2007-12-12

Ein Wunder

Der Aufschwung kommt. Oder ist da. Behaupten die einen. Der Aufschwung ist zäh, der Weihnachtseinkauf der konsumfreudigen Bürger kommt nicht so richtig in die Gänge, bemerken die anderen. Und dem Online-Handel geht es nicht gut dieses Jahr zu Hauptumschlagszeit. Die Lager sind voll, die Bestellkörbe bleiben leer. Aber der Aufschwung, der ist ja da oder kommt und das ganz dolle! Und alles wird gut.

Neulich ging ich zu zwei Berliner Weiterbildungsinstituten, die im Auftrag der Arbeitsagentur auf Modulbasis Arbeitsuchende weiterbilden. Ein bisschen trotzig ging ich dahin, denn ich weiß wie mir mein Fallmanager – bevor ich einige Zeit krank geschrieben war – jegliche Form dieser Unterstützung im Vorfeld verbal mit einem «kein Geld da für so etwas» abschlagen wollte. Da stößt es bitter auf, liest man in Zeitungen von in den Staatshaushalt rückgeführte Summen in Millionenenhöhe, die für die Qualifizierung von Arbeitssuchenden bereit gestellt worden waren, jedoch nicht abgerufen wurden. Gewundert hatte sich über diesen Umstand niemand so recht – jedenfalls nicht jenseits der Seite der Arbeitssuchenden. Weil doch eigentlich Fachpersonal angeblich so dringend gesucht wird.

Zwei Institute also besuchte ich und holte mir ein Angebot. In beiden Instituten fragte ich nach, wie denn die Tendenz bei der Bewilligung heute sei (in der Hoffnung mir im Gespräch noch den einen oder anderen Tipp für die Argumente bei der Agentur zu holen). Jedes Mal strahlten die Gesichter und berichteten mir, im Moment würde sehr großzügig bewilligt. Fast über 90 % der eingeholten Angebote seien bewilligt worden. Erinnern wir uns? Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen «entsorgt», fallen zunächst aus der Arbeitslosenstatistik, gelten als arbeitend. Das aber hinterfragt niemand auf der Seite der an den Aufschwung glaubenden naiven Mehrheit.

Gestern führe ich ein Gespräch mit jemandem, die sich aus beruflichen Gründen öfter mit Langzeitarbeitslosen trifft und sie berichtet, diese erzählen, sie würden zur Zeit mit 1-Euro-Job-Angeboten bombardiert, säßen aber selber innerhalb dieser «ABM-Maßnahme» nur herum und würden sich langweilen. Zu tun gäbe es gar nichts, sie fühlten sich nur «geparkt.» Die Arbeitslosenstatistik ist hingegen von ihnen bereinigt. Für neun Monate und mehr. Auch das interessiert niemanden von denen, die an die Lüge von sinkenden Arbeitslosenzahlen glauben möchten.

Dann liest man in den Tageszeitungen von Arbeitsagenturen, die unter der Last der Arbeit nur noch stöhnen. Sie leiden, weil sie keine qualitative Beratungen durchführen können, mangels Fachpersonal. Die Bundesarbeitsagentur in Nürnberg hätte verboten, weiterhin befristete Stellen einzurichten. Das ist einerseits logisch, bei den offiziell stetig sinkenden Arbeitslosenzahlen sollten man meinen, müssten die Agenturen problemlos wieder mit weniger Arbeitskräften auskommen können. Andererseits kann man sich fragen, warum sind die Gänge bei den Jobcentern unverändert voll? Die Termine bei den Fallmanagern so rar? Wird hier künstlich verknappt? Oder sieht es möglicherweise doch gar nicht so günstig für den Arbeitslosenmarkt?

Erinnere ich mich im stillen an einen Artikel in der taz von 2005. Das mit den versprochenen Arbeitsplätzen ist natürlich eine Illusion. Es gibt keine Arbeitsplätze und es wird auch keine geben. Nie mehr! Keiner kennt dieses Dilemma besser als die Behörde. Das ist ein Faktum, das seit Jahrzehnten vorher gesagt wurde – und da wundert sich niemand über den so kurzfristigen wundersamen Wandel?

Nun ja, dass die Arbeitsagenturen möglicherweise nicht mit ihrem Personal auskommen, mag mit daran liegen, dass viele Menschen in Deutschland zwar arbeiten, auch Vollzeit arbeiten aber für ein Entgelt mit dem sie nicht über die Runden kommen können. Das sind dann aber in den Medien nur die kleineren Meldungen. Ach, sie passen auch nicht wirklich in das aktuelle Aufschwungs-Propaganda-Konzept.

Erinnern wir uns an den Sommer? Als alle über die immensen Preissteigerungen auch jenseits des Rohölmarktes aufstöhnten, also auch die, die genügend Geld im Portemonnaie haben und zögerlich auch von stimmenkräftiger Seite laut wurde, nun müsste vielleicht doch über eine Anhebung des AG II-Satzes gesprochen werden. Die Debatte wurde von Frau Merkel auf den November verschoben. Dann mussten Herr Müntefering und Herrn Beck ihren öffentlichen Schwanzvergleich zur Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitnehmer vollführen und die für Millionen Menschen wichtige existenzrelevante Klärung, ob man Ende 2007 mit € 345,– wirklich noch menschenwürdig leben kann, fiel den Bach runter. Nicht den Bach runter fiel die Diätenerhöhung für die Abgeordneten, nur ein Schlag mehr in das Gesicht der faulen anonymen von der Agentur verwalteten Masse. Sie sind es ja geübt, sie halten in freudiger Erwartung nun die andere Seite auch hin.

Tatsächlich sollte auch über eine Anhebung des AG II-Satzes alles nur nicht laut debatiert werden, weil es den Erfolgsmarsch einer ständig den Kindern in der dritten Welt über den Kopf streichelnden Kanzlerin zunichte machen würde, denn dann müssten Zahlen genannt werden. Und wenn diese Zahlen für die aufzubringenden zusätzlichen Kosten genannt würden, könnte ein überlegender Mensch möglicherweise ausrechnen, wieviele Menschen in diesem Land tatsächlich doch noch arbeitslos sind. Entgegen aller schlau gefärbten Statistiken. Ach Frau Merkel, im Traume sehe ich Sie dieser Tage in den Ausgabestellen der Berliner Tafel stehen und den bedürftigen Kindern der hiesigen Welt einmal mütterlich wohlwollend über den Kopf streicheln.

