2022-08-19

Das Wilhelm im Humboldt Forum

Berlin und sein neues Schloss

Die Sache mit dem Humboldt Forum ist eine komische – aus Sicht einer Berlinerin. Wir, die wir die Nörgelei und Motzerei mit der Muttermilch aufgesogen haben, haben nämlich gar nicht so viel zu meckern am Humboldt Forum. Und das ist – mit einer gesunden Portion Selbstkritik gesehen – eine wirklich erstaunliche Sache an und für sich!

Tatsächlich spalten sich die Stimmen der Berliner lediglich an einem Sachverhalt: Es gibt die Berliner, die – zu Recht – immer noch über den Abriss des Palastes der Republik empört sind, sich weigern einen Fuß in den Palazzo der alten Neumoderne zu setzen und mit Schmähkritik an diesem wirklich nicht geizen. Aber eben, fragt man etwas genauer nach, einfach noch nie dort vor Ort waren. Ein Sachverhalt den Alexander von Humboldt zu seiner Zeit recht schlau kommentierte: „Die gefährlichste aller Weltanschauungen ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben.”

Und dann gibt es die Berliner, die (dazu gehöre ich) den Abriss des Palastes der Republik weiterhin kritisch sehen, das Humboldt Forum mehrmals besucht haben seit seiner Öffnung (easy, ich Glückskind falle von meiner Docking Station einmal fußläufig hin) – und das pompöse aber irgendwie auch sehr bonfortionöse Ding einfach ins Herz geschlossen haben. Und mit einfach, meine ich einfach. Eine kleine Flamme der Begeisterung, die mit jedem Eintritt größer wird. Der Koloss schmeichelt sich ins Zentrum des Blutdrucks, still und unaufgeregt. Und jedes Mal, wenn ich dort zu Besuch bin – die Gelegenheiten sind unfassbar groß übrigens – denke ich so bei mir: „Das ist ja mal wieder reizend!” „Oh, das gefällt mir sehr!” „Ah, das ist jetzt nicht meins aber irgendwie doch interessant.” „Ich habe keinen roten Faden in dieser Ausstellung gefunden – aber einzeln gesehen, waren da tolle Elemente.” Und dann immer wieder die Kommunikation über das Forum. Sprecht einmal einen Berliner meiner Generation zu der Tresortür (vom eben jenem Club Tresor aka früheres Kaufhaus Wertheim in der Leipziger Straße) in der Berlin Ausstellung des Humboldt Forums an. Welten von Geschichten, ein Fest der Erinnerungen!

Das Humboldt Forum – so es partiell weiterhin noch in der Werdung ist, denn noch sind nicht alle festen Ausstellungen fertig installiert – hat unbenommen eine Größe und eine Vielfalt, dass man überhaupt nicht nicht fasziniert und begeistert von seinem Hof reiten kann. Apropos Begeisterung: Ein sehr großes Lob an alle Menschen, die dort im Publikumsverkehr arbeiten – sie sind freundlich, serviceorientiert, wahnsinnig gut informiert und offensichtlich sehr begeistert von ihrem Arbeitsplatz. Das war schon so, als das Schloss wegen Covid noch geschlossen, zuerst nur zu äußeren Besichtigung einladen konnte und man mit den „Torpfosten” (sorry, der musste sein) ins Gespräch kam. Begeisterung, die sich überträgt. Und die eben bleibt, wann immer man Zeuge der weiteren Inbetriebnahme der vielen Bereiche im Schloss wird.

