2008-09-18

Der Lack ist ab.



Muss ich mir gerade in der Vorbereitung auf das neue Lebensjahr eingestehen: die Augen schwächeln. Korrekt: das eine Auge. Ich komme nicht umhin an mir das zu diagnostizieren, was man gemeinhin – wie ich als Betroffene sensibel anmerken möchte – ziemlich taktlos als «altersweitsichtig» bezeichnet. «Alter», verdammt, meine Generation hatte soviel Zeit und gelebtes Vorwissen, um dafür zu sorgen, den einen oder anderen Begriff aus dem persönlichen Umfeld zu bannen. Längst hätten wir aus dem Phänomen der länger werdenden Arme im Alter eine «Best-Ager-Softness» basteln können. Und? Verpennt haben wir das. Aber volle Kalotte! Und wir glauben immer noch an Wunder und schreien immer noch nicht «Lasst das!», wenn sie im Stadtbild wieder mal hier und dort von den Alten genutzte, also ehrlich «altgediente» Sitzbänke entfernen. Verdammt, ich sehe da schwarz für uns und ich persönlich für mich offensichtlich zunehmend nur noch auf die Entfernung hin scharf.

Eines meiner Augen wird von Babyalter an mit dem begleitet, was man Amblyopie nennt, Schwachsichtigkeit oder im umgedrehten Fall Übersichtigkeit, weil das andere, das gesunde, Auge die Arbeit von beiden übernimmt und daher gerne besonders gut sieht. In der Praxis sah das beim Augenarzt immer so aus, dass die eine Seite nichts sah oder nur die Buchstaben über 1,80 cm Größe kurz vor's Auge gemeißelt. Die andere Seite sah noch Dinge unten rechts en miniature, die es an sich nicht hätte mehr sehen können. Beispielsweise Fliegendreck als Läusebiss angeordnet. So konnte ich auf am Ku‘Damm auf den Bus wartend, schon bei einem noch drei Kilometer entfernten Bus weisssagen, dass da jetzt die 19 kommt und nicht die 29.

Mir haben sie im Babyalter das Schielen wegtrainiert aber nicht berücksichtigt, dass dies oft ein Zeichen einer Fehlsichtigkeit eines der beiden Augen ist und in der Folge wurde bei mir versäumt, im frühen Kindesalter eines der Augen abzukleben. Als man den Sehfehler pünktlich zur Einschulung in der Vorsorge bemerkte, war es dafür schon zu spät und es gab so gar nichts, womit man mich in irgendeiner Art und Weise vom Tragen des Kassenbrillengestelles hätte überzeugen können. In der Folge lebte ich mit einem Auge, das eine Sehkraft von deutlich weniger als 5 % besitzt und damit gerade das notwenige räumliche Sehen bedient, einem hervorragend ausgeprägten sehr schnellen Reflexsinn und einer ultralangen Einschränkungsliste in meinem Führerschein (im rosa Exemplar doppelseitig mit Niete befestigt!). Beispielsweise darf ich nicht ohne Sehhilfe fahren, obwohl bekannt ist, dass bei dieser Augenerkrankung Sehhilfen genau gar nichts bringen, denn das Auge meldet das, was es sieht nur an einen verkümmerten Sehnerv. Und da ist es völlig egal, was man dem Auge vor die Pupille hält, der verkümmerte Sehnerv kann's trotzdem nicht analysieren und weiterleiten. Basta. Im Gegenteil, empfand ich die Brille beim Fahren eher immer als Störfaktor, der das eingeschränkte Blickfeld noch mehr einschränkte … naja, aber Logik und Auflagen eines Gesetzgebers sind nicht immer ein und Dasselbe.

