2010-08-16

Tiere essen

Anlässlich der Erscheinung des US-Bestsellers Tiere essen von Jonothan Safran (!) Foer, ist gerade das Thema Vegetarismus in aller Munde und somit auch allen Gazetten: In der Zeit heute ein langes lesenswertes Essay zum Thema Vegetarismus.

Hande von Vinoroma erzählte gestern auf twitter, sie hätte Lust demnächst nach Istanbul zu reisen und dem dortigen Schlachtfest, der Schächtung, beizuwohnen. Und merkte direkt anbei, dieses Tweet würde sie jetzt vermutlich einige Follower kosten und schon waren wir drinnen in der Diskussion, wie sehr es auch die Aufgabe des Fleischessers ist, das Thema eines Tieres Tod einmal aktiv mit durchzustehen, wenn dieses Tier für unser Essen sein Leben verliert. Es hat etwas mit Respekt vor dem Lebewesen zu tun und auch Respekt vor uns selber, Respekt vor dem, das uns ernährt. Ich hatte dazu schon einmal meine Gefühle und Gedanken aufgeschrieben.

Selber war ich bisher in den Momenten in denen ein Lebewesen sein Leben für meinen Teller lassen musste, selten anwesend. Ja, in Frankreich ließen wir uns Forellen frisch aus dem Zuchtbecken schlagen. Ich weiß noch, dass auf dem Markt ein Forellenhändler stand, der die Fische dort mit Generator betriebenem Aussaugautomatismus ausnahm. Das fand ich fürchterlich. Die Fische erhielten einen Schlag auf den Kopf, waren noch nicht einmal gänzlich hinüber und schon stopfte man ihre Bauchöffnung auf eine Apparatur, die ihnen das Innenleben aus dem Körper riss. Dort habe ich nie Forelle gekauft.

Als Kind war ich mit meinen Eltern auf einem Bauernhof und dem Hahn wurde, weil er für die Feriengäste zu früh krähte, der Kopf abgetrennt. Man machte daraus ein Volksfest. Entertainment für den Städter. Ich erinnere noch, dass sie das Tier ohne Kopf noch einmal laufen ließen und alles dümmlich lachte. Ich fühle mich damals, als vielleicht fünfjähriges Kind, am falschen Ort. Mir erschien etwas falsch. Nicht die Tötung, die Reaktionen der Erwachsenen.

Letztes Jahr waren einige Food-Blogger bei einer Schweineschlachtung anwesend und ich weiß, als ich mich im Frühling mit Katha von esskultur (man beachte nur ihre Gewürzsammlung und verfalle weinend dem Wahnsinn) in Berlin traf und wir darüber sprachen, ich eher skeptisch, ängstlich und längst noch nicht so weit war, dabei anwesend sein zu wollen. Katha indes mit der ihr eigenen Leidenschaft zu guter Herkunft von Essen zugab, da wäre sie sehr gerne dabei gewesen. Letztendlich hat sie Recht, wer Fleisch essen mag, der sollte sich auch mit dem Tod des Tieres, das dieses Fleisch spendet, in der Gänze auseinander setzen. Es ist nicht nur der Respekt vor dem Tier, wer sich mit dem Tod seines Essens aktiver auseinander setzt, der kann mithelfen eine hohen Standard zu setzen in der Behandlung der Würde eines Tieres in seinem letzten Moment.

Tiere, die tagelang eingepfercht in Transportern über die Autobahn geschickt werden, um vor Ort frisch betäubt und ausgeblutet zu werden, um gesichtslos abgepackt bei LIDL in der Kühltheke zu landen, haben diese Würde nie haben dürfen.

Somit taste auch ich mich mehr und mehr an das Thema „bei der Schlachtung anwesend sein“ heran. In einem Fotokurs war einmal ein junger Mann aus Israel, der in seiner Heimat eine Schächtung fotografiert hatte. Es waren sehr eindringliche Fotos, die ich bis heute nicht vergessen habe. Das lag am Thema, vor allem am Fotografen, der es geschafft hatte die Tiere im Sterben mit immenser Würde abzubilden.

Das ist, was ich als Aufgabe von uns Tiere essenden Menschen verstehe, wir nehmen ihnen das Leben zu unseren eigenen Gunsten. Wir dürfen ihnen dabei aber nicht auch noch die Würde nehmen. Daher sollten wir uns wenigstens mit dem Thema auseinandersetzen, hinterfragen und diese Tiere nicht völlig ausgeblendet aus unserem Alltag ihr Leben für uns geben lassen.

10 comments:

katha hat gesagt…

es ist so ein verdammt kompliziertes thema, das so viele lebensbereiche durchdringt. es geht dabei ja längst nicht nur ums essen, wie du auch richtig schreibst. könnte sein, dass mit "tiere essen" jetzt endlich mehr darüber gesprochen (und gehandelt) wird.

creezy hat gesagt…

@katha
Vor allem gehandelt. Weil vielleicht begriffen wird, dass man als einzelner Verbraucher nämlich sehr wohl dazu beitragen kann.

Ich bin zum Beispiel überhaupt nicht Freundin dieses „nach dem Buch wird man Vegetarier“-BlaBla, das gerade durch die Welten schwappt. Das hilft auf Dauer unter denen im Buch wohl angesprochenen (hab's noch nicht gelesen) ökologischen Bedingungen auch nicht wirklich weiter. Aber sich besinnen und erkennen, wir Menschen haben gesünder gelebt als es nur einmal in der Woche Fleisch und einmal in der Woche Fisch gab, wäre schon die halbe Miete. Weil sich so problemlos für alle auch hochwertige Qualität produzieren ließe. Für die Tiere allemal eine Hilfe.

multikulinaria hat gesagt…

Ja, wir Fleischesser sollten uns dem Thema stellen...
Wie Du schon schreibst, müssen Respekt und Würde dem Tier gegenüber wieder gewichtigere Faktoren als Profitabilität werden. Allerdings sollten diese grundsätzlichen Maßstäbe nicht nur beim Verbraucher, sondern auch beim Erzeuger angelegt werden. Gewisse Dinge gehören einfach verboten und bestimmte Betriebe geschlossen.
Mir gruselts vor dem Buch, aber ich werde es wohl lesen - und (hoffentlich)künftig meinen Fleischkonsum umstellen bzw. (je nach Finanzlage) ganz einstellen müssen...

