2006-12-08

Sterbehilfe

Bartholomäus Grill hat für seine Reportage „Ich will nur fröhliche Musik“, erschienen 2005 in DIE ZEIT den Egon Erwin Kisch-Preis gewonnen. Er beschreibt die Entscheidung und den Weg seines eigenen Bruders, der sich für aktive Sterbehilfe entschieden hatte.

Ich bin – für mich – für Sterbehilfe.

Ich war zehn als ich meinen Großvater sehr elendig an den Folgen seiner Krebserkrankung habe dahin siechen sehen, und neunzehn als ich gleiches wieder bei meinem Vater mit ansehen musste. Die letzten Tage waren für meinen Vater furchtbar. Es ging nicht nur um Schmerzen. Es ging darum über mehr als drei Wochen langsam zu ersticken. Trotz aller Medikamente und Intensivmedizin.

Seither habe ich mich intensiv mit dem Tod auseinander gesetzt. Mir war danach klar, sollte mich diese Diagnose eines Tages auch ereilen, die familiäre Disposition spricht leider dafür und sollten wir, mein behandelnder Arzt als auch ich, ab einem bestimmten Moment einsehen müssen, von jetzt an führt der Weg nur noch zum Ende – dann möchte ich selbstbestimmt gehen dürfen. Und das in Würde. Nicht wie meine Großmutter aufgehängt am Toilettenrohr einer Herrentoilette, ein sehr qualvoller Tod. Sie wollte aufgrund ihrer Krankheit gehen und es wäre für uns Hinterbliebene ein späteres Leben ohne Vorwürfe und mit bedeutend weniger Schmerz gewesen, hätten wir sie würdevoll auf ihrem letzten Weg begleiten können. Lieber hätten wir ihr bewusst die Hand gehalten, als sie so alleine und schrecklich gehen lassen zu müssen… es war ihr Wunsch und sie hatte ihn bei klarem Verstand.

Ich sehe nicht den Sinn in einem Leiden bis zum bitteren Ende. Ich möchte mein soziales Umfeld nicht zwingen, mich darin begleiten zu müssen (so sie es überhaupt könnten), ich möchte niemandem von der finanziellen Seite her dann noch weiter belasten müssen und ich möchte mein Leiden nicht bis zum letzten Moment „auskosten“ müssen. Ich möchte aber auch nicht einer Medizin, die immer unmenschlicher wird, ausgeliefert sein. Wir Menschen trauen uns doch zu für unsere Tiere zu entscheiden, ab wann ihnen das Leben mehr Qual als Freude bereitet. Warum sprechen wir uns das Vertrauen in uns selber ab? Vor allem, wenn diejenigen bei wachem Verstand selber darüber entscheiden und dies kommunizieren können?

Wenn sterbenskranke Menschen eigenmächtig für sich entscheiden, sie wollen den Weg etwas früher zu Ende gehen, dann ist das ein eigenständiger, ein sehr menschlicher und respektabler Wunsch. Wir sollten ihnen nicht mehr Steine in diesen Weg legen als nötig.

2006-12-07

Heute war's das zweite Mal in dieser

winterlichen Saison, dass ich mir meine Handschuhe angezogen habe, weil's mir kalt an den Händen war.
Und zwar…



…am Tiefkühlregal beim stundenlangen nach der passenden Gans wühlen.

Die Frage, die mich heute quält.

Wenn ich mir diese Insektenstiche angucke, von denen mich seit einigen Tagen nicht nur einer plagt, dann frage ich mich ernsthaft, ob ich nach 28 Jahren Katzenhaltung erstmals auch einen Floh als Haustier begrüssen darf.

Darauf habe ich ja nun so gar keine Lust…

Die Stiche sind nicht in Dreierformation – darf ich noch hoffen? Und stechen Flöhe auch dann Menschen, wenn sie drei Fellträger als Buffet zur Auswahl haben?

2006-12-06

Ach, und den Nikolaus…



den habe ich heute natürlich auch reingelassen: Zum einen in Form eines hübschen Adventskalenders, den mir die liebe Melody mit einem ganz reizenden Brief geschickt hat (ein Adventskalender, der richtig mit Leben erweckt wird, wenn Kerzen dahinter stehen) und mit gaaaanz vielen Keksen, die mir die liebe Kirsten pünklich geschickt hat (und die sehr lecker sind! Siehe Teller rechts.) Über beide lieben Grüße von Euch habe ich mich sehr gefreut. Ich maile Euch persönlich, sobald ich wieder über meinen Rechner mit meinem eigentlichen eMail-Account verfüge. Und keine Sorge, Melody: er war pünktlich auf den Tag!

Die Kekse sind die erste Ausbeute meiner Backvorgänge in den letzten Tagen (wenn ich mir gewisse Vorräte so anschaue, dann gehen auch noch einige Backstunden ins Land.)



Von oben links: Müslikekse, Amaretto-Schokoladenplätzchen (die erste Fuhre ist etwas dunkel und hart geworden, als habe ich sie noch einmal in Amaretto ertränkt und mit Schokolade geschminkt), dann Marzipanplätzchen, in der Mitte noch einmal hellere Amaretto-Schokoplätzchen, davor dunkle und weisse Trüffel (Rezept aus Naranas Schokobuch!) und links Kokos-Mandelmakronen und die gleichen noch mal mit weißer Schokoladenhaube.

Ich möchte einen neuen Gasherd haben, der alte ist sauber aber verbrennt alles – und die Kekse sind alle auf unterster Schiene gebacken. Hat irgendjemand Tipps, wie man das ändern kann oder Hausverwaltungen zum Austausch überzeugen kann? Ich mache auch bei Preisausschreiben für Gasherde mit (sehr, sehr selten) oder würde einen Gasherd ggfs. auch blogtesten.