Die Augenärzte, die ich im Laufe meines Lebens immer mal wieder zwecks neuer Brille (nur für's Autofahren und hier im Prinzip auch nur für's «dabei» haben) kontaktierte und zur Vorsorge (Bruder hatte als Kind einen kleinen Tumor hinter dem Auge), haben, ob der Entscheidung des TÜV-Gutachters, immer nur amüsiert abgewunken und gemeint, «Lassen Sie es so, wie es ist. Das trainiert das Auge. Sie werden halt früher altersweitsichtig werden.» Früher hieß geschätzt ab 35, das habe ich erfolgreich bis vor ca. einem Jahr nach hinten hinausgezögert. Aber jetzt … seit einiger Zeit schon haben mir die aushängenden Stadtpläne der BVG als echte Orientierungshilfe keinen wirklichen Dienst mehr erweisen können. Und ich merke jetzt zunehmend, dass Dunkelheit und Lesen zwei Dinge sind, die nicht mehr fröhlich miteinander Hand in Hand sorglose Nachtspaziergänge machen wollen. Wobei ich und mein Aktionismus in allen Bereichen bei Dunkelheit sonst immer Namensvettern vom Luchs waren.

Ab und zu, alle 18 Monate einmal, habe ich die Brille vor dem Rechner aufgesetzt, wenn ich Anflüge von Kopfschmerzen hatte. Waren die weg, verschwand auch die Brille. Training.

Gestern stellte ich fest, dass das Lesen im Bett bei der üblichen schummerigen Beleuchtung in Assoziation mit den viel zu kleinen (das war immer meine spezielle Kompetenz!), sowohl auch nicht mit genügend Schwärze gedruckten Lettern nicht mehr aussreichend kompatibel zueinander waren. Und die Brille will da auch nicht mehr helfen (klar, im Grunde ist das Glas vor dem gesunden Auge eher Fensterglas).

Hm, und nun? Ich habe so wenig Lust auf Brille, ich kenne viele (und erinnere mich da an meine Mum), die immer erzählten, dass es mit Einsatz einer Gleitsichtbrille überhaupt erst richtig los ging mit der Altersweitsichtigkeit. Und überhaupt und unter uns, darüber hinaus auch im Wesentlichen: ich fühle mich viel zu jung für so ein penetrantes Zeichen der Älterwerdung oder deutlich gesprochen: für so einen Alterscheiß! (pardon my french, aber das musste jetzt raus!)

Irgendwelche Ratschläge? (Lesen hier überhaupt Menschen über 42,99 mit?)

16 comments:

Anonym hat gesagt…

Tja, was soll ich sagen, mir steht das wohl auch bevor... Lust aber ich auch wirklich keine darauf.

Anonym hat gesagt…

Naja, ich hab noch 'nen reichlichen Monat bis zur magischen 43, aber die Altersweitsicht macht sich auch bei mir mittlerweile immer stärker bemerkbar. Erstaunlich, wie das Sehvermögen innerhalb eines Jahres nachlassen kann.

Noch reichen die Arme weit genug.

bhuti hat gesagt…

Ratschläge kann ich keine liefern, obwohl ich minimal über 42,99 bin ;-)

Ich hab seit über 42,99 Jahren ´ne Brille wg. Kurzsichtigkeit und dass diese nun seit einigen Jahren eine Gleitsichtbrille ist sieht ja keiner ;-)

Anonym hat gesagt…

Ich habe bei Einäugigkeit (links 5%, rechts überdurchschnittlich) und exakt dieser Diagnose Altersweitsichtigkeit (alt. Ich werde alt.) eine Kontaktlinse.
Und eine Brille für faule oder überreizte Tage. Oder für uneitle Tage.

Anonym hat gesagt…

Gleitsichtbrillen sind überhaupt eine Wissenschaft für sich. Ich bin sowieso schon weitsichtig, laufe seit meinem fünften Lebensjahr mit dem Fahrrad auf der Nase herum, und irgendwann wurden die Arme halt auch zu kurz.

Mit der ersten Gleitichtbrille hatte ich erstmals in meinem Leben das Gefühl, mit einer Prothese durch die Gegend zu laufen. Die zweite (Optiker gewechselt!) war um Dimensionen besser. Die dritte (Optiker hatte Glaslieferanten gewechselt) war wieder grausam. Gottlob hat er die Gläser zurückgenommen und wieder welche vom vorherigen Lieferanten beschafft. Jetzt gehts wieder prima.