Restaurant Wilhelm und Deli Alexander

Und damit sind wir bei der Gastronomie, die mit der Voreröffnung des Restaurants Wilhelm am 1. Juli 2022 ihren runden Abschluss gefunden hat. Essen und Trinken kann man (seit Rücknahme der Covid-Maßnahmen) natürlich wie in allen Museen üblich in dem eng zu den Ausstellungsräumen installierten Forum Café und im Lebenswelten Bistro. Das Maß komplett (voll) machen in der gleichen großen Vielfalt wie die Ausstellungen im Haus nun die nach den Humboldt-Brüdern benannten Restaurants: Wilhelm & Alexander. Nachdem das Deli Alexander bereits im April seine Pforten für die Besucher öffnen konnte und Alexander von Humboldt entsprechend seiner vielfältigen weiten Reisen die internationalen Küchen seiner Reiseziele in der Karte offenbart, lädt das Wilhelm zum Casual Fine Dining ein und serviert bis zu seinem Grand Opening im September 2022 bei noch eingeschränkten Öffnungszeiten einen ersten Vorgeschmack auf seine vielfältige Küchenkunst. Im nordöstlichen Bereich des Forums residieren beide Restaurants baulich verbunden und mit Außenplätzen im Schlüterhof, der eine wundervolle Atmosphäre und auch ruhige Akustik hat. Weitere großer Außengastronomiefläche findet sich auf dem sogenannten Spreebalkon – zur Seite der Spree. (Ich schätze übrigens die Außenflächen rund um das Forum sehr.) Durch das gesamte Humboldt Forum zieht sich an 35 Plätzen die „Geschichte des Ortes”. Es sind charmante Erinnerungen an die lange Zeit dieses besonderen Ortes, der über viele Jahrhunderte Berlin prägen durfte. Und immerhin drei dieser Orte befinden sich in der Innenarchitektur dieser beiden Restaurants integriert wieder: Geschirr und Küchengeräte auch noch aus der Zeit des Schlosses als auch das Wandrelief aus Meißner Porzellan, das Besucher des Palastes der Republik aus einem seiner Restaurants wieder erkennen werden.
Fabian Fiedler ist Chef de Cuisine Die Küche des Wilhelms wird von Fabian Fiedler, der unter anderem im ***Restaurant Aqua in Hamburg bereits Chef Partissier war, geleitet. Konzeptionell unterstützte ihn dabei Patrick Jaros, beide Restaurants gehören zur Kanne Group. Für den exzellenten Service im Restaurant zeichnet sich Robert Kittelmann mit seinem hervorragenden Team, das einen wundervollen Service bietet, verantwortlich. Für meinen Martini, den ich als Digestif eines wundervollen Dinners genießen durfte, entschied ich mich für den japanischen Gin als Geschmackgeber. Die Bar ist hervorragend besetzt und kreativ bestückt – alleine diesen einen Aperitif kann man sich in drei Variationen servieren lassen nach einer sehr fachkundigen Beratung vom Service!


Von der Krise 1779 zum Restaurant in 2022

1779 reiste Wilhelm von Humboldt in einer Lebenskrise nach Paris und lebte dort mit seiner Frau Caroline und den Kindern vier Jahre als Privatier. Seine Auszeit wurde lediglich unterbrochen von zwei längeren Reisen nach Spanien. Der Aufenthalt im Baskenland trug dabei maßgeblich zu Humboldts Wende zur Sprachanthropologie bei. Genau diese Lebensepoche vermag das Wilhelm in seiner deutsch-französischen Küche à la carte aufzugreifen und schließt somit natürlich auf die durch die Hugenotten französisch geprägte Berliner Küche auf. Des Wilhelms Karte wird varieren, denn sie möchte sich auch an den wechselnden Ausstellungen des Forums orientieren. Wert gelegt wird dabei auf die saisonale und regionale Verfügbarkeit der Zutaten, um bei aller Geschichtsliebe in diesem Punkt eine sehr zeitgemäße Küchenphilosophie zu vertreten.

90 Plätze hält das Wilhelm im offen gestalteten Innenraum auf unterschiedlichen Ebenen vor, der im Design mit warmen Holz und Grün an die Kolonialzeit und ein Stück weit auch an den Jugendstil erinnert. Das Lampendesign ist sehr deutlich dem Palast der Republik gewidmet. Das Grün wird erneut aufgegriffen in dem sehr schönen Geschirr von Dibbern, das für das Restaurant nach Vorbildern aus dem Geschirr des weiter oben schon erwähnten Ortes der Geschichte entworfen wurde. Der Farbton zieht sich durch die gesamte Gestaltung des Wilhelms. Ja, es mutet merkwürdig an, wird in einer Restaurantbesprechung noch vor dem Menü über die öffentlichen intimen Räume gesprochen … aber das Wilhelm und Deli Alexander teilen sich die mit Abstand schönste Toilette für Menschen, die einen Rollstuhl oder Rollator benutzen, der ich je angesichtig wurde!


