2006-08-27

In dieser Woche …



werde ich ihre Urne abholen. Sie ist nun seit einiger Zeit bei dem Bestatter. Aber da ich keine Ahnung habe, wie die Gefühlswelt (vor allem nachts) mit mir Kabolz spielen wird, wenn ich sie habe und es ja doch noch einige Dinge 'klaren' Kopfes zu tun galt, habe ich den Termin der Abholung für mich auf kurz vor ihrer Abschiedsfeier gelegt.

Ihre Urne abholen? Ja, das geht. Bislang war es üblich, wenn jemand die starren deutschen Bestattungsrichtlinien umgehen wollte, einen Leichnam in die Niederlande oder die Schweiz zu überführen und verbrennen zu lassen. Dort können Angehörige die Urne zu ihrer freien Verfügung überreicht bekommen ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. In Deutschland gibt es die so genannte Bestattungs- und Friedhofspflicht. Eine sicherlich für Erdbestattungen sinnvolle Vorgabe, es gibt ja auch genügend Kranke auf dieser Welt. Trotzdem sind diese Regelungen für den Trauernden in ihrer Starrheit in der Trauer eher Belastung. Der Tote muss weg, so schnell wie möglich. Basta. So ist unsere Kultur. Gesund Abschied nehmen, das lässt sich aber nicht durch solche Bestimmungen realisieren. Abschied nehmen, ist für jeden Trauernden eine individuelle Sache, die manchmal einfach ihre Zeit braucht. Da lassen deutsche Gesetzte leider wenig Freiraum.

Langsam kommt (leider auch nur in einigen wenigen Bundesländern) etwas Bewegung in das deutsche Bestattungsgesetz. Friedwälder sind eine Antwort. Seebestattungen auch. Hier gilt es aber auch wieder Gesetze einzuhalten. Zum Beispiel muss man ein kleines Stück Breitengrad als Liegefläche im Meer kaufen, an dem die Urne, die aus einem bestimmten Zellulose-Material ist, hinabgelassen wird. Die Urne selber erlebt den Meeresgrund sehr wahrscheinlich nicht mehr, das Material hat sich innerhalb von 30 Minuten aufzulösen und die Asche freizugeben. Dafür legt man aber einiges an Geld für die nicht günstigen (ca. € 180,– im Einkauf) Urnen und für die Urkunde über den Erwerb der Liegestätte auf diesem Breitengrad hin.

Einige Bestatter denken fortschrittlicher und bewegen sich mutig in der gesetzlichen Grauzone. Mein inniger Wunsch für meine Mum ist, dass ich sie auf ihre Insel bringen möchte – der offizielle Weg ist aber in meiner momentanen Situation nicht zu finanzieren. Mein Bestatter übergibt mir die Urne mit dem Urnenpass (Verstorbene, die vom Sterbeort weg transportiert werden, erhalten einen Leichenpass) und ich bestätige ihm, das ich sie vor Ort beisetzen werde, es eine Grabstelle gibt. Quasi das niederländische Modell vor Ort. Damit ist er aus seiner Pflicht enthoben, kann dem Krematorium Rückmeldung über die Bestattung geben (diese Bestatter arbeiten zu diesem Zweck mit den nicht staatlichen – privaten, die gibt es auch! – Krematorien zusammen.) Von Staates Seite wird gar nicht geprüft, ob ein Grab bzw. eine Bestattung tatsächlich dort statt gefunden hat, wo sie gemeldet wird.

Die Urne wird von mir mit dem Urnenpass im Flugzeug transportiert werden. Das ist lt. Fluggesellschaft ohne zusätzliche Kosten und Anmeldemaßnahmen mit den Unterlagen möglich, die Urne soll aus Pietätsgründen in der Kabine bedeckt gehalten werden. Bestatter überführen Urnen auch nicht anders in das Ausland.

Diese Form der Bestattung ermöglicht Menschen, die Urnen auch zu Hause zu behalten. Gut, wer es mag. Das ist nicht mein Ansinnen. Ich kann aber verstehen, dass man sich nicht so schnell von jemandem trennen kann und einfach noch Zeit für den Abschied benötigt und finde es gut, wenn diese Menschen so Unterstützung finden. Ich jedenfalls möchte meine Mum nur dahin bringen können, wo sie am glücklichsten war – ohne danach im Schuldensumpf versinken zu müssen.

Das alles heißt aber auch, ich (wir) kann (können) zum Glück ihre Abschiedsfeier alleine und im wirklichen privaten Umfeld organisieren: das gibt mir viel Kraft und vor allem die Freude noch einmal eine Party mit ihr in ihrem Sinne zu feiern.

Diese Krematoriumsmeetings sind für mich das Grauen. Insbesondere das vorherige Sammeln der Trauergäste mit den betretenen Gesichtern in schwarz gekleidet, die mir ihr Beileid zuflüstern, steht ganz oben auf meiner 'won't do it'-Liste. Vor allem mag ich fremde Redner nicht. Ich bin diejenige, die mit aller Liebe und Hochachtung von meiner Mama erzählen will. Zumindest will ich selber formulieren, was gelesen wird. Ich fürchte, mir werden an dem Tag Stimme und Tränendrüsen gehörig dazwischen funken, wenn ich selber lese – aber versuchen werde ich es. Schön wäre, wenn ich ihre Freude mit meiner Rede auch zum Lachen bringen könnte. Sie wird also Anfang September eine schöne Feier haben in einer wunderschönen Umgebung mit lieben Menschen. Wir werden die buddhistische Zeremonie abhalten, danach werden Freunde von ihr und mir ihre Lieblingslieder live singen, wir werden mitsingen, ich werde von ihr erzählen und alle haben die Möglichkeit noch einmal ihr persönlich zu sagen, warum sie als Mensch für ihre Freunde wertvoll war, was sie ihr wünschen. Und das alles ohne zeitliches Limit, weil der Raum etwa für die nächste Feier frei werden muss. Und danach werden wir feiern und das Haus rocken: meine Mama war in den 50igern Berliner Meisterin im Rock'n Roll Tanz.

So soll es sein – und ich bin froh einen Bestatter (über das Internet übrigens) gefunden zu haben, der mir das alles für sie ermöglicht!

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ich habe immer behauptet, es sei mir egal was nach meinem Tod mit meiner Leiche geschieht.

Inzwischen wünsche ich mir, das jemand das für mich tut, was Sie für Ihre Mutter tun. Es klingt schön. Wenn man das in dieser Situation sagen kann.

creezy hat gesagt…

Klar, kann man das. Darum geht es ja. Es gibt im Tod tatsächlich manchmal auch Dinge zu finden, die auch schön sein können.

Was Ihren Wunsch angeht, natürlich kann man eh nie sagen, welche Menschen einem nahe sein werden, wenn man geht. Aber seine persönlichen Wünsche kurz schriftlich formulieren und diese in den wichtigen Unterlagen aufbewahren (nicht im Testament, das wird u.U. erst nach den Feiern veröffentlicht.), das hilft denen die Zurückbleiben enorm dabei, es so zu tun, wie Sie es gewollt hätten.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!