Vom Schächten halte ich persönlich allerdings nichts. Das langsame, qualvolle Ausbluten bei lebendigem Leib kann doch auch nicht das Non plus Ultra des Tötens sein, oder???

TerrorCatGang hat gesagt…

Dieses Thema beschämt mich immer wieder neu. Unsere Vorfahren schlachteten eine Kuh, verwerteten sie restlos und lebten ein Jahr davon. Die Indianer bedankten sich bei jeder erfolgreichen Jagd bei dem erlegten Wild und beteten für seine Seele. Wir jagen durch die Supermärkte und beachten kaum die riesigen abgepackten Fleischberge,die kurz vorm Verfalldatum stehen. Wie viele Tiere sterben ohne Bedarf? Müsste ich mein Huhn selber schlachten, würde ich Vegetarier. Sofort. Auch wenn dieses Huhn bis zu seinem Tode den Hühnerhimmel auf Erden bei mir gehabt hätte.
Ich verlasse Restaurants, in denen lebende Forellen auf ihren Tod warten.
Und nun? Fleischkonsum reduzieren, sich für das Thema sensibilisieren und hoffen, dass es einem beim nächsten Schnitzel endlich schlecht wird. Sich weiter schämen und die Hoffnung nicht aufgeben.

kelef hat gesagt…

frau creezy, sie haben wieder einmal recht. darum kauf ich das fleisch, das hier verkocht wird, vom bauernhof.

da kenne ich mama kuh, papa kuh, baby kuh, den bauern und den fleischhauer. und den respektvollen umgang aller dieser lebewesen miteinander.

der papa kuh macht die baby kühe selber und hütet seinen harem sorgsam. das vieh steht auf der weide herum und hat zu jeder weide auch einen kleinen bach oder wasserlauf und einen sumpf zum gatschtreten.

wenn eine mama-kuh allzu verliebt in ihr kalb ist, kann man nix machen, dann bleibt das eben die nächsten zehn oder wieviele jahre auch immer in der herde. der stier, der schon etwas älter ist, kriegt einmal im monat pediküre vom hufschmied - durch sein gewicht nehmen die hufe ein wenig schaden, manchmal, da muss vorsorge sein. er heisst benni, und frisst dem bauern den schrot aus der hand.

alles dem herrgott seine kreaturen, sagt dieser bauer, die muss man mit anstand behandeln. und mit anstand behandelt sogar der fleischhauer die schlachtabfälle. da ist dann auch an einer schlachtung nichts grausliches, unappetitliches oder ekelerregendes.

jetzt nicht dass ich der meinung bin dass das überall so ist wo bio oder bauernhof oder so draufsteht, aber ich weiss ganz genau dass es das gibt.

Paula hat gesagt…

Eigentlich ist es genau diese Würde beim Sterben der Tiere die mich zur Vegetarierin werden haben lassen. Eigentlich möchte ich dieses Wort nicht für mich verwenden, weil ich nicht auf Fleisch verzichte weil ich den armen Tieren den Tod ersparen möchte, sondern weil ich mir die Würde und die einhergehende Qualität an Fleisch nicht leisten kann. Und selbst wenn ich das nicht wichtig fände, der riesen Berg Fleisch aus dem Aldi schmeckt auch nicht. Als Städterin finde ich es schwer überhaupt sicher zu stellen unter welchen Bedingungen die Tiere aufgewachsen und gestorben sind die ich essen könnte. Also lass ich es, vorerst.

generator hat gesagt…

Da ich mit Selberschlachten aufgewachsen bin, persönlich schon als Kind viele Dutzend Enten geköpft habe und traurigerweise einmal nach der Schule mein dressiertes Ferkel in zwei Teilen an der Leiter hing... fand ich Fleischessen immer in höchsten Maße widersprüchlich. Gekaufte Massentierhaltungs-"Produkte" gabs nicht zuhause.

20 Jahre Vegetarismus wurden aber irgendwann von Reisen unterlaufen. Wenn die armen Gastgeber mit dir ihr bisschen Essen teilen, wirst du nicht belehrend. Oder du bleibst hungrig. Aber ich krieg bis heute kein MacD-Klöpse runter und erst recht nicht, nachdem ich die Millionen Zombie-Rinder auf den amerikanischen Hormon-Farmen gesehen habe. Mal ganz abgesehen von deren Öko-Bilanz.

Fleisch müsste viel teurer sein. Bei Oma gabs das nur einmal die Woche und das war sicher gesünder. Unter anderem für die Tiere.

kelef hat gesagt…

hervorragende worte zum thema vegetarisch leben auch hier bei erasmus von meppen: http://vonmeppen.blogger.de/stories/1680755/#1680995

Maren hat gesagt…

Du bringst es wieder auf den Punkt. Danke dafür. Wir essen wenig Fleisch (am WE - wenn überhaupt) und das holen wir 70 km entfernt in Brandenburg vom Bauern. Berichte über Tiertransporte waren der Auslöser.

hajo hat gesagt…

es gibt einen Song von Melanie
http://www.youtube.com/watch?v=8I5rtQKP85I

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