2023-11-29

Echte digitale Berliner Behördenkompetenz … geht rückwärts!

Als das Bürgergeld noch Arbeitslosengeld II hieß, offiziell, gab es in Berlin einen Ausweis, den Berlin Pass. Dieser Berlin Pass ermöglichte es Menschen, die in dieser Stadt von Leistungen wie Grundsicherung, Arbeitslosengeld II leben und Bürgern im Wohngeldbezug, ein ermäßigtes Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr – das sogenannte S-Ticket – zu erwerben. Darüber hinaus erhielt man mit Vorlage dieses Passes in den staatlichen Museen dieser Stadt freien Eintritt, konnte zu bestimmten Uhrzeiten in den öffentlichen Bädern ermäßigt Schwimmen gehen – und erhielt auch an anderen Stellen die Möglichkeit ggf. vergünstigt Karten im Berliner Kulturgeschehen zu erwerben.

Formal lief das so ab: Man erhielt den Leistungsbescheid der jeweiligen Behörde (Jobcenter, Sozialamt, Wohngeldamt) und ging damit und einem Lichtbild zu dem zuständigen Bezirksamt. Die Mitarbeiter*innen dort pappten das Lichtbild auf ein kleines Stück Papier, klappbar, auf dem bis zu vier Leistungszeiträume abgestempelt werden konnten. Ab dem Moment konnte man sich bei der BVG direkt ein vergünstigtes Monatsticket S kaufen, das nur gemeinsam mit diesem Ausweis gültig war.

Kleiner Hinweis: Leistungsempfänger der Job- und Sozialämter erhalten mit diesem Bescheid direkt auch ein Formular ausgestellt, dass ihnen die Befreiung vom Rundfunkbeitrag zusichert.

Nie konnte geklärt werden, warum das Prozedere „Berlin Pass ausstellen” nicht auch direkt in den z. B. Berliner Jobcentern geschehen konnte, denn ALG II wurde bekanntlich zum Abbau der Bürokratie eingeführt. Weswegen man auch die Bewilligungszeiträume (anfänglich von den zwölf Monaten der vorausgegangenen Arbeitslosenhilfe) auf sechs Monate verkürzte. In der deutschen Verwaltung glaubt man, die Verdoppelung von Leistungsbescheiden in einem Jahr würde die Bürokratie verschlanken. Das lasse ich so stehen. (Den Irrsinn Irrtum haben sie nach ca. zehn Jahren korrigiert.)

Egal. Alle unterschiedlichen Leistungsempfänger hatten die Möglichkeit, nach Erhalt des Leistungsbescheides sofort zum Bezirksamt zu gehen, sich den Berlin Pass ausstellen zu lassen, um sich sofort ein vergünstigtes Monatsticket zu kaufen – und gut war es.

Berlin Pass Edition 2022-2023

Mit Einführung des Bürgergelds läuft das in Berlin heute … anders. Den Berlin Pass in der Form gibt es nicht mehr.

Man erhält weiterhin den Leistungsbescheid mit der Befreiung vom Rundfunkbeitrag. (Also Formulare für Dritte zeitgleich mit dem Bescheid versenden, das funktioniert schon praktisch.) Es gibt seit letztem Jahr ein Dokument, die „BVG Kundenkarte S”. Diese wird digital produziert, mit einem Vorlauf von mindestens zehn Tagen.

Hierfür müssen sich Kunden bei der BVG online registrieren (sich also neu persönlich hinsichtlich des Bezuges sozialer Leistungen nackig machen) und ein Passbild hochladen. Es muss ein QR-Code eingescannt werden, der von den Jobcentern auf einem gesonderten Formular zu diesem Zweck versendet wird. Mit Erhalt dieser Karte ist man berechtigt, mit einem Monatsticket S vergünstigt mit der BVG zu fahren. Angeblich soll man mit diesem Ausweis auch vergünstigt in Museen etc. gehen dürfen.

(Dass hier ein Bevölkerungsteil in die Digitalisierung gezwungen wird, denen in den jeweiligen Regelsetzen der Sozialleistung weder der Erwerb eines Computers oder Smartphone zugebilligt wird, ist ein ganz anderes Thema.)