Wilhelms Menü

Serviert wird uns auf dem edlen Porzellan eine fleischfröhliche Variation der Vorspeisen der Karte. Einfach köstlich ist der Gruß aus der Küche, der von hervorragendem Graubrot begleitet wird: Ein Jambon de Bayonne. Die gelungene Reminiszenz an Wilhelms Reise ins Baskenland während seiner Paris-Jahre, wie übrigens auch das Piment d’Espelette in der überraschend pikanten Sauce Hollandaise zum Steaktatar à la Wilhelm an einem Strohkartoffelnest. (17 €, als Hauptgang für 28 € serviert.) So robust es geschnitten wirkt, so sehr fein ist es abgeschmeckt. Wie zart und fantastisch kann Nose to Tail sein? Der gebackene Kalbskopf kommt unfassbar locker und zart daher mit einer Sauce Gribiche und einem Orchester aus kräftig abgeschmeckten fermentiertem Junggemüse für 14 €. Beides ist wirklich sehr gut aber in das Gemüse verliebe ich mich noch ein wenig mehr. Es lässt wirklich hoffen auf die weitere Entwicklung der Menükarte hinsichtlich fleischloser Gerichte in der Zukunft. Diese Zusammenstellung ist mein persönliches Highlight der Vorspeise. Die Kalbsleberpaté wird begleitet von einem Cumberland Gelee mit einem Kräutersalat an einer milden Senfvinaigrette, sie ist würzig und sehr französisch. So auch unser Hauptgang, dieser mutet erstaunlich herbstlich an – an diesem einen sehr heißen Sommertag – ein Coq au vin. Solide im Rotwein geschmort mit Perlzwiebel und Speck aromatisiert und mit butterigen Spätzlen serviert. Begleitet von einem Spätburgunder vom Weingut Münzberg (2017), er folgt auf den die Vorspeise begleitenden Riesling By The Glass der Villa Huesgen. In typisch französischer Esskultur kann man im Wilhelm ein ausgesuchtes Menü mit drei Gängen für 27 € bzw. mit vier Gängen für 39 € wählen.

Ebenso einer Schlossküche würdig die Auswahl an Austern und Kaviar (Imperial Auslese). Wem diese Köstlichkeiten preislich zu wenig schwäbisch daherkommen, dem mögen die Maultaschen aus der Misere helfen. Königsberger Klopse, ganz dem Original entsprechend vom Kalb mit Sardelle, sprechen indes absolut für den Standort Berlin.

Köstlich klingen die vegetarischen Gerichte: Geschmorter Lauch auf einem Spiegel von cremigen Graupen, zerlassenem Parmesan umhüllt von Kräuterverlouté oder ganze pochierte Artischocke mit Gemüse der Saison gebettet auf zerdrückten La Ratte Kartoffeln und Leinöl Mayonnaise. Das Trou Normand à la Pomme, ein schlichtes Sorbet vom heimischen Apfel veredelt mit Calvados aus dem Château du Breuille ist leicht und könnte genauso gut als ein Zwischengang gewählt werden. Generell sollte man das Wilhelm nicht verlassen ohne sich mit einem Gericht der Dessertkarte zu beglücken. Fabian Fiedler gelingt das absolut mit seinem für uns ausgewähltem Mandelfinancier mit Honig aus spanischen Korkeichenwäldern, dunklen Beeren der Saison und imitierter Bienenwabe. Das Dessert sieht genauso köstlich aus wie es schmeckt oder schmeckte genauso köstlich wie es aussieht. Egal: Niemals nicht das Wilhelm verlassen ohne ein Dessert gegessen zu haben – alles andere wäre sehr töricht und würde auf die eigene süße Weltanschauung defizitären Einfluss haben.

Und das läge nun schlicht nicht im Geiste der Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt!
Öffnungszeiten Restaurant Wilhelm:
Donnerstag bis Sonntag 18:00 bis 22:30 Uhr
(ändern sich mit der offziellen Öffnung im September)
Wilhelm: +49 30-31873243-40

Öffnungszeiten Deli Alexander:
Täglich 11:00 bis 18:00 Uhr, Dienstag geschlossen
Alexander: +49 30-31873243-30

Buchungen unter: www.opentable.de
Restaurant WilhelmAlexander Humboldt Forum
Schloßplatz
10178 Berlin

kontakt@wilhelmalexander.de

2022-07-27

Gefunden

Toll gefunden habe ich die Tatsache, dass die Wohnungsbaugenossenschaft – bei der Überarbeitung einer unserer Grünflächen, die für kommendes Jahr erst geplant war – unsere Idee aufgegriffen hatte und uns sogar noch in diesem Jahr einen Bouleplatz gebaut hatte. 12 x 3 Meter allerfeinste Rollstrecke für jung und alt, als Treffpunkt für nachbarschaftlichen Austausch bzw. Spielplatz für uns eher schon ältere Menschen. Samstag war Anstoß – durch alle Altersklassen hinweg, die anderthalbjährige Nachbarsmaus liebte es sich die Schottersteine über das Gesicht rieseln zu lassen, interessanter Fetisch. Ihre sechsjährige Schwester hatte uns ziemlich abgezockt mit den bunten Boccia-Kugeln (als Spiel für die Kids besorgt). Ich kann wohl besser mit den schweren Kugeln werfen.

