2011-02-25

Warum ich heute mittag wirklich einen trinken musste …

Ich betreue gerade eine sehr gute Freundin von mir, die von Mallorca nach Berlin umsiedeln muss, weil's mit den Kindern, seit anderthalb Jahren in Berlin beim leiblichen Vater lebend, vorne und hinten nicht klappte – ganz lange Geschichte, blogge ich demnächst noch ausführlich. Es ist alles so surreal und ich stehe täglich mit ihr vor neuen Wänden und staune verwundert an, was sich in diesem Land so alles ergibt an Wahnsinn aber auch Freude und wie Klischees im Erlebten einen dazu bringen, die dümmsten Gedanken zu denken. Und während ich so staune, habe ich sie aber zu halten, weil sie unter der Last schlicht drei Mal täglich zusammen bricht und teilweise keine Sonne sieht, noch Perspektive. Und das Gefühl hat mit 48 Jahren Lebenskampf, nun mittellos, so gar nichts geleistet zu haben, worauf irgendeiner noch Wert legen möchte und sie daher mehr und weniger bewusst verbal mit Füßen tritt. Nichts geleistet zu haben, heißt dem einen Kind seiner Gesundheit zuliebe vor 16 Jahren Berlin mit Mallorca ausgetauscht zu haben, und dort ohne soziale Rückendeckung einer BRD zwei Kinder großgezogen zu haben, ohne finanziellen Support vom Kindesvater und täglich einen für uns hierzulande unermesslichen Kampf als Alleinerziehende gekämpft zu haben.

Heute dann nach irrsinnigen Rennereien der letzten zwei Wochen mit Versuchen, Dokumente über Dritte aus Spanien zu organisieren, hierzulande irgendwelche alten Nummern zu erfragen, Papiere vom Ex zusammen zu suchen, von ihm völlig vernachlässigte Kinder wieder auf Spur zu bringen, Wohnung suchen, Konten eröffnen, Briefe schreiben, Erklärungen tippen, dann zum Termin beim Jobcenter die Unterlagen einzureichen – und dann steht da so ein Arsch von einem Mann, der im Warteraum mit brutaler körperlicher und verbaler Drohgebärde brüllend seine Freundin runtermacht, waren wir beide weich. Sie natürlich viel weicher als ich, weil sie genau vor so einem Exemplar Mann vor 16 Jahren auch aus Berlin flüchtete und mit diesem nun ständig wieder konfrontiert wird, kein nahes Ende in Sicht ist in der Auseinandersetzung mit ihm und eh emotional an allen Grenzen angelangt, die so ein Leben unter diesen Umständen setzen kann. Und ich ein bisschen mit weich, weil bei solchen Typen mir meine Kindheit hochkommt, wie ein von einer Salzsäurefontäne getriebenes Sodbrennen. Und dann saßen wir bei der Sachbearbeiterin im Zimmer und bei ihr liefen wieder die Tränen in Sturzbächen und ich konnte sie nur einmal mehr trösten und meinen Standardspruch bringen, dass wir in sechs Monaten über das Heute, dem dann Gestern, nur lachen werden. Dabei selber den Tränen nah – erstmals in dieser letzten Zeit. Und die Sachbearbeiterin ließ uns so freundlich sitzen, als sie den Raum mal verlassen musste. Obwohl ihre Arbeitsanweisungen natürlich etwas ganz anderes diktieren und reichte ihr Schokolade zur Beruhigung, was menschlich so gut tat.

Aber als sie dann fast Zweifel anmerkte, ob denn die Wohnung für die wir heute Mietkostenübernahme beantragten (damit mit dieser Unterlage Montag der Vertrag unterzeichnet werden kann und sie aus ihrer sehr misslichen Wohnsituation endlich mit den Kids unter einem Dach zur Ruhe kommen kann) überhaupt groß genug sei. Und andeutete, ihre Chefin würde da vielleicht nicht mitspielen, da haben wir die Welt nicht mehr verstanden. Es ist in Berlin keine 3-Zimmer-Wohnung zum angemessenen Satz zu finden. Also: wir haben tatsächlich nicht einmal eine besichtigen können und dann stellt die Agentur lapidar fest, zwei Räume, Küche und Bad sei doch deutlich zu wenig für drei Personen, aus Angst, sie könnte demnächst tatsächlich umziehen wollen. Und wir gucken uns nur an, weil wir wissen, wie zeitweilig auf Mallorca gehaust werden musste –und was für ein Luxus so eine Wohnung nun sein würde, wenn auch ein erheblicher Abstieg vom zum Schluss dort gelebten Standard und wie wirklich verdammt dringlich diese Unterkunft ist.