Eigentlich (von datenschutzrechtlichen Fragen abgesehen) eine simple Alternativlösung. Eine Behördenleistung wurde an ein Unternehmen ausgelagert, der Vorgang bis zum Erhalt des finalen Dokuments hat sich aufgrund der Digitalisierung um mindestens zehn und bis zu 14 Tage verlängert. Das kann man … naja finden.

Nun ist es aber so – in einer Zeit, in der jede Person am eigenen Smartphone für die z. B. eigenen Kontaktdaten einen QR-Code erstellen kann, können die Berliner Jobcenter nicht automatisch mit dem Bewilligungsbescheid einen QR-Code erstellen und mit dem Leistungsbescheid direkt an die Kund*innen mitsenden. Weder direkt auf dem Bescheid. Noch gesondert auf einem einzelnen Blatt Papier.

Möchte man die Möglichkeit für sich in Anspruch nehmen bei den Berliner Öffentlichen Verkehrsbetrieben (BVG) das Sozialticket zu erwerben, muss man als das Jobcenter nochmals kontaktieren und um Zusendung eines Formulars bitten auf dem der personalisierte QR-Code vermerkt ist.

Hat man diesen QR-Code dann nach gesonderter Anfrage – wenn es gut läuft 14 Tage später per zusätzlicher Post – erhalten, kann man mit diesem QR-Code online bei der BVG die VBB Kundenkarte Berlin S beantragen.

Aus welchen Gründen auch immer, wird auf jeden Fall schon mal zwei Mal innerhalb dieses digitalen Prozesses zusätzliches Porto generiert – im Vergleich zum früheren Verfahren. Von der zusätzlichen Bindung des Personals … aber auch das gehört sicherlich mit zum neuen Bürokratieabbau.

Nun ganz neue Veränderungen in diesem Verfahren – unter der Leitung eines CDU-Bürgermeisters, der sich im Wahlkampf sehr stark gemacht hatte für die Digitalisierung in Behörden und Abbau von Bürokratie bei eben dieser – heißt das in der Realität:

Angeblich wird das Formular mit dem QR-Code mit dem Bewilligungsbescheid automatisch verschickt – oder wie es bei berlin.de heißt: „Der Berechtigungsnachweis wird in der Regel mit der Bewilligung Ihrer Transferleistung von Ihrer Leistungsstelle automatisch an Sie verschickt.”

Nein. Das passiert nicht.

Denn ab sofort gilt hinsichtlich des Formulares mit dem relevanten QR-Code folgende Regelung: (Und beachtet bitte, wir befinden uns weiterhin im Prozess der Anwendung digitaler Prozesse, die außerhalb von Behörden gemeinhin Prozesse verschlanken und Bürokratie abbauen. Normalerweise.)

Das Formular mit dem QR Code wird von einer eigens hierfür generierten Personalstelle versendet. Und diese Personalstelle ist in diesem Jahr an folgenden Tagen (s. Bild) nur besetzt (oder es wurde nur für diese Tage Druckertinte eingekauft oder kann nur der Pin AG-Boy bestellt werden oder die automatische Formular-Falt-Und-In-Den-Umschlag-Steck-Maschine willig oder what the fuck else – man weiß es halt nicht).
Quelle

Und das heißt dann einfach, bekommst du deinen Bescheid außerhalb dieser genannten Zeiten, hast du halt Pech gehabt, fährst du einen ganzen Monat eben nicht ermäßigt. Also: Gar nicht.

Gleichzeitig mit diesem digitalen Honksinn, wurde auch die Übergangsregelung zum 30.09.2023 aufgehoben, dass man bis man den Ausweis der BVG nach Beantragung (frühestens ca. 10 Tage später, wenn es gu…) in den Händen hält, solange mit dem Bescheid, den es bei sich zu führen gilt, wenigstens übergangsweise ermäßigt fahren zu können.

Trotz aller öffentlicher Kritik gibt es hierzu auch seitens der Berliner Behörden und der BVG keine Bewegung hinsichtlich einer sofortigen Korrektur.

Davon abgesehen, dass ich mich frage, an welcher Stelle bei der Verabschiedung dieses Prozedere der Berliner Datenschutz geschlafen hatte – immerhin müssen sich nun Sozialleistungen beziehende Bürger Berlins in einem Online-Verfahren gegenüber einem dritten Unternehmen als eben solche outen, mit ihrem kompletten Datensptekrum – und warum?

