Menschenskinder
in einem Blogpost mit einem Interview mit einem Menschen, der an Multipler Sklerose erkrankt ist, lese ich in den Kommentaren von Menschen, die anderen Menschen, die dort kommentierten ggfs. selber von der Krankheit betroffen sind oder schlichtes Mitgefühl an den Tag legen, sie mögen sich doch lieber ihre Emotionsdudelei verkneifen. So etwas wolle man eben nicht lesen, als Mensch in dieser so menschlichen Gesellschaft. Krankheit ist doof. Also lasst uns die Augen zukneifen und ausblenden, was auszublenden geht. Was mir persönlich schwer fällt, dabei habe ich ja nun ein bonfortinösen Final-Cut-Diplom und verstehe mich somit 1A auf Aus- und Überblendungen im digitalen Leben und im Film, da sollte doch im realen Leben noch was zu machen sein. Ich will das aber für mich nicht, will einfach mit heulen und mit leiden und danach sagen «genug geheult, gelitten!» – selber oder nur mit, also doch selber auf ganz eigene Weise –, laut und vernehmlich: «jetzt gucken wir, wie's wieder weiter geht!» Mal aufwärts, mal abwärts, mal gleichwärts.
Was glauben diese emotionslosen neunmalklugen Sozialallergiker eigentlich? Das in ihrem Leben immer nur «Alles Banane!» die Hauptrolle spielen wird? «Einfach mal die Klappe halten!», denkt man sich, aber soll das tunlichst nicht sagen, denn das sind ja auch wieder nur Emotionen mit denen die Emotionsphobiker nicht belastet werden möchten. Das haben sie sich sehr fein ausgedacht in ihrem Ausschaltmodus. In Scheiße tritt schließlich keiner so gerne.
Darf ich an dieser Stelle auf das ältere Post West 1 von Herrn Schneck06 aufmerksam machen? Er schreibt, wie es war auf «Station». Ein guter Text! Und Blogposts über Menschen sind mindestens so groß wie Blogkommentare von Menschen.
4 comments:
genau. einerseits. und andererseits: diese ach so coolen menschen in ihrer durchgestylten, schubladisierten welt sind ohnehin nicht zu erreichen, egal, wie sehr man sich bemüht. [manchmal aber bekommt man kopfschmerz vom ständigen kopfschütteln]
Manche Menschen können sich gewisse Dinge einfach nicht vorstellen - und das ist nichtmal bösartig, das ist einfach so. Selbst wenn man selbst chronisch krank ist, kann man sich in besseren Phasen die schlechteren gar nicht mehr vorstellen!
Und obwohl man versucht ist, solchen Kaltschnauzen eine richtig fiese Krankheit an den Hals zu wünschen, und dazu lauter gleich kalte Schnauzen um sie herum, die ihnen Emotionsdudelei vorwerfen, tut man es dann doch nicht. Die Freudenseiten tiefen Empfindens bleiben ihnen dafür auch verwehrt - das reicht als Entbehrung allemal.
Ich habe den Beitrag auch gelesen und muss zugeben, dass ich auch keine Freundin übermäßig emotionaler Postings oder Kommentare bin. Das heißt aber nicht, dass ich mich entblöde, anderen vorschreiben zu wollen, wie sie zu fühlen, zu denken, sich zu sorgen oder darüber zu äußern haben. Manchmal passt der Umgang mit solchen Dingen einfach nicht zusammen und jeder hat seine eigene Art, mit Krankheit, Tod oder anderen unangenehmen Dingen umzugehen.
Manchmal denkt man: Boah, halt doch einfach die Klappe! grade, wenn man selber weiß, wie sowas ist, seinen eigenen Weg gefunden hat und nicht ganz verstehen kann, warum manche Menschen permanent um sich selber kreisen, ohne die Mitte zu finden. Das allein ist nun kein Grund, auf diese Menschen loszugehen und ihnen das Recht abzusprechen, den eigenen Weg zu finden. Und wenn das Internet, Postings und Kommentare für diejenigen dazugehören: Wer wäre ich, darüber zu urteilen?
@tyndra
Und ein Schleudertrauma. Da wirst Du auf Recht haben, aber ich will da meine Hoffnung noch nicht aufgeben.
@etosha
Oh ja, sie können sich das nicht vorstellen. Aber sich nicht einmal Gedanken darüber machen, dass sie jetzt eben möglicherweise zu wenig Ahnung vom Thema haben, sich eingestehen, ihre Vorstellungskraft ist nur minimal entwickelt und daher dann lieber ruhig bleiben, wäre auch eine Alternative.
@Scholli
Das bin ich auch nicht, mitnichten. Nur wenn sich jemand so öffnet, ist das in seltenen Fällen der Wunsch "desjenigen Hypochondrie" auf die anderen abzuwälzen (gibt es auch klar) und daher würde ich jemandem - zumal ich ihn nicht persönlich kenne - zunächst erst einmal reine positive Absichten unterstellen. Man kann das Web ja als mehrfachbefahrene Straße verstehen auf der es auch um Austausch geht, nicht nur um das Positionieren seiner selbst in einer Art Einbahnstraße.
Mich hat eben im aktuellen Fall geärgert, weil es solche Artikel ja nun nicht sooooo oft bei Spreeblick gibt als das man nun explizit deswegen nölen müsste. Wenn ein Artikel nicht passt, kann man ihn auch getrost überlesen und abhaken ohne anderen Menschen - vor allem den Interviewpartner - so dump vor den Kopf stoßen zu müssen.
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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