Danach fuhren wir nach Mitte – so glücklich mit diesem für sie überlebenswichtigen Dokument – mit dem dringenden Bedürfnis einen Kaffee trinken zu müssen, sind beim Spanier gelandet und haben uns mittags um ein Uhr statt des Café con leche den Rotwein gegönnt, weil es das Einzige war, was in die Situation passte. Manchmal muss es früh am Tag Sprit sein. Heute war so ein Tag.

Natürlich läuft in diesem Moment ihr Ex vorbei, kommt auch noch rein und labert rum. Der Ex, der es geschafft hatte letzten Monat bereits in der Mitte angeblich kein Geld von den von der Agentur an ihn überwiesenen Leistungen, als auch Kindergeld mehr zu haben, dafür wenigstens Essenlieferung in Aussicht stellte und dabei blieb es dann auch. Aber wen wundert das, denn die Kinder mussten sich ja schon vorher von dem von der Mutter geschickten Geld für Nachhilfe (u. a. für ihre weitere sprachliche Integration gedacht) und Sportunterricht und Taschengeld zusehen, sich ernähren zu können.

Und ich sage Euch, ich liebe Männer – ich hatte meist großes Glück mit meinen Freunden – aber heute bin ich zeitweilig zur Männerhasserin mutiert und wünschte mir gelegentlich Arsen nicht nur in homöopathischen Dosen bei mir zu führen, weil manche dieser Exemplare wirklich kein Mensch unter dieser Sonne braucht, und sie überall, wo die hingehen nur eine Spur schwer zu entsorgenden Sondermüll auf allen Ebenen hinterlassen. Ja, heute habe ich Nerven gelassen, was ja gar nicht mein Part ist bei dieser Sache.

Andrea war meiner Mum auf Mallorca eine sehr gute Freundin und umgekehrt und Andrea ist die Freundin, die mich so wundervoll getragen hat, als ich die Asche von Mum auf die Insel brachte und ein kopfloses Huhn as it's best war. Und nun ist sie hier und ich freue mich sehr, denn sie ist eine tolle Frau und eine Kämpferin und eine Ausgeburt an Intelligenz und Herzlichkeit. Und diese Stadt braucht Menschen wie sie – und über uns beiden schwebt in diesem K(r)ampf meine Mum und wir spüren sie ständig und deswegen sind wir guter Dinge. alles zu schaffen, weil sie genau diese Kämpfe auch geschafft hat. Also hat mir meine Mum ein tolle Schwester geschenkt, die ich sehr liebe.

Drückt Ihr die Daumen, dass es Montag mit der Wohnung klappt?! Bitte! Dann ist ein Riesenmeilenstein getan, weil sie endlich wieder die Tür hinter sich schließen kann und sie wohnt dann bei mir um die Ecke – und den verfluchten Rest schaffen wir auch noch. Falls jemand hier in der Stadt eine funktionierende Waschmaschine hat, Küchenmöbel und mehr: bitte anbieten!

20 Kommentare:

Mechatroniker hat gesagt…

*Drück*!

kaltmamsell hat gesagt…

Uiuiui, viel Glück!

spontiv hat gesagt…

Ich drücke euch die Daumen das es endlich eine Tür zum abschließen gibt!

Bhuti hat gesagt…

Ich fang dann schon mal sofort mit dem Daumendrücken an. Kann ja nicht schaden …

Scholli hat gesagt…

Ich drück Die Daumen. Und irgendwie hab ich das Bedürfnis Dir zu danken. Ich weiß, wie allein man auf weiter Flur mit solchen Problemen stehen kann, deswegen: Danke, dass Du vormachst, wie es anders geht.

