2013-06-05

Zu nahe …

Die vergangene Woche ein einziger Albtraum. Mir geht es nicht gut am Wochenende, fühle mich wie ein Dampfkessel kurz vor der Explosion. Das Jobcenter leistet sich eine Überzahlung, die mich in die finanzielle existentielle Katastrophe stürzt. Kurz: mir geht es grottenschlecht. Schlecht wie selten zuvor. Ich fühle mich in der Klinik vom Personal und den Patienten gut und liebevoll aufgehoben, unterstützt und geschützt.

Der Patient, der mir mit Abstand am wenigsten sympathische Patient, der natürlich zielsicher alle neuen weiblichen Zugänge „unter seine Fittiche” nimmt, alternativ alle Patientinnen, denen es akut sehr schlecht geht – in ihrem schwachen Momenten also – greift mich vergangenen Freitag von hinten aus dem Hinterhalt an. Ohne, dass ich ihn überhaupt kommen merke. Er packt mich an den Schultern so fest, dass ich nicht weg kann und presst seinen Körper an meinen mit besonderer Betonung seines Schwanzes an meinen Hintern einschließlich Penetrationsbewegungen.

Da ich zur Zeit gerade meine Kamera in der Hand halte, kann ich mich händisch nicht wehren. Den ersten Impuls ihm in die Eier treten, gebe ich auch nicht nach, weil ich in meiner Fassungslosigkeit denke: Klinik, Patient, Schutz. Ich drehe mich um und schreie ihn sehr sauer an, dass mir das gerade definitiv zu nahe gekommen sei. Er springt davon und säuselt „das sei ja nur Spaß.” Ich brülle ihn an, dass das überhaupt nicht lustig ist!

Eine Mitpatientin steht neben mir und fragt mich, ob alles okay ist. „Alles in Ordnung”, sage ich und meine das im Moment auch so. Ich bin ziemlich fassungslos und kann nicht glauben, was da gerade passiert ist. Das nachmittägliche Kaffeetrinken ist schnell vorbei, wir gehen alle ins Wochenende und ich versuche zu negieren, was geschehen ist. Er macht in wenigen Sekunden mein mir dort hart erkämpftes Schutzgefühl kaputt.

Samstag wache ich auf und komme von dem Erleben nicht los. Ständig spüre ich seinen Schwanz an meinem Gesäß. Ich habe Ängste beim Einkaufen sobald ich Schritte hinter mir höre. Die Fete am Abend sage ich kurzfristig ab. Ich habe keine Lust auf Menschen, schon gar nicht auf Menschen hinter mir. Mir geht es nicht wirklich gut.

Sonntag packt mich die Wut.

Montag erkundige ich mich zuerst, was die Mitpatientin genau von dem Übergriff mitbekommen hat. Dann gehe ich zum Pflegepersonal und erkundige mich nach dem Therapeuten des Patienten. Ich muss mich sehr zusammenreißen, ihn mir nicht sofort zu greifen und in Grund und Boden zu brüllen. In der Morgenrunde bitte ich um einen Gesprächstermin bei seinem zuständigen Psychologen. In der montäglichen Gesprächsrunde, die sein Arzt leitet – er ist in der gleichen Gruppe wie ich – geht es ihm laut seiner Aussage super, erstmals seit ich ihn dort erlebe. Als ich an die Reihe komme, spreche ich einen körperlichen Übergriff am Freitag an, den der verursachenden Patienten lustig gefunden hätte, der für mich aber sexuelle Belästigung gewesen wäre und dass ich deswegen mit dem Therapeuten würde reden wollen und gerne auch im Beisein mit diesem Herren. Ich nenne keinen Namen. Der Typ selbst, sonst immer sehr redeselig, sagt die ganze Runde über nichts mehr. Starrt nur noch starr auf den Boden. Nach der Stunde erlaubt er sich mich zu fragen, ob ich ihn meinen würde. Ich brülle ihn nur an, dass er mich ja in Ruhe lassen soll.

