Salz ins Meer tragen
Wir kennen Salz, begegnen ihm täglich. Konsumieren es bewusst, weil wir es selbst in unser Essen geben, um dessen Geschmack aufzuwerten oder um es überhaupt erst zu produzieren. Rohschinken ohne Salz? Undenkbar, weil er weit vor seiner Reife ohne Salz bereits verschimmelt wäre. Die Rinde vieler Käsesorten wird während der Reifung immer wieder mit Salzlake eingerieben, um sie haltbarer zu machen. Das Salz wandert auch in den Käse und gibt ihm sein Aroma. Oliven ohne Salz? Wären zwar farbenreich, dennoch recht farblos im Geschmack.
Und auch frisch zubereiteter Fisch, selbst wenn er ganz frisch aus dem Meer stammt, bekommt mit Salz erst den letzten Schliff.
Unbewusst wird uns das Salz zugeführt, weil die Food-Industrie es in nicht unerheblicher Menge in Zutaten gibt. Dieses Salz ist unsichtbar, raffiniert, im Übermaß gefährlich. Ein Industriestoff, der wenig taugt. Und dann gibt es die natürlichen Salze, Salz vom Stein geerntet oder das Salz aus dem Meer, das sehr konzentriert ist und oft in Handarbeit geschöpft wird, das Fleur de Sel (frz.) oder Flor de Sal (span.) Dem Fleur de Sel fehlen die Bitterstoffe seines industriell produzierten Pendants. Es ist im Vergleich zum Steinsalz oft reich an Calcium und Magnesium und hat daher einen eigenen Geschmack, den Gourmets sehr schätzen. Man nimmt nur wenig und gibt es erst nach dem Kochgang auf die bereits angerichtete Speise, damit die kleinen feinen Kristalle das Essen schmücken wie kleine Diamanten. Eine Scheibe von gutem frischen Brot mit feiner Butter bestrichen und eine Prise Fleur de Sal darüber gestreut – ein kleines gustatorisches Glück dieser Welt, das beileibe wohl kein Marketing benötigt um zu überzeugen!
Eines der reinsten Salze in Europa wird übrigens auf Mallorca geerntet. Hier nennt man es Flor de Sal und das „Flor de Sal d'es Trenc“ gilt als eines der reinsten Produkte und stammt aus „Ses Salines“, einer kleinen im Süden der Insel gelegenen mallorquinischen Gemeinde.
Und eine der Produzentinnen des Flor de Sal d'es Trenc ist Katja Wöhr von Gustomondial. Katja habe ich im Februar während meines Aufenthaltes auf Mallorca zu einem Interview getroffen – und bin einem beeindruckendem Beispiel von Authentizität begegnet – in ihrer Person, in den Produkten, die sie entwickelt und produziert und in der Art und Weise, wie sie ihr Salz vertreibt. Direkt und mit Bedacht. Bevor ich sie traf, habe ich mit Freunden an einem wunderschönen Ausflugstag Tag „Les Salines“ besucht. Im Frühling ein wundervoller stiller Ort mit einer beeindruckenden Landschaft, saftig grün noch so kurz nach den Wintermonaten.
Katja lebt in Sóller, recht weit entfernt von ihrer eigentlichen Schaffenswelt dem Meer, in den Bergen, die Mallorca auch zu bieten hat. Wir haben uns beide kurzfristig in Sóller verabredet und ich habe mir die einstündige traumhafte Anreise mit dem „Roten Blitz“ von Palma aus gegönnt, durch das Land das im Februar natürlich voller prächtig behangener Orangen- und Zitronenbäume geschmückt ist. Vorher begegnete ich noch einem unverhofften Stück Bäcker-Marketing. Der Zug ging früh und ich hatte meine Unterkunft ohne Frühstück verlassen und kaufte mir unterwegs eine Tarte mit Apfel und wunderte mich natürlich sehr, warum die Verkäuferin das Gebäck mit kleinen Holzstückchen „garnierte“. Später fiel mir auf, dass im Gegensatz zu derartigem Gebäck in Deutschland verpackt, wenn üblicherweise das Papier gerne auf die Früchte gedrückt eine schwer zu sortierende Einheit ergibt, die Früchte und Marmelade dank der Sticks unberührt waren von der Verpackung. Ich konnte ein unbeschädigtes Törtchen mein Frühstück nennen: Zahnstocher. Eine einfache Freude.
