2017-09-13

AirBerlin

Aha, jetzt sind also krank geschriebene Piloten der Grund, warum eine insolvente Fluglinie nicht überleben wird.

AirBerlin wird so oder so zerschlagen werden. Gerettet werden die wenigsten der Arbeitsplätze, darüber sind sich alle Mitarbeiter dort einig. Die Verwaltungsmitarbeiter sind draußen, viele von denen haben schon im letzten Jahr gekündigt. Nicht wenige von den übrig gebliebenen Mitarbeitern sind übrigens auch krank geschrieben, weil sie seit Monaten für die gegangenen Mitarbeiter mitarbeiten mussten, mittlerweile fertig und ausgelaugt sind.

So oder so haben nur die Piloten von AirBerlin eine echte Chance auf eine Weiterbeschäftigung (mit Lohneinbußen) in übernehmenden Betrieben. Die Flugbegleiterinnen – vor allem die älteren Angestellten – müssen sich höchst wahrscheinlich einen ganz anderen Job suchen. Bodenpersonal ist eh längst outgesourct.

Und die Verwaltung? Keine der die AirBerlin eventuell übernehmenden Gesellschaften wird sich zwei Verwaltungen leisten. Und das ist allen Mitarbeitern dort klar. Denen ist auch klar, das dieser Millionen-Hokuspokus eine einzige Verarsche ist.

Der Millionenkredit sorgt lediglich für etwas Ruhe vor der Wahl. Diese Ruhe stören nun die Piloten. Vermeintlich. Die eben genau nicht nur alleine im großen Stil sich krank schreiben lassen im Unternehmen. Bei AirBerlin ist es gerade mit den Hotlines und mit den CheckIns nicht anders – überall sind dort Mitarbeiter „krank geschrieben” – oder warum glaubt die Öffentlichkeit steht man an AirBerlin-Schaltern auf Flughäfen zur Zeit stundenlang an? Es läge eigentlich in der Verantwortung der hiesigen Journalisten das zu thematisieren. Tut der Journalismus aber nicht.

Eine Bekannte von mir – in der Verwaltung tätig – ist auch krank geschrieben seit zwei Wochen. Sie kann nicht mehr. Sie hat bereits seit Monaten für fünf gegangene und nicht mehr ersetzte Mitarbeiter gearbeitet – und sie braucht jetzt ihre Kräfte, um sich ihrem persönlichen künftigen Bewerbungskampf zu stellen. Sie hat jetzt schon Wochen hinter sich in denen sie arbeitete ohne zu wissen, ob sie wirklich am Ende des Monats ein Gehalt erhält. Bei den Leuten liegen die Nerven blank. Etwas mehr Respekt bitte diesen Menschen gegenüber.

AirBerlin ist insolvent. Die Schuld darin liegt aber nicht bei den Mitarbeitern. Zu keiner Zeit lag sie da – auch jetzt nicht! Die Schuld liegt im Missmanagement der Geschäftsführung. Die ganz alleine ist an dem heutigen Zustand dieser Fluggesellschaft schuld.

Die Schuld tragen nicht die Piloten, die nun in ihrer Verzweiflung auf stille Weise auf diesen unwürdigen Ausverkauf aufmerksam machen. Deren Arbeitsplätze sind eh nicht mehr zu retten. Die Gesellschaft ist nicht mehr zu retten – denn man hat nun seit Jahren schon versucht: AirBerlin irgendwie „zu retten”. Es funktioniert nicht.

AirBerlin ist kaputt saniert. Die Gesellschaft wird zerschlagen werden. Auf die Wünsche und Gefühle der (langjährigen) Mitarbeiter wird gepfiffen werden.

Jetzt den „gut bezahlten” Piloten als Buhmann hinzustellen – ohne sich auch nur einmal die Mühe zu machen, einen solch krank geschriebenen Piloten zu einer Aussage in der Berichterstattung einfließen zu lassen: das ist der deutsche Journalismus im Wahlkampf. An keiner Stelle habe ich gelesen, dass einem AirBerlin-Mitarbeiter irgendwo eine Stimme gegeben worden ist. Es wird über sie geschrieben aber gefragt werden sie nicht. Verschwiegenheitsklauseln hin oder her. Dieser Journalismus verletzt journalistische Grundsätze und dient der politischen und wirtschaftlichen Lobby wie der drogensüchtige Stricher auf Turkey.