Gefunden wurde mein kleines Etui in dem ich gesondert vom Portemonnaie immer Personalausweis, Führerschein und Organspendeausweis aufbewahre. Mit dem Glauben, wenn mir eines aus der Tasche gestohlen wird, habe ich wenigstens noch den anderen Teil. Jedenfalls ist mir Donnerstag aufgefallen, dass es weg ist. Ich konnte mich erinnern, dass mir bei einem Einkauf durch zu schwungvolles Handling meines Rucksackes viele Dinge aus einem Fach herausgefallen waren, wusste aber partout nicht mehr in welchem Geschäft es passiert ist. Nun, während ich noch sinnierte, wie lange ich den Verlust nicht der Polizei melde, ich hörte, dass solche Dinge gerne als Fundsache in Briefkästen der Post landen, die dann, wenn ihr möglich, wohl auch zustellt, erhielt ich Samstag Post vom Berliner Fundbüro mit dem mich zweifach erleichternden Hinweis, ich könne zum einen die Fundsache „Etui” dort abholen gegen zum anderen 5 Euro Bearbeitungsgebühr.

So lernte ich erstmals das Berliner Fundbüro kennen, das wunderschön im rechten Track des Haupteinganges zum Flughafen Tempelhof liegt. Drinnen etwas trostlos und die Menschen, die dort arbeiten etwas blut- und lustlos, aber zwei waren auch sehr nett. Viel Papierkram begleitete mein Etui, mir wurde nur mitgeteilt, wo man es gefunden hatte (um die Ecke) und dass man es bei der Polizei abgegeben hätte – nicht wer. Kann ich mich also leider nicht einmal bedanken, was ich natürlich gerne getan hätte.

Ich war zuerst im falschen Raum – wo die Fundsachen Schlüssel verwaltet werden – eine ganze Reihe nur mit Schlüsseln und Schlüsselbunden – spannend. Kann sich lohnen, dort einmal gucken zu gehen im Verlustfall.

Lecker gefunden, dass der Discounter mit dem L vorne und hinten in seiner italienischen Woche letzte Woche Stracciatella im Kühlregal im Angebot hatten. Es gab also gestern Spaghetti mit Polpette und sahnige Sugo. So gut! Und sehr schön gefunden habe ich gestern unseren Tomaten-Dschungel im Mietergarten. Ich hatte ein Sixpack Tomaten im Angebot von o.g. Discounter vor dem Vertrocknen gerettet und in Betonkübel gepflanzt und sie wurden von uns allen mit Wasser und Brennesseljauche bedacht. Ansonsten haben wir wachsen lassen. Und das sieht alles schon sehr gut aus. Ich hätte vielleicht den Karton aufheben sollen bzw. fotografieren sollen, um die Rassen zu identifizieren. Jedenfalls ist der Dschungel jetzt noch einmal aufgebunden – und ich habe jede Menge Blätter abgenommen, damit jetzt die Kraft in die Früchte geht und die Sonne an sie heran kommt.

2022-07-22

Reis – ein europäisches Naturgut

Reis als Naturprodukt vom Feld und getrocknet

Sustainable Rice – don’t think twice! Mit diesem Slogan werben im Zusammenschluss die Vereinigungen der größten Reis produzierenden Länder in Europa: Ente Nationale Rizi (Italien), Casa do Arroz – Associaçao Interprofissional do Arroz (Portugal) und das Syndicat des Rizculteurs de France et Filière (SRFF) für ein besseres Verständnis der Biodiversität und besonderen Nachhaltigkeit im europäischem Reisanbau.


Reisverbrauch in Europa

Natürlich sind wir Europäer im Vergleich zu den Nationen in Asien im Verbrauch kleine Konsumenten von Reis. Lediglich zehn Kilo pro Kopfverbrauch gilt in der EU als durchschnittlicher Verbrauch, wobei Deutschland mit gerade drei Kilo pro Einwohner ein eher kleines Licht im europäischen Reiskonsum darstellt. Am allerliebsten – zumindest der verbrauchten Menge nach – essen die Portugiesen mit 16 Kilo/Kopf Reis. Sogar noch vor den Italienern – wer hätte das gedacht? Gleichzeitig ist Portugal nur der viertgrößte Reisproduzent in Europa nach Italien, Spanien und Griechenland und kann gerade zu 55 Prozent den eigenen Inlandbedarf mit der eigenen Produktion decken.

Dagegen ist Italien mit einem Kopfverbrauch von sieben Kilo Reis ein eher kleines Licht. Aber tatsächlich spielt Reis auf dem italienischen Teller – von dem bekannten Risotto abgesehen, das eher regional konsumiert wird – selten die tragende Rolle. Aber auch hier steigert sich gerade der Verbrauch, denn auch in Italien wird in den letzten Jahren vermehrt Sushi konsumiert bzw. hält die asiatische Küche stärker Einzug – und Reis wird zunehmend attraktiver als Brot- und Backwarenersatz hinsichtlich glutenfreier Ernährung.

