Glück gehabt
Wo man hinguckt, -liest, -hört: Jahresrückblicke, die Blogsphäre bildet da keine Ausnahme. Nun ist dieses mein Jahr 2006 ein sehr besonderes Jahr in all seiner traurigen Konsequenz, die ich bis zum jetzigen Moment auch nur bruchstückchenhaft realisieren konnte, was mich von einem Rückblick lieber Abstand nehmen lässt. Das Ganze gipfelt nun in dem Erleben einer ersten Weihnacht ohne die typischen Rituale des Festes mit meiner Mama. Ohne meine Mama.
Und holy fruit salad! geht mir dabei der Arsch auf Grundeis. Auch suche ich immer noch nach einer praktikablen Lösung das kommende Wochenende auszublenden. Aber da geht es vielen dieses Jahr leider so. Trotzdem – nennt mich die merkwürdigste Optimistin der Welt oder das größte Talent zur Selbstlüge – weigere ich mich, das Jahr nur noch mit diesem schwarzen Vorhang ummantelt, wie es mir im Rückblick seit dem Sommer meist erscheint, zu sehen. Gelegentlich hüpft der Vorhang im Wind und legt die Sicht auf das eine oder andere strahlend glänzende Stück Glück frei …
Denn in alldem habe ich dennoch auch viel Glück gehabt. Ich habe das Glück ein Talent zu haben, schreiben zu können. Und damit konnte ich allen, die ich schriftlich von ihrem Weggang informieren musste, gleichzeitig Trost mit auf den Weg geben. Dafür habe ich wiederum viel und sehr schönes Feedback bekommen. Und ich konnte ihr meine eigene Rede schreiben, das war gut. Auch hier im Blog darüber schreiben zu können, war ein Glück – fast ein therapeutisches.
Ich hatte das Glück, als mich die Gerichtsmedizin anrief und mir das genau nicht erhoffte Ergebnis mitteilte, gerade in diesem einen Moment mit einer Freundin zusammen gewesen zu sein, und nicht alleine gewesen zu sein. In genau diesem Moment schien gerade die Sonne. Die schien an dem Tag nicht immer.
Ich habe das Glück, wenn ich an sie dachte oder über sie schrieb und wieder in Tränen ausbrach, dass mich just in dem Moment der liebe Freund aus Italien anrief, die Freundin aus Spanien und viele Andere und mich zumindest verbal in den Arm nahmen.
Und ich habe das Glück, bereits Erfahrungen mit dem Tod gemacht zu haben, bevor meine Mama gehen musste. Ich glaube als erstes die eigene Mutter verlieren zu müssen, ohne jemals vorher auf anderer Ebene den Tod mit seinen Ängsten, Qualen und Erlebnissen kennen gelernt zu haben, das muss noch viel schlimmer sein.
Dann habe ich das Glück, dass die drei Fellträger sehr gut miteinander auskommen. Diesen reizenden Kater hinzubekommen zu haben, der eine tägliche Freude für mein Herz ist. Die weise Akzeptanz meiner Kätzinnen, dass es nun so sein muss.
Ich habe das Glück Freunde zu haben, die sich sehr viel um mich gekümmert haben, mir viel abgenommen, mir viel geholfen haben – auf allen möglichen Ebenen. Sehr viel. Ich werde ihnen das nie vergessen und ihnen dafür immer dankbar sein und hoffentlich für sie einmal das Gleiche tun können.
Das habe ich auch schon anders erlebt: Als mein Vater gestorben ist, an Krebs, also nicht von heute auf morgen, war ich knapp 20. Ich weiß noch, dass ich mich mit der für mich so erschreckenden Nachricht von seinem baldigen Sterben an meine Freunde gewandt hatte – und quasi über Nacht alleine da stand. Außer einem waren sie alle weg. Vermutlich überfordert. Dieses Mal habe ich das Glück gehabt, das ganz anders erleben zu dürfen. Ich habe viel Trost, Hilfe, gute Worte bekommen – sogar von Menschen, die ich nicht persönlich oder kaum kenne. Es gab Mails, Anrufe, Nachrichten von Menschen, die mir viel Trost zusprachen und Hilfe angeboten haben – könnte ich mir mehr wünschen? Es ist ein bisschen, als hätte ich für die Traurigkeit damals bei meinem Vater heute die doppelte Menge an Freundschaft und ihrer sehr gut tuenden Gaben zurück bekommen.