Der Aufschwung, der kommt. Bestimmt. Ich kann ihn riechen. Wenn ich einmal für fünf Minuten das Denken abstelle und mit dem Träumen beginne.

39 comments:

Sebastian hat gesagt…

Hallo,
erstein mal war das wieder ein wirklich großartiger Beitrag.
Ich wollte das nun aber auch mal kommentieren.
Zunächst: Es trifft immer die falschen.
ALG X (X für I + II und was noch sein wird) ist meiner Meinung nach vom Grundgedanken her eine gute Sache. Menschen die (aus welchen Gründen auch immer) nicht arbeiten gehen bekommen Geld. OKAY über die Menge lässt sich streiten, und ehrlich gesagt weiß ich auch grade nicht wie viel man bekommt. Ich weiß nur das ich damals (Anne 2005) in 3 Monaten zwischen Zivi und Studium 640.- (O.O) Euro bekommen habe dafür das ich mich "aufs Studium vorbereitet habe"...
Wenn ich recht informiert bin (und ich bitte um FREUNDLICHE Korrektur wenn ich falsch liege und gebe dann gedemütigt zu, dass ich wohl doch Ahnungslos bin.
Aus meiner Heutigen Sicht schaut es für mich so aus:
Für nicht arbeiten gehen (was wie ich in der oben genannten Zeit gemerk habe wirklich nicht so toll ist wie es klingt) bekommen "Leistungsberechtigte" 347.- + Miete und Heizkosten. Klingt echt nicht viel außer wenn man wirklich bedenkt 347.- die nicht für Miete und Heizung ausgegeben werden müssen.
Und dann schaue ich mich mal an...
Ich bin Student 22 Jahre, habe eine sehr gute Berufsausbildung, Abitur und studiere (halt). Derzeit bin ich Praktikant vorher war ich Werkstudent.
Beide Anstellungen zusammen habe ich durchschnittlich 450.- durch ca 20h Arbeit die Woche. Dazu kommt 150.- Kindergeld. Kommt mir nicht mit BAFÖG Angeblich verdienen meine Eltern zu viel (Vater Rentner Mutter im öffentlichen Dienst)...
Rechnet man das also zusammen kommt man auf RUND 600.- MINUS Miete und Heizkosten (ich nehme den ALGII Satz für Alleinstehende) 360.- bleiben mir 240.- Pro Monat übrig... *Schluck*

Was ich mit dieser Rechnung zeigen will ist .oO(Nicht vergessen am Ende Kontonummer für Spenden angeben), dass ich obwohl ich Arbeite, und studiere, verstehen kann was da abläuft. (einiges)...

OKAY uns gehts besser... Aber wir Merken nichts?!
- Die Großen Unternehmen, die durch steigende Wirtschaft mehr einnehmen, müssen "einfach" ihr Geld wieder unter die Leute bringen.
- Der Staat / das Land / die Kommune ... geben kein Geld für Förderung aus... Wirtschaftlich gesehen ist das auch (ganz stupide gesehen [und das ist nicht meine Meinung]) richtig so. Erst einmal müssen Schulden getilgt werden. (Ich gebe ja auch nicht Geld weg wenn ich mal mehr bekomme obwohl ich noch Schulden habe)... erst wenn diese Schulden abgebaut sind, kann man in saus und braus leben. (Abgesehen von Rücklagen für die nächste Dürre).

Was wollte ich noch sagen??? Ach ja.
"Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast" Jeder kennt es jeder liebt es...

Und man darf nicht bedenken... bei einigen klappt es, und sie werden durch positive Nachrichten beflügelt. Denn wie aus dem obigen Beispiel (große Firmen) müssen die Lohn- und Gehaltsempfänger das Geld auch wieder in die Industrie stecken. KAUFEN KAUFEN KAUFEN. Doch leider ist die Deutsche Mentalität so, dass wir lieber Geld im Socken unter der Matratze bunkern - für schlechtere Zeiten -, als sie wieder Anzulegen...

So genug ausgelassen...
Also ich will nochmal klar stellen ich verstehe jede Seite... und kann verstehen, wenn man mich nicht versteht. Und schummel und betrug und Täuschen und was weiß ich nicht noch alles gehört zur Politik wie... (Den Spruch mit dem Gotteshaus kneife ich mir jetzt)

Anonym hat gesagt…

creezy, besser hätte ich es auch nicht schreiben können. Danke dafür! Ich habe schon erwogen mir solche Texte wie Deinen oder kürzlich den Artikel auf den einer Deiner Kommentatoren mit Link hinwies auszudrucken und in einer Mappe zu sammeln, die ich dann denen in die Hand drücke, die zur blind glaubenden Masse gehören und darum zunehmend verständnislos reagieren, wenn man auf Nachfrage ob man denn nun endlich eine neue Arbeit gefunden habe, immer noch mit nein antworten muss.

Anonym hat gesagt…

So isses. Leider durchschauen das nur die wenigstens so.

@Sebastian: Die Rechnung geht nicht in allen Fällen so auf, dass man 347 Euro zum Leben zur Vefügung hat. Denn wenn die Wohnung zu groß ist, zahlt die Arbeitsagentur nicht die volle Miete, sondern man darf von diesen 347 Euro noch was dazuzahlen. Und selbst wenn man die Summe ganz für sich haben kann, ist es immer noch nicht viel...

Sebastian hat gesagt…

oh... nein, nein so sollte das nicht rüber kommen... das das nicht viel ist kann jeder nachvollziehen... nur, mann muss in die Betrachtung "nicht viel Geld" aber auch den Aufwand der "Leistungsempfänger" (Merkt man, dass ich das Wort "mag") betrachten. Ich unterstelle hier niemanden, dass sie / er freiwillig zu Hause rum lungert und nicht arbeiten will. Aber fast 350 Euro fürs nichts tun bekommen finde ich schon ausreichent... mit diesem Geld könnte ich mich 100% aufs Studium konzentrieren, müsste nebenbei nicht noch arbeiten gehen.

Bitte bitte nicht denken, dass ich gegen Soziale Werte bin, doch muss ich sagen das es einigen Leuten noch immer nicht schlecht genug geht, sonst würden Sie was an ihrer Situation ändern.

Doffe frage, aber darf man als "Leistungsempfänger" nebenbei jobben? so 400€ Minijobs?

