Dabei mag ich Macarons gar nicht. Mir sind sie meist viel zu süß. Aber alle machen zur Zeit und schon länger in Macaraons und ich möchte halt elegant eloquent mit dem Macarons-Schwarm schwimmen. Vor allem heißt es, Macarons zu machen – also gut Macarons zu backen – ist nicht leicht und von ca. drölfzig Millionen Umständen abhängig. Wenn das nicht der ultimative Ansporn ist?
Die Mythen, die sich um die Herstellungsprozesse von Macarons winden und wirken, sind so unglaublich vielfältig – darüber sollen schon ganze Bücher geschrieben worden sein. Ich mag das ja, mich aus einem Wirrwarr lustiger Anekdoten wie „Hefe geht nicht, wenn man menstruiert” oder „Hefe geht nur bei Vollmond” alternativ „Marmelade geliert nur, wenn man sie rechts dreht” mit eigenen Erfahrungen heraus zu backen. Und Macarons schenken da einem gar nichts. Macarons wollen alte Eier, keinen Regen, Hitze nur von hinten über den linken Zeh geblasen, doppelte Backbleche unter den Füßen und und und …
… und Farbe. Farbe mag ich momentan. Meine Kam Snap-Druckknopf-Farbsammlung ist im Großen und im Ganzen abgeschlossen. Das stimmt natürlich nicht, aber ich behaupte das jetzt trotzdem einmal naiv. Insofern habe ich mich einem neuen Thema „Lebensmittelfarben” zugewendet. Da gibt es nämlich nicht nur verdammt viele viele VIELE Farben – es gibt sie auch als Flüssigkeit, Paste, Gel (ja, die Industrie kennt da Unterschiede), Puder und noch und nöcher. Kinders, ich sag's Euch, wenn Ihr schon alles für die Küche habt: kauft Lebensmittelfarben! Dann erst wird's richtig drollig!
Deswegen mag ich Macarons aber immer noch nicht. Mir sind sie weiterhin viel zu süß. Man verstehe mich nicht falsch! Mich bekommt man wirklich immer über Buttercremes und Ganache, aber das Zeug ist einfach zu oft für meinen Geschmack übersüßt. Die allerbesten Macarons, die ich je gegessen habe – wirklich, es kam nie mehr in der Qualität etwas nach – sind Macarons gewesen, die mir die liebe Monika D. einmal aus Zürich als Gastgeschenk mitgebracht hatte. Auf dem Züricher Flughafen erworben – also mit extra Flughafenzuschlag im Preis – sündhaft teuer, vermute ich. Aber sie waren leicht, locker, alle Komponenten sehr unaufdringlich und eine himmlische Komposition, die einfach nur auf der Zunge zu einem Geschmackstraum ineinander zerflossen. Nur: sie kosten ein Monatsgehalt.
Hierzulande versucht man mittlerweile auch über den Preis nur eines Macarons ganze Straßenzüge in Berlin zu erwerben. Den Stückpreis von einem und einem halben Euro für solch einen Doppeldecker aus Mandelbaiser mit etwas Schmiere mittenmang, kann man da schon mal abdrücken.
Also alles rund um die Macarons ist schon irgendwie etwas irre und irre finde ich gut. Irre – das kann ich!
Darüber hinaus kann man beim Macarons backen so ziemlich von Anfang an alles falsch machen, um gebrochene, aufgebrochene, nicht ausreichend hoch gekommene Macarons zu schaffen. Und dann die Füße! Oh my fucking godness: DIE Macarons-Füße! Wenn so ein Macarons ein Fuß-Handicap hat, dann ist nämlich Schluss mit der Macarons-Perfektion, da kann man noch so elegant aus dem Effeff einen steifen Eischnee zaubern: auf des Macarons' Fuß kommt es nämlich an. Und wer den nicht kann, der ist eben draußen aus der Welt der Macarons-Elite. (Ich, macht Euch da mal keine Sorgen, bin noch sehr weit entfernt vom perfekten Macaronfuß, ausreichender Standhöhe und fluffigster Ganache-Qualität.)
