2016-03-16

Ich habe gerade …

… mit der Färbepackung im Haar, diese hoch zum Turm geformt, unternächtigt und überernährt mit Lesebrille vor den Augen in den Spiegel geguckt.

Nicht nachmachen!

2016-03-15

Vorhin …

… war ich beim Friseur. Da wollte ich schon seit Wochen hin aber … naja, leichte Prioritätenverschiebung. Fünf Zentimeter gelassen. Mir Lob für meine Haare eingesammelt. Dann sitzt man da und überlegt, wie man wohl aussieht ohne Haare, was das mit einem macht? Hätte ich den Mut sie gleich in der Gänze abschneiden zu lassen? Für eine Echthaarperrücke?

S. hatte immer raspelkurz geschnittene Haare, ausrasiert, vorne einen Bürzel. Eine Länge, die von heute auf Sonntag wieder nachgewachsen wäre. Und trotzdem hatte sie gelitten wie ein Hund, als diese unter den zahlreichen Chemos ausfielen. Die Frau, von der ich dachte, Haare wären nie ihr Thema, hatte plötzlich ein riesengroßes Thema: ihre Haare.

Beim Blick in den Spiegel vorhin festgestellt, wie scheiße ich gerade aussehe. Ich bin mit ihrem Tod soweit im Reinen, die Vorbereitungszeit war ausreichend lang, der Tod unter den fürchterlichen Umständen ein erstaunlich guter, relativ schneller. Ich bin traurig, aber dankbar dafür, dass sie wortwörtlich entschlafen durfte. Dann guckste in den Spiegel und siehst eine einzige große Selbstlüge.

Die erste Freundin ist gegangen. Das ist eine verfluchte Hausnummer.

2016-03-10

Die Kampfmaus

An so einem Sterbebett zu sitzen, das schlaucht. Der Atmung lauschen, im Hintergrund laufen ihre Lieblingskrimis in Dauerschleife, bei jedem Atemaussetzer angstvoll auf den Brustkorb starren, ob er sich nicht doch wieder bewegen will. Noch will er. Aber der Atem geht jetzt schnell, setzt eben auch aus. Die Pflege spricht von der finalen Phase, rät der Schwester bis Sonntag zu bleiben. Aber letztendlich weiß man es nicht.

Sterben kannste zu Hause vor allem eines: nicht in Ruhe! Ständig klingelt es an der Tür, weil die Pflege, der Sauerstoffdienst, der Pallitativarzt, die Pflege, der Ergotherapeut, die Apotheke, eine Freundin, die Pflege, (DHL-Bote), nochmal die Apotheke, die Pflege klingelt. Die akute Krise heute früh – gestorben wird, verdammte Hacke noch mal, an der Hirnstammmetastase und nicht an an einer schnöden Lungenentzündung, da haben wir auch unseren Stolz! – nochmal mit Antibiose und Fiebersenkern abgewendet. Und vor allem Flüssigkeit. Keine Ernährung mehr, so will es ihr Wille. Der geschieht.

Heute Abend dann gemütliches Beisammensein mit Morphium (sie), Fun-Jever (er), Jever (Schwester), Prosecco (ich). Jedem seine Drogen. Friedlich. Dem Aquarium zusehen. Die Katzen niedlich finden. Dumme Sprüche reißen. Tropfen der Infusion zählen. Ihren Atem hören.

Bleibt es so wie jetzt, fühlt es sich fast gut an im Schlimmen. Das Morphin belügt uns frech ins Gesicht und behauptet, es ginge ihr da, wo sie jetzt ist und so schnell atmet, halbwegs gut.

Na dann …

2016-03-08

Weltfrauentag

… ist so „einen Tag lang lassen wir die Frauen mal ins Horn blasen, wie ungerecht die Welt doch ist; einen Tag lang halten wir das schon mal aus und morgen machen wir weiter wie bisher.”

Nein danke. Will ich nicht. Brauche ich nicht.

2016-03-07

Gestern …

… habe ich Kirschstreusel gebacken. Tiefgefrorene Sauerkirschen, selbst entsteint. Dann haben wir mit meiner Freundin, ihrem Mann, ihrer Schwester und ihr und den beiden Katzen Kuchen gegessen. Wir konnten sie sogar noch mal für 20 Minuten in den Rollstuhl setzen. Das wird nicht mehr oft gehen. Sie hat ein ganz kleines bisschen Kirschkuchen gegessen, später im Bett noch einmal. Winzig kleine Portionen. Wir haben Späßchen gemacht über meine Kirschentkernkompetenz. (Kompetenz ist im Zusammenhang mit dem Kirschentkerner und mir vielleicht nicht das richtig Wort.)

Sie ist noch ganz klar, hinter all dem was ihr Körper ihr nicht mehr erlaubt zu tun, das merkt man. Sie kann nicht mehr kommunizieren. Da ist eine ganz leise Sprache mit kaum verständlich gesprochenen Worten, manchmal kann ihr Mann sie noch verstehen. Oft nicht. Also müssen wir ständig fragen und die Zeichen erahnen, selbst ein Nicken ist nur noch angedeutet. Manchmal werden ihre Augen feucht.

Sie ist noch wach und bei uns. Wohl nur noch wenige Stunden in ihrem Leben. Das sind die schönen Stunden im Abschied, die bleiben werden.

Sie sieht uns, ihre Freunde, nun alle kommen, so konzentriert und sie kann natürlich 1 + 1 zusammen zählen. Ich wünsche ihr so sehr, dass sie loslassen kann.

2016-03-05

Fügte …

… ich die Atomteilchen in meiner Rinderbrühe wieder zusammen hätte ich Markklößchen.

2016-03-04

Rindersuppe

Neulich ein Foto von einer einfachen Rindersuppe in einer Facebook-Gruppe (in der Menschen ihr aktuelles Tagesessen posten, schlimme Sache) gesehen und seitdem so einen Brast auf eine reine Rindersuppe. Die habe ich gerade aufgesetzt. Erstmals mit Markknochen. Ich habe keine Ahnung, warum ich noch nie eine Suppe mit Markknochen angesetzt habe. Nur mit Suppenfleisch. Dabei hat meine Mutter die immer mit Markknochen gemacht, denn als Kind habe ich es geliebt den Markknochen auslutschen zu dürfen bzw. das Mark, wenn es in der Suppe schwamm, zu retten.

Ja. Ich bin Knochenmarkliebhaberin. Und jetzt darf die Suppe vor sich hinsimmern, bloß nicht köcheln à la Schuhbeck, damit sie klar bleibt und dann gibt es Knochenmark. Wie früher.

Seelenesssen. Hier ist's gerade ein bisschen traurig sonst. Der März wird noch unangenehm werden. Die Freundin wird nun für immer gehen müssen. Und wir haben alle Angst. Auch wenn man weiß, dass so ein Ende ansteht, man ist dann doch nie vorbereitet, wenn es soweit ist. Es geht zu schnell. Immer.

Ich bin so froh für sie, dass sie so einen wirklich guten und tollen Mann hat, der sich so lange und liebevoll um sie kümmert. Aber natürlich hat er auch Angst. Sie auch.

Nervenrindersuppe. Zweidimensional.