Aber wenn man mal das Beispiel nimmt...
Wenn Herr X (22 Jahre, Hauptschulabschluss, keine Ausbildung seit 2 Jahren kein Job) zu Kaufland geht und da einen Job als Aushilfskraft (40h im Monat ~350 €/Monat) haben will wird sich Herr X. denken... "Okay ich bekomme jetzt ALGII + Wohngeld ohne was zu machen, und wenn ich da 40h arbeite bekomme ich nur 350€, und eventuell kein Wohngeld mehr... Warum sollte ich das machen?"

Und solange sich diese Frage auftut "Arbeiten und weniger oder zu Hause sein und mehr", werden wir weiterhin so viele Arbeitslose haben.

Allein wenn ich hier (wo derzeit mein Büro ist) am Potsdamerplatz lang laufe sehe ich mal mind. 2 bis 4 Schilder wo Aushilfen gesucht werden. (Beispiel Subways)... warum nicht einfach ja mal hin gehen und fragen...

Also nochmal... um gottes willen ich Persönlich würde nicht weniger Geld aus geben (und zum Glück bin ich auch nicht in der Situation das zu entscheiden) Aber durch stupides ran gehen ohne Herz und Gefühl, (und ohne eventuell mal seine eigene Situation oder die von Freunden und bekannten zu betrachten) sind da Sachen, die man eventuell ändern könnte, um (scheiß Wort) das Gemeinwohl zu fördern.

Anonym hat gesagt…

@Sebastian

Jaja, wir glauben Ihnen ja, daß sie nix meinen wenn sie was sagen;-) soweit hab ich das ja alles verstanden;-)!

Aber wenn sie schon was zu sagen meinen, wäre es doch sicher angebracht, sich auch mal vorher schlau zu machen,
oder lernt man das heute nicht mehr im Studium?
Hier ein par kleinere Einzelheiten, die sie sich dann nicht mehr mühsam selbst zusammensuchen müssen:
Ein Jugendlicher unter 25 bekommt vom ALG II KEINE eigene Wohnung finanziert, er wohnt zuhause bei Mamiundpapi.
Und er bekommt auch keine 347,-- Ois sondern nur 278,-- Ois zum Lebensunterhalt.

Von den lustigen 347 Ois zahlen ALGII-Empfänger neben ihrerm Essen auch so lustige Sachen
wie STROM und anteilig die Warmwasseraufbereitung (18 % de Energiepauschale),
dazu kommen Fahrtkosten, Kosten für Kommunikation, evtl wie schon erwähnt zusätzliche Anteile an der Wohnungsmiete,
Versicheungen etc. Außerdem hat ein ALGII-Empfänger im Ggs. zum Studenten meist auch nicht mehr MamiundPapi die ihm mal so
zwischendurch was zustecken oder ne schicke neue Wintergarderobe bezahlen oder mal ein Freßpaktechen zwischendurch schicken.
Die meisten Vergünstigungen die Studenten bei u.a. Kommunikationsanbeitern etc., haben fallen für ALG IIer auch weg.


Ebensowenig hat eien Student die gleiche Uunverschämte Durchleuchtung und Überwahung seines Privatlebens
und seiner persönlichen Freiheiten, bis hin zur Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht zu erdulden.

Und vom anvisierten 400Euro-Job darf ein ALG II Empfänger 160,-- Euro behalten, da achkert es sich doch viel motiviertetr,
bei soviel guten Aussichten??

Und falls sie nicht so ganz überzeugt sind, daß es da einen deutlichen Unterschied zum Studentendasein gibt,
mit 20 hat mir Armut nicht die Bohn ausgemacht.
Ich wußte, die Zeit geht vorbei.

Und falls sie immer noch zweifeln, bitte, googeln Sie doch mal nach Harald Thomè.
Der ist Experte auf dem Gebiet von ALG II und kann Ihnen sehr viel besser was davon erzählen als ich.

Für mich ist ALG II einfach nur DDR, diesmal aber mit Bananen.

Schönen Gruß noch.
bel

Anonym hat gesagt…

Super Beitrag. Mit einem Schlag die Welt erklärt. Leider ist es komplexer auf dem Arbeitsmarkt. Die Unterschiede in den Regionen, Branchen und Qualifikationen sind gewaltig. Sie sprechen immer von Hartz IV. Tatsache ist, dass der grösste Teil der arbeitslos gewordenen diesen Punkt gar nicht erreicht sondern vorher einen neuen Job bekommt. Genau wie Hartz IV keine Endstation ist. 3-5% der Harz IV-Empfänger werden monatlich in eine Arbeitstelle vermittelt.

Natürlich steigt das "Verbleibsrisiko" mit Alter, Bezugsdauer und bei Frauen. Trotzdem ist es ein dynamischer Prozess. Die 3 Mio. Arbeitslosen am Anfang des Jahres sind zu einem nicht unerheblichen Teil andere wie am Ende des Jahres.

Ihre geschilderten Erfahrungen sind auch dem Wohnort Berlin geschuldet. Da kommt vom Aufschwung wirklich nichts an.

creezy hat gesagt…

@sebastian
Danke. Du hast einerseits Recht in Deiner Argumentation, aber Du darfst nicht vergessen – es gibt schon auch noch Unterschiede zwischen qualifizierten Berufsanfängern, sich in der Ausbildung befindenden Studenten und qualifizierten Berufstätigen mit langjähriger Berufserfahrung in möglicherweise mehr als nur einem Beruf.

In Deiner Argumentation fällt eine Tatsache unter den Tisch: wir/ich leben in einer Welt in der wir uns über die Arbeit und die Freude, Kontakte, Mehrwert, die sie für das Leben mitbringt, definieren. 347,– Euro für's «Nichtstun» (was es ja auch nicht ist, nebenbei gesagt) zu bekommen ist für die Allermeisten aktiv Arbeitssuchenden nichts was ihnen erstrebenswert erscheint.

Im übrigen müssen sehr viele AGII-Empfänger tatsächlich sehr wohl einen Teil von den € 347,– auch für Miete und Heizung ausgeben. Die nämlich, die über einen viel zu knapp kalkulierten Satz liegen mit ihrer Miete – seit die Heizkosten explodiert sind – überall, der Spiegel nur nicht der realen Entwicklung nach angehoben wurde. Und das sind in den letzten zwei Jahren sehr viele geworden.