Und noch einmal: Krankschreibungen töten kein Unternehmen, das eh schon tot am Boden liegt. Das kleine Werbegeschenk, die Ruhe vor der Wahl, das sich die Große Koalition so schnell einverträglich selbst gemacht hatte mit dem AirBerlin-Kredit, es funktioniert so nicht.

Das ist auch ganz gut so.

6 Kommentare:

maribert hat gesagt…

Wie immer frage ich mich, wenn abhängig Beschäftigite solche Aktionen starten: Was soll das? Was wollen sie damit erreichen?
Wer Verschwörungstheorien mag, wird schnell feststellen, daß die Lufthansa und die mit ihr offenbar verbündete Bundesregierung hinter dem wilden Pilotenstreik stehen. Denn der von diesen Parteien maßgeblich vorangetriebenen Zerschlagung von Air Berlin (mit Leerzeichen) und der Schaffung eines De-Facto-Monopols der Lufthansa im innerdeutschen Luftverkehr verschafft die Aktion Vorschub.
Es wäre gut für den deutschen Markt, den Luftfahrtstandort Berlin und natürlich das fliegende Publikum, wenn die Air Berlin als Ganzes verkauft würde. Interessenten gibt es ja. Nur kann das natürlich nur klappen, wenn der Flugbetrieb nicht zusammenbricht.
Mir ist klar, daß die Situation für die Mitarbeiter nicht einfach ist -- für die Verwaltungsmitarbeiter sehr viel schwieriger als für das fliegende Personal.
Aber für solche sinnfreien Aktionen, die die Chancen für ein Weiterbestehen der Arbeitsplätze noch weiter schmälern (nicht der eigenen, sondern der von Kollegen), fehlt mir jedes Verständnis.

Anonym hat gesagt…

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Susann

creezy hat gesagt…

@maribert
Was sie damit erreichen wollen? Stummer Protest ist die letzte Form von Protest, wenn Du resigniert hast.

Man darf eben in dieser Sache nicht vergessen, diese Fluggesellschaft kämpft seit spätestens 2012 (eigentlich fingen die Probleme 2006 an). Seit 2012 wird also dem Personal abverlangt, versprochen, nicht gehalten. Die haben Vorstände wie Mehdorn ausgehalten. Also Leute, die solche Unternehmen mit größtmöglicher Arroganz den Angestellten gegenüber ausbluten und dann gehen.

Die wissen, dass die Gesellschaft jetzt zerschlagen wird. Die zeigen jetzt der Geschäftsführung ein letztes Mal den Stinkefinger. Mehr bleibt ihnen nicht. Weil sie nichts mehr erwarten.

maribert hat gesagt…

Ach komm, das glaubst Du doch selber nicht. Der jetzigen Geschäftsleitung ist das doch komplett wurscht. Der Leihmanager Winkelmann von der LH setzt sich nach diesem kleinen Ausflug wieder ins gemachte Nest, egal wie das jetzt ausgeht. Dem Insolvenzverwalter ist schon per Definition das Schucksal der Air Berlin egal, den interessieren nur die Gläubiger, das ist sein Job.
Nein, den Stinkefinger zeigen sie ihren Kollegen, und natürlich den Passagieren -- denen, die noch offene Buchungen haben, und denen, die Air Berlin bis zum Schluß die Treue halten und trotz der Insolvenz noch gebucht haben.

creezy hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
creezy hat gesagt…

@maribert
Doch genauso ist das. Ich habe übrigens schon einmal für ein in die Insolvenz gegangenes Unternehmen gearbeitet – und kenne mich daher mit den wirtschaftlichen als auch emotionalen Interna in einer solchen Situation recht gut aus, möchte ich behaupten.

Die innere Kündigung vollzieht sich gegenüber der Geschäftsleitung. Einigen einzelnen Kollegen gegenüber – mag sein. Wobei ich den Piloten die mentale Intelligenz zutraue, dass sie differenzieren können, dass es nicht die eigenen Kollegen sind, die seit Jahren für das Unternehmen arbeiten, die für die jetzige wirtschaftliche Lage des Unternehmens zuständig sind.

Es gibt überhaupt keinen Grund, warum die Piloten ausgerechnet den Kunden den Stinkefinger zeigen sollten. Ausnahme: den Kunden, die AirBerlin gerade wegen der Insolvenz gebucht haben, weil's aufgrund der Situation so schön „billig” ist. Die aber kannten das Risiko. (Solche Leute bezeichne ich übrigens als Aasgeier.)

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