Paula hat gesagt…

Ich drück euch allen gaaanz fest die Daumen (hug)

kelef hat gesagt…

kann man nix mehr zu sagen als: daumen werden gedrückt.

und hoffentlich lesen das auch ein paar leute die gerade meinen, sie hätten ein schweres leben. da gibt es unterschiede.

schon versucht. kein vergleich.

kelef hat gesagt…

ah ja so und: prost. muss manchmal sein, sie haben recht, frau creezy.

Liisa hat gesagt…

bin auch schon kräftig am Daumendrücken.

... und Dich drück ich zumindest virtuell, weil Du bist, wie Du bist!

creezy hat gesagt…

@All
Vielen Dank Euch allen. Ich bin so: ich glaube wirklich an die Macht des Daumendrückens! Danke für jeden einzelnen von Euch für's Mitmachen!

@Scholli
Ach, auch Dir danke. ;-) Für mich ist es selbstverständlich. Ich bin mit den Erfahrungen als Kind groß geworden, dass wir solche Hilfe auch dringend brauchten – und bekamen. Das macht das Zurückgeben ganz leicht. ;-)

@kelef
Ja, für Dich muss das ein Déja Vu gewesen sein zu lesen. Mir geht es übrigens selber so. Ich gucke ja selber auf ihre Situation und denke bei mir, wie klein doch die eigenen Probleme daneben werden. ,-)

Prost!

@Liisa
Danke, ich drücke zurück! ;-)

creezy hat gesagt…

Übrigens im Jobcenter als der „Arsch“ nachdem er schon eine halbe Stunde lang die Luft verpestet hatte, dann richtig laut wurde, ging die Tür vom Sachbearbeiter auf. Er zog die Frau zu sich rein, sagte zum Typen, der natürlich mit wollte: „Sie nicht!“, Security kam um die Ecke und führten ihn raus. Schien alles durchtrainiert oder zumindest von Erfahrungen geprägt kompromisslos gehandhabt.

pepa hat gesagt…

Daumen werden gedrückt, aber sowas von!!!

(Ich habe das Gefühl, das wird alles gut. Schon ganz bald.)

hajo hat gesagt…

creezy, ich bin ein Mann und möchte doch darauf hinweien, dass es sehr wohl auch andere Beispiele gibt
.. sowohl im Positiven (funktionierende Familien) als auch im Negativen (Ar.. = Frau), wobei das absolut kein Gegeneinander-Aufrechnen sein soll (das bringt nichts und hilft keinem)
Nicht böse sein, aber nach den "Schimpftiraden" hielt ich das für angebracht.
Deiner Freundin wünsche ich alles Gute, wobei ich mir im Klaren bin, dass das hier nur Worte sind, Taten müssen andere vollbringen.
Herzliche Grüße
Hajo

creezy hat gesagt…

@hajo
Sorry, Du hast den Text offensichtlich überhaupt nicht verstanden. Nirgendwo steht in diesem Text so, dass alle Männer so sind und die hier beschriebenen die Ausnahme seien oder es nicht auch andere Kreaturen gäbe, die mies drauf sind.

Das ist hier nicht von Relevanz. Hier geht es um eine ganz persönliche Geschichte! Hier geht es um eine Frau, die mehrfach von einem Mann krankenhausreif geprügelt wurde, der ihr mehrfach angedroht hat, sie umzubringen. Vor dem sie geflohen ist. Und in dessen Nähe sie jetzt ziehen muss, weil die Kinder hier nicht aus ihrem sozialen Umfeld getragen werden können. Mit dem sie sich jetzt um Unterhalt streiten muss, während gegen ihn mal wieder Verfahren wegen schwerer Köperverletzung laufen. Die Frau einfach fürchterliche Angst hat in einer Situation, in der ihr sowieso schon auf allen Ebenen das Wasser längt über'm Hals steht.