In Sóller holte mich Katja pünktlich vom Bahnhof ab und da mir nach Kaffee war, ihr der Kaffee in dem Bahnhofscafé nicht gut genug schien, lud sie mich in ihr traumhaftes gerade frisch restauriert und renoviertes Häuschen ein, das mit eines der schönsten Häuser ist, welches ich auf Mallorca gesehen habe. Klein, hell, farbenfroh, wundervoll eingerichtet, umgebaut nach ihren Ideen. Bevor wir uns zum Kaffee und Gespräch setzten, durfte ich mir meine erste Orange direkt vom Baum selber pflücken und genießen und mich an der großzügigen, praktisch-schönen und trotzdem unspektakulär eingerichteten Küche erfreuen.
Dann sprachen wir über Salz, stundenlang. Wie Katja, gebürtige Schweizerin, nach jahrelanger Arbeit im Tourismusgewerbe rund um die Welt gereist, ausgebrannt einfach für einen langen Zeitraum an einem Ort bleiben wollte und einen schlecht bezahlten Wasserträgerjob auf einem französischen Golfplatz angenommen hatte, um sich wieder körperlich zu spüren und den Kopf frei zu bekommen. Dabei hatte sie die Idee Salz schöpfen zu wollen und da die Salinen der französischen und spanischen Festlandküste ihr nach diversen Umweltkatastrophen und am Meer angesiedelter Industrie nicht rein genug waren, entschied sie sich für das alternative Schöpfgebiet von Mallorca. Einen ungewöhnlichen Weg ist Katja gegangen, denn sie mochte die Insel am Anfang so gut wie gar nicht – die Liebe zum balearischen Eiland kam erst mit der Arbeit. Das Wissen um das Salz und seine Produktion folgten erst nach der Idee – in einer denkbar kurzen Zeit, die zwischen Idee, Umzug und Umsetzung bis hin zur Produktion lag.
Wer Katja Wöhr trifft, trifft auf eine Urgewalt von Energie. Positiver Energie. Es ist kein bisschen schwer sich vorzustellen, wie sie in sehr kurzer Zeit ihre Geschäftsidee in die Tat umgesetzt hatte, das wenig verfügbare Kapital in die Produktion der fast schon als Schmuckdose zu bezeichnenden Behältnisse. Sie gewann mit ihrer Idee den spanischen Innovationspreis für Neugründer und entwickelte mit einem befreundeten Koch Rezepte für ihr Salz und entwarf eigene Kompositionen, in dem sie dem Flor de Sal d’es Trenc natural später reine Hibiskusblüten, Rosenblüten, Oliven oder Kräuter unterjubelte. Später folgt die traumhafte Mischung Sri Lanka und einmal im Jahr werden besondere Salz-Editionen geschaffen, limitiert nur in kleiner Stückzahl produziert – beispielsweise mit Orange und Chili oder Limone mit Lavendel. Natürlich alle Zutaten aus biologisch einwandfreiem Anbau, fair gehandelt.
Sie freute sich sich ungemein in diesem Jahr zum ersten Mal wieder selbst die Salzkristalle ernten zu können. Nach der Geburt ihrer Tochter wollte ihr Mann sie nicht mehr in die Salinen gehen lassen. Dabei lebt sie so offensichtlich von und für den Prozess der Ernte „ihres Salzes“ und scheint ihre Energie aus diesem Erleben einer kurzen aber sehr arbeitsreichen Zeit im Jahr zu ziehen. Sie hat Ideen und die werden sie auch irgendwann von der Insel und dem Salz wegbringen. Diese Frau ist vermutlich auf dem Zenit ihres beruflichen Erfolges und so ungewöhnlich entspannt dabei, weil sie weiter gehen will.
