2019-03-13

Bacco & Cecere in Cosenza – und meine allererste Pinsa



Was ich am Verreisen mehr als liebe ist das Kennenlernen der Speisen und Getränke der regionalen Küche. Neue Zutaten kennenlernen, alte Zutaten in neuer Weise serviert bekommen und ihnen so neu begegnen dürfen. Das macht Reisen zum ganz großen Teil für mich aus. Deutsche heimische Küche auf Mallorca – ich hab sie nie begriffen. Wenn ich dann Menschen begegne, die sich der eigenen heimischen Küche mit Leib und Seele verschrieben haben, ihren Worten zu lauschen oder ihnen sogar im Schaffungsprozess zuschauen zu dürfen … das ist der perfekte Urlaub für mich!

In der reichhaltigen Küche Kalabriens, sind drei Gemüsearten vorrangig immer im Menü zu finden, egal wie rustikal oder fein die Küche dort ist. Als erstes ist die Kartoffel zu benennen, die muss ich Euch nicht erst vorstellen. Dann die in den Wäldern der Berge wachsenden Steinpilze in ungeahnter Menge. In Sila war ich in einer Salumeria, die war das getrocknete Steinpilz-Paradies! Der Steinpilz steht für sich selbst und kann hier getrocknet zu so sehr günstigen Preisen in allen möglichen Qualitätsklassen erworben werden. Im wärmeren Süden wachsen natürlich Olivenbäume – im Osten in den Wäldern wachsen zudem die Kastanien. Kastanienmehl ist in der kalabrischen Küche eine Instanz. Und: Kalabrien ist auch das Land der Bergamotte, wenn wir über Zitronensorten reden wollen. Aber der begegnen wir in einem späteren Blogpost.

Während meines kurzen Ausflugs nach Cosenza durfte ich mich wieder an sehr reich gedeckte Tische setzen und mich von der liebevollen Gastfreundschaft und der feinen Küche Kalabriens überzeugen zu lassen. Ob traditioneller Ausflug in die bodenständige Küche des Agrotourismus – oder fein herausgeputzt mit liebevoller Cocktail-Begleitung. Meine Begeisterung war groß – und auch hinsichtlich der Weinbegleitung kann ich Euch die guten Roten aus Kalabrien sehr ans Herz legen.

Gleich am ersten Abend direkt nach unserer Ankunft in der Trattoria Pinseria Bacco & Cecere twitterte ich schon: „Ich habe heute die beste Pizza meines Lebens gegessen.”

Ja, Pustekuchen: Es war nämlich die erste und beste Pinsa meines Lebens!



Die Pinsa wird gerne „bianca” gegessen – ohne Tomatensoße. Ein Sugo ist so nicht zwingend nötig. Die bekannteste Pinsa ist die Pinsa Romana – sie gibt es aber in mindestens so vielen namentlich unterschiedlichen Variationen wie ihre Kollegin mit dem doppelten Z.

Der Pinsa ihre wahre Größe liegt in diesem rustikalen Teig, der im heißen Ofen gebacken wahnsinnig knusprig und dennoch saftig ist. Das Geheimnis der Pinza ist einerseits ihre besondere Zusammensetzung aus Weizen-, Reis- und Sojamehl, andererseits ihre sehr lange Gare. Unter 48 Stunden Ruhezeit im Kühlschrank kommt die Pinsa nicht in den Ofen, besser noch lässt man ihre Zutaten sich 72 Stunden miteinander beschäftigen, auch 120 Stunden Gare sind hier und dort überliefert.

Aus dem Ofen kommt dann ein Gebäck mit großen Lufteinschlüssen, die die Pinsa so sehr knusprig machen. Der Geschmack ist einmalig und braucht nur einfachen Belag wie Mozarella, aromatisch Steinpilze oder Tomate und die kleinen aromatischen Oliven mit gutem Olivenöl. Mehr braucht’s nicht! Robert von Lamiacuccina hat schon seit langem ein gutes Rezept in seinem Blog stehen (lieber Robert, an Deinem Blog kommt man einfach nicht vorbei!) und den durchaus sinnvollen Hinweis, dass die Ur-Pinsa aus zeitlich relevanten Gründen keineswegs Sojamehl kennen konnte. Während Robert sich alternativ für Kichererbsenmehl entschieden hatte, was durchaus naheliegend ist, könnte ich mich auch den Einsatz von Kastanienmehl aus historischen Gründen ebenso gut vorstellen. Da die Pinsa sehr rustikal herkommt und zumindest in Kalabrien die Kastanie früher Lieferant für das Mehl des armen Mannes war, würde es allemal passen.

