2008-09-14

The day after Metallica

The day after. Eieiei, gestern ging's mir ja schlecht. Keine Ahnung, was das war. Katerähnliche Zustände, obwohl ich keinen Tropfen Alkohol getrunken habe. Tippte ich gestern noch auf den dank des auf dem internationalen Treffen fröhlicher Langhaarfrisurenschüttler passiv Dope mitgerauchten hyperaktiven Jointmiezemann in meinem Hirn oder auf die wieder einmal extatisch frei geschüttelte Nackenmuskulatur, mehren sich heute die Zeichen, es ist vielleicht auch nur kleines Schnüpflein. Es war urplötzlich ar…kalt Freitag abend. Da vor der neuen Mehrzweckhalle des Berliner Ostens. Und windig. Womit sofort das erste bautechnische Versagen auf der Hand liegt und klar war, dass Leute, die solche Hallen planen überhaupt keine Ahnung vom Fan-Dasein haben und wohl immer nur durch VIP-Eingänge einmaschieren. Sie wissen offensichtlich nicht, wie kalt es ist vor solchen Hallen stundenlang warten zu müssen, deren Eingänge schön freizügig offen liegen.

Die Karten für das Konzert wurden im Vorfeld nur über die Metallica-Fanseiten verlost. € 10,– die Karte, maximal zwei Karten pro Person. Die Einnahmen werden von der Band an «Ein Herz für Kinder» gehen, damit soll im Berliner Herzzentrum eine Herz-Lungen-Maschine für kleine Minimenschen angeschafft werden. Ich hatte davon im Vorfeld mal wieder nichts mitbekommen, vermutlich irgendeinen Newsletter zu wenig abonniert. Meine Karten hatte ich dank Spreeblick und die durfte ich mir vorher in der Universal-Zentrale abholen. Da ging ich rein, bekam meine beiden Karten ohne € 2,50 Countergebühr zahlen zu müssen mit einem hübschen Lächeln überreicht, fragte höflich, ob man eventuell dort noch eine Karte erwerben konnte. (Wir waren zu dritt und hatten erst mal nur zwei Tickets). Ging nicht, also Plan B, der von Anfang an eh der logischste schien: Kartenerwerb vor der neuen Sporthalle Mitte. Hm, Schwarzmarktpreise. Also in Anbetracht der Tatsache, wie die Künstler sich das gedacht hatten mit den Karten und dem karikativen Zweck, finde ich es dann doch recht schäbig, wenn Leute für € 90 und aufwärts ihre Karten andrehen wollten. Bei einem Deal sah ich zwei große braune Scheine, ein paar kleinere blaue und braune den Besitzer wechseln. Wir haben ein sehr nettes Pärchen aus Hamburg getroffen, die uns ein Ticket zum fairen Preis von € 40,– überlassen haben. Da deren Tickets personalisiert waren, mussten wir mit ihnen bis zum Einlass aushalten, was wirklich lustig war (Hardcorefans). Selbstverständlich haben wir uns kompetent an die längste Schlange angestellt. Tipp: nie von der Seite also von den Ticketverkaufsstellen anstellen. Aber da war es wenigstens dank der natürlich auch sehr internationalen Menschenmenge eng und somit warm.

Zur Sporthalle Mitte: nettes Foyer, die Rolltreppen wirken beeindruckend, wenn sie je nach Ein- oder Auslass alle Menschenmassen gemeinsam in eine Richtung fahren. Wir hatten Karten im Unterrang, mussten also eine Etage nach oben in den Fresstempelsektor. Wir nutzten dazu zu Fuß die Treppe. Ging problemlos, doch ja man darf sich frei bewegen. Dort oben wurde die blasseste mit der geringsten Menge an Ketchup versehene Currywurst für lässige € 3,– verkauft, die ich jemals in Berlin gesehen habe. Currywurst ist auch irgendwie falsch – die Würste, die an mir vorbei getragen wurden, kannten das Gewürz Curry offensichtlich gar nicht. In diesem Bereich fand ich die Halle schon wieder deutlich weniger imposanter, im Grunde sogar billig. Man weiß heute schon, wie runtergekommen dieses Etablissement nach nur drei Jahren Nutzung aussehen wird. Viele Fernseher auf denen Metallica-DVDs ohne Ton ausgestrahlt wurden. Generell viel Leuchtreklame schon vor der Halle. Da muss Gesamtberlin in einem Jahr wohl öfter mal für 5 Minuten den Strom ausschalten, damit die Elektronen klimatechnisch wieder eingefahren werden, die dort verbraten werden. Ist ja für den lustigen Konsum und damit wichtig. Und wenn's irgendwann nicht mehr reicht, kann man auf's Ticket noch 'ne Strompauschale raufhauen. Die Toiletten groß und kahl, nein, kein umgefaltetes Toilettenpapier, kein aggressiver Kloparfumduft. Einziges besonderes Merkmal war der Herr, der die Frauentoilette lustig zum Metrosexklo umdefinierte. Verständlich, der Männeranteil bei einem Metallica-Konzert überwiegt offensichtlich. Tatsächlich trafen wir nach dem Konzert unsere Hamburger noch einmal draußen, die uns erzählten, sie hätten die Halle als sehr billig konstruiert empfunden. Das Gegenstück in Hamburg sei wohl deutlich exklusiver. Klar, haben sie in Berlin also wieder für «arm aber sexy» gebaut. Passt.