Schlussendlich hat man, warum auch immer, es den Betroffenen dank der Digitalisierung unmöglich gemacht, zeitnah die möglichen Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr für sich in Anspruch nehmen zu können. Selbst wenn das Formular mit dem Zugangscode pünktlich verschickt wird – die Menschen sind immer einen Monat lang nicht in der Lage die Ermäßigungen für sich in Anspruch zu nehmen.

Weil Berlin, die Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschlang, einen Sachverhalt digitalisiert hat.

Berlin hat einen Prozess im Bürgergeld-/Grundsicherungsverfahren derart kompliziert digitalisiert, dass zusätzliche Kosten generiert werden, die früher nicht so generiert wurden. Und damit Menschen im sozialen Leistungsbezug vergünstigtes Fahren mit der BVG über einen Monat unmöglich gemacht.

2023-11-27

Gerne gelesen: Trudi traut sich!

Trudi ist eine sehr freundliche Kuh. Und: Sie wird von allen anderen Tieren sehr bewundert, weil sie so groß und stark ist!

Ich mag Trudi, denn wir haben meine Oma väterlicherseits, die eigentlich Gertrude hieß, auch immer so genannt. Trudi ist in diesen Zeiten ein viel zu seltener Name geworden.

Aber zurück zu Trudi, dieser unfassbar mutigen Kuh. Alle Tiere denken, Trudi hätte nie Angst und deswegen wird sie gerne von ihnen in kniffligen Situationen zum Schutz benutzt. Bis eines Tages klar wird, dass selbst so ein großes Tier wie eine Kuh durchaus auch ängstlich ist und Sorgen haben kann.
Trudi traut sich! ist ein sehr schönes Kinderbuch für Kinder ab 2 bis ungefähr 5, 6 oder 58 Jahre, das deutlich macht, dass gar nicht immer alles so scheint, wie gedacht. Und: wie wichtig es ist, über Sorgen und Ängste mit anderen zu sprechen. Oder muhen. Oder so. Und man sich nicht in Schubladen packen lassen sollte, weil man doch schon so groß ist.

„Trudi traut sich!”
Autorinnen: Katja Reider und Henrike Wilson
Verlag: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-649-63711-0

2023-11-25

Königlicher Tischtennisklub Berlin im Hotel Berlin Berlin

Gestern war ich seit ewigen Zeiten im Hotel Berlin Berlin. Wenn ich ehrlich bin, war ich dort das letzte Mal, als dieses Hotel noch Hotel Berlin hieß. Und das ist … doch wieder eine historische Weile her.

Ich muss da ausholen. Ich bin nun was älter und in diese Stadt geboren worden vier Jahre, nachdem die Mauer seitens der DDR dingfest gemacht worden ist. Der Bereich Westberlins, wo das Hotel Berlin damals errichtet wurde, war quasi der Beginn eines Teils von Berlin, den man als No Man’s Land beschreiben würde. Die inzwischen längst wiederbelebte Botschaftscity mit ihren elitären Villen entlang der Tiergartenstraße war damals komplett stillgelegt, bauffällige Ruinen, zugenagelt. Man ist in den Tiergarten zur Erholung gegangen, die Herren begrüßten in der Tiergartenstraße die Bordsteinschwalben – aber sonst gab es in diesem Areal wirklich wenig bewohnte Fläche, noch weniger Firmeninteresse. Lediglich sehr viel Brache.

Dass dann in den 60ern auf der Fläche der im Krieg zerstörten Villa des Weinhändlers Willy Huth (legendär seine Weinhandlung Haus Huth am Potsdamer Platz) ein so großes Hotel errichtet wurde, war, für uns, die völlig verunsicherten Westberliner, ein Signal bedeutsamer Relevanz. Waren wir womöglich, als Insel inmitten dieser DDR, touristisch doch noch attraktiv? Inwieweit dieses Hotel eine besondere Rolle spielte, auch bezüglich der in geographischer Nähe liegenden spezielleren Übergänge im Grenzverkehr, nämlich den politischen und journalistischen Übertritten mit Ausnahmeregelung vorbehalten, Moritzplatz und Checkpoint Charlie, kann man ahnen.