Die Vielfältigkeit aller in Europa produzierten Reissorten

In Frankreich wird nur unwesentlich mehr Reis selbst verbraucht als in Deutschland. Immerhin 4,5 Kilo Reis servieren die Franzosen im Jahr durchschnittlich Reisgerichte. Hier kommt besonders gerne der rote Reis der Camargue auf den Teller. Gerne auch im Mix mit weißem und schwarzen Reis als Beilage. In der Camargue, dem größten Reisanbaugebiet in Frankreich überhaupt, isst man mit Vorliebe die Paella camarguaise. Sie wird mit Huhn und Meeresfrüchten serviert aber ohne die in Spaniens Paella übliche Kruste – sondern eher mit einem sehr cremigen Reis, der dem italienischen Risotto ähnelt.


Enjoy – it’s from Europe!

Will man der aktuellen weltpolitischen Entwicklung irgendeinen Vorteil abtrotzen, was zugegeben sehr schwer möglich scheint – dann ist es wohl die Tatsache, dass in den letzten Jahren in Europa ein größeres Bewusstsein geweckt wurde, was für ein Fehler es war in den vergangenen Jahrzehnten die Produktionen vielfältiger Branchen nach Ostasien oder Asien in Niedriglohnländer auszugliedern – der Profite zuliebe. Die Zeit der Covid-Pandemie – oder erinnern wir uns an die wirtschaftlichen Folgen alleine durch nur einen querstehenden Frachter im Suez-Kanal – hat uns sehr verdeutlicht, wie wichtig es ist, im eigenen Land zu produzieren, was im eigenen Land auch verbraucht – oder gerade bei Lebensmitteln – dringend benötigt wird.

Und ob nun gerade China, ein Kontinent, der sich nicht annähernd so gerne in die Produktionskarten gucken lässt, wie umgekehrt es deren Wirtschaftsbosse weltweit gerne woanders tun, bei einem wirklich offenen Kontrollmechanismus immer noch Exportweltmeister von Lebensmitteln in Bioqualität bleiben würde? Daran dürfen wir sehr sicher zweifeln.

Reisfeld in der Camargue

Nur einige Gründe, warum man beim Einkauf von Reis in Zukunft stärker darauf achten sollte, wo dieser überhaupt angebaut worden ist. Dabei kann durchaus helfen zu wissen: Europa ist kein so kleiner Anbaumarkt von Reis und verfügt über eine lange Anbauhistorie. Reissorten aus Europa werden nicht nur Resourcen sparend, klug und nachhaltig angebaut, sondern bieten ein variables Reissortiment, das uns eine große Vielfalt von Reisrezepten ermöglicht.

Allen Ländern voran wurden im Jahr 2020 in Italien 53 Prozent des europäischen Reiskorns produziert gefolgt von Spanien mit 24 %, Griechenlang 8 % Portugal 6 %, Frankreich 3 % (Bulgarien 3 %, Rumänien 2 %, Ungarn 1 %). Da Deutschland über keine echten Sumpfgebiete verfügt, spielt Reisanbau hierzulande keine echte Rolle. Ausgenommen in den Regionen in denen zum Trockenreisanbau geforscht wird.

Sack Reis, berümt

Weltweit wird Reis wohl schon seit dem Jahre 320 vor Christus angebaut. Die Mauren brachten Reis mit über Ägypten nach Europa. Daher hat Portugal innerhalb Europas wohl die längste Expertise bezüglich des Reisanbaus. Als die Algarve im Jahr 713 vor Chr. von den Mauren erobert wurde, brachten diese mit neuen Bewässerungstechnologien gleichzeitig auch die Reispflanzen ins Land. Im Piemont in der italienischen Po-Ebene wird Reis bereits seit dem 15. Jahrhundert angebaut. Das sind also 500 Jahre Reisexpertise alleine dort! Frankreich ist dazu im Vergleich noch wenig erfahren, die ersten Reisfelder wurden zwar schon im Jahr 1864 angelegt – aber echter Reisanbau startete hier erst nach dem zweiten Weltkrieg im Jahr 1941 mit Hilfe von Fachkräften aus den Kolonialgebieten von Französisch-Indochina.