Ja, Du hast vielleicht weniger Geld zur Verfügung als der AG II-Empfänger zur Zeit. Aber Du bist noch in der Ausbildung. Das ist überhaupt nicht vergleichbar. Du hast z.B. noch einige Jahre mehr ZeitIch muss es mal ganz deutlich sagen: € 600,– Euro oder ca. 1.200 DM umgerechnet hatte ich vor 20 Jahren zur Zeit meiner Ausbildung eben nicht.

Also, das lässt sich überhaupt nicht vergleichen. Wirklich nicht.

Du musst auch jetzt noch nicht zwangsläufig für den Rente vorsorgen. Das sieht bei mir ein bisschen anders aus, ich müsste z. B. von € 347,– wirklich Geld zur Seite legen können, um einen halbwegs vernüftigen Rentenanspruch sicherzustellen. Das geht aber nicht. Viel Zeit bleibt aber den über 40-Jährigen dafür nicht mehr. Insofern greift auch Dein Argument mit «der Deutsche spart sein Land in den Ruin» nicht wirklich, das ist auch so eine mediale Lüge. Fakt ist, der Durchschnittsnettolohn ist in den letzten Jahren gesunken. Dazu sind auf vielen Ebenen die Preise explodiert (wenn man sich z.B. mal mit dem Mietspiegel in Berlin auseinander setzt, dann sind die Mieten für 1-Zimmerwohnungen im letzten Jahr um 10 % gestiegen!) Wir reden hier also nicht nur über teurere Butter oder den Liter Heizöl. Wir reden über echte Summen. Der normalsterbliche Arbeitnehmer hat überhaupt nichts mehr, was er noch großartig sparen könnte. Der verzichtet bereits. Bis auf die paar, die sich dumm und dämlich verdienen, geht es dem größten Teil der Deutschen finanziell einfach deutlich schlechter als noch vor drei Jahren. Unabhängig davon, ob Job oder nicht.

Es geht aber in meinem Post auch nicht über's Klagen an sich. Es geht über diese großartige Rumlügerei. Und am allermeisten geht mir die graue Masse da draußen auf den Geist, die diese Lügen glauben wollen.

@liisa
Ja, eigentlich sollte man das tun. Stimmt.

@Sebastian
Du kannst als AG II-Empfänger hinzuverdienen bis zu € 100,–, dann wird Dir nichts abgezogen. Was darüber hinaus reinkommt, das wird mit der Leistung verrechnet. Wer z.B. also einen Minijob annimmt – oder in einem freien Beruf arbeitet – der bekommt zu seinem Verdienst, sofern der unterhalb des AG II-Satzes liegt bis zu seinem Satz (€ 347,– + Miet- u. Heizkostenanteil) aufgestockt.

Nur: das machen die Allermeisten bereits! Also Tipps wie «gehe doch mal zu Subways» (unabhängig davon, dass die meisten tatsächlich nach studentischen Hilfskräften suchen) sind nichts, was nicht von mündigen aktiv Arbeitsuchenden längst in Angriff genommen wurde oder wird.

Du musst Dich von der Vorstellung lösen, der Arbeitslose hinge nur auf dem Sofa rum und tut nichts. Das ist dumme gewollte Imagekampagne der Politiker. Deswegen hat man Sozialhilfeempfänger und Langzeitarbeitslose in eine Schublade gebracht, um genau im Volk die Masse der Arbeislosen im Ansehen auf das Niveau der Sozialhilfeempfänger zu senken. Das hat wundervoll funktioniert. Wer aktiv Arbeit sucht hat übrigens gar nicht so viel Freizeit. Gute Bewerbungen abliefern, das ist ein Fulltime-Job.

Anonym hat gesagt…

Ein Fulltime-Job ist bewerben nicht. Ich kenne jemanden, der hat nebenbei eine neue Arbeitsstelle gesucht und nach 12 Monaten gefunden. Allerdings ging viel Freizeit drauf. Er hat auch gezielt was gesucht, was ihm 100 % liegt.

Man sollte auch den Mut haben, sich in einer anderen Stadt zu bewerben.

creezy hat gesagt…

@anonym
Äh, ich kann jetzt mit Ihrem Beitrag nicht soviel anfangen, wel ich nach Ihrer Antwort nicht das Gefühl haben, Sie haben meinen wirklich gelesen.

Zunächst will mir partout nicht auffallen, wo ich hier die Welt erklärt hätte. ,-) Und weiter: ICH spreche nämlich NIE von Hartz IV. Schon gar nicht von Hartz IV-Empfängern. In meinem Post hier heute kommt nicht einmal der Begriff Hartz IV vor. Es gibt nämlich keine Hartz IV-Empfänger. Wenn einer darauf besteht, dann ich. Und wenn eine darauf hinweist und dessen nicht müde wird, dann ich. Warum? Lesen!

Also, sorry … nichts für Ungut. Oder differenzieren Sie doch bitte: 3,5 % der (ich formuliere das in meinen Wortgebrauch in:) AG II-Empfänger werden monatlich in eine Arbeitsstelle vermittelt.

In was für eine Arbeitsstelle? Arbeit? So 40 Stunden die Woche über vier Wochen im Monat mit einem am Arbeitsmarkt mit einem für die Qualfikation reguläre gezahltes Gehalt? Oder in einen 1- Euro-Job? Oder in eine Trainingsmaßnahme? D.h. bis zu zwölf Wochen ohne Gehaltzahlung «kostenlos» für den etwaigen künftigen Arbeitnehmer arbeiten (möglicherweise nach den zwölf Wochen wieder frei gestellt werden). Oder in eine Qualifizierungsmaßnahme gebracht? Das sind die möglichen «Parkungen» die dahinter stecken – nur eine jedoch ist tatsächlich eine «echte» Vermittlung.

Ich bezweifle wirklich ernsthaft, dass die Agentur, diese 3,5 % tatsächlich als «in echte Arbeit» vermittelt benennen kann, würde man genauer nachfragen. Alleine es klingt natürlich ohne kritischen Blick darauf zunächst sehr erfolgreich … aber bitte, glauben Sie das doch nicht!

creezy hat gesagt…

Könnten wir in dieser Diskussion bitte wirklich und ein für alle Mal diese tollen Tipps wie «sich in einer anderen Stadt bewerben» (ich z.B. bin alleine lebend: ich MUSS mich sowieso auch ins europäische Ausland bewerben, so sind die Statuten der Agentur!) oder «macht mal auf Zeitarbeit» oder «geht putzen» oder so lassen?