Insofern war bei Westberlinern meiner Generation mit dem Bau dieses Hotels uns ebenfalls ein Baustein im Herzen implementiert worden. Es war nie das schönste Hotel dieser Stadt – aber immer eines mit Stellenwert für uns.
Die letzten Jahrzehnte ist das Hotel immer wieder umgebaut und erweitert worden, musste aber ebenso finanzielle Durststrecken aushalten und Verkäufe überstehen. Für die Umbauten in den 1990er-Jahren zeichnete sich vor allem das Architektenbüro Michael König (!) verantwortlich. Im Jahr 2006 ist das Hotel in das Portfolio der schwedischen Pandox AB gewechselt und ist nach einem Make Over heute ein spannendes Hotel, das sich angenehm offen präsentiert – nämlich auch für Gäste, die dort nicht übernachten – also uns Berliner.

Das Hotel möchte Treffpunkt sein in dieser Stadt, bietet neben über 700 Zimmern gleichzeitig eine enorme künstlerische Vielfalt mit wechselnden Ausstellungen – und heißt nun Hotel Berlin Berlin. Damit auch ja keine Zweifel aufkommen am Standort.
Ab sofort ist das Hotel Berlin Berlin royale Heimadresse. Der Königliche Tischtennis Klub Berlin ist hier gegründet und eingezogen. Klub mit K – soviel königlich-historische Etikette darf sein.
Tatsächlich gehört es seit einiger Zeit zum guten Ton innovativer Hotels, Tischtennisplatten für Gäste bereitzustellen. Klar, Tischtennis ist der perfekte Zeitvertreib für … eigentlich immer. Ein Spiel, das rund um die Welt bekannt ist, es können fast alle mit dem kleinen Ball spielen. Oder es sehr schnell lernen. Ob im Doppel, Quartett oder ab drei Personen bis unzählige Mitspieler im legendären Rundlauf. Man findet relativ unkompliziert Gleichgesinnte, wenn nur Platte und Kelle plus Ball zur Verfügung stehen.
Das Hotel Berlin Berlin hat aus diesem Trend nicht nur ein zusätzliches Angebot gemacht und dann den Sport, wie üblich, in den Wellness-Bereich verbannt. Der Philosophie des Hauses ist es, seinen Gästen ein Zuhause zu sein – hier wird im Wohnzimmer gespielt!
Das Team um Generalmanager Jan Hennigsen hat den absoluten Vogel abgeschossen und einer illustren – immer schon Tischtennis spielenden – königlichen Ahnengalerie einen eigenen Raum spendiert, in dem an drei bis vier wunderschönen (nie schönere Platten gesehen übrigens) Tischtennisplatten zu jeder Tages- und Nachtzeit gespielt werden kann. Von den Gästen, mit den Gästen der Gäste – oder ganz im Sinne des Hotels „Stay like a local” mit Berliner*innen privat oder anlässlich eines Firmenevents.
Wer immer Spaß am PingPong hat, ist eingeladen. Sportliche Getränke und fitte Burger gibt es an der gegenüber liegenden Bar bzw. dem Bistro des Lütze Restaurants. KTKB – alltäglich königlich.
Wir Gäste der Eröffnungsfeier – gekrönt, logisch – durften Donnerstag den Raum als auch die Platten im Königlichen Tischtennis Klub Berlin einweihen. Und ja, die verspielte Resonanz (auch an den Miniaturplatten) machte deutlich, dass es wirklich an der Zeit war für einen derartiges Etablissement in Berlin – es waren gestern exzellente Spieler*innen an der Kelle, Respekt! Und natürlich ging es um nichts Geringeres als edelstes funkelndes Geschmeide für die Sieger!
Die Sieger (aus Gründen nicht gegendert) durften final selbstverständlich die ersten königlichen Pokale des Königlichen Tischtennis Klubs Berlin aus den Händen der wunderschönen ersten Berliner Weinkönigin Sheila Wolf und dem nicht minder anmutig aussehenden amtierenden König des Hotels, Jan Hennigsen, entgegennehmen. Ein einziges königliches Ballvergnügen!
Hotel Berlin Berlin
Anschrift: Lützowplatz 17, 10785 Berlin phone: +49 (0)30 26050 Mail: info@hotel-berlin.de

2023-11-24

Gerne gelesen: Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron

Monsieur Lepron ist ein sehr stilvoller Hase, der sich gerne den Jahreszeiten angemessen kleidet. Er lebt im Wald und blickt aufgrund seines schon fortgeschrittenen Alters mit sehr viel Stolz auf eine große Schar Hasenkinder und Hasenenkel und sogar Hasenurenkel.

