2016-05-24

Getourt mit der Bio Company, Kuhcontent!

Eine Butterfahrt. Mit dem Bus. Ohne Zollgeschäfte. Dafür übers Land. Diesem schönen grün, saftig leuchtenden Brandenburger Land.

Die Bio Company lädt ein zu den von ihr organisierten Touren zu den Erzeugern der von ihr vertriebenen Bio-Produkte. Ein sehr schönes Ritual. Ich fahre dieses Mal mit zur Lobetaler Bio-Molkerei. Seit mir eine Freundin deren Joghurts empfohlen (Mango-Vanille ist ‘ne heimliche Liebe!) und von den besonderen Verpackungsstrategien erzählt hatte, bin ich Fan von den Lobetalern Bio-Produkten. Als es nun von der Bio Company beim Foodiemeetup Berlin hieß „Foodblogger, kommt doch mit!”, war für mich klar, welchem Produzenten ich einen Besuch abstatten wollte!

Die Tour am Pfingstsonntag startet mit kleinen Hindernissen, doch irgendwann sind wir auf Tour und genießen die Aussicht auf satt blühende Rapsfelder – bis wir die landwirtschaftliche Region von Bernau und somit das Gebiet der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal erreichen.



Dort, wo Pastor Friedrich von Bodelschwingh 1905 den „Verein Hoffnungstal für die Obdachlosen der Großstadt Berlin e. V.” gründete, um Obdachlosen der Großstadt eine Perspektive zu geben – indem er ihnen Arbeit und Unterkunft gab. Über viele Orte erstrecken sich dort heute soziale Einrichtungen, die Menschen mit Behinderungen, Suchterkrankungen, Senioren und pflegebedürftige Menschen in ihrem Alltagsgeschehen unterstützen. Viele der hier angesiedelten Unternehmen und die landwirtschaftlichen Betriebe ermöglichen ihnen eine berufliche Bildung und beschäftigen diese Menschen.

Dazu gehört auch die Lobetaler Bio-Molkerei. Sie liegt in Biesenthal, umgeben von einer grünen Idylle der ebenfalls zu den Stiftungen gehörenden Baumschulen. Der Bereichsleiter der Molkerei, Reinhard Manger, lässt es sich nicht nehmen, uns persönlich an seinem freien Tag durch die Molkerei zu führen. Zuerst dürfen wir uns über einen kleinen Snack freuen, bei dem mich vor allem der Lobetaler Frischkäse mit frischen Kräutern und einer feinen leichten Säure überzeugt. (Unbedingt testen!) Seine Assistentin wirft für uns sogar die Kaffeemaschine an.



Am Buffet ist sofort zu erkennen, wer hier Foodblogger ist und wer nicht: während zwei Personen noch versuchen, das dekorierte Buffet zu fotografieren, langen die anderen Teilnehmer bereits zu. Foodblogger sind halt anders komisch!



Schon geht es ab mit uns in die Hygiene-Schleuse, Manger stattet uns alle mit Einmalkleidung und für die Frisur tödliche Haarhauben aus, führt uns in die Käserei und erzählt uns zunächst über die Historie der Hoffnungstaler Stiftung und Lobetaler Bio-Molkerei. Der erste verbale Exkurs lässt uns in die Käsefabrikation einsteigen, die Technik der Käsewannen und dazu gehörigen Geräte. Behälter wird erläutert. Natürlich liegt an einem Sonntag die Produktion brach.



Mir tut es echt gut – in Zeiten von StartUps, zwingender Globalisierung dieser Unternehmen, ihren irrwitzigen Investments und großen Sprüchen – wenn Manger mit Stolz darüber spricht, dass es sich hier – und zwar ganz bewusst – um eine kleine Molkerei handelt. Eine, die kein Interesse daran hat, sich mit den Zahlen der großen Marktplayer jenseits der Bio-Schiene messen lassen zu müssen. Die Konzentration im Betrieb liegt auf der Entwicklung und Produktion guter Bio-Produkte und die Arbeit miteinander.



Reinhard Manger führt uns weiter durch die gesamte Anlage: Joghurtproduktion mit der Kühlung und dem Becherfüllautomaten sowie die große Lagerhalle und Kommissionierung.



Er erzählt uns dabei sehr genau, welche Arbeiten von den Arbeitnehmern z. B. von den Mitarbeitern mit Behinderungen, durchgeführt werden. Den Respekt den Kollegen gegenüber merkt man ihm an. Arbeitsprozesse sind hier z. B. in einfacher Sprache gehalten. Zu keiner Zeit hat man das Gefühl, die Menschen und ihre Arbeitsleistung würden nicht sehr geschätzt. Tatsächlich wird hier oft vom Mitarbeiter gesprochen, wenig von der Technik – die zweifelsohne beeindruckend blitzend existiert. Der Arbeitnehmer, der Kartons falten kann, ist genau so ein wichtiges Mitglied der Kollegenschaft wie der in der Produktion, denn ohne Kartons keine Konfektionierung.



Inklusion ist hier selbstverständlich. Es wird nicht immer einfach sein; nur es funktioniert offensichtlich – weil man es hier so will.

