2016-01-09

„Ich bin ein Flüchtling in Deutschland, das heißt meine Zukunft ist in Deutschland.”

In dem viel zitierten Polizeibericht eines leitenden Beamten, der die Vorgänge am Kölner Hauptbahnhof beschreibt, waren sich (fast) alle Medien nicht zu fein ein Zitat (immer als erstes) wiederzugeben:

„Ich bin Syrer, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen.”

„Ja klar”, war dazu mein erster Gedanke, der sich nicht nur im Schädel, sondern gleichfalls im Bauch manifestierte, was bei mir immer ein gutes Zeichen ist für: ich habe die Sache schon auch zwischen den Zeilen verstanden. Und dann weiter gedacht „… wenn ich Arsch wäre, würde ich genau das auch raushauen als eine unter dem aktuellen Schirm der auch Asylsuchenden in diesem Land schwimmenden nicht so koscheren Personen.” Denn wie könnte ich Syrier besser schädigen als so, zumal diese in diesem Land von bestimmten Stimmungsmachern seit einigen Monaten eh gerne als „die neuen kriminellen Energien” (zu Unrecht, wie wir, die wir nachdenken können wissen) verkauft werden? Dass der Syrier gerade des mittel- bis sehr rechts denkenden Deutschen liebstes Feindbild ist, wer hat es noch nicht verstanden? Wie sinnvoll wäre es, hätte der Mann hier also ein Satz, wie:

„Ich bin Afghane, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen.”

„Ich bin Kaukase, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen.”

„Ich bin Algerier, ihr müsst mich freundlich behandeln! Frau Merkel hat mich eingeladen.”


zum Besten zu geben? Unspannend oder? Null Brisanz. Kein Hahn würde danach krähen, ein Schulterzucken wäre die häufigste Reaktion. Aber kaum steht „Syrier” vorne, springen alle darauf an.

Natürlich leuchtet nicht jeder Syrier intelligenzmäßig wie der hellste Stern fern der Sonne. Aber ganz ehrlich? Wie blöd müsste ein Asylbewerber sein, um im Rahmen eines Asylverfahrens – in dem sich derzeit nun mal alle Syrier noch befinden – sich selbst so vor einer Staatsgewalt zu produzieren? Von den offensichtlichen Deutschkenntnissen ganz abgesehen. Die Leute kommen eher nicht hierher unter sehr unangenehmen Bedingungen, um sich mit solch einem verbalen Aktionismus eventuell ins Aus einer drohenden Abschiebung zu fügen.

Lange Rede: mir ist das zu plakativ. Und mir sind auch alle Medien viel zu schnell und viel zu wertend darauf angesprungen.

Sinnvoll dagegen klingt in meinen Ohren

„Ich bin ein Flüchtling in Deutschland, das heißt meine Zukunft ist in Deutschland. Ich habe Angst vor der Zukunft und davor, dass die Deutschen uns gegenüber ihr Verhalten ändern. Ich liebe Deutschland wie mein eigenes Land und ich möchte ihm nicht zur Last fallen.”

Die Krautreporter haben noch viel mehr Stimmen von Flüchtlingen, die das Geschehen in Köln aus ihrer Sicht kommentieren. Und das sind Sätze, die für mich viel sinnvoller klingen. Es sind aber auch Sätze, die Ängste formulieren. Und auch diese Ängste kann ich gut verstehen. Sie machen mich traurig.

Für mich habe ich beschlossen, zu glauben, dass dieser Satz sicherlich gefallen sein mag in dieser Nacht. Aber ich glaube nicht, dass er von einem gebürtigen Syrier kam. Zum Glück sind die Gedanken in diesem Land noch frei.

1 Kommentare:

trippmadam hat gesagt…

Für mich klingt das Ganze auch sehr unwahrscheinlich. Mag sein, dass ein Satz gefallen ist, der so oder so ähnlich übersetzt wurde, mag sein, dass er nach bestem Wissen und Gewissen übersetzt wurde, mag sein, dass diese Übersetzung eine der möglichen Versionen ist, aber da fehlt mir ein Kontext.

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