Monsieur Lepron ist aber auch ein begandeter Suppenkoch! Die Gemüsesuppe, die er kocht, die ist legendär! Einmal im Jahr ist es soweit, dann tragen seine Kinder, Enkel und die Urenkel alles Gemüse zusammen, das der Wald und der Garten hervorgebracht hat – und dann setzt Monsieur den großen Suppentopf auf.
Alle Bewohner – übrigens auch die Bauern – wüssten nur zu gerne, was das Geheimnis dieser großartigen Suppe ist. Ist es das Gemüse? Sind es besondere Gewürze? Oder liegt es daran, dass Monsieur Lepron, sobald die Suppe auf dem Herd steht, sich in seinen Sessel setzt und ein Mittagsschläfchen hält, das ihm fantastische Träume beschert?

Und es werden immer mehr Tiere und Menschen, sogar professionelle Köche, die das Geheimnis dieser wundervollen Suppe erfahren wollen. Das aber hat große, viel zu große Konsequenzen für Monsieur Lepron – und seine Träume, die gar nicht mehr so schön sind!
Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron ist ein auf jeder einzelnen Seite wunderschön (!) gezeichnetes Buch mit einer sehr intelligenten Botschaft, die alle Kinder ab ungefähr fünf Jahren und viel, viel größere Kinder lesen können! Vor allem die Zeichnungen machen sehr viel Freude.

„Die wundersame Suppe des Monsieur Lepron”
Autorinnen: Giovanna Zoboli und Mariachiara Di Giorgio
Verlag: Bohem Verlag
ISBN: 978-3-95939-215-0

2023-11-22

Gerne gelesen: Ti Amo Roma

La Dolce Vita – keine andere Stadt steht für diesen italienischen Ausdruck so bestimmt, wie Rom. Wer denkt da nicht sofort an breite Straßen, viele Vespas, Bars auf der Piazza im Sonnenuntergang, schöne und stilvoll gekleidete Italienerinnen und Italiener?

Die Autorin und Fotografin Lisa Nieschlag (Blog: Liz & Friends) und der Illustrator Lars Wentrup haben sich gemeinsam auf die Spuren legendärer Rezepte aus der italienischen Hauptstadt und ihrer Region Latinum begeben. Sie reisen dabei mit den Leser:innen durch die legendären in Rom spielenden cineastischen Kassenschlager aus den vergangenen Jahrzehnten in dieser Stadt und ihrem naturgegebenen La Dolce Vita.
Es werden zum Aperitivo Cocktails wie der Americano mit Bruscchette calde oder Carciofi (Artischocken) alle romana serviert. Minestrone verde und Pasta al limone gefolgt von einer Zabaione semifreddo con amaretti e lamponi zum Abendessen – Cena in Famiglia. Als Street Food für den Spazierang durch Roms Straßen genießt man natürlich Pizza und in der Bar einen Affogato al caffè im Kapitel La Dolce Vita. Und später im Sonnenuntergang auf der Piazza – La Grande Bellezza – ein herrliches Risotto ai carciofi oder Gnocchi alla romana und dort einen Abschluss mit einem schmelzenden Sorbetto al limone.

Die allermeisten Rezepte in diesem Buch sind keine große Hexerei. Vor einer Zabaione, die halbgefroren serviert wird, muss niemand Angst haben.
Und die Zutaten sind längst auch in unseren Gefilden täglich zu bekommen. Die Rezepte werden im Buch begleitet von hübschen kleinen Geschichten und den filmischen Anekdoten rund um diese Stadt. Mutig die Fotografien, die im Stil herzlich in die Zeit der 60er Jahre zurückblenden – als sich ganz Deutschland aufmachte, Italien zu entdecken.
In diesem Kochbuch über diese eine Stadt steckt sehr viel Liebe. Es ist ein bisschen süß, ein bisschen frech, da ist ein bisschen Amore und dort eine Menge Passione, es ist sehr viel Italien! Man sieht, liest und riecht es – und wer einige dieser Rezepte nachkocht, schmeckt das auch! Und es hilft (sicher nicht nur mir!) ziemlich gut die Zeit bis zur nächsten Italienreise zu überbrücken!