Die Halle innen drinnen: richtig billig. Letztendlich ein Rondell mit Metallböden und einfacher Bestuhlung, die aber zum Glück zusammengeklappt nicht aus der Rolle fallen und genügend Platz zum Abhotten lassen. Ich hatte im Vorfeld bereits meine Sorgen formuliert, Ihr erinnert Euch? Hey, ich war mal in London in einem Konzert. Da stand die Security sofort bei Fuss, wenn man Anstalten machte aufzustehen in dem Konzert. Das war damals für mich traumatisch. Obwohl die Bestuhlung dort im Vergleich zu der in der o2-Arena eher luxuriös zu nennen wäre. Banderolenwerbung in Leuchtschrift. Weiß man gleich, die wird in drei Jahren abgenutzt aussehen, wenn erst mal wieder die kleinen Dioden in Masse ausfallen und nur einmal im Jahr ersetzt werden. Die Halle wirkt innen gar nicht so groß, ist mir aufgefallen. Insofern weiß ich nicht, warum man dieses Bauwerk hier hinstellen musste, das was hier gebaut wurde existiert in Berlin bereits mehrfach.

Die Bühne selber war in der Mitte montiert, an den Längsseiten mit je drei Mikrofonen ausgestattet. Das Drumset in der Mitte auf einem Rondell aufgebaut, offensichtlich «moveable», zu deutsch: drehbar. Lautsprecher, Licht, das war's. Unsere Plätze waren im Unterrang zwar im Vergleich zu den oberere Rängen (mein Fresse sind die Ränge ganz oben steil, das wäre eher nichts für mich) nahe an der Bühne – aber eben doch der Innenraum zwischen uns und der Bühne. Alles gut im Überblick zu sehen aber eben doch nicht nahe dran am Geschehen. Neee, also emotional muss ich sagen, Rockkonzert auf einem Rangplatz ist nicht meins.

Irgendwann ging die Show los und die war absolut Metallicalike, wie man sie kennt und wie man sie auch will. Sie haben hauptsächlich Stücke von ihrem neuen Album «Death Magnetic» gespielt, war ja die Album-Releaseparty, und das ist herzlich, aber hart. Demensprechend war die Auswahl der älteren Songs kompromisslos ebenfalls auf heftig getrimmt. Schmusesongs wie «Nothings Else Matters» oder «Enter Sandmann» haben sie sich gekniffen – und ehrlich: die Songs haben überhaupt nicht gefehlt. Die Setlist runterzureissen spare ich mir, die dürfte sicher in jedem Metallica-Forum zu finden sein. Die Lichtshow genauso konsequent hart wie plein. Hat mir sehr gut gefallen. Meistens grellweiße Strahler, ab und zu wurden kurz farbige Spots aktiviert. Nie mehr als zwei Farben gleichzeitig und eine davon immer weiß. Hauptsächlich aber lag die Bühne nur in gleißendem hellen bis sehr hellen Licht und das muss sich eine Band, die ja auch langsam in die faltigen Jahre kommt, erstmal trauen. (Also, die Jenifer Lopez‘ oder Madonnas würden die Farbtemperaturen, die bei Metallica hauptsächlich das Licht vorgaben, direkt als erstes aus der Komposition schmeissen.) Sehr clean, sehr nobel, kein ChiChi, alles nur auf die Musik reduziert. (Hach, immer schon wollte ich in einem Rock-Review das Wort «ChiChi» nutzen!)