Eine Freundschaft hat die Situation nicht überstanden, offensichtlich weil ich der schwachen Phase den Erwartungen eines anderen nicht gerecht werden konnte. Aber bis zu dem Moment an dem diese Freundschaft bestand, bin ich auch dieser Person sehr dankbar für die sehr große Unterstützung ihrerseits – und ich wünsche diesem Menschen von ganzem Herzen, dass sie nicht die Erfahrung machen muss in einem solchen Moment zusätzlich noch einmal den Boden unter den Füßen weggezogen zu bekommen. Aber auch das begreife ich als Glück, die Fähigkeit den Menschen gehen zu lassen und keine schlechten Gedanken verschwenden zu müssen.
Ihr alle hier: die Ihr mich hier unterstützt habt, wenn ich nur an Euren Support in all dieser Zeit vor allem zu meinem ersten Ehrentag ohne sie denke, der ein sehr schwieriger Tag war: Ihr seid auch Glück! Vermutlich könnt Ihr gar nicht ermessen, wieviel Kraft und Trost mir Eure Einträge gegeben haben.
Das Schönste – für mich – zu wissen, dass obwohl ihr eigener Sohn sehr wahrscheinlich nicht um sie trauert und auf ihrer Abschiedsfeier und Beisetzung war, dafür aber mit Freunden von mir und Armin, wenn er auch geographisch fern, in einer bestimmten Weise mehr Kinder von ihr anwesend waren, als sie vielleicht zu hoffen gewagt hätte. Das ist Glück.
Dass ihre Urne nun noch hier ist, bei mir und wir sinnbildlich doch noch dieses Jahr Weihnachten zusammen sein werden, ich sie nicht irgendwo da draußen im Kalten wähnen muß, ein Glück.
Diese eine besondere, sehr liebevolle Mama gehabt zu haben, was für ein Glück.
Ich will also nicht klagen. Ich habe doch Glück. Und das nächste Wochenende überstehe ich auch irgendwie.
Ich will aber hoffen, dass dieses Glück teilbar ist und wer etwas davon braucht in diesen Tagen, früher oder später, der nehme sich bitte etwas von meinem.
7 comments:
ich wünsche dir alles liebe von ganzem herzen, liebe creezy.
Mönsch Claudi ist doch noch gor ni so weit aber ein schönes texterl dein Jahresrückblick...einen dicken Knutsch an dich die Malerin
WOOHOO!
Das ist mal ein text der in die Kategorie "von der Seele schreiben" gehört. Ich bin überwältigt und lese auch weiterhin gern alles was du schreibst und schick dir mal ein "Virtual free Hug"
Das hört sich an, als ob du das kommende Wochenende allein verbringst?
Schon merkwürdig; mancher sehnt sich zu dieser Zeit nach Gesellschaft und anderen ist sie gerade zuviel.
Vielleicht ist es einfach nur immer genau das, was man gerade nicht hat.
Vielleicht ist es aber auch viel komplizierter.
Kopf hoch, creezylein. Ich denke ganz viel an Dich. Und schicke einen Riesenknuddler, egal ob Halsschmerz/Erkältung oder nicht.
@zoee
Dankeschön, das wünsche ich Dir aber auch!
@die Malerin
Doch, glaube mir, das Jahr ist ratzefatze rum – und in der letzten Woche will ich mich ja schon auf das Morgen konzentrieren ;-)
@dashan
Auch Dir mein Dankeschön für den „VFH“, wobei das weniger ein „von der Seele schreiben war“ als ein großes Dankeschön an alle und hoffentlich ein bisschen Mut-Mach für die, denen es dieses Jahr auch nicht so gut ging oder gerade geht!
@indica
Nö, das nicht. Also Heiligabend nicht und die anderen Tage habe ich mir offen gelassen. Aber es gibt eben keine Mum-Meetings oder Telefonate, Geschenke an sie, Menüs mit ihr in der althergebrachten Form, das muss man eben erst mal auch durchstehen.
@king fisher
Man will meist haben, was man nicht haben kann. Und vielleicht ist es unangenehmer etwas nicht mehr haben zu können, was man mal hatte. Natürlich waren mir in anderen Jahren die „üblichen Traditionen" oft auch zuviel. Aber nu…
@Narana
Danke, ich denke auch an Dich (hoffentlich ist bis dahin die Schnupfnase wech) und ich hoffe Du hast ein schönes schmerzfreies Fest.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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