2010-03-04

Schalentier



Wie neulich bereits angekündigt war ich letzten Freitag in charmanter Begleitung mit Peggy von multikulinarisch beim „Hummer satt“-Dinner, dem Berliner Monatsevent von tafelzeit.de. Das Ganze war gleichzeitig die Auftaktveranstaltung für die künftigen Aktiviäten von tafelzeit hier inne Hauptstadt. Im November 2009 gestartet, ist das junge StartUp noch in seiner Beta-Phase inzwischen in seiner Heimatstadt Hamburg, in Köln und nun Berlin aktiv. Weitere Städte werden folgen!

Eingeladen hatte neben tafelzeit.de, vertreten von einem der Geschäftsführer Jörg Grube und seiner reizenden Mitarbeiterin Britta, Frank Fiedrich – das Treffen war also ein Beispiel der zweiten Hälfte des Geschäftsmodells, ein gastronomisches Event organisiert von Profiseite. Da wird nicht privat vom Gastgeber gekocht, man trifft sich in der Restauration, weil man gerne gut isst und es mag, auf andere Menschen zu treffen Annähernd 30 Leute kamen so Freitag in der Temporären Kunsthalle auf dem Schlossplatz zusammen, ein Essen also auf absolut historischem Terrain!



Eingedeckt war in dem Kubus an einem langen weißen Tisch mit einer Besteckreihe, die dezent kurz vor der Unübersichtlichkeit stand – immerhin sechs Gänge hatte sie uns anzudienen


Da kriege ich sowas von Schnappatmung, wenn sie uns Berlinern auf heimischen Terrain Kölschgläser als Wassergläser eindecken!

Peggy und ich saßen in sehr charmanter Begleitung nach rechts wie auch nach links, die uns den Abend nicht einen Moment lang langweilig werden ließ. Die Runde war groß, vielleicht auch etwas zu groß, denn den einen Teil der „Mitesser“ hat man gar nicht gesprochen an diesem Abend. Da ich fotografieren sollte, durfte ich in die Küche.



Und echte Gastroküchen finde ich ja sehr zauberhaft als Aufenthaltsort für mich! Die kleine Küche unter der Obhut von drei charmanten jungen Jungs, die sehr ambitioniert und mit einer faszinierend guten Laune unser Dinner zauberten. Ich war da immer sehr gerne in dem elitären Bereich – und fühlte mich willkommen. Übrigens auch der Service vom Fiedrich: sehr reizend und aufmerksam, wir haben uns sehr wohl gefühlt!



Als Entrée gab es – wat bin ich froh, dass Peggy immer brav die einzelnen Gänge aufgeschrieben hatte – einen kleinen Hummercocktail mit Friséesalat, Chicoree und Safran, den fand ich sehr lecker.



Davon hätte ich problemlos noch ein paar dieser kleinen Gläser mehr haben wollen. Bodenständig und dennoch sehr fein. Vor allem schmeckte man hier gleich am Anfang die Qualität und Frische des Hummers – der Cocktail machte Lust auf mehr!



Schnell folgte als erste Vorspeise die obligatorische Hummersuppe, angekündigt mit flambierter Thai-Vanille, Cognac und – das erfuhr ich später – Teufelchili.



Nicht zu vergessen: die Basilikum-Cognac-Mascarpone. Die Suppe fand ich geschmacklich gut, vielleicht etwas zu dünn. Andere Gäste fanden sie wiederum geschmacklich zu bitter im Abgang. Dabei war ich sehr froh, dass man uns mit der Mascarpone nicht so etwas üblich Gesüßtes in den Gang einspeiste. Um der Suppe das Bittere zu nehmen, wurde die Thai-Vanille vorab mit Cognac flambiert, bevor der Hummersud angegossen wurde, erklärte mir die Küchencrew später. Ich fand das gelungen. Dennoch mit Einvernehmen am Tisch wurde die Hummersuppe als der schwächste Gang des Abends empfunden, was aber nicht heißen darf, die Suppe war schlecht.



Zweite Vorspeise – oder Zwischengang – ein frischer Salat mit Orangenfilets. Das fand ich ganz erstaunlich, da geht man zu einem Hummeressen und erwartet natürlich Hummer. Und dann kommt da ein einfacher, fröhlicher Salat pfiffig um die Ecke und macht schlicht glücklich! Und natürlich – Pointe muss sein – ganz ohne Hummer. Eine sehr, sehr leckere Vinaigrette – wie gerne hätte ich davon das Rezept! Der Salat hat Energien gestiftet und war eine feine Sache mit großer Wirkung für mich. Genau passend im genau richtigen Moment, ein schlichtes Frühlingshappening mit – bei mir – großer Wirkung. Kurz: Salat und vor allem Vinaigrette für mich eines der Highlights!. ‘Tschuldigung Hummer!



Frühling total war übrigens auch der portugiesische Weißwein, den wir in unserer Ecke vornehmlich tranken. Casal Carcia Vinho Verde. Wir durften beim Wein wählen zwischen weiß und rot, zu rot kann ich nichts sagen. Weiß war eine sehr gute Wahl. Ein charmanter, junger, spritzig hüpfender Weißer, der gute Laune machte und uns wirklich alle glauben ließ, draußen wäre ein lauer Sommerabend und das Meer würde an die Steinmauern des nahe gelegenen Spree-Ufers säuseln. Im späteren Verlauf des Abends wurde aufwertend auf einen Grauburgunder, Lergenmüller Bundsandstein aus der Pfalz umgeschwenkt. Denn konnte man natürlich sehr gut trinken – aber Spaß, den hat mir der Portugiese in der Hauptsache gemacht. Den möchte ich im Sommer wieder treffen!



