2009-07-09

Über so etwas kann ich mich ja ärgern …

stundenlang. Und zwar richtig! Da geht es jemandem, im aktuellen Fall Joachim Deutschland, gesundheitlich schlecht und er wird in ein Krankenhaus auf dessen psychatrische Abteilung eingeliefert und eine große deutsche Boulevard-Zeitung nennt das, was immer noch in den meisten Köpfen der Menschen (auch leider von ansonsten sehr klugen Menschen) verankert ist: Absturz!



Ich bin so sauer über diese dumpfe Stigmatisierung: kommen Menschen, die nebenbei Prominente sind, aufgrund eines Unfalls in die Klinik, sind sie krank und werden mitleidsvoll als „schwer verletzt“ beschrieben, hat die schöne Moderation Krebs, wird sie über mehrere Bildstrecken bedauert und alles an ihr ist tapfer, schön, strahlend, selbstbewusst. Der psychisch kranke Prominente indes „rastet aus“, ist „völlig durchgeknallt“ oder „ausgeflippt“.

Diese Symptomatik in der Folge eines Krankheitsbildes hat aber einen Namen, man nennt so einen akuten Krankheitsmoment affektive Störung. Die Ursachen dafür können so vielfältig sein, wie es unterschiedliche Carzinom-Tumore gibt. Und es ist ein völliger Trugschluss, dass Drogen eine Ursache für eine Psychose sein müssen, auch wenn sie es sein können. Es gibt ein Riesenrepertoire an Auslösern und Diagnosen, die für einen akuten Schub in der Krankheit verantwortlich sind, ob nun ein gerade erlebtes Trauma oder eine familiäre Disposition.



Bei gmx wurde der Mann sogar vom Notarzt begleitet in die Klinik „verfrachtet.“ Verfrachtet werden üblicherweise Sachen, wir lernen also: in deutschen Medien wird man als psychisch Kranker wie Vieh transportiert! Bei jedem anderen Krankheitsbild übrigens werden Menschen indes in das Krankenhaus begleitet, gefahren oder eingeliefert. Ich muss es mal so deutlich sagen: das letzte Mal, dass mir in Zusammenhang mit dem Transport von Menschen das Wort „verfrachtet“ begegnet ist, ist in den Berichten aus dem 3. Reich als man Menschen tatsächlich wie Vieh in die Konzentrationslager „verfrachtet“ hatte.

Menschen im Moment einer akuten Psychose sind sicherlich anders und ich verstehe auch, dass sie einem Angst machen können. Aber sie sich nicht abgestürzt, ausgeflippt oder durchgeknallt: sie sind krank. Und es ist überhaupt nicht zu akzeptieren, dass heute – immerhin im 3. Jahrtausend – Menschen von deutschen Medien aufgrund ihrer Krankheit dumm und perfide vorsätzlich stigmatisiert werden. Weil so ein Meinungsbild von Zeitungen in deutschen Köpfen manifestiert wird, können Menschen heute in Deutschland – immerhin das Land mit einem der besten Gesundheitssystemen – immer noch nicht vor Freunden, Nachbarn oder Arbeitgeber zugeben, dass sie psychisch erkrankt sind, ohne sehr bittere Konsequenzen fürchten zu müssen. Ein Freund von mir im Studienaustausch ist neulich in einem Studentenwohnheim untergekommen, in dessen Gebäude wohl so etwas wie integriertes Wohnen mit psychisch Kranken praktiziert wird. Was da im Vorfeld aus dem sonst sehr klugen Kopf an Vorurteilen und Ressentiments diesen Menschen gegenüber geäußert wurde, war nicht sehr schön zu erleben.

Die Weigerung sich hier einer Öffnung hinzugeben und Entwicklung zu den Betroffenen hin voranzutreiben, wird uns übrigens sehr bald mehr um die Ohren knallen, als alles das, was wir uns überhaupt vorstellen können: denn die Generationen, die sich heute begeistert mit Denkdrogen (legalisierte Partydrogen, legal nur deshalb weil die Pharmazie aus den Partydrogen Wirkstoffe separtiert als Medikament auf dem Markt gebracht haben – und das ist DER Wachstumsmarkt zur Zeit im Pharma-Business) vor allem aber Partydrogen dopen, werden zwangsläufig irgendwann mit Depressionen und Manien zu kämpfen haben. Die Allermeisten von ihnen. Denn man manipuliert seine Synapsen nicht dauerhaft ohne daran ernsten Schaden zu nehmen.

Letztendlich ist es aber egal, warum es einem Menschen aktuell psychisch nicht gut geht: denn er ist dann einfach nur krank!

Und kranke Menschen haben ein Recht darauf würdevoll durch ihre Krankheit ge- und begleitet zu werden. Auch von den Medien.