Übrigens... wenn man den Preis für die zwei gewölbten Glasscheibchen sieht, ist jedes 17-Linser Nobelobjektiv mit seinen ganzen Asphären und Sondergläsern ja echt ein Schnäppchen.

Ralf

Anonym hat gesagt…

Ich bin ja schon 3 Jahre über dieser Grenze, und, ja, ich bräuchte auch eine Brille. Die Arme sind bald nicht mehr lang genug. Aber der Einstieg, den will ich noch schieben. Mal sehen, wie lange noch.
Mir graut jetzt schon vor den "Nachtfahrten" (Morgens fahre ich ja schon im Dunkeln, aber da bin ich noch fit und ausgeschlafen) ...
Ich will keine Brille! Mein Gleichgewichtssinn ist eh schon stark geschädigt und dieses links und rechts gucken mit Bügel, das stört mich so sehr, dass ich nicht mal eine Sonnenbrille benutze!

Also kein Tipp von mir ... aber wenn Du einen bekommst, ich bin dabei!

Anonym hat gesagt…

Also ich persönlich LIEBE meine Halbbrille!
Ein schräger Blick über den Rand dieses Dings hinweg und Dein Gesprächspartner hält erstmal die Klappe.
Auch sehr schön, wenn man das Teil an der Kette um den Hals trägt und es bei Bedarf betont langsam auf die (eigene!) Nase setzt.
Man kann damit kommunikationstechnisch sehr schön spielen - besonders gut Kombination mit einer roten Nase...
(Aber immer zuerst die Brille und danach erst die Clownsnase aufsetzen - mit einer angemessenen Pause dazwischen.)

Anonym hat gesagt…

Liebe creezy oder muss man jetzt Claudia sagen ? Alles Liebe für's neue Lebensjahr und stelle es unter das Motto:
Besser "Schwachsichtig" als "Schwachsinnig".

Anonym hat gesagt…

Tja, ich gehöre dann auch zu Deinen Lesern, die knapp über 42,99 liegen und seit ca. 2 oder 3 Jahren kämpfe ich auch mit beginnender Altersweitsichtigkeit - wobei ich aber sowieso "schwankende Augen" haben, sprich ähnlich wie von Dir beschrieben allerdings ausgelöst durch eine Überfunktion einer Gehirnhälfte, was dazu führt, dass ein Auge manchmal schlicht "abschaltet" und das andere alles fein kompensiert und sich dabei gerne überanstrengt.

Aber zurück zur Altersweitsichtigkeit: Bisher zwinge ich mich ohne entsprechende Brille weiter, weil ich im Stillen die Befürchtung hege, wenn man erstmal mit der Brille anfängt, geht's rapide "bergab" und darauf hab ich keinen Nerv. Allerdings fürchte ich, so sehr lange wird das so nicht mehr weitergehen.

Vielleicht sollten wir das "Monokel" zum Kult erklären und einen neuen Trend lostreten. ;o)))

Anonym hat gesagt…

Vergesslichkeit scheint auch zuzunehmen, eigentlich wollte ich nämlich auch noch schreiben:

Abgesehen davon: noch so ein Hammer-Foto! Ich bin entzückt!

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, was Ihr Nacktgesichtler immer habt. Eine gute Brille macht optisch 20 IQ-Punkte schlauer, vom Lebensqualitätsgewinn (Kleinigkeiten am Wegesrand erkennen!) ganz zu schweigen. Und manche Optiker sind einfach Schnuckel.

Anonym hat gesagt…

Die Gleitsichtbrille liegt vor mir. Setze ich das Ding aber auf werde ich plemplem.
Ach so, ähh ich bin jetzt genau 45,9972 Jahre alt.