Europa isst Oryza sativa subsp. Japonica

Botanisch gesehen ist Reis ein Gras. Er gehört zu den Süßgräsern (Poaceae) und kennt weltweit 24 Arten bzw. Unterarten. Er hat kleine Ähren als Blütenstände, die in Rispen angeordnet sind. Diese Rispen bilden später die Reiskörner aus. Eine Pflanze enthält ca. 10-15 Rispen mit je bis zu 300 Reiskörnern. Einzelne Reispflanze im Bouches-du-Rhône

Angebaut wird in Europa vorrangig die Unterart Japonica der Ur-Reisform Oryza Sativa, die ihren Ursprung vor 10.000 Jahren in den Hängen des Himalayas hatte. Man vermutet, hier liegt der Ursprung der Reiskultivierung. Vor dort wurde der Reis nach Norden als auch Süden weiterverbreitet, dabei passte er sich den unterschiedlichen klimatischen Ansprüchen aufgrund der Gebirgsbarriere immer weiter an. In der Folge entstanden zwei unterschiedliche Reispopulationen: Indica, das etwas längliche dünne Reiskorn, dessen Weg führte durch die tropischen und subtropischen Gebiete über Indien bis zum Äquatorgürtel in die Tropen. Während Risi Japonica, dem Reiskorn mit dem runden Korn, wie wir es vom Risotto her kennen über die nördliche Route von China nach Japan gelangte.

Tatsächlich aber sind diese Unterscheidungen rein botanischer Natur.
Bald gibt's Reis!

Japonica wurde in Europa aus rein klimatechnischen Gründen vorrangig kultiviert. In den letzten Jahrzehnten hatte man aber auch angefangen Japonica als längliches Reiskorn zu züchten, um den Marktansprüchen der europäischen Länder außerhalb Italiens gerecht zu werden, Ialiener als Endverbraucher halten nach wie vor am runden Reiskorn fest. Allerdings ähnelt bei dem in der Fachsprache als ‑„Indica” bezeichnete Reis nur der Körper dem Basmati, botanisch gesehen ist die Pflanze nach wie vor eine Japonica.

Reis ist keine Wasserpflanze – aber sie mag es warm und feucht. Dass die Pflanzen ursprünglich überhaupt ins Wasser gelangten, lag daran, dass man so Schädlinge hindern konnte sich über die Wurzeln herzumachen und die Unkrautbildung mindern konnte. Evolutionär bedingt haben die Pflanzen für sich ein Belüftungssystem im Wurzelgewebe (Aerenchym) entwickelt. So ist das Gras im Wasser verblieben und kommt heute sogar mit höheren Wasserständen zurecht.


Ein kleines Korn und seine Größe

Sich öfter einmal ein Reisgericht zu gönnen, nicht nur als blasse Beilage zu einem asiatischen Gericht, das kann sich durchaus lohnen. 100 Gram Reis haben – je nach Sorte und Verarbeitung – lediglich 100-120 Kalorien. Gleichzeitig liegen 0 Gramm Kohlenhydrate und 0 Gramm Fett auf dem Teller! (Na gut, zumindest so lange bis wir mit der Butter und dem Parmigiano dem Risotto beikommen.)

Dafür locken reichhaltige Vitamine, z. B. B1 und B3, als auch B5, B6 und Vitamin E. Im Vollkornreis wurde die Folsäure nicht weggeschält und das Korn hat mehr Balaststoffe. Weißer Reis (blanc) ist komplett geschält (gebleicht) – von ihm darf man nicht mehr so viel Unterstützung für den Mineralhaushalt erwarten – bleibt also lieber beim halbgeschliffenen Reis (semi-complet) oder Vollkornreis (complet). Dieser hat noch sein Silberhäutchen und darin steckt die meiste Kraft! Sie liefert auch Mineralien wie Magnesium, Calium, Eisen, Zink und Kalium sowie Phosphor.
Im Naturschutzgebiet der Carmargue wird Bio-Reis angebaut nach europäischer Zertifizierung

Europäischer Reis kann mehr!

Und natürlich ist Reis, der unter biologischen Qualitätsansprüchen produziert wurde, für uns Verbraucher das bessere Produkt auf vielen Ebenen. Womit wir wieder beim Reis aus Europa wären. Für ihn spricht die Nachhaltigkeit im Anbau, denn es wird kein Wasser auf die Reisproduktion verschwendet. In Europa werden Reisflächen entlang der fließenden Gewässer angelegt. Das Wasser wird vor dem Säen umgeleitet aber nach der Ernte aus den Feldern in die Ursprungsgewässer zurückgeführt. Der europäische Reisanbau vernichtet kein Wasser!

Das im Reisfeld geschaffene Ökosystem ist einzigartig – und vielfältig. Die eingesetzten landwirtschaftlichen Techniken erhalten das ökologische Gleichgewicht dieser Feuchtgebiete, damit die Reisfelder weiterhin ein funktionelles Ökosystem für die Insekten- und Tierwelt darstellen.