Arbeitslose sind nicht per se Menschen dummer Klasse, denen man bei Grün über die Straße helfen muss. Wir wissen genau, wie wir uns drehen und wenden müssen.

Darum geht es in meinem heutigen Post wirklich nicht. Es geht um die ewig wiederkehrenden Lügen einer Regierung, die deutlich weniger gebacken bekommt als sie es nach außen verkauft. Und ein unkritisches Volk, dass genau das glauben will und nicht aufwachen möchte. Und wie offensichtlich Statistiken gefaktet werden, ohne dass es einer sehen will. Nicht einmal die Deutsche Presse möchte darauf aufmerksam machen. Und nur darum!

Danke. ,-)

Anonym hat gesagt…

@creezy
Und genau zu diesen ewig wiederkehrenden Lügen, die sich schon fest in den Köpfen festgefressen haben und dort die Ganglien verstopfen, gehören diese hilfreichen Tipps.

Du hast mal ewas anläßlich des Tipps ausder selben Schublade den unser dicker BROBLEHMBÄRBECK Enrico F. gab, geschrieben, ich erinnern mich. Einfach dahin verlinken.

gruß bel;-)
bestätigt, ist echt nicht gelogen, mit *uwahn*!

creezy hat gesagt…

Du meinst den Beck'schen Nachtrag? ,-)

Anonym hat gesagt…

@creezy
jo, den hab ich gemeint. Das hast du schon gut erkannt mit dem Downsizen des sozialen Ansehens;-)

Inzwischen glaubt ja jeder dahergelaufenene Intelligenzallergiker schon einem einen guten Rat zur Arbeitssuche mit auf den Weg geben zu müssen. Ich warte drauf, daß mir einer Bungeejumpen vom Bürohochhaus vorschlägt. Der darf das dann aber vormachen, - aber ohne Seil!
bel
grottig heute.

creezy hat gesagt…

@bel
Ohhhh Bungee springen für Frauen ab 40 ohne Seil. DAS ist doch die Geschäftsidee! ,-) Nun sein mal nicht grottig heute, komm' rum zum Kaffee trinken und guck' mal bei Frau Kikandrun, die hat ein grandioses Tally-Foto online! Mrs. it's-been-a-bad-day-please-don't-take-a-picture in ihrer besten Pose!

Text + Blog hat gesagt…

Großartiger Beitrag, der sich auch in deinen Kommentartexten fortsetzt. Leider lesen das wahrscheinlich eh fast wieder nur die, die eh schon wissen, dass die Statistiken politisch gewollt und ganz bewusst geschönt sind.

Ich war ja in den zurückliegenden Monaten auch arbeitssuchend und mich hat - trotz besseren Wissens udn der Kenntnis der Hintergründe, die du ja hier auch schilderst - immer ein sehr ungutes Gefühl beschlichen, wenn die sinkenden Arbeitslosenzahlen vermeldet wurden, weil man reklexartig erstmal denkt: "Das gibt's doch nicht: alle finden Arbeit, nur ich nicht?!" Das dem nicht so ist (ich meine, dass die Arbeitslosenzahlen tatsächlich sinken), machen deine Zeilen mehr als deutlich. Und dass Mittel zur Fortbildung nicht bewilligt werden und parallel in den Töpfen der AA'n auflaufen, ist eine wutmachende Ungeheuerlichkeit.

creezy hat gesagt…

@anonym
Oops, da ist mir vorhin der Link verloren gegangen. Als ich schrieb Lesen zum Thema, warum es bei mir keinen Hartz IV-Bezug gibt, meinte ich hier lesen! ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich habe es weder böse noch arrogant gemeint mit meiner Frage. Zeigt es doch nur, daß ich mich nicht auskenne.

Mit anderen Worten: Man hat Ihnen noch nie etwas anbieten können, wo Sie sich bewerben konnten? Oder zumindest nicht oft genug.

Gesucht werden hauptsächlich Fachkräfte im Handwerk und der IT-Branche. Viele Stellen werden auch unter der Hand vergeben. Durch private Vermittlung.

Anonym hat gesagt…

Manchmal sitze ich minutenlang vor Deinen Einträgen ... grüble und habe fast Angst vor der Zukunft, ich möchte an die Illusion glauben, dass es irgendwann nochmal besser werden kann.
Aber ich bin über 45!

Anonym hat gesagt…

Lieber @anonym,
wie alt sind Sie, dass Sie noch so viele Illusionen haben. Sind sie noch nicht in der Situation, dass ausser Ihnen noch 30 sehr gut ausgebildete, junge Männer für den Job zur Verfügung stehen, den man selbst haben möchte? Frisch von der Uni mit 20 Jahren Berufserfahrung?
In der IT ist man inzwischen nur noch Fachkraft, wenn man IT-Mensch und gleichzeitig Steuerberater, Anwalt oder Unternehmensberater ist ... da ja die entsprechenden Spezialisten auf der "anderen" Seite als Ansprechpartner alle abgebaut wurden und die Unternehmen hoffen, dass sie mit IT-Spezialisten eierlegende Wollmilchsäue bekommen, die ihr Unternehmen gleich so sanieren und optimieren, dass wieder 1/3 der Mannschaft abgebaut werde können.

Anonym hat gesagt…

jupp, Zum Kaffee komme ich gerne rum, ich bin übrigens bei Deppen-Dialog raus, Göttin seis getrommelt und gepfiffen, so habe ich sogar wieder planbare Zeiten und nächste Woche nachmittags frei.
Laß uns das mal machen, ist ja sowieso Weihnachtsdiätzeit!

Und hier noch eien Schmankerl:
Die Wahrheit über Fellträger

das tallyfoto ist KLASSE!!!!

bel nicht mehr ganz so grottig;-)

Pathologe hat gesagt…

Ein schöner Post, der nur wiedergibt, was ich seit 2004 schon für mich bemerkt habe. Statistikfriseur bei der BA, das ist momentan eine boomende Branche.