Alleine aus diesem Erlebnis heraus, wird das Bacco & Cecere immer in meinem Herzen bleiben. Wir haben an diesem Abend aufgrund unserer späten Ankunft wohl eher einen kleinen Auszug aus deren fantastischer Speisekarte mit sehr viel Herzlichkeit serviert zu uns genommen. Und alles war grandios.



Die Cìceri e Tria, die ich nun schon ganz oft gegessen habe. Es ist interessant, wie dieses einfache Gericht Süditaliens über Können und Nichtkönnen eines Kochs Auskunft geben kann. Oft zum Niederknien, weil die Grundlage guter Speck in der Brühe dieser die Kichererbesen umschmeichelnde Soße eine fantastische Grundlage bietet und man gar nichts anderes mehr essen möchte. Leider kommt er manchmal auch nur als ein ganz fader Eintopf mit langweiligen Nudeln daher. Im Bacco & Cecere war sie genauso fantastisch wie die zuvor servierte Pinsa, gleiches kann man nur über die nachfolgende Pasta mit Fisch und Muscheln sagen.



Ehrlich? Alleine für die Pinsa im Bacco & Cecere muss ich unbedingt noch einmal nach Cosenza reisen.

Oder sie selber machen …



Habe ich getan, letzte Woche! Sie ließ mich nicht los. Außerdem habe ich mir Steinpilze aus Sila mitgebracht! Ich habe das Rezept von Roberts Blog verwendet, tatsächlich aber anstelle des Mehls aus Kichererbsen das in allen anderen Rezepten propagandierte Sojamehl genommen. Und ja: 120 Stunden Geduld aufgebracht für die Gare im Kühlschrank. Chemie pur!

Die erste Variante wurde belegt wie meine neue Entdeckung des Herzens in Kalabrien, nämlich mit Mozarella und den von mir aus Sila mitgebrachten Steinpilzen. Beträufelt mit gutem Olivenöl. Bitte hierfür wirklich darauf achten, den guten Mozarella aus dem Bio-Laden oder einer italienischen Salumeria zu kaufen. Dieses Rezept, bei dem natürlich die Steinpilze auch durch aromatische Champignons ersetzt werden können, Discounter-Analog-Mozarella funktioniert hier garantiert nicht!

Wahnsinnig lecker – und es ist so eine Freude mit diesem Teig zu arbeiten, der bevor er in den Kühlschrank wandert fast flüssig ist und sich in der langen Zeit so faszinierend verändert. Im Ofen hat es keine Minute gedauert bis der Teig am Rand zu seinen charakteristischen knusprigen Blasen aufstieg. Ich war ein bisschen stolz auf mich: Cosenza in meiner Berliner Küche! Ich muss nur beim nächsten Mal die letzte Minute nochmal den Grill aktivieren.

Für den Teig eine Küchenmaschine zu besitzen, ist gar keine schlechte Idee. Er wird sehr lange gerührt. Bei meiner Maschine hatte er tatsächlich die eingebaute 30 Minuten-Sperre (ich glaube, so einen Stopp haben Küchenmaschinen alle irgendwann aus Sicherheitsgründen) berührt und sie abgeschaltet: Novum. Und er ist sehr sehr feucht, kann dann nur gegossen werden – wird aber im Kühlschrank nach zwei Tagen fester in seiner Konsistenz und lässt sich später mit viel Mehl gut verarbeiten.



Meine zweite Variante habe ich mit gemixten getrockneten Tomaten (kurz in Wasser eingelegt und mit Olivenöl und Pfeffer püriert) bestrichen und mit Pancetta, Mozarella und Oliven belegt. Himmlisch.

Aber probiert sie unbedingt einmal im im Bacco & Cecere in Cosenza … aus Gründen!

Dieser junge Mann, Marco Montuori, italienischer Pizza-Meister, hält übrigens ein nettes Filmchen für eine mit Kartoffeln und Bier-Karamell (!) gefüllte Pinsa für Euch bereit und zeigt darin, wie vorsichtig man mit ihrem Teig nach der letzten Gare umgeht.

Kichererbsenmehl und Sojamehl in Bio-Qualität gibt es überall in den Supermärkten, Kastanienmehl (mein nächster Versuch findet damit statt) habe ich bisher nur bei der bio company in Berlin gefunden (alternativ: online bestellen). Guten Mozarella, den besten Pancetta gibt es in Berlin bei Centro Italia.

Bacco e Cecere
Via Francesco Capoderose, 13
87100 Cosenza CS
Italien

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