„Ti Amo Roma” Italienische Rezepte und Geschichten aus der Ewigen Stadt
Autor*in: Lisa Nieschlag und Lars Wentrup
Verlag: Hölker Verlag c/o Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-88117-298-1

2023-11-20

Bei Karstadt

Karstadt stirbt, immer mehr, dürfte aus den Medien bekannt sein. In Berlin gibt es – noch – eine der sehr wenigen offenen Filialen, deren Kundenschwund sehr zu spüren ist vor Ort. Die Menschen fühlen sich einfach dank der politischen Inkompetenz über die letzten Jahrzehnte völlig veralbert, denn es sind ihre Steuergelder, an denen sich vermeintliche „Karstadt/Hertie-Retter” spekulativ gesund gestoßen haben. Immer und immer wieder. Politisch abgenickt.

Den endgültigen Tod dieser Läden haben jetzt die Kunden beschlossen.

Und die Inflation.

Freitag war ich wieder einmal im Kaufhaus am Hermannplatz, dieses Kaufhaus, das sichtlich stirbt. Und erlebe, wie ein Vater mit einem kleinen Kind an der Hand, vielleicht drei oder vier Jahre alt, diesem erklärt, was ein Kaufhaus ist. Der Junge ist sichtlich fasziniert von der Größe dieses Geschäftes und was es hier alles zu bestaunen gibt. Offensichtlich nimmt er erstmals in seinem jungen Alter das Phänomen Kaufhaus wahr.

Hertie ist schon gestorben. Karstadt wird sterben. Ich selber habe als Kind so wundervolle Zeiten darin erlebt und gehe auch heute noch sehr gerne in ein Kaufhaus. Alleine die Küchenabteilung bei Karstadt ist heute noch voller guter – deutscher – Küchenherstellermarken. Mir ist das etwas wert. Ich kann mich an die Ausflüge mit meiner Oma zu Hertie erinnern, damals als Kind in der Wilmersdorfer Straße. Unserem Kaufhaus. Ich habe es so geliebt. Es war bunt dort, duftete gut. Es war ein kleines Paradies.

Das Kaufhaus in seiner bisherigen Form stirbt also. Mir bleibt die Hoffnung: In zwanzig Jahren, sehr wahrscheinlich, werden Menschen das Kaufhaus wieder neu erfinden.

Dann nämlich, wenn die Malls, die jetzt auch schon den Zenit ihres Erfolges überlebt haben, wo immer mehr Filialen leer stehen, die Wege immer weiter werden, bis man auf ein eingeschränktes Angebot einzelner Händler trifft, sich im Massensterben befinden. Dann werden findige BWL-Hansel das kluge System eines Kaufhauses wieder neu erfinden.

Einem Ort, wo man beraten wird. Wo man alles auf einmal bekommt, auf verhältnismäßig kleiner Fläche. Wo man alles, was man einkauft, bei einer Sammelkasse bezahlen kann. Wo man nicht einen Kilometer laufen muss, um einen öffentlichen Ort zu finden. Wo man in einem Restaurant ganz okay essen kann, ohne gleich arm dabei zu werden. Wo man so faszinierend unterschiedliche Menschen aller Altersklassen treffen kann. Nicht nur hipste Burgeresser oder übertagte Kuchentanten. Der Mix wird wieder hervorgehoben werden – und einladend attraktiv sein.

Natürlich werden sie das Kaufhaus umbenennen. Es muss irgendeinen internationalen Begriff tragen, vermutlich einen internationalisierten chinesischen Namen.

Ich bin mir sicher, das Kaufhaus wird wiedergeboren werden. Aber vorher muss es sterben.

Vielleicht überlebt dieses Blogpost bis dahin.

