Gehe ich oder gehe ich nicht?
Karl Lagerfeld zeigt eines seiner Fotoprojekte zur Zeit in Berlin. Und ich, die ich ja in jede Fotoausstellung krieche, die zu sehen ist, bin im Zweifel. Ich mag den Mann, der übrigens heute Abend Interviewpartner von Sandra Maischberger in der ARD, 22:45 Uhr ist. Er ist genial und unterhaltsam genug, das man ihm seine Exzentrik nicht übel nehmen braucht. Zumal er die dann stellenweise mit einem so gnadenlosen bodenständigen Pragmatismus kombiniert, dass einem als normalsterbliches Menschenkind ganz schwindelig werden kann. Nur seine ewige Antwort „Das interessiert mich auch nicht!“ auf Fragen zu Kritik von außen an ihn, glaube ich ihm nicht, denn dafür unterliegt auch dieser Mann zu sehr dem Zwang kommerzielle Erfolge zu bringen.
Was seine Arbeit als Modedesigner anbelangt, dazu kann ich nichts sagen, Haute Couture hat mich nie sonderlich interessiert, aber sicher wird er nicht umsonst den hohen Status in dieser Welt haben, den er hat. Ich finde ihn spannender als Fotograf. Autodidakt, der er in dem Bereich ist/war, hat er sich hier in kurzer Zeit ein profundes Wissen angeeignet, hat ein Auge – unbestritten – und inszeniert schöne fotografische Szenen, egal ob als Werbe- oder als Kunstfotograf. Dennoch verweigert er sich jeglicher weiteren Entwicklung. Seine Fotos scheinen eine ewige Fortsetzung des Madonnas Video „Vogue“. Aber so konsequent zu sein, ist an sich auch eine Kunst. Leider verstößt Herr Lagerfeld in seiner Heiligkeit gegen ein ganz großes Credo der Fotografenszene: er spricht stellenweise über seine Motive so schlecht wie über seine Models. Damit macht man sich als Fotograf nur selber klein.
Nun hat er über fünf Jahre lang den Aufstieg eines männlichen Fotomodells fotografisch festgehalten und in der Ausstellung könnte ich mir nun 350 Fotografien von einem Mann von einem Mann fotografiert ansehen. Einerseits möchte ich das tun. Ich will grundsätzlich alles sehen, was jeder Fotograf publiziert. Andererseits habe ich die Urahnung, die mich selten nur täuscht, das wird dieses Mal nach eine Weile gnadenlos langweilig werden. Einige Fotos habe ich aus dem Zyklus schon gesehen und war erschrocken, denn – zumindestens aus dem Zusammenhang gerissen – waren davon einige Exemplare technisch aber leider auch künstlerisch richtig schlecht. Und zwar so schlecht, das ich mir vor den Kopf gehauen habe und gesagt habe „Karl, so etwas verschwindet im Papierkorb. Und wenn doch im Archiv, dann ganz hinten!“
Aber vielleicht ist es genau das, was die Ausstellung spannend machen könnte? Die Unfähigkeit eines großen Mannes sich selber und seiner Arbeit eine Prise angemessene Selbstkritik angedeihen zu lassen? Und um darauf die Antwort zu finden, muss ich da wohl hingehen. Obwohl ich die veranstaltende Galerie c/o Berlin überhaupt nicht mag, denn zumindest in deren alten Geschäftsräumen hingen die Bilder immer so dermassen besch…, dass man sich über jeden ausgegebenen Eintrittseuro sehr ärgert. (Wenn in dem Ausstellungsbuch zur Anton Corbijn-Ausstellung sich 80 % der Eintragungen nur mit der miesen Hängung und Ausleuchtung der Fotografien beschäftigen, anstatt mit dem Künstler und sich das mit der folgenden Annie Leibovitz-Austtellung wiederholt – dann würde ich als Galerist ganz schnell nachbessern.)
Nun, bin ich also unentschieden. Aber auch verwirrt, denn seit wann überlege ich denn, ob ich mir eine Fotoausstellung antue oder nicht? David LaChapelle zeigt seine Arbeiten ebenfalls zur Zeit an sogar zwei Orten in der Stadt. Nicht wirklich ein Fotograf, dessen Arbeiten ich mein Herz schenken würde, aber einer, der Fotografie als ein riesiges Kunstwerk inszeniert – im Grunde ein grandioser Kulissenbauer, der in der Nebensache auf den Knopf drückt. Schon deswegen immer sehenswert. Und David LaChappelle hat wiederum seine ganz eigene Meinung zu Lagerfeld als Fotograf: Karl Lagerfeld ist ein Dilettant. Er hat der Geschichte der Fotografie nichts Neues hinzuzufügen. Der einzige Grund, weshalb Lagerfeld in "Vogue" oder sonstwo gedruckt oder in Berlin ausgestellt wird, ist, weil Chanel ein großer Anzeigenkunde ist. Jeder meiner Praktikanten hat mehr Talent als er. Ich nehme mir ja auch keine Trompete und behaupte nun, wie Miles Davis zu spielen - dem muss man sich ein Leben lang ausschließlich widmen!
Lagerfeld spricht. Und stellt aus: One Man Shown.
LaChapelle spricht auch. Und stellt ebenfalls aus: Man War and Peace. Heaven to Hell
2 comments:
Vor ein paar Jahren hab ich die Ausstellung seiner Fotos gesehen.Und ich war sehr enttäuscht. Merkwürdig war, wie sehr ein Mann Frauen kleiden kann, sie attraktiv macht durch besondere Linienführung der
Schnitte, und wie sein Blick auf Männer flach ist, nicht mal homoerotisch wirken die Fotos.Sie wirken einfach nich, sind lieblos und ohne Spannung.
Dafür habe ich jemanden in der Ausstellung getroffen, die ich schon ganz lange nicht mehr gesehen hatte, und fünfhundert Kilometer entfernt wähnte. Auch gut!
@croco
Gut unter dem Vorzeichen sollte ich wohl gehen und mal gucken, wen ich so abschleppen kann! ;-)
Ja, der gute Karl, so richtig viel Sex-Appeal umschwirrt ihn und seine Arbeit nicht. Ich finde ja auch seine Mode nicht wirklich spannend. Frauen aufregender durch Kleidung zu gestalten, als sie es schon sind, das können andere Designer besser.
Naja, ich werde wohl hingehen. Die Tage werden ja offensichtlich trüber…
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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