2016-01-06

Köln

Zu den Geschehnissen in Köln in der Silversternacht (und wohl auch in anderen größere Städten in diesem Land) ließe sich sehr viel sagen. Und meine persönliche Betroffenheit nur als Zuseherin ist so groß, dass ich gar nicht weiß, wo ich überhaupt anfangen sollte. Ich möchte aber vor allem zweikommafünf Dinge, die mich in der aktuellen öffentlichen Reaktion darauf mehr als bewegen, ansprechen:

Nein, es ist keine souveräne Reaktion der nationalen und regionalen Regierungsverantwortlichen Verhaltensratschläge an Frauen und Opfer zu kommunizieren. Die oberste Regel hat zu sein, dass sich in diesem Land alle Menschen aller Geschlechter zu allen Zeiten an allen Orten frei bewegen können, ohne Sorgen zu haben – von wem auch immer – tätlich angegriffen zu werden. Das ist die Maxime. Darunter läuft nichts! Aber auch gar nichts!

Wer als Verantwortlicher – ob nun auf legislativer oder exekutiver Ebene – hier die Einschränkungen bei den (möglichen) Opfern fordert, ist schlicht fehl an seinem Platz besetzt. Oder sollte hier sehr dringend an den Konzeptionen der Verhinderung tätig sein. Wer das aktuell ist, und das erwarte ich eigentlich, der hat gar nicht die Zeit an die Opfer dumme Ratschläge zu richten.

Und nein: Mehr Videoüberwachung ist die Antwort nicht. Videoüberwachung klärt vielleicht Verbrechen schneller auf. Aber sie verhindert – und ein aktuelles trauriges Bespiel dazu diskutieren wir gerade – keine Übergriffe und Verbrechen. Es ist nämlich gerade Intensivtätern völlig egal, ob sie erwischt werden.

Warum?

Unter anderem, weil sie in diesem Land nicht wirkliche Reaktionen auf ihr Tun zu erwarten haben. Womit wir bei der Mitverantwortung der judikativen Ebene wären.

Was passiert denn mit den Tätern, wenn sie jetzt wirklich ermittelt werden? Wenn nicht ausdrücklich – vor einem Gericht später zugelassen und verwertbare – Videoaufnahmen den Tatvorgang explizit zeigen, werden sie den Opfern gegenüber gestellt. Prompt fallen dann schon mal 50 % raus aus der Strafverfolgung, weil die Opfer höchstwahrscheinlich die Täter als solche aus einer Menge relativ gleich aussehender Menschen nicht eindeutig identifizieren werden.

Dann reden wir von einem vergleichsweise großen Rudel von Tätern. Die sich alle untereinander ein Alibi geben werden. Und vor allem sich alle untereinander bestätigen werden, dass sie dank zahlreicher legaler oder illegaler Substanzen so beeinflusst waren in ihrem Tun, dass sie gar nicht mehr Herr der Lage waren. Und damit können sie in diesem Rechtssystem schon mal sehr sicher sein – wenn überhaupt eine Strafe verhängt werden kann – das Gericht mindestens nicht das volle Strafmaß verhängen darf. Und inwieweit bei einem gesprochenen Urteil mittlerweile die komplette Auslastung der existierenden Strafvollzugsanstalten eine Rolle spielt … naja, ein Schelm, der überhaupt darüber nachdenkt.

Es wird meiner Meinung nach Zeit, dass wir Menschen, die Drogen zu sich nehmen, egal ob legale oder illegale, für ihr straffälliges Verhalten unter deren Einwirkung jederzeit voll zur Verantwortung ziehen. Persönlich finde ich, sollten Täter unter Drogeneinfluss sogar sehr viel härter bestraft werden sollten, anstatt dass sie ständige Milde von unserem Rechtsstaat erwarten dürfen.

Hierzulande können Menschen, die Straftaten begehen, durch das viel zu groß gewordene Schlupfloch der sich selbst beigeführten Unzurechnungsfähigkeit ihrer Strafe entgehen. Das sollte angesetzt werden seitens des Justizministers.

Der Punkt ist, dass diese vielen Frauen, die Silvester körperlich, seelisch und materiell vorsätzlich geschädigt wurden in diesem Rechtsstaat von vorneherein mit absoluter Sicherheit nur auf eines setzen können: die Täter werden davon kommen! Und künftig die von den Opfern gewählten Sicherheitsabstände (so sie überhaupt möglich sind) weiterhin unterschreiten. Schon deswegen sind in der jüngsten Vergangenheit die in Köln geäußerten Vorschläge völliger Blödsinn.

Zur Kritik an unzureichender Polizeipräsenz vor Ort: den Vorwurf bitte ich einzig und allen an Herrn Dr. Wolfgang Schäuble zu richten. Dass die Bundesrepublik Deutschland sich nicht weiter neu verschuldet, ist ein netter Plan. Aber wenn es zu Lasten der exekutiven (schlussendlich auch der judikativen) Gewalten geht, dass sich in einem Land die Bürger nicht mehr sicher fühlen können, ist am falschen Ende gespart worden.

Edit: Sascha Lobo hat zu dem Vorfall und möglichen schrecklichen Folgeszenarien in seiner Spiegel-Kolumne einen mehr als lesenswerten Text „Mob und Gegenmob” abgeliefert. Wobei ein Gegenmob sich, meiner Meinung nach, schneller entwickelt, wenn der besorgte Bürger glaubt, sich nicht mehr auf die zuständigen Institutionen seines Staates verlassen zu können. Und das macht mir dann richtig Angst!

Edit 2: Frau Wortschnittchen hat ihre sehr eigenen Erfahrungen mit „Einer Armlänge Abstand”.

1 Kommentare:

Ruthy hat gesagt…

Den Post solltest Du an Zeitungen schicken!!! Find ich genial geschrieben, sagt auch alles, was ich mir so oder ähnlich eben dachte, als ich in einem Mittagsmagazin einen Beitrag dazu sah - was auch nur ging, weil bei uns Feiertag ist.
Und ganz nachträglich noch ein gutes neues Jahr Dir und alles, was Du Dir selbst wünschst.
LG Ruthy

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