2010-06-28

Sorgen müssen wir uns …

dieser Tage wegen vieler Dinge, darüber hilft auch kein wetterliches Hoch hinweg. Ich persönlich mache mir in diesen Tagen Sorgen, was Deutschlands Staatsanwaltschaften so treiben. Offensichtlich scheint in wenigstens einem Bundesland dieser Republik das eigene persönliche Geltungsbewusstsein der Angestellten einer Behörde der Exekutive als Legitimierung herzuhalten, völlig unkontrolliert Schaden gegenüber Dritte noch vor einem Prozess zuzufügen, alleine weil man sich selbst gerne als erster im Rampenlicht einer vorverurteilenden Presse sehen wollte und noch möchte. Unter solchen Bedingungen fällt es natürlich schwer einen Fehler einzugestehen. Das fällt immer schwer. Es wiegt aber die Tonnen einer vernichteten Existenz mehr, wenn man sich weiterhin weigert im Eingestehen dieser Fehler, den möglichen Tatverdächtigen nicht aus der Untersuchungshaft entlassen zu wollen.

Die Rede ist natürlich vom Fall Jörg Kachelmann. Dieser Mann sitzt wegen dem Vorwurf der Vergewaltigung seit nunmehr drei Monaten in Untersuchungshaft, wegen dem dringenden Tatverdacht, wie es so schön heißt, und mangels festem Wohnsitz in Deutschland. Dass der Mann hierzulande ein als GmbH geführtes Unternehmen mit ca. 200 Angestellten besitzt, scheint hinsichtlich der möglichen Fluchtgefahr keine Rolle zu spielen. Na, denn.

Die Rede ist auch von der Staatsanwaltschaft Mannheim. Der bröselt seit mehreren Wochen die Aussage des angeblichen Opfers unter den Akten weg. Dummerweise auch noch von den selbst beauftragten Gutachtern mit großen Zweifeln an der Wahrheit der Aussage der Frau befundet. Etwaige DNS-Spuren auf dem angeblichen Tatwerkzeug, die Berichte der Medien auf dem vier Großbuchstaben-Niveau lt. Aussage der Staatsanwaltschaft längst dem Angeklagten zuordneten, haben sich als so gering erwiesen, dass nicht einmal ermittelt werden konnte, ob es sich nicht doch auch um DNS-Spuren eines üblicherweise mit einem Messer zu behandelnden Rindersteaks handeln könne. Dem vermeintlichen Opfer konnte mittlerweile eine Falschaussage in bereits zwei Punkten nachgewiesen werden, als auch hat ein renommierter Gerichtsmediziner mittlerweile begutachtet, dass die etwaigen Verletzungen des Opfers mit hoher Wahrscheinlichkeit von ihr selbst hausgemachter Natur sind. Und die Liste der Unstimmigkeiten hinsichtlich der Aussagen des Opfers zugunsten des angeblich Tatverdächtigen setzt sich weiter fort. Das alles aber interessiert die Staatsanwaltschaft Mannheim nicht weiter.

Kachelmann bleibt weiter in Haft.

Der Spiegel hat schon vor gut drei Wochen sehr ausführlich recherchiert und über den Fall Kachelmann einen Leitartikel „Er schläft mit ihr“ geschrieben. Damals lief mir das schon eiskalt über den Rücken, bei dem Gedanken in Deutschland als möglicher Prominenter in die Fänge einer geltungsgeilen Staatsanwaltschaft (die Staatsanwaltschaft Darmstadt, die bereits im Fall Nadja Benaissa überhaupt nicht regelkonform agierte, liegt nicht weit weg von Mannheim) zu geraten. DIE ZEIT legt heute mit „Schuldig auf Verdacht“ nach. Und es bleibt – von allen Fragen, die sich hinsichtlich der Tat und dem Verhalten vom vermeintlichen Opfer hervortun – vor allem die Frage: was ist da eigentlich los in Deutschlands Staatsanwaltschaften?

Wer haut diesen Leuten auf die Finger? Was bleibt uns in diesem Land, wenn wir unserer Exekutiven nicht mehr trauen können? Wird jetzt eigentlich überall jede Verantwortung nur noch auf die Richter in diesem Land abgewälzt – für fünf Minuten Ruhm?

Wehret den Anfängen!

Ich glaube, ich bewerbe mich jetzt mal als Schöffin.

Edit 29.06.2010 „Die machen mein Leben kaputt.