Irgendwann mussten wir los, ihre kleine Tochter von der Schule abholen – es war Faschingsumzugszeit. Wir liefen durch Sóller und trennten uns, leider. Ich blieb zurück mit einem Sack voller wundervollem Salz, dass aufwändig in mehreren Vorgängen getrocknet wurde und mit einem Rechen in der Abendsonne vorsichtig vom Sel gris getrennt geerntet wird.
Das Fleur de Sal d’es Trenc selbst entsteht nur in der heißen Sommerperiode im Juni und Juli, im August ist es Katja schon zu unrein, an windstillen Tagen. Dann trocknen die Salzblumen auf dem Wasser, bilden eine hauchdünne Schicht, die vorsichtig am Abend in der untergehenden Sonne abgehoben wird. Später ins Lager transportiert, getrocknet und vorsichtig mit den Gewürzen versetzt verpackt wird. Eine ganze Jahresproduktion in knapp zwei Monaten. Wenn Katja von der Schwere aber auch der Schönheit dieser Arbeit in besonderer Atmosphäre spricht, möchte man direkt zur Erntezeit einen Flug buchen und mithelfen.
Sie hat Arbeitsplätze geschaffen mit ihrer Idee auf dieser Insel als Fremde.
Sie ist dabei unglaublich bodenständig, und hat Ideen. Viele, Stillstand kann diese Frau nicht. Sie gibt ein Teil des Geldes, das sie verdient, wohlüberlegt in Projekte der Dritten Welt, Frauen dort dabei unterstützen, sich eine eigene Existenz dort aufzubauen. Es drängt sie aber nach ihrer Salzperiode in diese Richtung dort mehr zu tun. Sie lebt nach der schmerzlichen privaten und beruflichen Trennung von ihrem Ehemann mit ihrer kleinen Tochter in dem neuen Haus, plant zum damaligen Zeitpunkt ein Kochbuch mit Tim Mälzer, das diesen Sommer erscheinen sollte. Und sie verspricht dem jungen Nachbarshund im vorbeigehen fest in die Pfote, ihn am Wochenende mit auf die Wanderung in die Berge zu nehmen.
Katjas Flor de Sal d’es Trenc ist mittlerweile ein internationaler Erfolg. Sie passt genau auf, wo ihr Salz verkauft wird. Supermarktketten erhalten ihr Salz nicht. „Die killen das Geschäft der kleinen Delikatessenläden. Das aber sind die Läden, die mich am Anfang in meiner schwersten Zeit unterstützt haben und an mich geglaubt haben und mein Salz als erste verkauft haben.“ So einfach kann das sein. Bewusstsein für die Umwelt und die Anderen und damit auch der Verzicht auf das ganz große Geld um jeden Preis – auch das ist authentisches Marketing. Selten ist das geworden in unserer heutigen Zeit. Katja Wöhr ist erfolgreich damit geworden. Sehr erfolgreich.
Ich selbst liebe alle ihre Salzsorten, sie sind ein Genuß und sie verfeinern jedes noch so einfache Essen zu einem Gericht wie aus dem Märchen.
Es lässt sich übrigens zu Weihnachten verschenken, denn es ist zudem wirklich ansprechend verpackt – aber vergesst nicht: im Supermarkt bekommt Ihr es nicht. Nur in den kleinen besonderen Läden, diesen authentischen Läden. Dort gibt es auch den klug gekelterten Wein, der am Meer besonders gut schmeckt mit dem Salz auf den Lippen.
Das Salz ist also zurück. Mit uns am Meer.
11 comments:
Was für eine schöne Geschichte! Das Olivensalz ist wirklich toll - Dein Bericht macht auf die Verkostung weiterer Sorten Appetit.