Der Therapeut nimmt mich sofort mit ins Zimmer und ich erzähle, was geschehen ist. Was es für ein Erleben auf mich hatte. Er ist bestürzt. Sagt mir Reaktion zu und dass er sofort mit dem Patienten reden würde. Ich gehe zurück in meinen nächsten Tagesordnungspunkt. 20 Minuten später habe ich einen Termin bei der Sozialarbeiterin, da steht der Mann bereits mit seinem „Gepäck” vor dem Schwesternzimmer und erhält seine Entlassungspapiere. Mir teilt der Arzt später mit, dass der Patient entlassen worden sei, dass so etwas überhaupt nicht ginge, dass schon verbale Übergriffe immer Gelb-Rot bedeuten würden aber körperliche Übergriffe sofort mit Entlassung geregelt wreden und sichert mir jede Unterstützung zu.

In einer anderen Therapierunde, in der ich selber nicht bin, wird der Übergriff thematisiert – ohne dass erzählt wird, wen es als Opfer getroffen hat bzw. was geschehen ist. Eine Patientin ist bestürzt über die Entlassung und möchte den Vorfall bagatellisieren, unwissentlich. Die Patienten, die es miterlebt hatte, erklärt ihr, dass die Entlassung absolut gerechtfertigt gewesen sei. Da bricht es auch einer anderen Patientin raus, dass der gleiche Patient nachdem er erfahren hatte in welcher Straße sie wohnt, die ganze Straße nach ihrem Namen abgesucht hätte und ihr das erzählt hatte. Zu einem privaten Treffen einiger Patienten bei ihr in der Wohnung vorletztes Wochenende lädt er sich selbst ein, bringt seinen halben Haushaltskram mit. Legt sich in ihrer Wohnung als erstes ungefragt aufs Bett, kommt mit offener Hose aus dem Bad und setzt sich so auf das Sofa, findet bis morgens kein Ende. Will am nächsten Vormittag zum Frühstück wieder kommen. Die nächsten Abende wieder, was sie ablehnt. Er kommt trotzdem, klingelt Sturm. Sie öffnet nicht. Er klingelt nach einer Stunde wieder. Schnauzt sie am nächsten Tag an, wo sie gewesen wäre. Will nicht, dass sie seine Sachen mit in die Klinik bringt, weil er sie „selber” bei ihr abholen will. Sie ist ein ehemaliges Missbrauchsopfer. Kann sich sehr wenig bis gar nicht abgrenzen vor solchen Typen. Kann nicht nein sagen. Hat seit einer Woche wieder Fressattacken. Traute sich nicht ihn zu melden.

Diverse andere Frauen erzählen nun von seinen Tatschereien, einige haben sich direkt wehren können. Andere nicht. Die Stimmung ist am nächsten Tag am Frühstückstisch erstmals entspannt, fast locker und lustig. Seine Schwanzgröße war übrigens gänzlich und wie zu erwarten: uninteressant.

Mir geht es gut. Wirklich. Ich bin generell ansonsten sehr müde immer und tief erschöpft. Alles arbeitet.

Vielen lieben Dank an alle für Eure herzliche und liebevolle Unterstützung!

21 comments:

Anonym hat gesagt…

Kommentarversuch, die Zweite (vom iPad aus hat das nicht funktioniert):
Liebe Claudia,
Bravo! Du hast dich gewehrt! Auch wenn du dich erst am Montag den Therapeuten mitteilen konntest - aber du hast es geschafft!!!
Und dein Mut hat die anderen Frauen dazu gebracht, auch darüber zu reden was dieser Ekeltyp mit ihnen gemacht hat.
Ich habe gerade noch einmal für dich getanzt - einen meiner Lieblingshulas, nämlich *These Islands* und auch wenn du ihn noch nicht gesehen hast, hoffe ich doch, dass er bei dir angekommen ist.
All mein Aloha für dich, liebe Claudia!

Kirschbluete hat gesagt…

Liebe creezy... ich bin fassungslos. Seitenweise könnte ich mich könnte ich jetzt losschimpfen, über das Verhalten des Patienten, dass sowas ja wohl echt nicht geht, dass, dass ich Dein Verhalten echt taff, gut und richtig finde und und und...
Aber ich mach's kurz und wünsche Dir einfach starke Nerven und dass Du einen Nutzen aus der Therapie ziehen kannst.
Lass Dich nicht unterkriegen. Auf Regen folgt stehts Sonnenschein =o)

