2007-10-17

Erfolgreich einkaufen für Kundendummies

Mit einem sind wir Berliner nach der Wiedervereinigung möglicherweise noch etwas mehr geschlagen als andere Städte im restlichen Bundesgebiet: diesem unentwegten Hochpoppen von mehr als nur einheitlichen Kaufzentren. Offensichtlich braucht hier jeder Bezirk mindestens drei bis vier solcher «Erlebnisparks des kommerziellen Einheitsbreies». Phantasielos abgeguckt und abgekupfert einer drögen US-Kaufkultur. Das treibt hier mittlerweile schon so wilde Blüten, dass sie direkt nebeneinander gebaut werden. Nur von einem Kaufhaus getrennt.

Leider wurde hierzulande aber vergessen das (mehr oder weniger) anwesende Verkaufspersonal ebenfalls dem US-Standard anzupassen: die könnten auch hier wenigstens so tun als hätten sie viel (na gut, hierzulande wäre schon ein minimaler Ansatz von «ich verkaufe gerne» schön) Lust, uns Kunden zu bedienen und diese dann mitverantwortlich als glückliche Menschen mit Tüte des jeweiligen Einzelhandels aus der Tür zu entlassen.

So war ich neulich fasziniert in einem der etwas besseren Deko-Geschäfte in einem dieser Kommerztempel im Süden Berlins, als ich mit einem Karton Sektgläser der mittleren Preisklasse zur Kasse ging und mich die Verkäuferin dort fragte, «ob ich denn bereits die Gläser kontrolliert hätte?» Was ich verneinte, denn mir war einerseits neu, dass wir Käufer mittlerweile überhaupt soviel Autonomie gewonnen hätten, dies selber tun zu dürfen. Mir auch die Versicherungsfrage im schlimmsten Falle – würde ein Makel gefunden («natürlich ist das Glas kaputt, wenn Sie, Sie Kunde, so unqualifiziert dagegen klopfen!») – nicht ausreichend geklärt und darüber hinaus das Platzangebot in denen doch sehr eng gebauten Regalreihen mir generell weniger geeignet zum Auspacken und Testen erschien. Bis jetzt. Denn mein höflich verwundertes «Nein?!» als Antwort auf ihre Frage, nötigte die arme Frau dazu entnervt die sechs Gläser im Karton (nachdem sie das Plastiksiegel des Kartons mit einer Schere aufbrach, die ich selber eher selten bei meinen Einkäufen mit mir führe) selber zu kontrollieren, dabei ihren Mund zu einem schmalen dünnen Streifen zusammen gepresst und mir eher frostig stimuliert den Obolus für meinen Einkauf abnahm. Da tat mir nun doch irgendwie sehr leid, dieser Frau soviel Arbeit gemacht zu haben in ihrem täglichen Geschäftsleben. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass ich ihr diese Arbeit nie wieder machen werde. Und dann auch noch dafür bezahlen. Ich will ja nicht unangenehm auffallen als Kundin. So dreist bin ich nur selten. Wahrlich: das war ein frostiger Einkauf.

Den absoluten Vogel abgeschossen haben aber neulich zwei Exemplare des Vertriebspersonals in einem Einkaufscenter namens «Eastgate» in Berlin Marzahn, den mit der lustigen Form. In einem zu einer Franchisekette gehörenden Laden, die sich auf das Anbieten von absolut unnützem hochpreisigen Krimskrams für verwöhnte kleine Gören spezialisiert hatte, die sich total gerne mit pinkfarbenen T-Shirts mit «hello K…»-Monsterkatzenemblem beschenken lassen, dem zunehmend erwachsene kaufkräftige Damen auch zum Opfer fallen. So kehrten wir also in diesen Laden auf Wunsch einer einzelnen Dame ein, begleitet von mir und einem jungen Mann, der sicherlich einen außergewöhnlichen Haarschnitt aber für Berliner Verhältnisse gar keinen sooo außergewöhnlichen und im Zuge der 80iger Jahre NewAge-Retrozeit eher überhaupt gar keinen außergewöhnlichen Popperhaarschnitt trägt.

Drei Menschen auf ca. 20 qm Verkaufsfläche plus zwei Exemplare von Verkaufs-Irgendwas. Ich habe kein «Guten Tag!»-Gruß gehört. Und 20 qm sind ein bisschen zu intim, um keinen «Guten Tag!-Gruß» zu hören. Die Mieze hinter dem Tresen sprang dafür aber hervor und glubschte uns nur die ganze Zeit über hasserfüllt an und auf die Finger – nicht wirklich beratungsbereit, mehr so überführungsbereit. Und auch der niedliche heterophobe goldbeohrringte Knirps tauchte flugs aus seinen Kartons im Laden neben uns auf, nicht einmal mehr beschäftigt wirkend, stieg uns zappelnd hinterher in der zu offensichtlichen Sorge, wir wären in den Laden gekommen nur um etwas unbezahlt mitnehmen zu wollen. Das war erschreckend zu bemerken, dass die sehr offensichtlich nicht einmal ansatzweise auf dem Plan hatten, wir könnten das sein, wovon so ein Laden normalerweise zu existieren pflegt: potentielle Käufer.