Manger erzählt sehr kritisch von den Nachwuchssorgen, die (nicht nur) die Molkerei hat. Dass heute junge Menschen mit dem Arbeitspensum in einem Lehrberuf nicht mehr klar kommen. Wir erfahren von ihm, die wohl aufreibendste und die meiste Arbeitszeit bindende Aufgabe in der Molkerei die Hygiene ist. Und er geht uns gegenüber offen mit den Zahlen der Molkerei um, spricht kritisch von einer Konkurrenz, die nicht in Bio-Qualität produziert. Direktheit auch im Umgang mit Produkten, die nicht so am Markt angenommen werden, wie erhofft.



Es ist ein sehr intensiver und interessanter Besuch vor Ort – leider spaltet sich spürbar das Interesse der gesamten Gruppe zu diesem Zeitpunkt. Für die immer intensiveren, somit zunehmend spannenderen Fragen einiger Teilnehmer, möchte der andere Teil der Gruppe an dieser Stelle kein Interesse noch Verständnis mehr aufbringen. Zurück in die Bequemlichkeitszone.



Interessant – für mich – an der Stelle der Einwurf einer Teilnehmerin, dass das von Lobetaler Bio-Molkerei produzierte Ayran „wohl zu teuer” sei. Ein 200 g-Becher kostet 69,— Cent. In Bio-Qualität. Ich kenne die Preise vom befreundeten türkischen Supermarkt, so erschreckt mich das Argument. Sind wir soweit? Darf „Bio” nichts mehr kosten?

Wir lernen, dass der in Kundenkreisen heiß umworbene Joghurt-Deckel des Lobetaler Bio-Naturschutzbechers, im Fachjargon „Platine” genannt wird. Über ihn, wie auch über eine besondere Joghurt-Auswahl, dürfen wir uns in einem an uns alle überreichten Goodie-Bag freuen. Und womöglich heißt mein neuer Lobetaler-Lieblingsjoghurt im Sommer jetzt „Zitrone”. Mit Zitronenschalenstücken – einmalig gut!

Unser zweiter Stopp an diesem Tag nur wenige Kilometer weiter – dieses Mal wirklich in Lobetal – ein Landwirtschaftsbetrieb. Dort, wo alle zwei Tage der Tanklaster die Milch der Kühe für die Molkerei einsammelt, können wir uns einen Eindruck vom Leben der Milchkühe und Aufzucht ihrer Kälber machen.

Dr. Hans-Günter Hartmann ist landwirtschaftlicher Leiter und zeichnet sich auch für den gesamten Ackerbau der vier biologischen Landwirtschaftsbetriebe verantwortlich. Sein Betrieb in Lobetal wurde 2010 als Ökobetrieb anerkannt.



Auf einer knapp 1.000 ha großen Betriebsfläche, Forst und Wasserflächen eingerechnet, wird das Futter für die Kühe selber angebaut und an die 369 – naja, wenn diese junge Dame hier mittlerweile ihre erstes Kalb geboren (abkalben) hat,



sind’s 370 Rinder insgesamt, verfüttert. Dafür fließen dann ca. eine Million Liter Milch pro Jahr zur Abgabe an die Molkerei.



In der Futterhalle erklärt uns Hartmann den Futteranbau und wir können ein bisschen im Roggen, Hafer und den „hochprozentigeren” Leckereien wie Erbsen, Lupinen und Mais wühlen. Futter, das mit dem Gras aufbereitet – mit Hilfe einer solch imposanten Futtermischmaschine – den Kühen angereicht wird.



Die Haltung der Milchkühe erfolgt auch im Stall möglichst artgerecht – die Ställe sind soweit es geht offen und zugig, die Kühe tragen offensichtlich noch etwas Winterwolle im Fell. Die noch sehr jungen Kälber machen Faxen mit uns, die Färsen sind an uns interessiert, verschmust und bringen uns irgendwie telepathisch clever dazu, ihnen das für sie nicht mehr erreichbare Futter vom Gang wieder in Maulnähe zu schieben.



Eine Halle weiter stehen die Milchkühe, die auf den zweiten Melkprozess des Tages warten. In Lobetal werden täglich 1.000 Liter gemolken, aus den Betrieben der Nachbarschaft kommen 3.000 Liter hinzu. Drei Kühe werden gleichzeitig persönlich von der Melkerin im Raum empfangen und an die Melkmaschine gehängt. Kurze Zeit später stürzen sie sich wieder an die belohnenden Futtertröge.



Wir selbst stürzen nach draußen und bekommen etwas Kuchen und von Dr. Hartmann am Tag frisch gezapfte, gekühlte Milch zur Verkostung serviert. 4,2 Prozent Fett soll sie haben! Dabei schmeckt sie kein bisschen fettig, ganz im Gegenteil, leicht und gänzlich ohne Beigeschmack von etwaiger Verpackung. Wirklich lecker!



Auch hier finden in den landwirtschaftlichen Ökobetrieben zu den zwölf Mitarbeitern weitere acht Kollegen mit Behinderungen Arbeit. Dr. Hartmann erklärt uns ihren Einsatz je nach persönlicher Eignung und erzählt – nicht ganz ohne Stolz – wie besonders die Menschen mit ihren Kühen umgehen – und wie gut ihnen die landwirtschaftliche Arbeit, die ihnen die für sie wichtige Routine offenbart, von der Hand geht.

Alles in allem war das ein sehr informativer Tag und es war eine Freude, das besondere Engagement von beiden Produzenten für ihre biologischen Betriebe – in einem gelebten Umfeld der Inklusion – ein wenig nachempfinden zu dürfen.

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