Die Jungs selber liefen frei über die Bühne, Hetfield griff sich im Wechsel eines der an jeder der Bühnenlängssseiten aufgebauten drei Mikrofone. Es wäre nett gewesen, die kurzen Seiten hätten auch noch so einen Ständer bekommen, damit auch wir etwas mehr vom Leadsänger gehabt hätten. Ulrichs Drumset wurde nach ca. fünf Songs jeweils um 90 Grad insgesamt einmal herum gedreht, was cool war, denn so konnte man auch mal von hinten seine Beinarbeit bewundern und die ist nicht ohne. Truijllo trug lang und offen, Hammett war der einzige von den Vieren, der hier und da mal ein minimales Solo hinlegen durfte. Das fand ich persönlich schade, weil ich … ja, ich stehe auf Solis grundätzlich. Sie haben sehr routiniert gespielt aber offensichtlich auch richtig viel Spaß gehabt, bei diesem auch für die Band besonderen Konzert. Es gab ganz minimale Pausen, beispielsweise wenn die Drumplattform gedreht bzw. Gitarren gewechselt wurden, dann waren sie sofort zurück und haben weiter auf unsere Ohren eingedroschen. Hetfield machte hier und da seine Sprüche, wenn er die Songs ansagte. Es klingt sehr sexy, wenn der Kerl «Death Magnetic» sagt. Zwischendurch wurde gekalauert, ob man jetzt mal Lars singen lassen sollte – der wiederum schön mit Selters das Publikum bespuckte aber irgendwie auch 'ne nette kleine Animationssau ist. Es gab eine Zugabensession, da haben sie sich von der Länge nicht lumpen lassen. Hetfield befahl zu Beginn der Zugabe mal die Saalbeleuchtung anzumachen, damit er alle Fans sehen kann (und empfahl kurze Zeit drauf, die Lichter wieder auszumachen, weil wir alle so hässlich sein – putziger Hardrockerhumor.) Das Licht blieb an und damit war die Stimmung gleich noch mal 'nen Tick besser. Doch, die Zugabe war ein richtig guter Moment in dem Konzert, da hat die Halle bis in den letzten Winkel gelebt und gefeiert. Irgendwann regneten schwarze Metallica-Luftballons von der Decke – also ein bisschen Ballspiele obendrein. Die Gitarissten von heute zerdreschen ja auch ihre Instrumente nicht mehr, da muss es reichen, wenn ein Hals mal in einen wehrlosen Folienball gedroschen wird. Aber nett das Ganze. Dann gab es zum Abschluss der Show «Brot und Spiele» (O-Ton Frau Antsche), es wurden wie üblich Pleks und Drumsticks der Meute hingeworfen (grrr Unterrang) und irgendwann gingen sie ab, setzte die Musik vom Band ein und das war es.

Womit wir beim abschließenden Thema wären: der Sound. Der Sound war mit Abstand das Grottenschlechteste, was ich je an miesen Sound erleben musste bei einem Konzert. Kurzform: der Sound war sogar mit Zellstoff im Ohr besser als ohne. Und das muss man schaffen. Wir haben keinen Song anhand seiner Anfangsakkorde erkennen können. Teilweise haben wir die Songs nicht mal bei den Refrains erkennen können. Jeder Song klang gleich verrauscht. Ulrichs Drums waren immer dominierend, schön für mich, aber irgendwann nervt das dann auch und ich war schließlich nicht in einem Tackhead-Konzert. Truijllos Bass war eine einzige Klangsuppe und nachdem ich eine Stunde lang versucht habe, irgendwie die Gitarren konzentriert rauszuhören, gab es Kopfschmerzen. Im Grunde hat man auch bei den zwei kurzen Hammett-Soli gedacht, «ach nee Du, lasses mal für heute gut sein!» Bei einem Song gab's stellenweise Hall auf die Stimme von Hetfield, das war pure Körperverletzung. Man hatte immer das Gefühl die Schwingungen schaukelten sich hoch und haben sich irgendwann nur noch selbst überlagert und die Hände gereicht.

Nee nee, das war kein guter Einstieg ins Konzert-Biz seitens der Halle. Ich bin nämlich geneigt hier dem Soundmeister von Metallica jahrzehntelange Kompetenz zu unterstellen und glaube deswegen keine Sekunde, das dieses tonale Desaster an der Band oder deren Equipment lag. Das war Hallentechnik und ich wünsche ihnen, dass die Leute aus dem Innenraum unten das anders erlebt haben. Aber selbst wenn, eine Konzerthalle mit den technischen Möglichkeiten der heutigen Zeit muss im Grunde in der Lage sein, jedem Besucher, egal wo er sitzt, einen halbwegs akzeptablen Klang zu liefern. Sollte ich nirgendwo demnächst etwas Gegenteiliges zum Sound der o2-World lesen, würde ich hier und jetzt lieber sagen wollen: dort kein Konzert mehr bitte. Gleicher Meinung waren alle Bekannten, die wir hinterher getroffen haben. Der eine davon, angehender Tonmeister und professioneller Musiker guckte sehr betreten.