11 Kommentare:

Liisa hat gesagt…

. Danke!!!

hajo hat gesagt…

na ja, wer sich in Gefahr (hier Möchtegern-Prominenz) begibt, kommt darin um. is' nun mal so.
Über die Wortwahl wundere ich mich bei Journalisten schon lange nicht mehr: Sprachgefühl = oftmals Null, Rechtschreibung = viel zu oft Note ungenügend

Mir tut nur der Notarzt leid: Wurde doch Deutschland samt ihm in die Psychiatrie gebracht (oder hab' ich da was falsch verstanden?) :-(

Stefan hat gesagt…

Vielen Dank für den Beitrag. Was den gesellschaftlichen Umgang mit Krankheiten, welche in ihren Symptomen nicht rein körperlicher Natur sind, bewegen wir uns derweil noch in einem sehr dunklen Zeitalter. Der schleppende Vollzug der breiten Masse hin zu einem konsumorientierten, nicht mehr eigenständig denkenden "Individuum" tut dazu sicher sein übriges.
Das musste und muss ich leider auch im gewöhnlichen Alltag immer wieder feststellen.

formschub hat gesagt…

Es werden ja leider allzu häufig nur noch Floskeln bevorzugt: "fieberhafte Suche", "unter Hochdruck forschen", "in Klinik verfrachten", "aufs Schärfste verurteilen", "ein Blutbad anrichten" usw. usw. Der Sprechdurchfall in vielen sogenannten "Qualitätsmedien" ist bisweilen nicht auszuhalten. Toller Artikel!

haekelschwein hat gesagt…

Ein kluger Beitrag! Ich habe mich auch immer gefragt, warum körperliche Gebrechen ganz selbstverständlich als behandlungswürdig angesehen werden, während es bei psychischen Problemen heißt, der Betroffene solle sich "mal nicht so anstellen". Geht er dennoch zum Arzt, wird er stigmatisiert, während umgekehrt bei Körperkranken doch jene kritisiert werden, die ihre Krankheit ohne Arztbesuch verschleppen. Einen Psychiater nennt man im Volksmund Irrenarzt, ohne dass ein Orthopäde je Krüppelarzt genannt würde. Vielleicht werden geistige und seelische Krankheiten ja aus reiner Angst gesellschaftlich tabuisiert, denn logisch ist es eigentlich nicht, dass die Mehrheit davon ausgeht, dass gerade unser komplizierteste Körperorgan, das Gehirn, nie von einer Krankheit befallen werde.

pepa hat gesagt…

Ja, das ist so. Eine psychische Erkankung hat ein extrem negatives Image. Aber auch zwischen den somatischen Diagnosen gibt es große Unterschiede. So ist ein Herzinfarkt(-patient) hoch angesehen, wird doch diese Erkrankung mit hochleistenden Managern assoziiert. Mit Krebs wird es schon deutlich schwieriger, vor allem wenn da so eine Komponente des Selbstverschuldens z.B. durch eine bestimmte Lebensweise mit rein spielt.
Und es ist nicht nur das gesellschafliche Echo - auch die Forschungsgelder werden weitgehend entsprechend verteilt.

Chikatze hat gesagt…

Da sprichst Du mir aus der Seele. Es muß ja nichtmal eine Einlieferung in eine Klinik sein. Selbst Psychotherapien sind ja heutzutage noch nichtmal gesellschaftlich akzeptiert. Werden totgeschwiegen. Schlimm finde ich das.

Huitzilo. hat gesagt…

Also es ist ja nix neues daß der Boulevardjournalismus ne schlimme Sache ist.

Aber daß psychische Krankheiten in der gesellschaftlichen Akzeptanz den körperlichen nicht gleichgestellt sind zeigt in der Tat daß unsere Gesellschaft hier noch einen weiten Weg vor sich hat.

Jeden Morgen komme ich auf dem Weg zur Arbeit an der Psychiatrischem am Urban vorbei. Oft sitzen Leute (ich nehme an Patienten) draußen, rauchen eine und unterhalten sich. Ganz normale Menschen wie Du und ich, denen man allerdings schon ansieht daß es ihnen nicht gerade super geht. Und jedesmal wird mir bewußt daß es bei dem Druck dem viele in ihrem Leben ausgesetzt sind oft nur ein ganz schmaler Grat zwischen abbaubarem Streß und pathologischem Burnout/Depression ist.

Anonym hat gesagt…

Danke, danke, danke, Claudine. Das war wirklich überfällig. Eine psychische Krankheit ist eben eine Krankheit wie Diabetes, ein Knochenbruch oder Sonstiges. Es hat mich schon immer aufgeregt wie die Gesellschaft mit psychischen Erkrankungen umgeht.
Dahinter steckt wahrscheinlich eine große Angst. Denn wer hat nicht selbst eigene kleine oder größere psychische Probleme? Andere abwerten hilft wahrscheinlich, alles zu verdrängen und von sich wegzuschieben.
Liebe Grüße, Wolfsblut71 (twitter)

Malu Schäfer hat gesagt…

In Sachen Psychiatrie sind wir noch im Mittelalter. Ende des 19. Jhdts hieß die Psychiatrie in Frankfurt noch "Anstalt für Irre und Epileptische". Wir sind nicht weiter gekommen seit damals.
Im Übrigen wurde der Autor des "Struwwlepeters" 1851 dort Ärztlicher Leiter, er hat mit seinem Wirken die Psychiatrie revolutioniert, aber in unseren Köpfen hat sich nichts geändert... Ich hoffe, nicht, dass es noch 150 Jahre dauert!

Aki hat gesagt…

Danke für diesen Beitrag.
teils selbst betroffen,teils genügend Personen kennend die eben dieses nicht akzeptierte Schicksal auch kennen und nicht wirklich glück sind sind über ihr "durchgeknalltSein" ..man kann dir zu diesem Beitrag einfach nur zustimmen..
lg Aki

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