Ich habe mich irgendwann genervt aus dem Geschäft verabschiedet und mich vor diesen Laden an die Balustrade gestellt und mir den fortwährenden Affentanz dieser beiden Vertriebsidioten angeguckt. Der Blick mit dem die Tresenmieze unsere männliche Begleitung aus dem Laden begleitete, war dokumentationswürdig – wenn's nicht eigentlich so traurig gewesen wäre.

Und was ich von kunstbenagelten Vertriebsmäusen in Kleidungsfachgeschäften halte, die, kaum habe ich ein Kleidungsstück nach dem Ansehen auf dem Bügel wieder an die Stange zurück gehängt mir mit fiesestem Körperkontakt auf die Pelle rücken und mir den Bügel aus der Hand reissen, um ihn ja selber wieder gerade zu hängen, ungestört der Tatsache, dass ich immer noch an der gleichen Stelle stehe, weil ich noch nach dem gleichen Kleidungsstück nur in einer anderen Größe fahnde … ach, langsam finde ich € 3,95 Versandkosten verdammt attraktiv.

17 Kommentare:

pulsiv hat gesagt…

und da soll mir mal noch einer glauben, dass es nix mit geiz zu tun hat, wenn ich mir nur 1-2x im jahr ne neue dschiensbuxe kaufe.
sie ham sowas von recht ej.
dieser pauschalverdacht, dem man jetz als kunde ausgesetzt ist, der ist schon echt dreist.

Cecie hat gesagt…

iiieh pfui, was machstn du im eastgate? bei dem normalpublikum da kann mans den "vertriebsidioten" fast nich verüblen. selber schuld also würd ich sagen, den rest allerdings unterschreibe ich kommentarlos. traurig, das...

Wolf hat gesagt…

«holy fruit salad!» ist das ein Meckerblog geworden. Wo ist Deine ansteckend gute Laune? Mies drauf bin ich alleine, da brauch' ich keine Hilfe zu. Is was? Dann raus damit.

Anonym hat gesagt…

Treffend formuliert. Diese kundenorientierte VerkäuferInnen sind der Grund das ich, beim Klamottenkauf, prinzipiell alle anprobierten Klamotten in der Kabine liegen lasse. Ich will denen ja schließlich nicht ihren Job wegnehmen...

@Hr. Wolf
Manchmal ist das Leben zum bemeckern. Lassen Sie sie doch auch mal!

Wolf hat gesagt…

@spontiv: und ich lass' bei McDoof immer das Tablett auf dem Tisch stehen … aber creezy kenn' ich so nicht, da mach' ich mir langsam Sorgen.

creezy hat gesagt…

@pulsiv
Pauschalverdacht, treffendes Wort!

@cecie
Ich fand das Eastgate bzw. die anderen Leute dort völlig normal und in Ordnung. Menschen wie Du und ich eben. Naja, der (aber sehr nette) Wurstverkäufer bei Mago mit dem fetten «Böhse Onkelz»-Tatoo, der hat mich etwas verschreckt. Den würden sie vermutlich in Neukölln nicht einsetzen dürfen. ;-)

@wolf
Och nö, Du, so hart kannste das jetzt aber auch nicht schreiben ;-) Nur weil ich mal so'n bisschen zumzicke und hier habe ich auch Recht: Vertrieb in Berlin ist zum Kotzen! Das knallt einem besonders hart um die Ohren, wenn man mal wieder ein paar Tage woanders war (und so supernett sind die auf Malle auch nicht. Aber da sind sie nur arrogant und unterstellen mir nicht beim Schritt über die Türschwelle 'ne Diebin zu sein.) Alles okay soweit, den Umständen entsprechend gut. Und was kann ich für Dich tun, um dem Mies druff sein den Garaus zu machen? ,-)

@spontiv
Ach, Du bist das immer? ;-)

@Wolf
Iehh, Du isst bei McDoof? ;-)

Anonym hat gesagt…

Sehr schön, sehr treffend beschrieben. Ich neige ja inzwischen (na gut, eigentlich schon immer) zum sehr bissig sein und so Tussen (es sind eigentlich immer Tussen) direkt und laut anzubieten, dass sie sich doch bitten einen anderen Job suchen mögen, wenn sie keine Lust auf Verkaufen haben.