Zum Schluss liefen Menschen durch die Stuhlreien und sammelten die zurück gelassenen Pfand-Becher ein. Kann man also getrost zurück lassen, ist für einen guten Zweck.

Was Metallica angeht: die machen immer noch richtig Spaß, auch wenn man ihre Musik und Texte locationbedingt nicht versteht! Danke Spreeblick, Ihr habt 'nen Kuchenwunsch frei!

Renée Walter war auf der Metallica-Pressekonferenz.
bemme51 fand‘s soundmäßig auch mäßig

7 comments:

Anonym hat gesagt…

Ich war vor 10 Jahren (oder so) mal bei Metallica in der Waldbühne.

Der Sound dort war ebenfalls grottenschlecht. Eigentlich liest sich Deine Beschreibung der klanglichen Erlebnisse exakt so, wie ich den Sound von damals in Erinnerung habe?

Zufall? Oder können die's einfach nicht besser?

bemme51 hat gesagt…

@creezy drüber schlafen is bei mir nich drinne gewesen - ich finde das schon frech von den o2-heinis dort für in zukunft ne menge kohle konzertgrössen bringen zu wollen. frech zumindest wenn sich am klang nix ändert/ ändern lässt. persönlich gehe ich erstmal davon aus das metallica da nicht dran schuld sind - hab sie jedenfalls besser klingend in erinnerung (@ andy). mal schauen wie die kritiken nach anderen konzerten aussehen - vielleicht war´s ja "nur" ein praller fehlstart....

Anonym hat gesagt…

Vllt auch ein Fehler bei Metallica? Auch die CD scheint soundtechnisch nicht zu überzeugen.
http://www.amazon.de/Death-Magnetic-Limited-Digipak-Metallica/dp/B001DL14HI

Anonym hat gesagt…

Bei Popkonzerten ist der Sound fast immer mies. Ausnahmen bestätigen da die Regel.

Nach einem Metallica-Konzert wäre ich auch krank.

creezy hat gesagt…

@Andy
Keine Ahnung, ich denke schon, die können das besser. Metallica ist eine der größten Livebands! Das wären sie nicht, wenn sie so'n Sound öfter bieten würden. Die Waldbühne war eine Zeitlang bekannt dafür, keinen guten Sound, sondern nur gute Atmosphäre zu bringen.

@bemme51
Doch, ich musste das wirken lassen. Man will ja nach so einem feinen Konzert nicht nur meckern. Außerdem musste ich diese Halle von innen erst mal verarbeiten. Ich habe da doch deutlich etwas anderes, gehobeneres erwartet.

Aber ich denke auch, das war Pech beim Anfangskonzert. Zum einen haben Metallica noch nicht alle der Songs live gespielt. Zum anderen einfach neue Halle, neue Technik. Wer weiß, inwieweit da noch der Zeitplan reingefuscht hat.

Ich habe gestern geguckt, was Grönemeyer-Fans zum Konzert am nächsten Tag gesagt haben. Aber G-Fans scheinen so sehr ihrem Meister verfallen, dass Sound da eher unwichtig ist in den Besprechungen. ,-)

@Anonym
Naja, Mastering und Liveshow sind wohl doch zwei völlig verschiedene Dinge. Ich habe mittlerweile auch Mitschnitte von dem Konzert gesehen, gehört: der Sound war offensichtlich an anderen Stellen in der Halle so gut, dass man aus ihm in der Nachbereitung was machen konnte. Insofern war das vielleicht wirklich nur ein Standortproblem.

Jekylla hat gesagt…

Ich wär ja gern dabei gewesen. Wenigstens hatte ich zum Trost auch nette Unterhaltung ;-)

Das mit der Sound-Technik hat schon so seine Tücken, wenn ich da nur an die schwer beschallbare Festhalle denke, da sind schon einige bös eingebrochen.

Anonym hat gesagt…

Es ist aber auch seit der Erfindung von Techno eine Unsitte geworden den Bass so aufzudrehen, dass aus dem Sound ein unglaublicher Brei wird. Und dann heißt's der Sound sei "fett" - was'n Schwachsinn!

Kommentar veröffentlichen

Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!