Haircut-Tuesday
Geneigte ältere Leser dieser Blogs werden wissen: ich mag nicht zum Friseur gehen. Einen neuen Haarschnitt zu bekommen, das hat in meiner Welt nichts mit Wellness und Wohlfühlmomenten zu tun. Im Gegenteil. Mir zum großen Teil eher unsympathische Menschen waschen, zerren und fummeln an mir herum. Riesenspiegel haben nichts Besseres zu tun als mir jede meiner großen Pore der Haut aufdringlich auf die visuelle Stulle zu schmieren. Aufdringliches Licht mit dem Gemeinheitspotential eines Dieter Bohlen auf der Castingjurybank in Höchstform brennt jede Falte noch tiefer als sie sich schon natürlich angeordnet hat, Halsfalten stulpen sich über zu eng gebundene Friseurumhänge. Dazu spielt Musik, üblicherweise 20 % Rhianna und 80 % lauter Rhianna-Wannabes, die ich mir im Leben nicht auf eines meiner musikabspielenden Geräte kopieren würde, weil sie in mir prompt den Wunsch erweckt weit weg rennen zu wollen. Und wenn es richtig hart läuft, dann will der Friseur mir auch noch ein Gespräch aufzwingen – zusätzlich zu den Gesprächen, die rechts und links meines unbequemen Stuhls bereits stattfinden.
Friseur-Besuche sind für mich eine Qual, erwähnte ich das?
Ein Himmelsgeschenk sind für mich daher diese Cut'n Go-Schnippsler. Ich sehe darin persönlich nur Vorteile, ich kann da hingehen, wenn mein Nervenkostüm sagt, heute ist ein guter Tag – ohne Wochen vorher einen Termin zu machen, was bei mir ungefähr solche Zustände auslöst wie bei anderen Menschen das Wissen „in drei Wochen einen Zahnarztermin mit Wurzelbehandlung zu haben.” So warte ich normalerweise nicht länger als 30 Minuten. Wenn überhaupt, meistens sind es nur fünf Minuten. Das liegt natürlich mit daran, dass ich vormittags hingehen kann, wenn nichts los ist. Und deswegen bin ich meist binnen 40 Minuten wieder raus aus dem Laden. Damit kann ich umgehen.
Cut'n Go-Friseure sehen sich selten genötigt zu ihren Kunden eine persönliche Bindung aufzubauen. „Ich Geld, Du Schnitt” – das ist die einfache Maxime, die uns davor schützt tiefgreifende Gespräche über Wetter, Kinder, Politik und sonstige lustige Alltagsthemen führen zu müssen: I like it!
Wie oft habe ich bei einem Termin-Friseur solche Unmengen an Geld gelassen und war hinterher wochenlang tief unglücklich mit meiner Frisur? Unzählige Male. Und was für irrwitzige Summen! Beim Cut'n Go-Friseur habe ich es nicht mit überambitionierten „Hairstyledresserartisten” zu tun, die nicht hinhören, wenn ich ihnen etwas zu meinen Haaren sage, weil sie der Meinung sind aufgrund ihrer Profession eh alles besser zu wissen als ich, die immerhin mit dieser Mähne seit knapp 50 Jahren auf diesem Planeten weilt und sich davon ca. 35 Jahre intensiv mit deren Gestaltung (aka Bändigung) auseinander setzen muss. Der Cut'n Go-Friseur ist nicht überambitioniert. Für 12,— Euro gibt es einen Schnitt und gut ist es. Früher musste man sich ja immer noch die Haare föhnen lassen – oh, wie ich das gehasst habe, physisch und hinterher visuell.
Um dann nach Hause zu gehen und als erste Handlung den Kopf wieder unter den Wasserhahn zu halten. Jetzt wird geschnitten und ich föhne. Oder föhne nicht und lasse im Sommer den Fahrtwind vom Rad den Rest gestalten. Das ist so entspannend!
Ja, im Grunde sind das dort Ausbeuterpreise. Andererseits muss man sagen, sind es auch faire Preise, denn viele Kunden sitzen mit ihrer Haarlänge keine zehn Minuten auf dem Stuhl. Und warum sollen Leute mit Minimalschnitt irrsinnige Geldsummen beim Friseur lassen? Ich halte es so, dass ich grundsätzlich mindestens 5,— Euro Trinkgeld gebe.
Heute war ich also dann wieder bei meinem favorisierten Cut'n Go-Friseur. Ein Laden in der Zossener Straße in Kreuzberg mit Stammpersonal, wo man schon sagen kann, „ich will die Haare von Dir geschnitten bekommen”, wartet man halt fünf Minuten länger.
Nach einem halben Jahr Mindestlohn hat man dort also die seit Jahren (!) gehaltenen 12,— Euro pro Schnitt auf 14,— Euro erhöht. Das Personal scheint mir erhalten (ein paar Leute haben ja immer frei.) Ich habe hier also nicht den Eindruck, dass der Laden wegen dem Mindestlohn kurz vor der Insolvenz zu stehen scheint. Natürlich verdienen sich Friseure in solchen Läden die Nase nicht golden, schon gar nicht die Angestellten. Deswegen plädiere ich immer wieder dafür ihnen ausreichend Trinkgeld zu geben (und mich macht immer ein bisschen sauer, wenn Leute da wirklich passend zahlen.) Wofür also dieses ganze Mindestlohn-Drama vor der Einführung?
Bei 14,— Euro habe ich heute auf 20,— für meine Friseurin aufgerundet. Ich habe also sogar einen Euro drauf gelegt im Vergleich zu früher. Sie hat (wie immer) sehr gut geschnitten und mich nicht genervt, ich war nach 30 Minuten draußen – alles gut. 20,— Euro für einen guten Haarschnitt sind ein Witz.
2 comments:
ich mach das seit jahren genauso. sogar schon zu zeiten, als es noch gar kein cut'n go gab. ich krieg einfach kein luft wenn haarspray und so zeug in der luft sind, also entweder kam die friseurin zur nachbarin und ich gesellte mich hinzu, oder ich führte lange gespräche bis ich dann endlich ein geschäft fand, in dem eine friseurin - die allerdings nur halbtags arbeitete - die problematik verstand.
seit ein paar jahren allerdings ist hier um die ecke ein türkischer friseur, der "opa" hat nach einiger einschulung und wiederholte korrekturen das prinzip "so scheif schneiden dass es gerade ausschaut" verinnerlicht. nass machen, schnippeln, abbürsten: wir liegen derzeit bei makellosen 10 minuten, und ebenso makellosen € 15.-- incl. trinkgeld (pensionistenpreis: schneiden € 12.--, mehr als € 3.-- trinkgeld nimmt er nicht). ich geh jetzt viel öfter und viel lieber zum friseur als früher.
Meine Frau nimmt immer den Bartschneider und rüber übern Kopf. Aber gut, das steht nicht mal jedem Mann. (vielleicht nicht mal mir)
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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