Also, wer eine Gelegenheit sucht, sein kleines pathologisches Ich in die empfundene Inkompetenz und Minderwertigkeit zu backen: nehmt Euch bloß Macarons zu Herzen und vor! Denn effektiver und schneller – ganz ohne Umwege – kann man sich nicht klein und elendig fühlend konditionieren.
Den perfekten Macaron zu backen, das ist ein bisschen wie einen Sack Flöhe zu hüten. Mit Loch im Sack, das versteht sich. Da muss das Eiweiß alt sein aber nicht zu alt, nicht zu kalt, nicht zu warm; die Menge auf das Gramm-My genau stimmen, die Mandel pulverisiert gemahlen sein, ebenso der Puderzucker,
es muss gesiebt werden, es muss Eiweiß geschlagen werden, es muss untergerührt werden in vielen vielen Schritten ohne auch nur eine einzige Luftblase zu zerstören, es muss in Spritzbeutel umgefüllt werden und wenn dann die Masse nicht hundertprozentig wie Lava fließt (und wir wissen doch alle wie Lava in jeweiliger unterschiedlicher Nähe zur Eruptionsquelle zu fließen hat, nicht wahr?), kann man gleich nach Hause gehen.
Dann muss man perfekt aufspritzen – immer die gleichen Kreise – und der Nippel-Zipfel, wenn der nicht richtig zipfelt … Diese kleinen panischen Attacken, wenn dann die Macarons zu sehr zerlaufen (oder zu wenig und der Nippel-Zipfel ein Nippel-Zipfel bleibt) das korrekt beherzte Aufschlagen des Backbleches. Überhaupt Backbleche? Was wissen wir denn schon über die Macaronsbackkompetenz von einzelnen Backblechen?
Die Trockenzeit, bevor sie in den Backofen einziehen wollen. Alleine diese Trockenzeit, ein Unterschreiten oder Überschreiten – daran sind schon so viele unschuldige Macaronbäckerinnenherzen zerbrochen. Habt Ihr eine Vorstellung, einen Hauch von Ahnung über diese Trockenzeit, wenn es draußen regnet und somit minimal die Luftfeuchtigkeit in der Küche tangieren könnte und alle Vorzeichen auf alles anders stellt? Die sehr intime Auseinandersetzung mit dem Ofen, denn man weiß ja nie, ob der wirklich mit dem ollen Ei korrespondieren mag und ob er ausreichend Hitze in die Füße schicken wird, ob er seine 140 Grad hält über zehn, elf, zwölf, dreizehn, vierzehn oder gar fünfzehn Minuten. Ob sich die Macarons gut von ihm behandelt fühlen und werden oder nicht, dann bocken und oberhalb ihrer zärtlich vorgetrockneten Kruste aufbrechen und somit ihre Epidermis zelebrieren wie ein Teenager im Pubertätswahn seine Pickel züchtet. Da kann so ein lieb gewonnener Ofen sich zum personifizierten Feind entpuppen. Das geht ganz schnell!
Und dann das Auskühlen nach dem Backen, wenn die Macarons keine Zehntelsenkunde zu früh aber auch keine Fünftelsekunde zu spät aus dem Ofen geholt werden dürfen und wirklich ganz perfekt aussehen, was aber noch längst nichts heißen mag, denn selbst wenn dann die Füße so perfekt scheinen und sie sich wie Ginger Rogers von Fred Astaire federleicht im Tanz hochgehoben von der Backfolie lösen, heißt das noch lange nicht, dass die Macarons in ihrem Innern fluffig und leicht sind und nicht klebrig und zäh im Kern und ob dann ihre Farbe noch etwas von dem an sich hat, was die Mandelzuckereiweißmasse vor dem Backen versprochen hatte, das ist doch alles völlig losgelöst von den übrigen Gesetzmäßigkeiten dieser Galaxie.
Also kurz, wenn Ihr Eurem ureigenen kleinen Wahnsinn einmal sehr sehr nahe kommen möchtet und rechts auf dem Standstreifen überholen wollt: backt Macarons!