2008-08-26

Die schreiende Kloppapierhülle

Vermutlich ist das Klopapierbiz (Kurzform) oder Toilettenpapierbusiness (Langform) ein todsicheres Geschäft. Es dürfte einer dieser Artikel sein, den wir alle einkaufen und zu Hause vorrätig haben, hierzulande natürlich. Im Laufe der Jahre wurde im Toilettenpapier-Marketing viel ausprobiert. Es gibt die öko-hauchdünn-ein-lagig-Version Marke «Kratzstark» für Toiletten in öffentlichen Gebäuden und es gibt ein interessantes aufbauendes Produktangebot von zwei-, drei- bis vierlagig, meist in weißer Farbe aber auch in bleu, rosé, pastellgrün gehalten mit, je nachdem wo oder bei welchem Discounter man seine liebgewonnenen Rollen erwirbt, blauen, grünen oder roten Blümchen. Gerne tragen sie mittlerweile (Freuden der Neuzeit) auch Drogeriemarktnamenstempel als integriertes Design. Manches Toilettenpapier ist marketingwichtig stolz auf unverzichtbare Noppen oder Waben. Gelegentlich sorgen «Airpads», neudeutsch: Luftkissen für einen Unterschied, griffigereres Volumen oder maximierte Weichheit. Manches Papier hat Charme, dafür muss man aber auch den Bären mit aufs Klo lassen. Gerne ist Toilettenpapier besonders reißstark, fies parfümiert, bald wohl auch gepudert – im Grunde aber immer langweilig.

Einige Unternehmen, die den Schuss so gar nicht gehört haben, empfehlen daher die Drei-Phasen-Reinigung: trocken, feucht, trocken. Dafür wird die Umwelt mit ein bisschen mehr chemischer Scheiße (ich darf das Wort in diesem Artikel verwenden, das ist Themencontent) zugeklärt, Menschen bekommen etwas mehr Allergien, die Gynäklogen rollen verzweifelt mit den Augen. So oder so – und das ist traurig – aber im Grunde hat das Marketing vom Klopapierbiz alles durch, was man mit Toilettenpapier umsatzgeil anstellen kann.

Auch an der Bedienform oder -norm hat sich nicht viel geändert. Wir reißen seit Urzeiten die Plastikumverpackung auf, entnehmen eine Rolle, studieren die mannigfaltigen Möglichkeiten Toilettenpapierollen auf fremde Klopapierrollenhalter zu bekommen, scheitern dabei gelegentlich. Denn dies kann unter Umständen recht komplex sein.



Weil sich nun so offensichtlich im Klomarketing nicht mehr viel tut, hat man jetzt die schreiende Klopapierhülle erfunden. Seit einigen Woche werden wir in wilden Farben, großen Lettern, in der Typographie maximal angelehnte Ausrufezeichen und meist in den oberen Ecken der Packungen erstmals in unserem Leben mit umfangreicher Toilettenerfahrung darauf hingewiesen, dass wir neuerdings superleicht – oder auch megaeasy – an unsere Papierröllchen fürs Eingemachte kommen: wir müssen nämlich nur die Plastikhülle an der Ecke, gerne umschrieben mit: Hier! Hier! Hier!» einreißen und alles ist gut. Dies ging im übrigen mit einer kleinen Preissteigerung von ca. 20 Cent einher. Plastikfolie an einer Stelle reißbar zu machen an der sie es vorher bereits war, kostet eben. Plastikfolie an einer Stelle zusätzlich farblich aggressiv zu bedrucken, kostet eben. Da bei einem der Discounter die Anweisung «Reiß mich auf!» tatsächlich international formkorrekt auch nur in Englisch formuliert wird, können wir davon ausgehen, das diese neue lebenswichtige Zugangsanweisung zum Toilettenpapier einer neuen, sich hart im europäischen Parlament erkämpften Richtlinie aller urinierenden Parlamentarier zugrunde liegt. Die Verhandlungen hierfür werden vermutlich Millionen verschlungen haben, die Diskussionprotokolle füllen ganze Archivschrankanlagen und mehrere Rollen Archivfilme, wenn nicht zusätzlich noch Gigabyteserver im Terramilieu. Im Laufe der zeitlichen Verhandlungen dürften einige Toilettenpapierrollen ihr Leben gelassen haben, so man denn vorher ihrer Umverpackung Herr werden konnte, was eine europäische Reglementierung umso dringlicher erschienen ließ.

Ansonsten steht übrigens auf Toilettenpapierumverpackungen nirgendwo, wie man Toilettenpapier benutzen soll. Es gibt wohl Dinge, die erklären sich so leicht immer noch nicht. Daher mein Tipp ans Klopapierbiz für einen neuen möglichen Aufdruck: «Neu! Toilettenpapier jetzt mit Gebrauchsanweisung. Jetzt ganz leicht zu benutzen. Lesen Sie Hier! Hier! Hier!

20 Cent sind doch immer irgendwo noch drinnen.

6 comments:

Anonym hat gesagt…

Wie sang dareinst der groß(nasig)e Dichter Mike Krüger aus Quickborn zum Thema öffnen? "Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen und mit der kleinen Kurbel ganz nach oben drehen..." Hätte der sein Wissen damals schon dem hier besprochenen Biz zur Verfügung gestellt...

Anonym hat gesagt…

"Ansonsten steht übrigens auf Toilettenpapierumverpackungen nirgendwo, wie man Toilettenpapier benutzen soll ...

HiHi, Sie weiß nicht wie die drei Muscheln benutzt werden ...(Lenina Huxley)

Anonym hat gesagt…

das ist wirklich das hinter(n)letzte!

Anonym hat gesagt…

am besten finde ich die Namensgebung bei Penny:

Happy End

Anonym hat gesagt…

Das Problem ist, das es zu viele Klopapierhersteller gibt. Da bleiben die echten Innovationen auf der Stelle. Wenn das so wäre, wie bei Gillette und Wilkinson ...

... da käme der eine mit 3-lagigem Papier, danach der andere mit 4-lagigem und so weiter. Wir hätten inzwischen 8-lagiges, mindestens. Mit Lubra-Strip, damit es auch flutscht, am Hinterschinken.

Anonym hat gesagt…

Ich wage kaum zuzugeben, daß ich diese Easy-Aufreiß-Ecke gar nicht so schlecht finde. Die Preissteigerung beim T-Papier dagegen sehr: heute bei Feinkost Albrecht wieder mal umgerechnet DM 3,70 in 8 Rollen der billigsten Variante investiert. Das ist doch echt für'n …!

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