Ich selbst bin im Ausland, meine mich jetzt beschäftigende Firma hat das als Geschäftsmodell (Ingenieurbüro für technische Beratungsleistungen). Unser aktuelles Projekt wurde gerade eingestellt, da der Auftraggeber seit einem Jahr keine Rechnungen mehr bezahlt hat. Ich muss jetzt in den Stammsitz nach Deutschland zurück, aber es gibt keinen Folgeauftrag. Einer Kündigung steht damit nicht mehr viel im Wege.Hire-and-Fire-Mentalität. Daher schaue ich mich um. Aber die Anforderungen, die in den vielen, offenen Stellen gestellt werden, kann ich leider nicht erfüllen. Es werden Fachidioten gesucht, es fehlt nur noch, dass man gleich den Namen des Wunschkandidaten in die Stellenanzeige schreibt. Aber die Wirtschaft boomt! Es ist, als wolle man im Hochsommer in der Wüste Schnee verkaufen. Die Nyachfrage, die Schneewirtschaft, boomt dann auch. Nur kriegen tut man nichts.

Anonym hat gesagt…

Frau Meinigkeiten - Sie sprechen mir aus der Seele! Ich als eierlegende IT-Wollmilchsau "darf" bleiben während die Mannschaft immer kleiner wird. Ist ja klar wer die Arbeit mitmacht! Solange bis eine eierlegende IT-Wollmilchsau Version 2.0 kommt...

Und wie das Leben so spielt, finden auch eierlegende IT-Wollmilchsäuen nicht unbedingt einen neuen Job. Wie heißt das Wort noch so schön: überqualifiziert. Ich lasse schon teile der Ausbildung unter den Tisch fallen und bin immer noch überqualifiziert. Toll!

Wobei in meinem Falle überqualifiziert auch für "Tut mir leid, wir würden Sie sehr gerne nehmen. Doch DAS da *fingerzeig* können wir unseren Mitarbeitern/Kunden nicht zumuten. Tut uns sehr leid."

Nunja!

Anonym hat gesagt…

Ach Herr Spontiv! Sie sprechen mir aus der Seele! Willkommen im Club!

Allerdings, dass ich überqualifiziert bin, das hat mir noch niemand vorgeworfen. Sie Glücklicher ;)

@creezy: sag mal, wie sieht das bei Dir mit Xing aus? Ich werde immerhin 1x die Woche angerufen, auch wenn das meist nichts wird, weil man mir Projekte in Karlsruhe oder Kiel anbietet, ist man doch irgend wie noch im Geschäft!

Anonym hat gesagt…

Ich kann dir jetzt leider nur die Sicht eines kleinen Unternehmens in München darstellen:

Die letzten Wochen hatte ich so gut wie keine Zeit zu bloggen, da mir zwei Mitarbeiter abgeworben wurden und zwar in Positionen, die sie aufgrund ihrer Qualifikation vor fünf Jahren nicht angeboten bekommen hätten. Daraufhin war ich dann wieder auf der Suche und die Agentur für Arbeit meinte, sie könnte mir nicht helfen und ich sollte einen Headhunter dafür kontaktieren. Die Bezahlung kann ich derzeit locker etwas anheben (bei den Neueinstellungen bin ich da sowieso nicht darum herum gekommen), da ich in etwa 35% mehr Aufträge bekomme als letztes Jahr. Die Tendenz ist bei mir eindeutig steigend und wenn das noch ein Jahr so weiter geht, brauche ich ein neues Büro. Ein Freund von mir zieht übrigens zum 1.1.08 in doppelt so große Räume um... Er meinte heute noch zu mir, ob ich nicht wüsste wo er entsprechend qualifizierte Leute noch suchen kann.

Ich kann also mit dem Wort Aufschwung schon etwas verbinden. Zumindest in meiner subjektiven Welt. Aber ich arbeite natürlich auch nicht in der IT-Branche...

Anonym hat gesagt…

das ist ganz super auf den Punkt gebracht. Vielen Dank dafür!

Anonym hat gesagt…

Ja, Doc Sno,

ist hier ähnlich. Uns entschwindet eine Mitarbeiterin in die Elternzeit. Ohne Headhunter no chance da Ersatz zu bekommen. Desweiteren wären noch 2 weitere Positionen frei, wenn es angemessene Bewerber gäbe.

Das Schlimme ist, dass alles nur mit halber Kraft fährt. Aktiv auf Kundenaquise darf man gar nicht gehen, weil ein mehr Aufträge/Projekte personell nicht leistbar wären.

Aber wie gesagt: Nicht IT und nicht irgendwas mit Medien. Und nicht Berlin.

Branche: Gesundheistwirtschaft. Unternehmen mit 8 Mitarbeitern, bis auf die Office Managerin alle einschlägig akademischer Abschluss und meist Promotion.

creezy hat gesagt…

@text & blog
Danke. Andererseits ist Dein Beispiel auch wieder motivierend.

@anonym
Hm, sorry ich bekomme jetz gerade nicht gebacken, weche/r anonym Du bist bzw. auf welche Frage Du Dich beziehst (schreibt doch bitte wenigstens einen Nick unter Eure Posts, beim zweiten anonym wird's immer schwierig in solchen Debatten ;-) )

@meinigkeiten
Ach nee, nicht grübeln. Bloß nicht die Hoffnung aufgeben.

@bel
ok, wir haben ein Date nächste Woche! ,-)

@Phatologe
Sch… aber ich drück Dir die Daumen. Nun, in meiner Branche ist es zum Teil so: da sind die studierten Mathematiker aus Russland, die super gut z.B. 3D-Anis etc. machen können, es aber für ein Drittel machen wie das «Fachpersonal» hierzulande. Insofern muss man klar sagen, in vielen Branchen wird das «Fachpersonal» vielleicht gesucht, man möchte jedoch nicht dafür bezahlen. Mein Eindruck. Kann sich in anderen Branchen anders verhalten.

@spontiv
Wie? Was kann man den Kunden nicht zumuten?

@dr. sno* + medizinfritze
Nun danke, mal von der anderen Welt und Seite zu lesen, tut auch gut!

Aber was ich eben so komisch finde, als ich bin ja in meine bisherigen Jobs immer Quereinsteigerin gewesen (am Anfang med. Großhandel, später IT) und habe mir alle autodidaktisch angeeignet. Mich wundert eben sehr für welche Jobs (z. B. im Medizinmarkt) man heute angeblich Medizin studiert haben sollte für die es früher wirklich reichte mal Arzthelferin gewesen zu sein. Also auch in dem Bereich hat sich irgendetwas verschoben. Wir haben vor Jahren immer in der IT-Branche mit Quereinsteigern oder meinethalben Studienabrechern (die wenigstens davon EDVler) sehr gute Erfahrungen gemacht – was hindert soviele Unternehmen daran, es heute wieder so zu machen? Aber die lassen lieber Jobs unbesetzt als da jemanden drauf zu setzen, der sich mit Enthusiasmus und Willen da hineinfuchst.