So, und jetzt gehe ich Stiefel putzen…

Waschstraße



Momente, die glücklich machen.

Milton Irons

2006-12-05

Gehe ich oder gehe ich nicht?

Karl Lagerfeld zeigt eines seiner Fotoprojekte zur Zeit in Berlin. Und ich, die ich ja in jede Fotoausstellung krieche, die zu sehen ist, bin im Zweifel. Ich mag den Mann, der übrigens heute Abend Interviewpartner von Sandra Maischberger in der ARD, 22:45 Uhr ist. Er ist genial und unterhaltsam genug, das man ihm seine Exzentrik nicht übel nehmen braucht. Zumal er die dann stellenweise mit einem so gnadenlosen bodenständigen Pragmatismus kombiniert, dass einem als normalsterbliches Menschenkind ganz schwindelig werden kann. Nur seine ewige Antwort „Das interessiert mich auch nicht!“ auf Fragen zu Kritik von außen an ihn, glaube ich ihm nicht, denn dafür unterliegt auch dieser Mann zu sehr dem Zwang kommerzielle Erfolge zu bringen.

Was seine Arbeit als Modedesigner anbelangt, dazu kann ich nichts sagen, Haute Couture hat mich nie sonderlich interessiert, aber sicher wird er nicht umsonst den hohen Status in dieser Welt haben, den er hat. Ich finde ihn spannender als Fotograf. Autodidakt, der er in dem Bereich ist/war, hat er sich hier in kurzer Zeit ein profundes Wissen angeeignet, hat ein Auge – unbestritten – und inszeniert schöne fotografische Szenen, egal ob als Werbe- oder als Kunstfotograf. Dennoch verweigert er sich jeglicher weiteren Entwicklung. Seine Fotos scheinen eine ewige Fortsetzung des Madonnas Video „Vogue“. Aber so konsequent zu sein, ist an sich auch eine Kunst. Leider verstößt Herr Lagerfeld in seiner Heiligkeit gegen ein ganz großes Credo der Fotografenszene: er spricht stellenweise über seine Motive so schlecht wie über seine Models. Damit macht man sich als Fotograf nur selber klein.

Nun hat er über fünf Jahre lang den Aufstieg eines männlichen Fotomodells fotografisch festgehalten und in der Ausstellung könnte ich mir nun 350 Fotografien von einem Mann von einem Mann fotografiert ansehen. Einerseits möchte ich das tun. Ich will grundsätzlich alles sehen, was jeder Fotograf publiziert. Andererseits habe ich die Urahnung, die mich selten nur täuscht, das wird dieses Mal nach eine Weile gnadenlos langweilig werden. Einige Fotos habe ich aus dem Zyklus schon gesehen und war erschrocken, denn – zumindestens aus dem Zusammenhang gerissen – waren davon einige Exemplare technisch aber leider auch künstlerisch richtig schlecht. Und zwar so schlecht, das ich mir vor den Kopf gehauen habe und gesagt habe „Karl, so etwas verschwindet im Papierkorb. Und wenn doch im Archiv, dann ganz hinten!“

Aber vielleicht ist es genau das, was die Ausstellung spannend machen könnte? Die Unfähigkeit eines großen Mannes sich selber und seiner Arbeit eine Prise angemessene Selbstkritik angedeihen zu lassen? Und um darauf die Antwort zu finden, muss ich da wohl hingehen. Obwohl ich die veranstaltende Galerie c/o Berlin überhaupt nicht mag, denn zumindest in deren alten Geschäftsräumen hingen die Bilder immer so dermassen besch…, dass man sich über jeden ausgegebenen Eintrittseuro sehr ärgert. (Wenn in dem Ausstellungsbuch zur Anton Corbijn-Ausstellung sich 80 % der Eintragungen nur mit der miesen Hängung und Ausleuchtung der Fotografien beschäftigen, anstatt mit dem Künstler und sich das mit der folgenden Annie Leibovitz-Austtellung wiederholt – dann würde ich als Galerist ganz schnell nachbessern.)

Nun, bin ich also unentschieden. Aber auch verwirrt, denn seit wann überlege ich denn, ob ich mir eine Fotoausstellung antue oder nicht? David LaChapelle zeigt seine Arbeiten ebenfalls zur Zeit an sogar zwei Orten in der Stadt. Nicht wirklich ein Fotograf, dessen Arbeiten ich mein Herz schenken würde, aber einer, der Fotografie als ein riesiges Kunstwerk inszeniert – im Grunde ein grandioser Kulissenbauer, der in der Nebensache auf den Knopf drückt. Schon deswegen immer sehenswert. Und David LaChappelle hat wiederum seine ganz eigene Meinung zu Lagerfeld als Fotograf: Karl Lagerfeld ist ein Dilettant. Er hat der Geschichte der Fotografie nichts Neues hinzuzufügen. Der einzige Grund, weshalb Lagerfeld in "Vogue" oder sonstwo gedruckt oder in Berlin ausgestellt wird, ist, weil Chanel ein großer Anzeigenkunde ist. Jeder meiner Praktikanten hat mehr Talent als er. Ich nehme mir ja auch keine Trompete und behaupte nun, wie Miles Davis zu spielen - dem muss man sich ein Leben lang ausschließlich widmen!

Lagerfeld spricht. Und stellt aus: One Man Shown.
LaChapelle spricht auch. Und stellt ebenfalls aus: Man War and Peace. Heaven to Hell