Second Hand-Handy
Gestern verkaufte ich das Handy meiner Mum. Es hatte mich ein gutes Jahr gekostet, mich davon trennen zu können. Obwohl mir immer klar war, ich will das nicht benutzen. Ich habe ein sieben Jahre altes telefonierendes, mich weckendes, überhaupt nicht buntes, nicht singendes, nicht nervendes inzwischen mit seiner leicht herausstehenden Antenne apart sehr nach retro aussehendes Handy, von dem ich mich auch die nächsten zehn Jahre lieber nicht trennen möchte. Schon gar nicht zugunsten so eines wild gewordenen lärmenden Terrorknüppels mit integrierter Antenne, die das Hirn noch etwas weicher strahlt und die Augäpfel etwas stärker aufwärmt. Man weiß es ja nicht. Ich kann manchmal sehr spartanisch sein.
Das Handy habe ich dreist mit dem Verkaufspreis, den ich letztes Jahr bei e-Bay ermittelt (!) hatte, in das hiesige Kleinanzeigenverkaufsmagazin auf Papierbasis gesetzt und den etwas hohen Preis mit «es ist eben ein schwarzes» eiskalt argumentiert. Dienstag rief ein Herr an, der etwas gesprochen Deutsch sprach und wir verabredeten uns für nachmittags 16:00 Uhr bei mir. Um zehn Minuten nach 16:00 Uhr rief er an, um mich zu fragen, ob ich denn jetzt auch wirklich zu Hause sei, was ich war, denn ich war ja bereits zehn Minuten zuvor auf sein Türklingeln eingestellt und um mir dann zu erklären, dass er noch nicht da sei, weil die Frau erst mal kommen müsse, das Kind übernehmen. Dann fragte er mir das Ohr ab – was selbstverständlich legitim war – um abschließend zu fragen, ob denn bei meinem angegebene Festpreis noch was zu machen sei. (In Berlin gibt man schon aufgrund der sehr traditionell handelswütigen Zugereisten gerne einen Festpreis an, um Ruhe zu haben vor traditionell handelswütigen Zugereisten.) Was ich mit «mal gucken, viel nicht» kommentierte. Dann schloss er mit den Worten, er würde sich dann gleich auf den Weg machen und auch ganz bestimmt kommen und da ich heute noch auf ihn warte, gehe ich davon aus, ihm ist unterwegs irgendetwas Schreckliches dazwischen gekommen. Ein billiges Handy vermutlich. Eines von der Sorte mit denen man nicht telefonieren kann, um abzusagen.
Gestern mittag rief ein weiterer Herr an, einer von der ins Handy brüllenden Sorte. Einer vom Bau, wie er gleich klipp und klar erklärte, der «ooch nur mal hier und da Bilder vonne Baustelle machen müssen». Typ echter Berliner und wahrhaftig vom Bau – unverkennbar. Der mir erklärte, er müsse noch zur Krankenkasse und dann käme er vorbei. Wir klärten vorher, dass sein Anbieter in dem Vertragshandy funktionieren würde. Ob nun die Fotos aus der Kamera für ihn ausreichende Qualität besäßen konnte und mochte ich ihm nicht bestätigen, denn Fotos aus Handy genügen nun mal meinen Ansprüchen grundsätzlich nicht. Was kann ich also dazu sagen? Er kam dann pünktlich, wuschig und laut und wir wollten zum Test seine Karte einlesen und während ich noch fragte, ob er denn auch wirklich seine Pin-Nummer auswendig könne, hatte er sie schon draußen und ich habe sie in das «neue» alte Handy gesteckt und er gab zwei Mal die Pin-Nummer falsch ein. Und während ich ihm noch vor der dritten Eingabe warnte (so ein «neues» altes Handy kann einen ja noch wuschiger machen), wurde auch schon nach dem Puk gefragt, den er natürlich nicht mal eben dabei hatte … Aber er fand das alles nicht so schlimm, mochte das Handy, bezahlte ohne zu Handeln, bekam von mir noch eine Tüte geschenkt und ging wieder. Mit dem Handy meiner Mum.
Schluck. Komisch war mir da. Obwohl ich es ja nie … komisch. Er rief mich dann abends um halb zehn Uhr noch mal an, um mir zu erzählen, er könne wieder telefonieren und er würde es mit einem Kumpel einrichten und sie müssten noch ein paar Telefonummern löschen (was stimmte, ich hatte zwar alle Fotos löschen können – aber nicht die Nummern, weil ich das ja mit meiner Sim-Karte hätte tun müssen und eine Funktion «resette nur das Handy» gab es nicht) und alles sei okay. Den fand ich zu dem Zeitpunkt richtig lustig. Ich konnte dann auch beruhigt einschlafen
Ich habe mir in der Zwischenzeit von dem Geld in Kombination mit dem Amazon-Gutschein (m)einen Traummixstab bestellt. Ich kann ihn immer angucken – und ich werde ihn sehr lange haben, weil er gut ist und eine hohe Wattzahl hat und mich nie im Stich lassen wird und mich küchentechnisch sehr glücklich machen wird – und ich weiß, den hat mir meine Mum (wenn auch post mortem) geschenkt (und eine gute Freundin). Ich stehe auf so etwas. Mir ist das sehr wichtig. Meinen Handmixer hatte mir auch meine Oma für meine erste Wohnung geschenkt, der ist über 20 Jahre alt und ich würde den nie freiwillig gegen ein moderneres Gerät eintauschen, denn der ist nun einmal von meiner Oma und ich denke immer an sie, wenn ich ihn auspacke und benutze und bin dann glücklich. Und denke an meine Kindheit in ihrer Küche, die nie geheizt war, weil das der Gasherd tat, wenn gekocht wurde und wo es immer lecker roch – irgendwie nach Butterstreusseln. Und bin immer noch glücklich. Und so wird es mit meinem neuen Mixstab sein. Immer wenn ich z .B. den Eischnee für eine Mousse au chocolat mit Karamell aufschlage, kann ich dabei an meine Mum denken. Und höre ihr «Mhmmm …». Und werde glücklich sein.
Mums Handy Mixstab.
4 comments:
Und ich dachte schon, Du hast Dir für das Geld eine Fahrkarte nach ... Köln? ... gekauft, um als erste Deutsche im Weltall das Eifon in Empfang nehmen zu können.
So kann man sich täuschen.
Hm.
Kann ich gut nachvollziehen.
Stimmt mich immer traurig und nachdenklich, wenn Du über Deine Ma schreibst. Und froh. Weil Du immer so schön darüber schreibst. Wie über alles.
Dank Dir dafür.
stimmige lösung gefunden.
@anonym
Nö, das iPhone und ich wir haben seit T-Mobile eine gestörte Beziehung. Und Störungen machen sich nicht gut in der Funkfernsprechtelefonie.
@larousse
Siehste, Du verstehst mich! Es hilft ja nicht, manchmal muss man die allergrößte Sch… eben mit etwas Schönem besetzen, um sie ertragen zu können. Ich danke Dir.
@kopffuessler
ja, irgendwie schon …;-)
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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