Das verstehe ich nicht …

@anonym #3 (wenn ich richtig gezählt habe ,-) )
Gerne geschehen. Auch danke!

Anonym hat gesagt…

@creezy
Hörgeräte. An/hinter meinen Ohren.

Anonym hat gesagt…

Ich hatte mich auch einmal gewundert, daß eine Germanistin als Chefsekretärin arbeitete. Dafür reichte es mal eine entsprechende Schule besucht zu haben oder sich hochgearbeitet zu haben.

Die Firmen gehen auf Nummer sicher. Sie glauben, wer ein Hochschulstudium abgeschlossen hat, ist auch befähigt zu jeder Art von Verwaltungstätigkeit. Früher wären sich Hochschulabsolventen dafür zu schade gewesen. Die Zeiten haben wohl sich geändert.

Ich kenne aber auch andere Beispiele. Es sind aber immer nur die kleinen Firmen, die Ältere einstellen oder jemanden nehmen, der sein Studium nicht abgeschlossen hat. Die großen Firmen sind furchtbar bürokratisch. Seltsamerweise bewerben sich aber die meisten bei denen.

Anonym hat gesagt…

Dienstleister halt.

Es fängt mit den Grundlagen an:

Englisch Wort&Schrift möglichst fast perfekt und Verständnis von medizinischen Inhalten und Termini. Das sind schon Hürden, die nicht nur Quereinsteiger straucheln lassen. Dazu: Erfahrung im Business-Umgang mit Konzernen. Grundlagen des Projektmanagements (muss keine Budgetplanung sein, aber Personal und Zeit - es simd meist Partner in anderen Ländern miteinzubinden). Wissenschaftliches Arbeiten (Literaturecherche, Studienbewertung) wäre gut. Ansprechend die Ergebnisse Präsentieren beim Kunden (auf englisch) ist auch wichtig.

Das sind so die Basics. Den Rest kann man sicher lernen. Aber es sind auch Dinge, die in der Regel eben ein einschlägiges Studium bedingen.

Warum keine Quereinsteiger mit Learning-on-the-Job? Das business ist hart, da ständig Kundenkontakt besteht. Wenn wegen Fehler der Kunde (Unternehmen aus Medizintechnik und Biotechnologie) abspringt, dann ist der Verlust auch im Ansehen höher als der verlorene Umsatz durch Nicht-Besetzung von Stellen.

Willkommen in der Arbeitsrealität.

bhuti hat gesagt…

@spontiv: Und als nächstes sind dann Brillen unzumutbar für Kunden??? Ich bin gerade einigermaßen fassungslos …

Anonym hat gesagt…

Warum stellen kleine Unternehmen auch Bewerber ein, die nicht optimal sind? Weil die grossen Firmen die guten Leute einstellen. Mit Betriebsrenten, Kantine, Dienstwagen, Karriereperspektive (auch wenn es meist nichts draus wird) können die kleineren Firmen nicht mithalten.

Selbst die Konzerne stöhnen. Die Fluktuation ist grosse. Länger als 3 Jahre bleibt kaum jemand in einem Unternehmen. Visitenkarten sammeln lohnt sich nicht, da die Konaktdaten in wenigen Monaten in den Reisswolf können. Goldene Zeiten für Headhunter.

Anonym hat gesagt…

Es soll noch Leute geben, die nicht gern in einem großen Konzern arbeiten.

Daß so viel gewechselt wird, zeigt doch nur, wie unzufrieden die Leute dann dort sind oder wie falsch sie ausgesucht wurden.

Übrigens muss sich jeder erst einarbeiten, wenn er irgendwo neu anfängt. Was lernt man schon beim Studium? Mir hat noch jeder gesagt, daß er erst in der Arbeit die Arbeit gelernt hat.

Wie gesagt, man traut Leuten, die studiert haben einfach mehr zu, das ist alles. Ob sie es dann auch tatsächlich können, ist eine andere Frage.

Einen Dienstwagen bekommt man auch in großen Firmen nicht so ohne weiteres und selbst kleine Firmen zahlen einen Zuschuss zum Mittagessen in Restaurants oder haben eine kleine Kantine.

Es sind eher vermutete Aufstiegschancen, die die Bewerber zu großen Firmen tendieren lassen.

Anonym hat gesagt…

@bhuti
Tja, wer weiß.
Ich habe die Dinger erst seit drei Jahren. Anfangs bekam ich bei solchen Reaktionen Schnappatmung, mittlerweile lässt mich das ziemlich kalt.

Bezeichnend finde ich es allerdings, das man wegen Schwerhörigkeit bei der Arbeitsagentur automatisch in eine andere Vermittlungsgruppe rutsche - schwer Vermittelbar. Ich fand das vor zehn Jahren schon "klasse" als mir ein Job in einer Behindertenwerkstatt angeboten wurde – zum Bürsten machen. Und das direkt nach dem (erfolgreich abgeschlossenen ) Studium.

Nunja, Deutschland ist halt ein Entwicklungsland...

Anonym hat gesagt…

Lass mal, so eine Kantine in einem Konzern ist eine feine Sache. Das merke ich immer wenn ich bei Kunden bin. Nettes Ambiente, Glas, Garten/Atrium, grosse Auswahl, usw.

Aber richtig: Die vermeintlichen Karrierechancen sind wohl das Verlockenste. Trotzdem bleibt ein Studium fast zwinged notwendig. Weil man eben diese relevanten Dinge in Deutschland fast nirgends anders lernen kann. Es gibt kaum private Akedemien, Business-Schools usw. wie in anderen Ländern.

Anonym hat gesagt…

Also jetzt schlägst’s ja wohl dreizehneinhalunddreiviertel!

Wenn ich mir das anhöre, Mitarbeiter weggelaufen und nun keine neuen gefunden, Headhunter einschalten müssen, um die der Mitarbeiter vonne Konkurenz abzuwerben, die auch wieder weggelaufen … uswusw….
Ja! Das! Sind! Probleme! Manno, da kann ja kein Hartzie mehr mithalten.

