mbeya Medical Research Programme (www.mmrp.org), mein Bruder war fünf Jahre in Mali, mehrere Freunde waren für die GTZ in Afrika. Es ist sehr widersprüchlich und aufreibend. Ein Bekannter ist nach 12 Jahren Afrika richtiggehend verrückt geworden.

Es gibt viele Projekte, die um Helfer werben. Wenn man Zeit hat, spricht nichts dagegen, dort einzusteigen und mitzuarbeiten. Aber ich werde einfach etwas skeptisch bei zuviel Romantisierung von humanitärer "Hilfe" (immer schön aus europäischer Sicht). Das meiste Elend ist politisch gewollt und fabriziert - und emotionale Betroffenheit macht das nicht besser.

creezy hat gesagt…

@tyndra
Genau. Andererseits – eben das geht auch. Oder könnte ich nun.

@generator
Gut, dass Afrikas Probleme mittlerweile längst keine hausgmachten sind, sondern explizit von Dritten herbei geführt, das weiß ich, weiß wohl jeder meiner Generation. Ich weiß aber nicht, warum wir deswegen sagen sollten, «Geht uns nichts an, krepiert doch. Euch ist eh nicht zu helfen. Globalisierung ist einfach für ein paar Leute, die es verstanden haben, zu geil, als das man Euch dafür nicht über die Klinge springen lassen sollte. Sorry, wir können für Euch nichts mehr tun!» Denn das wäre ja die Konsequenz nicht? Resignation.

Natürlich ist die Arbeit in diesen Projekten widersprüchlich und aufreibend. Und sie hat rein gar nichts mit der «Romantik» zu tun, die gerne mal via RTL vermittelt wird, wenn das Popsternchen kurz vor Weihnachten im Trailer mit tränenden Augen dunkelhäutige Kinder umarmt. Respekt denen, die es aushalten über Jahre gegen diese riesigen Wände von Korruption, Ausnutzung und politischen als auch wirtschaftlichen Wahnsinn zu arbeiten.

Denoch und jetzt mal ehrlich: Wieso wird einem in diesem Land neuerdings immer häufiger verboten (oder vorgehalten, wenn man es ist) emotional sein zu dürfen? Oder emotional betroffen?

Wann genau hat Emotion diesen miesen Stellenwert erhalten, dass man sie sich ständig versagen soll auf Anraten von Dritten?

Ich bin recht häufig emotional betroffen aus sehr unterschiedlichen Gründen. Ich bin stolz drauf. Für mich ist es ein Gefühl, das zeigt, als Mensch zu funktionieren. Das heißt noch lange nicht, dass ich deswegen meinen Kopf und dessen Inhalt über den Jordan werfe. Oder Hintergründe nicht kapieren würde.

Mensch, macht Euch doch mal wieder locker! Gefühle sind nichts, weswegen man die Krätze kriegen muss. Wirklich nicht! Und nur wer fühlt, versteht deswegen noch lange nicht von den Dingen weniger als Bahnhof! Irgendwas läuft diesbezüglich in den Köpfen vieler Menschen verdammt quer!

Anonym hat gesagt…

Niemand hat hier behauptet: "Geht uns nichts an". Und niemand hat etwas gegen Emotionalität gesagt.
Es ging mir um eine andere Ebene der Debatte, nämlich, ob Betroffenheit der beste Weg ist, kranken, armen und noch dazu weit entfernten Kindern zu helfen.

Was das Bloggen und praktische Unterstützung angeht, vielleicht wäre es effektiver, statt als "urlaubender" Europäer über die armen Afrikaner zu bloggen, den Leuten zu helfen, selber zu bloggen. Es gibt hier in Berlin ein paar Leute, die dort hinfahren, um Dörfer zu vernetzen (mit Funk und Solaranlagen). Das ist doch ein super Idee, oder?

Anonym hat gesagt…
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creezy hat gesagt…

Ach so, Kommentare erst mal hier aus, bis ich mich heute nachmittag wieder in Ruhe den kleinen verbalen Pfürzen von Morti & co. widmen kann.

creezy hat gesagt…

Ach, und Besucher, die auf Wunsch einer einzelnen, sich fürchterlich ungerecht behandelt fühlenden Dame hierher fanden, dürfen sich gerne gerne abschließend hier Kommentar Nr. 3 durchlesen.

Nur um die Angelegenheit zu einer komplett runden zu machen.

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