2023-11-19

Crypta rupereste Madonne del Soccorso in Monopoli

Monopoli – eine weitere dieser schönen Städte in Apulien, die entlang der Küste der Adria mit ihrer Schönheit und ganz eigenem Charme um die Touristen im Valle d’Itria buhlt. Drei Urlaube durfte ich bisher hier verbringen. Anfänglich auserwählt aus purem Pragmatismus, nämlich Lage an der Nord-Süd-Tangente der Bahn und finanzierbarer Unterkunft, ist mir dieser Ort mittlerweile immer mehr ans Herz gewachsen.

Ich mag es hier, die Altstadt direkt am Hafen gelegen, mit ihrem eher niedlichen Castello und dem zu Tode fotografierten alten historischen Hafen.
Und die moderneren Stadtbereiche, mit der riesigen Piazza Vittorio Emanuele II, sie gilt als einer der größten Plätze Süditaliens, ist zu jeder Jahreszeit abendlicher Treffpunkt allen urbanen Lebens. Hier verschmelzen das Centro Storico (Altstadt) mit der Neustadt Monopolis.
Demgegenüber die Piazza Garibaldi (who else?), die im Centro Storicos Mittelpunkt allen Lebens ist – früher als Zuhause des Fisch- und Gemüsemarktes diente – heute nach einer Umgestaltung mit Einrichtung des Tourismusbüros, mit der Eisdiele, Salumeria (feinster frischer Ricotta), vielen Bars und Restaurants völlig für Touristen umgewidmet wurde.
Ich weiß nicht, wie viele Kirchen diese Stadt – alleine im Centro Storico – ihr Eigen nennt. Es sind unfassbar viele! Jemand hat auf einer kleinen Fläche der Altstadt alleine schon 17 Stück gezählt. Nicht immer sind sie als das Gotteshaus, wie man es kennt, zu erkennen. Oft sind es nur mit Kunstblumen und Grabkerzen geschmückt Altäre in den Torbögen auch allerkleinster Straßen. Verbliebene Fresken – wie dieses Fresko am Zugang zum Porto Vecchio, dem La finestra sul mare
… Madonnenbildnisse, Schreine – als Zeichen frühzeitlicher Orte des Glaubens, längst überbaut.

Oder sie sind ihrem Zweck entfremdet, zwar vor dem Verfall geschützt, restauriert, dienen aber heute nur noch kulturellen Ereignissen als Zuhause. Z. B. anlässlich des internationalen Fotofestival PHEST, das jährlich in Monopoli im Herbst stattfindet. Ist eine Bar in der Nähe, können die Stufen auch als Tisch dienen. Die Integration der sehr alten Gotteshäuser in den heutigen Alltag, sie ist vielfältig.
Und dann sind es große Kathedralen mit klang haften Namen, wie die Basilika Maria Santissima della Madia (1742-72), die mit ihren erstaunlich einfachen Fassade, in ihrem Inneren und einzigartigen Überfülle barocker Pracht alles in den Schatten stellt.
Die Santa Maria Amalfitana, die ca. 1159 von Seefahrern über eine Grotte errichtete Basilika. Die Chiesa di San Francesco d’Assisi, Chiesa di San Salvatore oder hier, die Chiesa di San Domenico …
Es gibt kaum eine Straße – zumindest in der beschriebenen Altstadt – die nicht von einem historischen religiösen Bezug Zeugnis spricht. Und das macht das Spazierengehen hier auch so spannend, egal ob man gläubig ist oder nicht. Diese Vielfalt der Kirchengeschichte Monopolis zu erfassen, manchmal überladender Prunk, der sprachlos macht ob der künstlerischen Vielfalt, manchmal bröckelnder Zerfall, der Mitleid erwachsen lässt, das ist eine spannende Aufgabe für sich bei der Entdeckung dieser einzigen Stadt (gr. mono poli).
Neben den Strandausflügen, Wanderungen entlang der Küsten, Restaurantbesuche und natürlich einem Aufenthalt am Porto Vecchio, dem kleinen historischen Hafen mit den Gozzo, den blau gestrichenen einfachen Fischerbooten. Monopoli bietet viel süditalienische Schönheit – und diese zum Glück noch ursprünglich.