In einem meiner liebsten (natürlich) kleinen Süßwarengeschäfte hing lange Zeit ein Schild: "Wer kein freundliches Gesicht machen kann, darf kein Geschäft eröffnen." Das sollte man sich mal auf Visitenkarten drucken und den Tussen in die Hand drücken...

Anonym hat gesagt…

Zum Glück hab ich den Blick, den mir die Tresenmieze (tolles Wort) zuwarf, nicht bemerkt. Obwohl, genau genommen gehört sie in meiner Welt zu den Statisten, die ich ähnlich wahrnehme wie all die überbewerteten Promis im TV - nämlich gar net. Soll die Schnepfe doch mies drauf sein!

Dafür war der Wurstfachverkäufer ein ausgelassener Typ, selbst nach 10h totes-Tier-an-Einkaufscenter-Deppen-andrehen. Leckere Hotdogs, gute Laune, fröhliche Art: offenbar hat er mehr Sex als die depperte Hello-Kitty-Verkäuferin-Attrappe.

Und Cecie: Nicht jeder kauft immer im Bioladen ein, "Selbst schuld" klingt ein wenig abgehoben. Und ausserdem hatten die dort geniale, sich gegenseitig zerfleischende Saurier. Hach, da lacht das Kinderherz :)

Anonym hat gesagt…

"verwöhnte kleine Gören […], die sich total gerne mit pinkfarbenen T-Shirts mit «hello K…»-Monsterkatzenemblem beschenken lassen" - wieso nur fühle ich mich davon jetzt so angesprochen?

Ist schon lustig, wie unterschiedlich die Wahrnehmung sein kann: ich habe Tresenmieze und Mr. Heterophob überhaupt nicht bemerkt und könnte mich beim besten Willen nicht an sie erinnern. Wird wohl daran liegen, daß ich eine arrogante, verwöhnte kleine Göre bin, die das "Personal" nicht zur Kenntnis nimmt. Ist aber vielleicht auch besser so, ich habe mich in dem Laden wenigstens nicht geärgert.
Hatte aber hinterher ein durchaus schlechtes Gewissen, Dich damit zu nerven, daß ich unbedingt und gleich den Hello-Kitty-Krempel ansehen musste - vielleicht ist noch nicht alles verloren an der Arroganzfront?

Aber ja, der Wurstverkäufer war Rock 'n' Roll pur; der hatte Stil!

Cecie hat gesagt…

tigger!? alles klar bei dir?

die leute die ich bei meinem besuch im eastgate und dort in der gegend antreffe, sind oft wenig gebildet, prollig, schreien ihre kinder an, treten ihre tiere und haben wenig benehmen (keine vorurteile sondern beobachtungen). hat mit einkäufen in bioladen nix zu tun, sondern ist einfach die entsprechende gegend. die klischees über marzahn, highbeautytown etc. stimmen leider öfter als sie es nicht tun.

grüsse an alle!

creezy hat gesagt…

@dasmiest
Oh ja, solche Kärtchen könnten ein Segen sein ! Da fahlen mir gleich noch mehr Sprüche ein.

@truetigger
Ich bin für solche Vertriebs(ver)stimmungen sehr empfänglich, dazu habe ich selber auch genug Vertriebstrainings machen müssen. Und ich bin eben auch mit dem Wissen groß geworden, dass der Uni-Prof, der nächste Woche darüber entscheiden konnte, ob die 200.000 DM (damals) teuren Rechner bei uns oder bei der Konkurrenz gekauft wurden Samstags im u. U. eben nicht wie ein Großkunde sondern eher wie ein Kleingärtner nach dem Laubsammeln aussieht. Das schult dahingehend zu jedem freundlich zu sein. Und Miezen, die das in Läden nicht auf die Reihe bekommen, wo der teuerste Artikel im Grunde bei nur € 100,– liegt, die dürften sich solche Starallüren überhaupt nicht leisten. Die eliminieren ihr eigenes Gehalt, soviel Dämlichkeit ertrage ich nicht.

Und ja, der Wurstverkäufer war wirklich nett und lustig. Aber nennen wir das Kind beim Namen: er war auch ein rechtes Arschloch und trug das sehr offensiv zur Schau. In Neukölln könnte den Mago nicht einsetzen.

@Lorelei
Ohhhhhh nein, verwöhnte kleine Göre ging gar nicht in Deine Richtung, so klein wie ich sie in dem Moment dachte bist Du dann doch schon nicht mehr ;-) . Für Dich war das «auf Wunsch einer einzelnen Dame …» gemünzt – und es war okay, ich gucke mir sowas schon immer gerne an. Es ist nur … naja, dieser kommerzielle Erfolg für diesen Plastikschwachsinn, kann einem schon Sorgen machen.

