Mehr Biss
Es gibt Krankheiten und gar nicht so wenige, in deren Folge oder als Nebenwirkung der Medikamentation der Patient mit dem Verlust seines Zahnapparates rechnen muss. Das ist zum Beispiel bei Diabetes Mellitus der Fall. Parodontitis ist ein Symptom dieser Erkrankung und ein schlecht eingestellter Diabetes kann zu Knochenschwund führen, davon ist auch der Kiefer irgendwann betroffen. Bei den HNO-Carzinomen, Krebserkankungen im Hals-, Mund- und Nasenbereich, kommt es aufgrund der Bestrahlungstherapien bei Patienten häufig zur Notwendigkeit sich alsbald mit den „Dritten“ auseinanderzusetzen. So werden zum Beispiel Kehlkopfkrebs (Larynxcarzinom) oft „prophylaktisch“ die Zähne vor der Bestrahlung gezogen. Ein Grund dafür ist, wenn es nach der Bestrahlung zur Notwendigkeit kommt einen oder mehrere Zähne zu extrahieren, eine Wundheilung in diesem Bereich für einen langen Zeitraum nur sehr langsam oder gar nicht stattfindet. Übrigens kann plötzlicher Zahnverlust im Alter infolge von Paradontose auch ein Indikator für eine bevorstehende kardiovaskuläre Erkrankung (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) sein. Das Zwischenspiel Zahn zum Rest des Körpers eines Menschen, ist ein intensives.
Nun mag man glauben, dass Patienten, wenn sie mit einer solchen Krankheit, ihrer nicht angenehmen Behandlung, ihren Nebenwirkungen leben müssen, kommt es in deren Folge zum Zahnverlust und der Notwendigkeit eines Ersatzgebisses, sie hier von ihren Krankenkassen 100%ig unterstützt werden und nicht die üblichen Zuzahlungen verlangt werden. Denn die Behandlung hat ihren Ursprung nicht darin, dass sie ihre Zähne nicht gut gepflegt hätten – sie können nichts für die Notwendigkeit dieser Therapie. Unter anderen Umständen hätten sie ohne die Therapie ihre Zähne ein Leben lang behalten.
Schön naiv geglaubt! Habe ich übrigens bis Anfang dieser Woche auch getan. Dann habe ich Menschen getroffen, die nach ihrer Kehlkopferkrankung, die Übernahme der Kosten für den Zahnersatz erst langwierig und schwierig einklagen mussten. Meist bekommen sie (noch) übrigens Recht – vorausgesetzt, sie haben das Glück das Urteil noch zu erleben. Für selbstverständlich jedoch halten viele Krankenkassen in Deutschland die Übernahme dieser Kosten nicht! Sie müssen das tun, nur ist für den Patienten der Umstand oft schwer beweisbar (falls er von solchen gesetzlichen Regelungen überhaupt Ahnung ha).
Und noch ein kleiner Insider aus der wundervollen Welt unserer zahnärztlichen Krankenversorgung: Patienten, deren Erkrankung oder die Behandlung dieser Erkrankung mit einem zusätzlichen Symptom namens Parodontitis oder einer Parodontose daher kommt, erhalten üblicherweise eine Parodontosebehandlung. Auch hier möchten sich die Krankenkassen gerne der Kostenübernahme verweigern, weil die Diagnosen ihrer Meinung nach nur bei ungenügender Pflege der Zähne gestellt würden. Das stimmt nicht, es gibt sehr viele Gründe für eine Parodontitis, für die ein Patient überhaupt nicht verantwortlich ist. (Wünscht er allerdings den Ursachen dafür auf den Grund zu gehen, wird ihn die Kasse dabei nicht unterstützen.) Die Kasse übernimmt die Kosten für die Behandlung nur bei einer bestimmten Taschentiefe ab, so ab 3,5 mm hält sie es für nötig dem Patienten finanziell unter die Arme zu greifen, denn dann geht es dringend um den Zahnerhalt. Das wiederum heißt, dass Patienten, die aus den offensichtlichen Gründen sich mit diesen Erkrankungen chronisch auseinandersetzen müssen und regelmäßig zur Zahnreinigung als auch Parodontitisbehandlung gehen, müssen sobald diese Behandlungen Wirkung zeigen und sich die Zahntaschentiefe als positives Ergebnis wieder verringert, für die Behandlung selber gerade stehen.
So oder so steht vor einer Parodontisbehandlung immer die sogenannte professionelle Zahnreinigung (PZR). Diese ist eine IGeL-Leistung, eine individuelle Gesundheitsleistung, deren Kosten werden grundsätzlich nicht von der Krankenkasse übernommen. Tricky: empfohlen wird die PZR zwei Mal im Jahr, will man die Kosten für die Parodontitisbehandlung übernommen bekommen, muss man sie mindestens drei Mal vornehmen lassen. Schließt sich der Kreis bei den schwerkranken Krebspatienten, die sich einerseits mit ihrer Kasse um den Zahnersatz streiten müssen, andererseits, wollen sie ihre Zähne erhalten, drei IGeL-Leistungen im Jahr in Anspruch nehmen müssen. Für die sie selbst zu zahlen haben, damit sie an einer weiteren Zahnbehandlung teilnehmen können – für die ihre Haupterkrankung die eigentliche Ursache ist! Thrombosen, Blutgerinsel, gehen oft mit einer Krebserkrankung einher. Patienten erhalten daher in der Therapie Blutgerinnungsmittel. Onkologen und Kardiologen werden somit von einer Behandlung, die nicht zwingend lebenserhaltend notwendig ist aber möglicherweise mit Blutungen einhergeht (das tut die PZR im Allgemeinen) abraten müssen. Keine PZR, keine Parodontosebehandlung auf Kosten der Krankenkasse. Das nennt man von hinten dem Patienten ins Portemonnaie geschossen.
Kann sich jeder Patient die in Folge seiner Krankheit entstehenden zusätzlichen Kosten leisten? Üblicherweise muss er eingeschränkt von Krankengeld oder Rente leben und schon die primäre Erkrankung bringt ein gesundes Maß an Nebenkosten mit sich für manche Behandlung, an der man sich wenigstens teilweise zu beteiligen hat.
Was bleibt als Rat für den Patienten: zunächst einmal sollte er sich im Vorfeld informieren, wenn der Arzt eine Diagnose erhält, mit welchen Nebenwirkungen man ggf. bei dieser Krankheit aber eben auch unter ihrer Behandlung rechnen muss. Im Anschluss sollte direkt zum Zahnarzt gehen und sich seinen Zahnstatus auf den Tag festlegen lassen. Nötigenfalls mit einer Röntgenaufnahme. Sich den Befund schriftlich geben lassen, damit im schlimmsten Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung problemlos dargelegt werden kann, was an Verschlechterung nach Erkenntnis der Diagnose eingetroffen ist und somit auf im Streitfall diese sehr wahrscheinlich zurückgeführt werden kann. Selbsthilfeverbände können sehr gut beraten!
Und am Allerbesten: gesund bleiben!
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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