2007-11-01

Was wir nicht wissen oder sehen wollen …

schreibt Frau Nachtschwester trotzdem auf.
Die anschließende Diskussion hat Bildungsniveau.

Und wer Zynismus mag, liest hier weiter.

Frau Pepa schildert das Erleben «Deutsches Gesundheitssystem» aus ihrer Sicht.

4 comments:

Wolf hat gesagt…

Der Artikel im Ärzteblatt hat mit der Veranstaltung und den Fakten nicht so wirklich viel zu tun, Qualitätsjournalismus halt. Zum Beispiel wurde nicht erwähnt, dass die Patientenvertreter ein anonymes Beschwerdesystem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fordern. Mit diesen Daten, die zu verifizieren wären, soll dann die offizielle Statistik nach unserer Meinung ergänzt und validiert werden. Aber wer kümmert sich heute noch um Details?

Anonym hat gesagt…

Letztes Jahr waren bei uns 3 Todesfälle zu beklagen:
Mein Stiefvater (85J), unerwartet (er war der fit-este Oldie), von 2 Wochen Krankenhaus 1 Woche Sterbe-Koma, 1 Woche lang die Aussage "er stirbt" "er überlebt" "er stirbt" ... Kommision erlaubt Abschalten der Maschine

Meine Schwiegermutter (81J), 2 Wochen lang Orangversagen-Kettenreaktion, gut, daß sie sterben durfte

Die Schiegermutter meiner Schwester (65J), immer gesund, Hirnschlag, Wiederbelebung, 1 Woche Koma, Wiedereinsetzen der Atumung, Suche nach Heim, Tod am Tag der Verlegung

Und obwohl ich extra eine Linksammlung zum Thema Patientenverfügung gemacht habe, habe ich immer noch keine Patientenverfügung.
Im Großen und Ganzen waren die Behandlung, Betreuung und Entscheidungen in den Krankenhäusern OK ...

Aber gerade bei Schwiegermutter und pro Jahr 2 KH-Aufenthalte (manchmal hatte ich so das Gefühl, daß das so eine Art Kuraufenthalte für Schwimu waren) durfte ich feststellen, daß gerade bei alten Leuten (je nach Krankenkasse) die komplette Apparate-Medizin angeschaltet wurde, meist völlig ohne Sinn und Verstand (für Nicht-Mediziner) - sprich Abzocke!

creezy hat gesagt…

@Wolf
Danke für die Infos. Und klar, das Ärzteblatt selber ist natürlich streng Lobby gebunden. Klar. Gibt es zu dem geplanten Beschwerdesystem irgendwo mehr Infos?

@sabine
Puuuuuuu. Dann hattet Ihr aber kein gutes Jahr, aber so gar keines. Das tut mir leid.

Aber ich verstehe was Du meinst. Meine eine Oma war 76 als sie beschied aus dem Leben scheiden zu wollen: sie wurde reanimiert. Zum Glück ohne Erfolg. Ähnliches bei meiner anderen Oma. Die hatte nach dem dritten Herzinfarkt keine Lust mehr und die Tabletten im Morgenmantel gesammelt. Und trotzdem mussten wir ihr noch eine Woche auf der Intensiv an der Beatmungsmaschine beim Sterben wollen zugucken.

Das Schlimmste was ich erlebt habe, war ein Kollege, der mit einem epileptischen Anfall auf einem Fliesenboden mit dem Kopf aufprallte. Der irgendwann wieder zu sich kam und zur Sicherheit noch mal vom Notarzt mitgenommen wurde. Was er nicht wirklich wollte, aber er ging aufrecht zu Fuss mit. Im Krankenhaus stellte man fest, er hätte eine Schädelfraktur und die Knochen säßen im Gehirn. Die Therapiemaßnahme war dann ihm das halbe Gehirn wegzuoperieren. Was ihn zum Totalausfall und Pflegefall machte. An den muß ich immer denken, der wäre wahrscheinlich lieber einfach zurück in seine Tauchschule geblieben und dann mit einem Aneurysma einfach unten geblieben – anstatt «so» weiterleben zu müssen. Mehr tot als lebendig.

Ich habe nie verstanden, warum die den Mann zum Krüpel operiert haben, um sein Leben zu retten, damit er offensichtlich die nächsten 20 Jahre siechend auf Beatmung und Pflege rund um die Uhr angewiesen ist. Ich glaube, er war der Testballon.

Anonym hat gesagt…

@creezy: An der medizinischen Qualität war im beschriebenen Fall nichts auszusetzen. Ethische Konflikte misst die Qualitätssicherung ja nicht.

Anonyme Meldesysteme sind der Versuch, die Fehlerkultur der Industrie endlich in die Krankenhäuser zu bringen. Entweder klinikintern oder klinikübergreifend, z.B. hier. Meist werden technische, kommunikations- oder dokumentationsbedingte Zwischenfälle gemeldet.

Das mit deinem Kollegen ist schlimm, aber sicherlich hat ihn niemand planmäßig zum Krüppel operiert. Vermutlich war das Risiko ohne größer als mit OP, man hat ihn über die OP-Risiken aufgeklärt, er hat sein Verständnis der Situation bescheinigt, sich für den Eingriff entschieden und leider war er nicht erfolgreich. Es gibt auch Unwägbarkeiten, an denen niemand schuld trägt.

@Sabine: "...durfte ich feststellen, daß gerade bei alten Leuten (je nach Krankenkasse) die komplette Apparate-Medizin angeschaltet wurde, meist völlig ohne Sinn und Verstand (für Nicht-Mediziner) - sprich Abzocke!"

Jeder Mensch hat das gleiche Recht auf Leben. Das Alter ist eine abstrakte Hausnummer, die nichts über die Lebensqualität eines Menschen aussagt. Es gibt 60jährige, die mit allem abgeschlossen haben, oder 85jährige, die ihr Leben aktiv und rege genießen.
Niemand kann entscheiden, was Lebensqualität für einen anderen Menschen bedeutet und ab welchem Grad gesundheitlicher Einschränkung sie nicht mehr besteht. Stell dir vor, wir würden eine Altersgrenze für intensivmedizinische Maßnahmen propagieren; da wäre die Euthanasie nicht mehr weit.

Eine Patientenverfügung ist ein Akt der Fairness gegenüber Angehörigen. Eine dezidierte eigene Willenserklärung entlastet sie in einer Situation, über die sie nie nachgedacht haben, von Entscheidungen, die sie überfordern.

"Was wir nicht wissen oder sehen wollen", ist auch die Tatsache, dass jeder Mensch stirbt, und die wenigsten sterben gesund.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!