Zwischen den Anbauphasen wird zum Beispiel in der Camargue der Boden durch Fruchtfolgen (z. B. Weizen) und Überwinterung mit Gründündung aufbereitet, so dass auf den Einsatz chemischer Düngung verzichtet wird

Und schlusssendllich: Reis, der in Europa angebaut und geerntet wird und in Europa weiter verarbeitet wird, hat einen immensen weiteren Vorteil gegenüber dem Produkt aus Asien, die deutlich kürzeren Transportwege.

Mehr Informationen zur Kampagne Sustainable rice – don't think twice!

Rezension: Der Tag war groß – eine Reise durch die Nacht

… von Gina Ruck-Pauquèt mit (wunderschönen) Bildern von Ulrike Mühlhoff.

Ganz klar: Dieses Einschlafbuch besticht durch seine wunderschönen Illustrationen! Sie sind einmalig reich und zart gezeichnet und eine große Freude – auch für mich als Erwachsene! Ein kleines Kind träumt sich mit seinem Kuscheltier, einem Zebra, in einer Nussschale auf einen Fluss durch die Nacht und begegnet dabei in der farblichen Haptik der blauen Stunde vielen zauberhaften Wesen – bis alle gemeinsam einschlafen. Begleitet wird diese Reise von den poetischen kurzen Texten „Es reisen Enten und ein Schwan … sie brauchen aber keinen Kahn.

Das Hardcover-Buch im Großformat lässt Kinder ab drei Jahren ganz viel erleben – mit der Gewissheit, dass auch der kommende Tag ganz wundervoll werden wird. Unvergesslich schön!

„Der Tag war groß”
Autorin: Gina Ruck-Pauquét und Ulrike Mühlhoff
Verlag: Coppenrath Verlag GmbH & Co. KG
ISBN: 978-3-649-61508-8

2022-07-20

Monopoli

Als ich – ganz bewusst so früh – im sehr frühen Frühling dieses Jahr nach Apulien reiste, war meine ursprüngliche Idee in Bari zu wohnen und von dort aus einige Orte des Valle d’Itria zu bereisen. In den vergangenen Jahren war ich ja meist südlicher im Salento unterwegs und nun wollte ich einfach weiter nördlich bleiben und mich dort umsehen. Die Unterkünfte in Bari überzeugten mich nicht. Entweder nicht im Preis oder in der Lage, wenn man da unten ist, möchte man halt doch Meeresnähe haben. Reizvoll klang die sehr nette Unterkunft mit mehrfach in den Rezensionen hoch gelobten reizender Katze – aber ein Gemeinschaftsbad? Ich kann wirklich einfach wohnen im Urlaub aber diese Flexibilität wollte ich mir dann doch nicht mehr gönnen. Dann fiel mir ein, gehört zu haben, dass sich Monopoli sehr gut als Ausgangspunkt für charmante Herumreiserei anbietet. Diese Küstenstadt wollte ich eh auch besuchen, sie liegt 20 Zugminuten von Bari nur entfernt. So guckte ich mich online dort um und ich fand eine private Unterkunft, die im Centro Storico liegt, nicht weit vom Meer entfernt – und fussläufig gerade 12 Minuten vom Bahnhof entfernt. Sie verfügte auch über eine Heizung (die dann doch wichtig ist im Winter dort unten) und war preislich sehr charmant für mich.

Monopoli ist tatsächlich sehr reizend und auch wenn mich die Stadt nicht ganz so sehr im Herzen berührt hatte, wie es sicherlich Otranto geschafft hatte, das ich wirklich sehr liebe, war sie für meine Zwecke zu dieser Jahreszeit genau richtig. Einerseits mit einem Bahnhof gesegnet, der oft genug von Zügen angefahren wird, um zu jeder Tageszeit attraktive Ziele im Valle d’Itria oder auch weitläufiger zu besuchen. Und immer noch über dieses wunderschöne Wassesrtank-Relikt aus Dampfzugzeiten verfügt! Und diese zudem eine sehr nette Bahnhofsbar sein eigenen nennt, die einem morgens einen bonfortionösen Espresso und Pasticchiotto Leccese auf den Bartresen stellt, was ja schon mal pures italienisches Urlaubsglück an und für sich bedeutet. Beides zusammen übrigens mit herzlicher Freundlichkeit und für einen Preis, da würde in Deutschland ein schlechter Espresso nicht mal aus dem berühmten Bett aufstehen. Monopoli hat, wie schon gesagt, ein Centro Storico mit einem romantischen alten Hafen mit den berühmten blauen Fischerbooten. Die Altstadt ist noch nicht so tot fremdinvestiert restauriert, um den Eindruck einer schönen italienischen Altstadt gänzlich zu negieren (wie z. B. in Polignano a mare). Sie hat einen sehr niedlichen Leuchtturm, ein kleines Castello, einige kleinen Strände und ansonsten rund herum etwas Hafenindustrie und eine wirklich beeindruckende Chiesa Basilica Cattedrale e Santuario Maria SS. Della Madia. Das Centro Murattiano direkt vor dem Zugang zur Altstadt liegend, eine schöne große Piazza, ist der Treffpunkt der Monopolier zu fast allen Tageszeiten. Selbst wer alleine reist, vereinsamt dort nie! Überhaupt erlebte ich die Monopolier wahnsinnig reizend und sehr hilfsbereit. Aber das erlebe ich in Apulien generell so; die Menschen dort sind einfach sehr freundlich! Ein Grund, warum ich mich dort so sehr wohl fühle. Rund um die Piazza befinden sich viele Geschäfte, Eisdielen und Restaurants, für Kinder auch Fahrgeschäfte in der Saison – es ist durchaus viel Leben dort!