Mindestens zwei unterirdische Kirchen soll es in Monopoli geben. Eine befindet sich auswärts der Stadt gelegen, die andere, Crypta rupereste Madonne del Soccorso, liegt mitten in der Altstadt.

An ihr bin ich nun drei Urlaube beinahe jedes Mal vorbeigelaufen, wenn ich von meinem Ferienapartment in Richtung Bahn ging, hatte es aber bis zu diesem Urlaub noch nie geschafft, sie zu besichtigen. Entweder weil ich außerhalb ihrer Öffnungszeiten an ihr vorüberzog – oder in Eile war, weil der gebuchte Zug nicht warten wollte.

Jedoch dieses Mal nutzte ich die Chance bei einem abendlichen Spaziergang, entrichtete einen Euro an den jugendlichen Kirchenbeisitzer für ihre weiteren Pläne der Restaurierung. Es ist oberhalb der Kirche in der Via San Domenico 73 übrigens ganz charmant, denn direkt gegenüber liegt die ebenfalls von einem Herren betreute öffentliche Bedürfnisanstalt (die Altstadt besitzt zwei davon) – man trifft sich dort mit der Nachbarschaft, abends gesellen sich die befellten frei laufenden Mitbewohner der Anwohner hinzu.
Es ist ein öffentlich-kirchliches Leben eigener Art.
Heute liegt die Crypta rupereste Madonne del Soccorso sechs Meter unterhalb des Straßenniveaus und ist über eine steile Treppe zu erreichen (nein, leider nicht barrierefrei). Tatsächlich lag sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung, das war ungefähr im 10. Jahrhundert, oberhalb eines Kanalhafens, der später von den Normannen zugeschüttet wurde. Sie ist sehr klein, misst lediglich 7,55 x 5 m und von ihrem originalen Zustand ist lediglich ihr Grundriss erhalten.

Alle ihr enthaltenen Skulpturen wurden später aus anderen, heute nicht mehr existierenden Gotteshäusern der Umgebung hierher ins kirchliche Asyl entsandt.

Einzig im Original auch hier entstandenn ist dieses Fresko der Namensgeberin, einer – natürlich jungfräulichen – Madonna mit ihrem Kind – aber auch dieses zog wohl vermutlich 500 Jahre nach ihrer Entstehung hier ein.
Über ihre historische Bedeutung findet man bedauerlicherweise viel zu wenig. Der Text zu ihr auf der offiziellen Seite von Monopoli ist, höflich formuliert, mager. Es gibt eine Erklärungstafel in ihrem Inneren, die sich formal, immerhin zweisprachig ((italienisch/englisch), hauptsächlich dem Grundriss widmet. Aber ich hatte das Glück, für einige Momente alleine in dieser Kirche zu sein, und das ist faszinierend.


Die Skulpturengruppe wird Stefano da Putignano und dem 16. Jahrhundert zugeordnet. Ursprünglich sollen sie ihr Zuhause in der Kirche S. Maria La Nova gehabt haben, die 1529 zerstört wurde. Wo genau diese Kirche ihren Standort hatte – ich konnte ihn nicht finden.
Auch das hoch über dem Eingang der Kirche hängende Relief, das zielsicher auf ihre Existenz hinweist, ist nachträglich angebracht worden. Im Saal findet sich eine steinerne Scheidewand, von zwei Säulen und einem Rundbogen getragen. Diese Wand soll der Trennung zwischen den Gläubigen (Naos) und dem Klerus (Bema) gedient haben.
Der kleine Altar, mit einer Steinfassung vom restlichen Saal abgetrennt, wirkt in Anbetracht der gerinen Cryptagröße, faszinierend niedlich und vermittelt dem kühlen, düsteren Raum etwas Freundliches. Meine subjektiven Eindrücke.
Durch Gitter abgetrennt sind eine kleine schmale frühere Zuwegung im Felsen zur Kirche und ein tiefer gelegener Bereich, heute mit Grundwasser gefüllt.
Messen werden an diesem Ort nicht mehr gehalten, er dient ausschließlich als historische Stätte – aber die Besichtigung lohnt sich wirklich, denn es ist einfach eine ganz andere Art von Kirche – und ein Beweis der reichen Vielfalt an Gotteshäusern alleine in dieser apulischen Hafenstadt.