Als erster Hauptgang folgte ein wunderschön farbenfroh angerichteter Teller mit pochiertem Hummer und Avocado-Staudensellerie-Salat mit geröstetem Sesam und Granatapfelvinaigrette und gerösteter Coppa. Sehr gut. Ich glaube, wer vorher immer einen weiten Bogen um Staudensellerie gemacht hatte und das sind ja nicht wenige, der wäre hier erstmals ins Grübeln gekommen, ganz fein, unaufdringlich und knackig. Ein bonfortinöser Gang. Auch dank des Hummers, aber nicht nur wegen ihm. Was die Jungs in der Küche ihm da zur Seite serviert haben, das konnte bestehen.



Zweiter Hauptgang: Spaghetti … mit Hummersud parfümiert und frischen Cocktailtomaten sowie Zuckerschoten. Da kam dann Chili und leichte Schärfe ins Spiel. Die Pasta war gut, sehr gut. An sich ganz trivial – geschmacklich sehr überzeugend.



Ich hoffe, die beiden Pastateller mit Suco con Carne haben auch gemundet – es gab zwei Fischallergiker beim Hummeressen! (Was man in der Küche nicht alles mitbekommt!)



Der letzte Gang, das Dessert, war der Gang, der mich persönlich am wenigsten überzeugen konnte. Es gab eine Schokoladenmousse mit Hippen (Teig und Schokolade) und gehackte Pistazien. Die Mousse war eine Variante der „fluffigen“ Sorte. Sie war lecker, zweifelsohne. Leider, leider war der Gang etwas zu warm als er serviert wurde (wobei das sicherlich dem Umstand der kleinen Küche geschuldet war). Mein Hauptproblem ist, dass ich empfindlich bockig reagiere, wenn man mir ein Dessert vorsetzt, das so tut als als hätte es keine Kalorien. Das mag ich nicht. Ich will ein Dessert – ich liebe Desserts – also will ich alles! Eine Mousse ist ein Dessert und sie hat gediegen zu sein und muss Charakter zeigen. Ich finde, wenn ich eine Schokoladenmousse ordere, dann muss die dunkel und schwer sein und der Tisch hat gefälligst vor Ehrfurcht ihrer Tiefe in die Knie zu gehen, wenn sie auf ihm serviert wird. Eine Schokoladenmousse hat nach Tragödie schmecken! Eine Schokoladenmousse, die nicht mehr weiß, ob sie Sahne oder Schokolade sein soll, zählt bei mir nicht. Nun gut, wir waren in Mitte und das muss eine Mousse mehr so fliegen können.

Rundrum war das ein bonfortinöses Dinner mit perfektem Service, sehr spannenden Menschen – also ein mehr als gelungener Abend – der nach dem offiziellen Ende in verkleinerter Runde im Prenzl'berg ein frühes Ende, früh im Sinne von morgens, nahm. Also ich denke für Leute, die gerne essen, vielleicht sogar selber kochen und auch öfter in einer anderen Stadt weilen und für einen Abend Anschluss suchen, ist tafelzeit.de das richtige Modell, um mit Gleichgesinnten zusammen gekommen und schöne Abende zu verleben. Ich würde da sofort mitmachen, muss aber, fürchte ich, vorher zuerst dringend einen Küchen-Renovierungs-Flashmob ausrufen. Hier könnt Ihr das Post von Peggy lesen mit mehr Hintergrundinformationen zum Geschäftsmodell von tafelzeit.de.

Vor allem aber, wenn Ihr für Eure Firmen, Veranstaltungen etc. ein Catering/Eventveranstalter in Berlin sucht: Fiedrich&Co empfehle ich.

6 Kommentare:

Paula hat gesagt…

Wie sieht denn das Rezept für dein perfektes Schokoladenmouse aus? Ich habe mal ein fast perfektes gegessen, aber das Rezept rückte der Herr leider nicht raus.

creezy hat gesagt…

@Paula
Ist das jetzt die Erlaubnis für mich mitten in der Woche eine Schokolademouse anzufertigen und darüber zu bloggen? Sag ja, bitte bitte, sag ja! ,-)

multikulinaria hat gesagt…

Da mag man glatt nochmal... Schön geschrieben! Viellt. kannst Du die charmante Küchen-Crew (die ich in meinem Artikel leider löblich zu erwähnen vergaß - man möge mir verzeihen) bezirzen, uns das Vinaigrette-Rezept zu verraten... Ich fand auch die Granatapfelvinaigrette total erfrischend-lecker.

Paula hat gesagt…

Jaaaa! Das ist quasi ein Dienst an der Menschheit!

Anonym hat gesagt…

Der Salat hat mich auch umgehauen! Dieser Duft... Mein persönliches Highlight war die Pasta. Vielen Dank für deinen detailierten Bericht!
Britta

ubreo hat gesagt…

Schöner Bericht, klasse Lichtbilder. Geblitzt und mit 16-50/2,8 photographiert?

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