Aber ich frage mich mal ganz unelegant, was ihr eigentlich wollt, ihr Superarbeitgeber?

Den Mitarbeiter mit USB-Eingang, oder besser mit Blauzahnschnittstelle, damit man wupopidiwupadiwup das neue Betriebssystem Firma 28.27 auf die Neuerwerbung raufspielen kann???

Menno, wie das Schaf immer sagt, das hör ich mir doch auch beim Bewerbungsgespräch nicht an.
Ich hab mein Studium und meine Ausbildung doch nicht dafür gemacht, mit sozialen Idioten umgehen zu müssen, die den Unterschied zwischen Maschinen und Menschen immer noch nicht kennen, oder dass ich mir von solchen meinen Lebenslauf durchblättern lassen muß, als sei vorher Fisch drin eingewickelt gewesen und die dann zum Schluß kommen, ich hätte schon viel (zu viel) gemacht und sei überqualifiziert.

Übrigens *überqualifiziert* ist ein Euphemismus für *nee, wir haben uns was vorgestellt, was sich auch gern mal demütig übern Schreibtisch legt, und Sie machen auf uns nicht den Eindruck dass sie das dann mal täten, wenn wir sie drum bäten*.

Ja, Jungs genau den Eindruck mach ich nicht, und nein ich bin auch in dieser Hinsicht nicht diplomatisch, und alle wunderbaren Kenntnisse, Eigenschaften und Qualitäten, die ihr hier genannt habt, kann jede erfahrene Chefsekretärin mit halblinks und im Halbschlaf, wenn ihr denn eine nehmen würdet, macht ihr aber nicht, denn das Problem ist, dass die euch genauso was pfeifen würde, und aus euren Klitschen auch schneller wieder raus wäre, als als ihr Guten Tag Frau Sowieso sagen könntet.

Ich habe in den letzten drei Jahren meiner beruflichen Tätiglkeit viele, sehr viele solcher Fluktuationsbuden gesehen, in denen der gesamte Mitarbeiterstamm immer nur auf den Absprung wartete, und ich habe sie mit unverhohlenem Grinzzen gesehen.

Alle leiden sie an der selben Krankheit, der überheblichen Überzeugung, es müsse der perfekte Mitarbeiter erst gebacken werden, damit er die Ehre hätte, bei ihnen zu arbeiten.

Vergeßt es, Jungs. Kommt zurück auf den Teppich. Auch Zwerge haben mal klein angefangen..

bel

Anonym hat gesagt…

Die Liebe zur Arbeit geht scheinbar auch durch den Magen.

Ich habe schon gesagt, daß man die relevanten Dinge nicht an der Uni lernt. Man lernt sie in der Arbeit oder bringt sie sich selbst bei. Die Leute werden doch nicht umsonst so viel auf Schulungen geschickt.

Es gibt durchaus kaufmännische Fachschulen, an denen man mehr Praxisbezogenes lernt, als an jeder Uni. Übrigens auch Sprachen.

Die Germanistin war als Chefsekretärin übrigens nicht glücklich. Sie hat dann bald was anderes gesucht. Irgendwas beim Radio durch Vitamin B.

Eine Geografin hat man anfangs bei einer kleinen Modefirma genommen, weil sie gut exceln konnte. Sie machte dort dann später das Controlling. Im Moment lernt sie Italienisch, weil sie dann dort Chancen für den Vertrieb hat. Sie hängt sich total rein. Wenn ich sie sehe, erschrecke ich immer wie dünn sie geworden ist. Die Ehe ging auch in die Brüche.

Anonym hat gesagt…

@bel
Das ist die Realität. Muss man nicht mögen. Ich sehe aber keine Partei oder Bewegung, die das radikal ändern will oder könnte.

Da gibt es nur zwei Auswege: (eigentlich drei, aber der öffentliche Dienst baut ja ab und nicht auf, und die heile Welt ist es dort auch schon lange nicht mehr).

1. Selber was machen, selbstständig ohne ALG I+II, eigene Altersversorgung, usw., um möglichst wenig von dem "Schweinesystem" abhängig zu sein, dass die Transfergelder durch unsoziale Arbeit erwirtschaftet. Problem: Der Markt ist überall.

2. Alternative Formen: Selbstverwaltete Landkommune, Auswandern nach Kuba (Polemik, sorry), usw. Habe ich viel Sympathie mit.

Anonym hat gesagt…

Oh je, Medizinfritze,
wie kommst du zu der gewagten Annahme ich sei erwerbslos? Oder gar unselbständig?

Naja, macht nix,. Wie auch immer, die Punkte 1 bis 4 sollten wir vielleicht noch mal abarbeiten:

1. Einen Staat in dem alle darauf gewartet haben, *die Partei* oder *die Anderen* würden die Zustände ändern, hatten wir schon öfters in Disämonseremlondä.

2. Ja, etwas was den Herren und Damen *Unternehmern* in ebenda sehr mangelt, ist Phantasie und Vertrauen in die Kreativität von Menschen. Die Zustände kann man dann in ihren Auswirkungen da bewundern, wo es brennt in den Fluktuationsbuden nämlich, wie sie oben beschrieben wurden.
Ich hatte mal das Glück bei einem Meister der Führung (und das meine ich ernst) arbeiten zu dürfen. Der hatte mich eingestellt, weil er einfach dachte, daß ich es lernen könnte, ohne sich lange mit Lebenslauf und Pipapo aufzuhalten. Da habe ich gesehen, wie jemand seine Mitarbeiter zu Höchstleistungen anspornen kann, ohne das übliche Bullshitbingogeschwurbel. Aber das war nicht hier, sondern in einem französischen Staatsunternehmen. Pech für euch.
Der Mann hatte übrigens einen Spruch, den ich dir gern mit auf den Weg gebe: *On ne peut pas manger une tartine, et laisser la beurre et le pain dans l‘armoire.*

3. Ist Kuba jetzt das neue *Passt‘s dir hier nicht, dann geh doch rüber*?

Und zu deiner unausgesprochenen dritten Möglichkeit: Schon die aktuelle Studie von Prof. dr. Wilhelm Heitmeyer zu den deutschen Zuständen gelesen? Neee? Na, dann mal husch husch, du wirst dich darin möglicherweise an exponierter Stelle wiederfinden.

bel

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