2008-07-29

Von etwas Partei ergreifen

«eintreten für, kämpfen für, sich annehmen um»

Bin ich wirklich gut darin, wenn ich mich diesbezüglich nur für das bestimmte Thema einsetze ohne nach rechts und links zu schauen? Oder bin ich besser, wenn ich mir Gedanken über die andere Seite zu mache? Möglicherweise zunächst versuche, deren Ideen oder Beweggründe zu verstehen?

Persönlich glaube ich, sich der anderen Seite zu nähern kann nur Punkte bringen, in der Entwicklung der eigenen Meinung bzw. Ansicht. Es weitet den Horizont. Und sei es nur, um im Vorantreiben der eigenen Sache erfolgreicher sein zu können, weil man danach die Stärken und Fehler der anderen Seite besser einschätzen kann. Doch ich denke, das Beste, was man für sich und seine eigene Entwicklung tun kann, ist über den Tellerrand zu schauen und sich auch anderen Standpunkten zu nähern.

Gelernt habe ich das von einem guten Freund, in der Berliner Subkulturszene engagiert, der für die Sachen und Mitstreiter für die er einsteht, immer wieder gegen Nazi-Vorwürfe – zum Teil sogar aus den eigenen Reihen – kämpfen muss. Das ist leider gelegentlich üblich in den Kreisen, sie denunzieren sich gegenseitig, wenn sie glauben, jemand nimmt ihnen etwas weg, anstatt gemeinsam für die Sache zu gehen. Image ist alles und ihr Image, selbst wenn es ein völlig belangloses ist, das gilt es mit aller Macht zu verteidigen. Im Zweifelsfalle auch blind. Da wissen sie genau, wo die eigenen Mitstreiter am ehesten angreifbar sind. In der Folge gibt es die Mitstreiter, die gänzlich uninformiert verbal raufhauen. Ungachtet dessen, dass der Zitierte gerne aus einem völlig belanglosen Zusammenhang falsch zitiert wurde, nur um ihn öffentlich zu denunzieren. Das passiert dann «für die Sache!» oder «für die Freunde!» Und das Handeln scheint so naiv legitimiert.

Und es gibt die, die sich ruhig zurücklehnen und zunächst nichts sagen. Erst andere Meinungen einholen, das Gespräch suchen mit den vermeintlichen Rechtabtrünnigen, versuchen die tatsächliche Wahrheit erfahren, sich noch mal ruhig zurücklehnen und dann weiter für die eigentliche Sache kämpfen, weil an der Vorwürfen so rein gar nichts dran ist. Ja, manchmal geschieht es tatsächlich, dass man auf diesem Weg realisieren muss, da hat jemand, den man schätzt, zu den Dingen eine ganz eigene Meinung, der man für sich nicht folgen kann und will. Tsja, dann hat man ein Gespräch, um beim aktuellen Beispiel zu bleiben, tatsächlich mit einem Neo-Nazi geführt. Aber gleichzeitig hat man auch ein klein wenig sich dessen Gedanken nähern zu können – was beileibe nicht dasselbe ist, wie sich dessen Gedanken anzunehmen. Und der das Gespräch Suchende wird davon profitieren können, eines Tages, wenn er seinen Standpunkt gegenüber der Gegenseite klar machen wird.

Ein schlechtes Gegenbeispiel hierfür indes ist unsere deutsche Politik. Jahrelang hat man die braunen Kandidaten lieber in eine Ecke gestellt, ungehört, ab und zu von oben arrogant drauf gehauen, meist ignoriert. «Die laufen sich schon tot!», hat man sich gedacht. Nun laufen sie sich erwiesenermaßen immer weniger tot, wie sich zeigt. Aber um sie wirklich zu bekämpfen und wieder aus den Parlamenten zu bekommen, hat man leider mittlerweile viel zu wenig Ahnung über sie, weiß nicht, wie sie wirklich denken und funktionieren. Sie «glauben» nur, sie wüssten es. Sie «wissen» es aber nicht. Chance vertan?

Kurz und gut: die Dinge, auch die, die einem täglich im Web begegnen, haben immer eine zweite Seite. Und diese muss, nebenbei gesagt, nicht mal die Schlechtere sein. Das sieht man aber nur, wenn man sich die Mühe macht oder auch nur die Blöße gibt und erst einmal hinsieht.

Und: das habe ich auch erst lernen müssen. Übrigens hat mir dabei einmal ein Blogger, Don Dahlmann, geholfen, mir einmal meine einseitig gefärbten Augen bezüglich der Blogwelt zu öffnen. Blogger können ungemein konstruktiv sein, wenn sie es sein wollen!

2 comments:

Jekylla hat gesagt…

Gefährliches Halbwissen ist immer eine schlechte Grundlage. Sowohl fürs Partei ergreifen als auch für eine Stellungnahme.

Jeder entscheidet für sich, ob er aufklärerisch tätig sein möchte oder nicht. Das kommt auch darauf an, ob einem an denen, die im Halbdunkel umherwabern, gelegen ist. Wenn nicht, dann nicht.
Und wie wichtig die Sache per se ist.

Das wiederum bleibt jedem selbst überlassen. Ein totes Pferd zu reiten, bringt aber keinen Schritt weiter.

Jekylla hat gesagt…

Wobei ich das in Blogs generell unpassend finde, es sei denn, man hat keine anderen Lebensinhalte, über die man bloggen könnte. Das ist natürlich bitter dann.

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