Einer meiner selbstgemachten Favoriten: Orangensalz mit Chili
(hier mit dem Olivensalz verbloggt: http://www.foolforfood.de/index.php/tipps/olivensalz-und-chilisalz-mit-orange )
Danke für diesen wunderbar geschriebenen Beitrag, der es mühelos auf die Liste meiner liebsten Blogbeiträge 2009 geschafft hat.
Ich habe schon häufiger dieses Salz gekauft, wenn auch keines mit Zusätzen: Fantastisch! Frisches Brot, frische Grasbutter, ein paar Tropfen guten Öls (z.B. mein geliebtes steirisches Kürbiskernöl) und dieses Salz, da braucht es nicht einmal mehr den Wein dazu und ich bin im 7. Himmel.
danke. und: interessant, weil ich genau dieses salz noch nie gekauft hatte, auch nicht, als ich es vor vielen jahren schon gesehen und diese papierdosen sehr schön gefunden hatte. mallorca, dachte ich mir, und diese hübsche aufmachung, was kann da schon dahinter sein? hätte ich die geschichte hier früher gelesen, würde das salz bestimmt schon längst in meiner küche stehen, neben den anderen flor de sals (portugal) und fleur du sels und so weiter.
Vielen Dank für diesen wunder- und stimmungsvollen Beitrag! Schmecke das Salz förmlich auf der Zunge ...
Wirklich ein toller Eintrag, Frau creezy! Und Hut ab vor Katja Wöhr für ihren Mut und ihren Elan, so eine Idee praktisch so erfolgreich umzusetzen!
Wenn ich das Salz nicht schon hätte, würde ich´s jetzt kaufen.
Ein schöner Bericht ! Ich muss mal in meinen Zeitschriften wühlen, ich glaube von der Frau schon mal gelesen zu haben.
@all
Merci, es freut mich sehr, dass Euch unser kleiner Ausflug auf die Insel gefallen hat!
@claudia
Das ist lustig, ich verschenkte meinen Leuten letztes Jahr selber gemachtes Himalya-Salz mit Orangenzesten und Chili ,-)
Das Oliven-Flor de Sal ist übrigens mit Sri Lanka meine liebste Sorte, gerade das ist das richtige Butterstullensalz. ,-)
@Kiki
Ja diese sehr einfachen Dinge, vielleicht noch eine wirklich sonnnegereifte Tomate dazu ,-) Die Idee mit dem Kürbiskern-Öl mag ich, ich mag das auch sehr gerne – bin mir aber immer nie ganz sicher wo/wann es gerade passt.
@Ev
Danke!
@Liisa
Auch Ihnen herzlichen Dank! Ich sage Ihnen, diese Frau zu treffen – das war mit eine meiner besten Erfahrungen in diesem Jahr.
@bhuti
Du hast das schon? Oha! ,-)
@lamiacuccina
merci! Ich habe Katja neulich in einem N24-Beitrag gesehen, allerdings war das nachts mehr in der Einschlafphase und ich habe leider die Sendung vergessen – aber die Bilder waren wunderschön!
Ach, das Meer gibt uns so viel Schönes, wir sollten wirklich besser darauf aufpassen!
Ich kenne und verwende Flor de Sal d’es Trenc selbst, und habe es hier (zugegebenermaßen im "Chichi-Stadtteil" Hamburg-Winterhude) sogar im Salzregal eines EDEKA-Marktes entdeckt. Toller Artikel. Hunger.
Ich habe mir gestern das Sri Lanka gekauft. Unbeschreiblich lecker!
@formschub
Stimmt, den Edeka in Hamburg hatte Katja (wenig erfreut) im Gespräch erwähnt, nicht glücklich darüber, dass der Vertrieb da geschlafen hatte.
Danke!
@Bhuti
Sri Lanka ist gut, ne? Das verzaubert jedes Hühnchen oder stiftet Frieden im Reis! ,-)
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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