Verallgemeinerung, Relativierung hilft hier in diesem sehr persönlichen Fall gerade kein Bisschen. Wenn Du das nicht sehen oder respektieren kannst, vielleicht dann doch einmal keinen Kommentar schreiben?

hajo hat gesagt…

na ja, liebe creezy, vielleicht habe ich den Artikel mit Augen gelesen, die etwas getrübt waren (am Morgen eigentlich bei mir etwas selten). Dem Ganzen (mein Kommentar) solltest Du nicht so kritisch sehen. Ich hatte ihn (wie ich hoffe) nicht so heftig formuliert, dass Du gleich mit der Keule ankommen musst.
Aber falls Du meine Kommentare in Zukunft nicht mehr lesen möchtest, steht es Dir frei, sie einfach zu löschen. Ich bin kein Sensibelchen, aber Deine Formulierung lässt mich überlegen, ob ich mich hier überhaupt noch äussern werde. Fände ich schade.
P.S.: selbstverständlich kannst Du auch diesen Kommentar löschen

creezy hat gesagt…

@Hajo
Doch, Du bist offensichtlich ein Sensibelchen. Denn wenn nicht, hättest Du jetzt gar nichts geschrieben und im Stillen realisiert, dass hier die Nerven sehr blank liegen. Zu Recht übrigens.

Petra hat gesagt…

Heute ist schon Montag. Hat es mit der Wohnung geklappt? Und die Daumen bleiben natürlich weiterhin gedrückt.
Ich bin leider in Heidelberg zu weit weg als dass ich wirklich helfen könnte, aber moralische Unterstützung: immer.
Den Sachbearbeiter find ich übrigens super. ;)

Petra hat gesagt…

Ach übrigens, ist natürlich leicht gesagt, aber trotzdem: von den Ämtern nicht kirre machen lassen. Wenn Sie ohne Unterstützung mit zwei Kindern im Ausland überlebt hat, wird es ganz bestimmt etwas geben was sie kann. Zumindest mal Spanisch. Nur dass die deutschen Behörden heute noch nicht viel weiter sind als beim Hauptmann von Köpenick.
Mir gegenüber (mit einer Menge Erfahrung und nicht arbeitslos, sondern lediglich arbeitssuchend) tritt die Arbeitsagentur mit einer dermaßenen Ahnungslosigkeit bei gleichzeitiger Unverschämtheit gegenüber, dass ich immer an Deinen Spruch denke: Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.
Kopf hoch und alles Gute für Euch!

creezy hat gesagt…

@Petra
Ach Daumen drücken und Hoffnung schicken, reicht völlig! Sie war heute schon mehrmals völlig aufgelöst. Der Vermieter rief heute an und stellte fest, vor Donnerstag wird das nichts, weil die Abnahme vom alten Mieter erst Donnerstag erfolgt. (Das sollte eigentlich letzte Woche Freitag schon passiert sein.). Und: er holt heute die Schufa-Auskunft ein. Das, hatten wir gedacht/gehofft, sei längst erledigt.

Sie hatte so gehofft, in ihrer jetzigen Unterkunft nur noch eine Nacht schlafen zu müssen.

Schufa-Hintergrund: der Ex ist damals nach ihrer Flucht in ihrer Wohnung geblieben und hat es geschafft, dass diese zwangsgeräumt wurde. Weswegen sie hier auch in den letzten Wochen ihre ganzen Sozialdaten „besorgen“ musste, ihre Papiere sind alle weg! Im Scheidungsurteil steht zwar, dass er für alle im Namen der Eheleute seit 1993 entstandenen Schulden haftet, aber das wird die Schufa natürlich nicht wissen, denn er wird von selbst nie eine Umschuldung beantragt haben. Wieso auch. Sie erwartet daher das Schlimmste. Dummerweise haben wir in den ganzen Rennereien vergessen, eine Selbstauskunft zu beantragen.

Es bleibt also weiter die Nerven kostend.

burnster hat gesagt…

das braucht niemand, sich nach privaten katastrophen dann auch noch wegen vermietern und schufaauskünften klein zu machen. scheiß wohnungsmarkt.

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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!