Anonym hat gesagt…

Gleitsichtbrille. Blödsinn. Ich habe eine Lesebrille, mit der ich sehr schlau aussehe - pepa hat Recht. Ich habe auch eine für die Kurzsichtigkeit, die aber sich im Rahen hält. Ohne diese Brille bin ich noch lange klein Maulwurf. Meine Erfahrung: Wenn man nicht unbedingt auf eine Brille für die Kurzsichtigkeit angewiesen ist, dann ist die Lesebrille die bessere - und preiswertere Wahl. Einziges Problem: Ein wenig Disziplin ist von Nöten. Also Brille nicht vergessen.

creezy hat gesagt…

@all
Ihr halbblinden Jungspunde! ,-)

@Frau … äh … Mutti
aha, das ist spannend. Und die Kontaktlinse regelt die Weitsichtigkeit?
Also nicht, dass ich große KL-Freundin bin (hab's vor Jahren mal mit einer harten probiert und für Gelgenheitsträger ist das ja nun mal nix.) aber spannend klingt das schon. Nur – ich kann mir eben nicht vorstellen, die Korrektur die ganze Zeit vor dem Auge zu haben, wenn man sie nur gelgentlich braucht. Jetzt. Noch. Am Anfang. ,-)

@fotoralf
Ja, die Kosten. Die sind in meinem Fall ja das nächste Problem. Und bei nur einem Auge möchte man wirklicht nicht gerne auf die Drogerie-Ausführung zurück greifen.

@Meinigkeiten
Ich weiß genau, was Du meinst. Bügel. Bäh!

@pepa
Das klingt gut. Aber normalerweise haben die Leute ja sowieso vor mir Angst. Ich brauche wohl zuerst die Pappnase, dann die Schweineohren … ,-)

@senfundkren
Nee, ist noch ein paar Tage und es bleibt bei creezy, so alt will ich ja nun doch noch nicht werden. ,-) Auf das Schwachsinnige im Alter freue ich mich eigentlich irgendwie. Doch ja, da habe ich Lust drauf! ,-) Eigentlich kann ich das gar nicht erwarten.

@Liisa
Monokel! Genau! Das ist es doch für uns Einäugige! Das ich da nicht drauf gekommen bin, so ein Monokel ist ja nun wirklich der pure Sex! Zum Foto: gerne geschehen! ,-)

@r|ob
Linse? ,-)

@stilhäschen
Ach, das habe ich doch alles schon hinter mir. Ich habe einfach kein Brillengesicht und keine Brillennase. Leider. Mich engen die Dinger ein. Ich leide zudem immer noch an dem frühkindlichen Kassengestellsyndrom. Ich will an den Augen einfach nicht alt werden. Bäh! ,-)

@Stockfisch
Dann verweise ich auf Kommentar 438 äh … den von fotoralf: zurück zum Optiker damit! In der Tat scheinen Brillen dieser Art wirklich so eine Art Glücksgriff zu sein, wenn ich mancher Geschichte Glauben schenken darf. Wenn man mit ihr nicht klar kommt, den Optiker bemühen. Die sind nicht unfehlbar.

Anonym hat gesagt…

Meine starke Kurzsichtigkeit kann ich zum Glück noch mittels Kontaktlinsen korrigieren, aber da mein Alter die 42,99 leider auch schon stark überschritten ist, versuche ich daran zu denken, eine Lesehilfe vom Discounter mit mir rumzuschleppen, um in düsteren Situationen an Fahrkartenautomaten die Ziffern des entsprechenden Ziels erraten zu können. Klappt damit so einigermaßen.

Ansonsten bin ich z. B. bei Zugreisen auf Hörbücher umgestiegen ... ;-)

Anonym hat gesagt…

ja, genaudas kenne ich auch... länger werde Arme und Freunde, die mir gegenüber sitzen und süfisant fragen: Soll ich die Zeitung für dich halten?? ich bin jetzt um die 42,82 Jahre alt..
Bin schon auf der Suche nach einer Lesebrille..

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