Auf diesem Platz trifft man ich mit Hunden morgens und abends zum Austausch, die Geschäfte drum herum versorgen einen sehr gut mit allem an alltäglichem und unfassbaren leckeren Bedarf. Kurz: Selbst im Winter werden die Bürgersteige in Monopoli deutlich weniger hochgeklappt, als z. B. in Otranto, das schon ganz schön still daher kommt, weil bis auf zwei Supermärkte und einigen Restaurants kaum andere Läden offen haben außerhalb der Reisezeit. Das ist Monopoli deutlich lebendiger im Spätwinter. Ich hatte wirklich Glück mit meinem Appartement „Melanto” von Angela und Antonello, den jungen und sehr netten Gastgebern. Es ist sehr geräumig, sehr sauber mit einer gut ausgestatteten Küche, geräumigen Bad mit Waschmaschine, Schlafzimmer, Schlafcouch im Wohnzimmer und einem Kinderzimmer im ersten Obergeschoss eines kleinen Altstadthauses, TV, WLan, Gasherd (yeah!!!). Die kleine Straße hoch gelaufen Richtung Meer um die Ecke auf der kleinen Piazza befindet sich sofort eine Salumeria, die fantastischen Prosciutto und cremigste Stracciatella (und viel mehr) mit sehr frischen Backwaren im Sortiment hat. Dann nur noch um die Ecke durch den berühmten millionenfach fotografierten Fresken-Durchgang, war ich direkt am Meer. Das war so nahe, dass ich jeden Morgen auf meinem Weg zum Bahnhof den kleinen Schlenker zum Hafen machen konnte und das Meer begrüßen durfte. Eine traumhafte Lage. Zu der Wahl dieses Appartements konnte ich mich nur beglückwünschen. Zum ersten kleinen Strand muss man vielleicht 200 Meter entlang des Castellos und Stadtmauer laufen – aber mit dem Anbaden hatte ich es zu dieser Jahreszeit dann doch noch nicht so. In der Altstadt waren einige kleine Restaurants offen, am Wochenende natürlich mehr. Also wer einmal nach Apulien möchte und mildes, ab und zu recht feuchtes Regenwetter schön findet, um dann unangestrengt durch die Gegend zu laufen und sich alles anzugucken ohne ständig die Sorge zu haben, man würde am Meer etwas verpassen, dem kann ich Ort und Reisezeit nur empfehlen. Interessanterweise lag Monopoli zu der Zeit als ich dort war beinahe die ganze Zeit im Regengebiet. Das war insofern kein Problem, weil das Land auch Regen braucht (und die Vegetation wunderschön gedeihen und blühen lässt schon zu dieser Zeit. Ganz Apulien war ein wild blühendes Borretschfeld!). Ich war eh mit Trenitalia an verschiedene Orte unterwegs – wo es dann wundersamer Weise (bis auf Ostuni) gerade nicht regnete. Und das hatte ziemlich gut geklappt. Nur eben an den Tagen an denen ich mich gerne mehr Monopoli widmen wollte, war Monopoli ganz schön nass. Tatsächlich fahren in Monopoli auch ordentlich viel Busse, wenngleich ich es dieses Mal noch nicht geschafft hatte auch einmal das apulische Bussystem zu knacken. Es gibt viele sehr fantastische Lebensmittelgeschäfte – direkt vor der Altstadt. Es war ein Traum, ein leckerer dazu! Größere Supermärkte lagen ca. vier Kilometer von meinem Appartement entfernt, wobei man dorthin auch mit dem Bus hätte fahren können. Ich bin gelaufen und habe mir somit Monopoli auch sehr gut erlaufen. Es war ziemlich schön. Und ich komme wieder! Ich bin sehr gespannt die gleiche Stadt bei dann doch eher noch sommerlichen Temperaturen zu erleben. Und die Strände als Badenixe zu erleben.