Nein, ich bin zu hellsichtig, dass ich wirklich im Vorfeld glauben wollte, Trump hätte am Ende Hillary gegenüber kaum noch eine Chance im Kampf um den Einzug ins Weiße Haus. Ich habe das gestrige Ergebnis mehr als geahnt – schlussendlich kenne ich die Ergebnisse der letzten Wahlen hier in Deutschland. (Das Einzige, was uns hierzulande bei den letzten Wahlen einzelner Bundesländer noch gerettet hatte vor einem noch größeren Stimmengewinn der AfD, ist die hiesige größere Parteienvielfalt am Wahltag.) Wie viele Präsidenten in den Vereinigten Staaten kennen wir denn, die nach acht Jahren Präsidentschaft nicht auch mit ihrem Weggang einen Wechsel der Partei mit sich gebracht haben?
Spätestens mit den neuen Ermittlungen eines republikanischen FBI-Chefermittlers gegen Clinton in der E-Mail-Affäre, die vor Monaten als abgeschlossen galt und für die sie sich bereits, unter Eingeständnis der von ihr gemachten Fehler, entschuldigt hatte, war klar, dass Trump (meiner Meinung nach unfaire Register gezogen hatte) und längst nicht so abgeschlagen war, wie ihn – nicht nur die hiesige – Presse sehen wollte.
Ich bin daher sehr gespannt, ob ein Trump, der einer Clinton als Todessünde vorwirft, sie habe ihren eigenen Mail-Server für berufliche Mails verwendet, nun wirklich auf seinen schönen größeren schicker ausgestatteten Privatjet verzichten wird – und künftig mit der AirForce One zu reisen gedenkt. Ich hege Zweifel.
Im Grunde war die Sache bereits mit der Kandidatur Trumps entschieden. Die allermeisten Menschen wählen viel weniger klug als wir es uns wünschen möchten. Sie wählen ichbetont, denken kaum weiter als bis zur eigenen Haustür, möchten ausschließlich persönliche Vorteile aus ihrer Wahlentscheidung ziehen können. Das ist … menschlich. Und: so sehr ich Frau Clinton einerseits schätze, ich hätte sie wohl auch nicht gewählt. Dafür ist sie mit ihren Altlasten (die ich persönlich weniger kritisch sehe als die Allgemeinheit, dazu ist das politische System in den USA, wo Wahlkämpfe von Kandidaten selbst mit finanziert werden müssen, einfach viel zu anders) mir zu wenig mit ihren politischen Zielen aus dem Schatten von Obama getreten.
Dass man allerdings ausgerechnet einer Frau wie Clinton vorgeworfen hatte, sie sei politisch nicht als neutral zu bewerten, weil sie bei Firmen für Geld Vorträge gehalten habe – und zudem – ganz große Schande: sogar für sehr viel Geld (was unterm Strich in dieser Welt immer noch heißt, sie hat höchstwahrscheinlich deutlich weniger bekommen als jeder männliche Speaker in vergleichbaren Foren und Positionen) diese verdammte Verlorgenheit, die macht mich wirklich krank.
Auch erzürnt mich sehr, wie sehr dieser Wahlkampf gezeigt hatte, wie man im Jahr 2016 mit einer Frau als Kandidatin immer noch umgehen kann. Dass man Frauen Dinge als No-Go! vorwerfen kann, die für Männer längst als legitimiert gelten. Was für eine verlogene Gesellschaft das immer noch teilweise ist: rückständig, ignorant, sexistisch, kein bisschen emanzipiert. Es fällt mir persönlich sehr schwer unter dem Aspekt einer demokratischen Wahl Frauen das Recht zuzugestehen, dass sie Trump gewählt haben. Betont höflich formuliert: ich begreife sie nicht.
Viel schlimmer als einen Trump als neuen US-Präsidenten, sehe ich allerdings die Tatsache, dass so ganz nebenbei die Republikaner nach den Wahlen die – doch, man kann es so nennen – eine erschreckende, fatale politische Übermacht haben in den USA. Das wird für viele Amerikaner, vor allem für arme Amerikaner, eine noch fürchterliche Wandlung nehmen.
Trump kommunizierte gestern in seiner Rede, er möchte Amerika wieder zu einer Einheit werden lassen. Es ist so gut wie sicher, dass er als erste politische Entscheidung Obamacare rückgängig machen wird. Dafür sitzen nun viel zu viele Republikaner im Kongress, als dass diesem Vorhaben sich noch jemand auf der Seite der Demokraten wirklich entgegen stellen könnte.
In Amerika werden nun künftig die Ärmsten der Armen wieder nicht medizinisch behandelt werden, noch Vorsorge erfahren, also sterben, weil sie sich eine gesundheitliche Versicherung gar nicht leisten können. Waffen wird unter Trump nun jeder haben dürfen. Die Behandlung von Schusswunden von Unbeteiligten im Straßenkampf wird arme Familien in die hoffnungslose Verschuldung stürzen.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es auch ein erklärtes Ziel der AfD ist, das hiesige Gesundheitssystem so zu verändern, dass hierzulande arme Menschen keine gesundheitliche Versorgung mehr so ohne Weiteres, geschweige denn überhaupt die Unterstützung eines Sozialstaates noch erfahren dürfen.
Ich hoffe sehr, die deutsche Bundesregierung hält sich zurück mit Einladungen an den künftigen US-Präsidenten Deutschland zu besuchen. Ich möchte kein Geld verschwendet sehen an einen Mann, der in seinem Land eine Mauer errichten möchte.
Solche Menschen haben in Deutschland nichts verloren!