Anonym hat gesagt…

Liebe Creezy,
1. vermute ich, dass Du ein "leidiges P.-Konto" hast(?/von der Regierung unausgereift als Vereinfachung gedacht, doch von Betroffenen, auch Ämtern und Banken teil-verflucht) und vielleicht kann ein bevollmächtigter Sozialarbeiter den "Freigabe-Antrags-Gang" zum Gericht erledigen (ich musste nach der gerichtlichen Freigabe, die nochmal entwürdigend ist, sogar mal mit dem Gerichtsvollzieher zur Bank-Auszahlung und Jede/r fand es absurd), da Dir sonst das überzahlte Geld verloren geht!?!?
2.die Geschichte mit dem Typen ist unfassbar und er gehört angezeigt.
Eigentlich auch teil-unverantwortlich von der Klinik, so eine tickende Zeitbombe nur auf die Straße zu verweisen. Das entfesselt ihn doch noch mehr.
Fürchterlich, wenn Frauen aus Angst dieser Dominanz auch noch verschwiegen Raum "gewähren" und erst eine weitere Belästigte die Courage ergreift. Zumal innerhalb besonders schützenswerter Atmosphäre.
Das müssten doch Erfahrungswerte der Klinik sein, damit private "Selbshilfe"/ Kontakte/ Treffen der Klienten untereinander nicht zur fatalen Falle werden und "Geschwächte" miteinander nicht regellos und unbegleitet bleiben.-
Viel HOFFNUNG, verpackt in die klein-großen lebensbejahenden Augenblicke und Freuden, + ein zunehmend leichteres Gepäck an Geduld und Kraft, helles JA & leichtes NEIN, FÜR DICH!
Sehr herzliche, mutgebende Grüße einer "Leidens-Schwester", die inzwischen zweckoptimistisch-sarkastisch gut im ZickZack-Kurs zu balancieren gelernt hat.




Anonym hat gesagt…

Da klappt mir förmlich der Unterkiefer auf die Brust... aber BRAVO dass du dich gewehrt hast! SUPER! :-) Und wie schön dass die anderen Betroffenen deinen Vorstoss nutzen konnten um sich über die Belästigungen austauschen zu können.

Gute Besserung weiterhin. LG von Lucy und ihrem Nachtportier ;-)

engl hat gesagt…

bald mal kaffee oder eis, ja!? (statt verpasster party.)

Jule hat gesagt…

Scheisse, dass sowas passiert ist!
Traurig, dass du erst diejenige warst die das aufhalten konnte.

Ich druecke dich und denke an dich!

Hajo hat gesagt…

da hat man als Mitglied des "anderen" Teils der Menschheit fast shcon Hemmungen, sich zu äußern, ich versuch's trotzdem (auch, weil ich feige bin, aus einer gewissen Anonymität heraus):
zuerst einmal: das, was der "Typ" getan hat, geht gar nicht.
ausserdem: nach meiner unfachmännischen Meinung wird er es wieder und wieder tun, wenn nicht mehr in dieser Therapie, dann in einer anderen oder auch im "wahren Leben".
was folgt daraus: er muss erst einmal aus dem Verkehr gezogen werden
nein, nicht "Schwanz ab", das ist primitiv und für unsere Zivilisation (auf die wir doch so stolz sind) unwürdig, aber zumindest unter Zuhilfenahme der dafür in einem Rechtstaat (bitte jetzt keinen Aufschrei: ich meine es ernst!) zur Verfügung steht. Es gibt dafür auch Organisatione/Anwälte, die bei einer entsprechenden Anzeige helfen.
Das der "Typ" erst einmal in eine "Geschlossene" gehört, ist meine persönliche Meinung.
Liebe creezy, "Mir geht es gut. Wirklich."
das freut mich ungemein und es bleibt hoffentlich auch so, aber, ist "das" der Grund:
"Seine Schwanzgröße war übrigens gänzlich und wie zu erwarten: uninteressant."
Liebe Grüße
Hajo

Hajo hat gesagt…

Mist: jetzt ist mir mein Hang zu Schachtelsätzen zum Verhängnis geworden (sorry)
hier der betreffende Satz noch einmal:
"nein, nicht "Schwanz ab", das ist primitiv und für unsere Zivilisation (auf die wir doch so stolz sind) unwürdig, aber zumindest unter Zuhilfenahme der dafür in einem Rechtstaat (bitte jetzt keinen Aufschrei: ich meine es ernst!) zur Verfügung stehenden Mittel".

lottalotter hat gesagt…

kann ich etwas tun? wenn ja, was?

ingeborch hat gesagt…

Gut gemacht.