7 Kommentare:

Jutta Haucke-Polat hat gesagt…

Ja, dem stimme ich voll und ganz zu! Eine Riesensauerei läuft da und das ist nur ein Fall! Ich kenne aus der Vergangenheit so einige Fälle, wo unschuldig vor- und verurteilt wurde. Da ist sowas der Wurm drin! Und das Ganze hat aber nichts mehr mit einem Rechtsstaat zu tun, sondern mit dem genauen Gegenteil. Deshalb u.a. bin ich ausgewandert.
Gül

Julius hat gesagt…

Die RTL-»Qualitätsnachrichtensendung« Punkt 12 berichtete heute über den Fall Kachelmann. Die Beschuldigende sei ein großer Fan der Serie Marienhof (wenn ich mich jetzt nicht irre), in der wenige Tage vor dem Erheben der Anschuldigungen die Geschichte eines zu Unrecht der Vergewaltigung Beschuldigten gelaufen sei. Bei der Durchsuchung ihres Computers habe man festgestellt, dass sich die Frau zudem unter Verwendung eines Namens aus Marienhof an eine weitere Geliebte des Moderators wandte.

Julius hat gesagt…

Eine Ergänzung: Ein sehr gruseliges Kapitel deutscher Justiz ist in diesem Zusammenhang auch die Haftentschädigung. Nicht nur, dass sie ausgesprochen niedrig ist, nein, teilweise wird dann auch noch die Verpflegung davon abgezogen, die man ja während der Haft eingespart habe.

hajo hat gesagt…

creezy, Du musst aber aufpassen, dass Du nicht den selben Fehler machst wie die Staatsanwaltschaft. Es grenzt an Vorverurteilung, was diese "Institution des Rechts" so veranstaltet, aber ist es nicht auch eine Vor-Freisprechung, was Du da betreibst.
Nicht falsch verstehen: ich bin wie Du der Meinung, dass hier eine gewaltige Ungerechtigkeit läuft - übrigens auch mit ehemals tatkräftiger Unterstützung der Presse -aber es ist lediglich MEINE Meinung.
Das Recht wird immer noch vor Gericht gesprochen (geht auch manchmal schief, aber in der Regel ist doch Verlass auf die Richterinnen und Richter)
.. es dauert jedoch viiiiiel zu lang!
Und das ist das eigentliche Unrecht (meiner Meinung nach).
Grüße
Hajo

creezy hat gesagt…

@Guel
Ja auswandern … *seufz*

@Julius
Ja, das ist genau das, was schon im Spiegel-Artikel vor drei Wochen stand, zumindest was die Pseudo-Namen anbelangt, die das Opfer im Vorfeld ihrer Recherche mit anderen Freundinnen Kachelmanns verwendet hatte. Und was die Haftentschädigung anbelangt, das wird in Deutschland genauso unterirdisch ausgeglichen gegenüber dem tatsächlich zugefügten Leid, wie auch hier Schmerzengeld zugesprochen wird bei z.B. Kunstfehlern. Was so mancher Patient erhält, der aufgrund eines Kunstfehlers im Rollstuhl sitzt oder Menschen, die aufgrund verunreinigter oder verfaulter Nahrungsmittel, schwer erkranken – ach, reden wir besser nicht darüber.

@hajo
Ich spreche Kachelmann nicht frei, noch das vermeintliche Opfer der Lüge schuldig. Nur den momentanen Fakten nach, kann man in diesem Fall in keinem Punkt mehr von einem dringenden Tatverdacht ausgehen. Den gibt der Stand der bisherigen Untersuchungen nicht mehr her. Punkt. Die Staatsanwaltschaft mag ihre Anklage aufrecht erhalten und es soll auch zu einer Verhandlung kommen, wenn sie die Zeichen nicht sehen noch akzeptieren kann – aber der Mann ist nach den gegebenen Umständen und den vorliegenden Gutachten defacto aus der U-Haft freizulassen. Und das ist der eigentliche Skandal an der Sache. Alle Gutachter, die sich bisher aufgrund der vorliegenden Aussagen, Beweise gegen eine Vergewaltigung ausgesprochen haben, sind immerhin von der Staatsanwaltschaft beauftragt worden. Und Indizien gibt es offensichtlich keine. Da sollte es irgendwann mal klingeln. Selbst beim blondesten Staatsanwalt Mannheims.

Ich denke, es ist nun dringlich Zeit den Schaden zu minimieren.

Knut Pankrath hat gesagt…

Vielleicht verwechsel ich ja was. Aber ist die Staatsanwaltschaft nicht Teil der Judikative, die in der Theorie unseres schicken Landes mit Legislative und Exekutive ausbalanciert sein soll? Macht für den Beitrag vielleicht keinen großen Unterschied, aber so ich mich recht erinnere, runden meine 2 cent die Geschichte womöglich noch etwas ab.

Bhuti hat gesagt…

Die Staatsanwaltschaft ist ein Organ der Exekutive.

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