@cecie
Ich glaube, Truetigger fand Dein «selber schuld» nicht passend, was ja auch nicht so richtig nett für uns alle war ,-) Im Ernst: die Pappnasen, die Du beschreibst, die findest Du in jedem Berliner Bezirk und sie alle in den Kaufcentern wieder. Egal ob Neukölln, Wilmersdorf, Wedding selbst Steglitz … da braucht man gar nicht so weit für fahren. Und diese Vertriebsdummies, die gibt es leider auch überall. Also, ich glaube da so gar nicht an regionale Unterschiede.

Anonym hat gesagt…

Aber nicht doch, der Wurstverkäufer war gar nicht böse, der war ein verkappter Künstler. So liebevoll und zeitintensiv, wie der die Hotdogs zu 1,50 das Stück gerichtet hat, die Gurkenscheiben exakt nach Sichtachse darauf ausgerichtet hat … hach!

Cecie hat gesagt…

wir könn' dat ja noch ne weile ausdiskutieren (is ja dein blog, hihi), aber ich behaupte trotzdem, so schlimm wie im eastgate ist es in keinem andern der mir bekannten center. das marzahner publikum ist einfach nochmal was ganz spezielles. also bleibt es dabei: selber schuld ;o))) (<- bitte beachten sie diesmal die vier smileys, die das augenzwinkern und die ironie der aussage verdeutlichen sollen und ausserdem unterstreichen, dass sich diese bemerkung weder gegen die bloginhabern noch ihre gäste in irgendeiner auch nicht diskriminierenden form richtet!)

(und ja, meine mutter meckert auch immer, dass ich immer dat letzte wort ham' muss)

Anonym hat gesagt…

Für den Wurstheini - einigen wir uns auf "unser Lieblings-Fascho" als Anrede? ;)

Keine Frage, Rechtsextremismus ist ein Problem sowohl im Osten Berlins wie auch im Osten des ganzen Landes. Auch auf dem Bahnsteig in Marzahn sind mir diese glattrasierten Schädel schon aufgefallen. Anderseits, "Arschloch" ist für mich einer genau in dem Moment, in dem er sich auch so benimmt, nicht weil er so ausschaut. Das gilt für Rocker, Hip-Hopper, Rechte, Punks und alle sonstigen Gruppen.

@Cecie: Genau das "selbst schuld" wirkte halt vorwurfsvoll, und ja, auf sowas spring ICH halt reflexartig an :) Schönes WE!

Anonym hat gesagt…

Gibt´s überall. Habe kürzlich den kompletten Handtuchbestand erneuert, in einem "besseren" Fachgeschäft für Heimtextilien. während ich je sechs kleine, mittlere und große Handtücher gestapelt mühsam Richtung Kasse schleppte, ging eine Verkäuferin an mir vorbei und murrte: "Sie räumen mir ja das ganze Regal leer!"

creezy hat gesagt…

@Truetigger
Nein. Drauf einigen wir uns nicht. Menschen, die sehr offensichtlich eine politische Gesinnung zur Schau tragen, die eine Führung verherrlicht, die Millionen von Menschen bestialisch umgebracht hat und dieses Handeln im Nachhinein noch heute als für gerecht und sinnvoll erachten und dies gerne auch heute anderen Menschen – nur weil sie aus einem anderen Land stammen – wieder antun würden, wenn sie nur könnten, bringe ich die Toleranz nicht entgegen, die Du ihnen entgegen bringen willst. Und sie sind und bleiben Arschlöcher für mich.

Bei Neon-Nazis bin ich absolut strikt für's Schubladendenken, keine Ausnahme, kein Verständnis. Ich wollte eigentlich an dem Tag als ich die Infos über seine politischen Ansichten, die mir der Typ offensiv aufgedrängt hatte, von meinem Einkauf dort Abstand nehmen und habe das nicht gemacht, weil ich unseren ansonst netten Tag von so einer Figur nicht verdorben haben wollte.

Der war als Verkäufer im Auftreten nett. ja. Der Rest von dem Kerl war nicht akzeptabel. Da sympathisiere ich genau null, genausowenig möchte ich das verharmlosen.

Viel eher sollte man mal darüber nachdenken, wie es sein kann, dass jemand mit solchen offensiven Zeichen von einer Firma in den Vertrieb eingesetzt wird. Das finde ich sehr erschrecken und ist ein sehr grusliges Zeichen.

creezy hat gesagt…

@nachtschwester
Weia! Und haste wieder alles brav sortiert zurück gelegt? Geht ja nicht, den armen Frauen alles weg kaufen! Schäm Dich! Bitte! ,-)

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