Anonym hat gesagt…

Mein Gott, die schwanzgrösse ist doch völlig irrelevant und hat absolut nichts mit irgendwelchen Übergriffen zu tun.
Die Klinik hat ihn rausgeschmissen und damit seine Therapie abgelehnt, der war nicht zum Spaß da sondern hat offensichtlich eine schwere Störung. Daswird ihm zu denken geben und ist als Bestrafung für unerwünschtes verhalten erst mal der richtige Schritt.
"Der gehört in eine geschlossene" Polemik kann ich nicht so gut vertragen.
Gruß von einer die in der geschlossenen arbeitet.

Hajo hat gesagt…

Anonym, das mit der "Geschlossenen" ist keine Polemik oder was willst Du denn sonst tun? JVA? is' nicht Dein Ernst!
Und Du glaubst doch nicht, dass "der" so wenig gestört ist, dass er die Konsequenzen seines "Tuns" erkennt! Nein, im Gegenteil, die Konsequenz wird ihn eher noch anstacheln und seine Agression weiter steigern
.. Gruß von einem, der nicht in der Geschlossenen arbeitet, der aber über ein paar Jahrzehnte Lebenserfahrung (mit vielen "Schichten" und Kulturen) verfügt.

Anonym hat gesagt…

Von vorne wär das nicht passiert. Glaub es!

Hajo hat gesagt…

na toll, Anonym, dieses Arument überzeugt selbstverständlich .. genau wie Dein phantasievolles Pseudonym ..

multikulinaria hat gesagt…

Auch das noch! Bloß gut, dass Du die Situation trotz emotionalen Stresses so beherrscht und zum allseitigen Nutzen gemeistert hast.
Ich hoffe, wenn auch langsam, kommen Dinge in's Lot. Bei Fragen zum Thema AA, Hartz4 und Rückzahlungsstress kann ich u.U. bedingt helfen. Kriege auch jedesmal die Panik... Ansonsten mit Kaffee und Kuchen oder Picknick im Park?

Magic Cauldron hat gesagt…

Liebes,
fühl dich vorsichtig gedrückt. Kann gut die anfängliche Lähmung und das Herunterspielen verstehen, bevor es anfängt einen zu zernagen. Leider ist das ja geradezu klassisch.
Gut, dass du die Kraft und den Mut gefunden hast, dich zu wehren. Gut auch, dass die Einrichtung das - leider ist das ja nicht selbstverständlich - ernst genommen und sofort Konsequenzen gezogen hat. Ich wünsche dir und deinen Mitpatientinnen ein Aufatmen.

Liebe Grüße - und immer noch das ernstgemeinte Angebot eines offenen Ohres bei Bedarf.

(◔‿◔) hat gesagt…

Nach so einem Erlebnis kann ich vor vorstellen, dieses Gefühl der unangenehmen Berührung auch noch eine Weile zu spüren, nach dem die Situation schon lange vorbei ist - ähnlich wie Phantomschmerzen. Zum Glück, dass der Kerl 'rausgeflogen ist. Ansonsten hättet ihr ihn euch mal schnappen sollen, um ihm einen Denkzettel zu verpassen.
Halt die Ohren steif...
Ich sende dir liebe Grüße, Wieczora (◔‿◔) | Mein Fotoblog

Anonym hat gesagt…

Er hat dich genötigt und du regst dich über eine zu kleine pimmel auf??? WTF?

Echt mal. Bist du irre?

Ramona hat gesagt…

@Anonym 18/6/13 20:50

Diesen Gehirnerguss hättest Du Dir sparen können!
Wenn das für Dich die Quintessenz aus diesem sehr persönlichem Posteintrag ist, hast Du nichts verstanden.
Übrigens, man muss nicht unbedingt zu allem seinen substanzlosen Senf dazu geben, schon gar nicht aus einem ANONYMEN Versteck heraus!

Anonym hat gesagt…

Du bist für mich der Anwalt Ramona. Echt!

angela hat gesagt…

Puuh...traurig, dass solche Übergriffe auch in ja eigentlich geschützten Bereichen so lange unbemerkt bleiben. Und gut, dass du dich gewehrt hast!

Alles Gute weiterhin!

(Ich hoffe, dass mit dem Jobcenter klärt sich bald - so ein Heckmeck ist echt belastend und die Kraft kannst du ja nun für deine Heilung wirklich besser gebrauchen. Wenn ich als Ex ALG II Empfängerin und Nichberlinerin irgendwie mit Rat o.ä. helfen kann - sehr gern)

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!