2008-01-26

Die hässlichsten Schuhe der Welt und die ich jemals gesehen habe

Vor Jahren, es war in einer Ausgabe der Bild der Wissenschaft, habe ich von einer Studie gelesen, deren Ergebnis aussagte, dass Autofahrer, die aus einer Parklücke heraus fahren wollten, dieses deutlich langsamer taten und sich über Gebühr (bis zu zwei Minuten) länger Zeit ließen, sobald bereits ein Fahrzeug auf die kurzfristig freiwerdende Parklücke warten würde. Das war mal eines der spannendsten Studienergebnisse überhaupt.

Ähnlich verhält es sich vor Damentoiletten. Insbesondere wenn viele Mädels und nur eine Toilette vorhanden ist. Je länger die Schlange vor der Toilette, umso langsamer scheinen manchen Nutzerinnen sich auf dem Ort die Nase zu pudern und was sie sonst dort noch so treiben.

Drollig wird der Gang auf's stille Örtchen in größeren Etablissements dann, wenn es sich zudem um die neumodische Form der bockigen Toilettenschlange handelt. Die bockige Toilettenschlange entsteht bei ausreichendem Platzangebot, wenn eine der Schlangenkundinnen ihren revolutionären Charakter zum einen durch extensives Tragen von H&M-Stangenklamotten der Last Season (die modisch besonders schlimm aussehen, was beim unkontrollierten Einkauf vollkommen egal zu sein scheint, Hauptsache sie gelten als «en vogue») insbesondere aber mit der zur Schau getragenen traurigen Coolness einer Provinzratte nur ihr Unvermögen unter Beweis stellt, in der Schlange aufzurücken. Keine Ahnung, was die Mädels dazu bewegt in genau diesem Moment die kleine Provokateuse zu geben, aber sie stehen mit leerem Blick in der Reihe und vor ihnen sind die nächsten zwei kuschligen Ecken näher zum Ort des Wunschgeschehens längst frei geworden und drohen auszukühlen. Währenddessen muss sich das hintere Ende der Schlange quer zu den Ausgängen formieren, wo der Wind pfeift und 99 % aller Blicke der vorbei Schlendernden signalisieren, dass sie dort irgendwie nerven. Stört die kleine H&M-Provokateuse aber vorne in der Reihe gar nicht. Sie scheint ihren Motor ausgestellt zu haben und Sprit sparen zu wollen. Das wird es wohl sein: Energiesparmodus.

In so einer Schlange stand ich neulich im Ballhaus Ost. Dabei störte mich weniger die Tatsache, dass drinnen das Leseprogramm schon wieder weiter ging, als vielmehr der Umstand, dass ich so genau an dem Punkt gefesselt war an dem ich, wollte ich nicht an die Wand gucken, auf die sich ständig öffnende Tür zur Herrentoilette gucken durfte, hinter der sich die Herren fröhlich am Urinal postierten und im Trio strahlten.

Erstmals war ich neidisch darauf, dass Männer so wenig umständlich und gerne mal halböffentlich pinkeln. Sie kommen deutlich schneller zum Abzug. Da ich aber auf Dauer doch kein besonderes Interesse daran entwickeln konnte, Jungs von hinten dabei zuzusehen, wie sie sich ihren Schniedelwutz halten und die H&M-Provokateuse immer noch Anlasserschwierigkeiten hatte, suchte ich mir zwangsläufig einen neuen Fixblickpunkt. Und lernte dabei die hässlichsten Schuhe der Welt und die ich jemals gesehen habe kennen.

Das Mädel, dass sie trug, war ein an sich hübsches. Eine von der grauen Sorte, sie unterstrich das formidabel in dem sie ein graues Sweatshirt und dazu passende graue Jeans trug. Unterbrochen wurde der Look made in GDR durch einen grünen Streifen in Bauchhöhe, ausgelöst von einem revolutionären Farbbruch unterhalb des Sweatshirts, an dem im übrigen draußen zusätzlich ein kleiner roter Farbschnipsel hing. Auch so eine Unart. Zu meiner Zeit, als gerade Röhrenjeans «in» waren, trug man die Hersteller- und Waschtippsschnipsel noch unsichtbar im Pullover innen versteckt. Apropos Röhrenjeans, die geschmackssichere Maus neben mir trug selbstverständlich die graue Hose als graue Röhre. Insofern passend zu ihr, weil sie wirklich schlanke Beine hatte, wenn auch nicht richtig lange, aber das kompensierte sie ja mit den hässlichsten Schuhen der Welt und die ich jemals gesehen habe. Das Problem mit den Röhrenhosen ist, dass egal wie schlank man im Grunde ist, der Hintern irgendwie immer wie eine besonders dicke Birne wirkend oberhalb der Beine abschließt. Seien wir ehrlich, es gibt nur sehr wenige Frauenfiguren, an denen eine Röhrenhose wirklich formidabel sitzt. Das trifft insbesondere auf kleine Mädchen vor der Pubertät zu, zu einem Zeitpunkt also wenn sich ihr Körper noch nicht offensiv mit allen äußeren Anzeichen der Gebärfähigkeit bemerkbar macht oder meinethalben auch bei Junkie-Skelettauslaufsmodellen à la Winehouse.

Ich erblickte also die hässlichsten Schuhe der Welt und die ich jemals gesehen habe, dann schlanke Beine in einer grauen Hose, dann sowas von einen breiten Arsch, der in Natura vermutlich nur halb so breit war wie er in den Hosen wirkte, dann einen Streifen grün, dann wieder ein Stück grauen Stoff, der hinüber glitt in ein winterliches bleiches Gesicht, dessen Bleicheit ausdrücklich dadurch unterstrichen wurde, dass das als brünett zu beschreibende Haupthaar nur auf dem Oberkopf hart abgeteilt blond gefärbt worden war, was besonders fies wirkte, da die Kleine an diesem Tag einen Zopf trug und das Ganze einfach nur nach einem äußerst misslungenem Friseurbesuch dem Modediktat zuliebe aussah und mir Tränen des Mitleids in die Augen schießen ließ. Kann auch die urinale Oberkante gewesen sein, aber so nötig musste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.

Sie hatte sich tatsächlich so schlimm zurecht gestylt, dass ich sie normalerweise keine zwei Sekunden länger eines Blickes hätte würdigen wollen, hätte ich nicht gelangweilt in einer gerade bockendende Toilettenschlange gestanden. Wie gesagt, das Mädel war eigentlich ein hübsches Geschöpf, aber man musste sehr viel ihrer stilistischen Sünden ausblenden, um ihrer äußeren Schönheit noch habhaft werden zu können und das war im Grunde nicht möglich, weil da noch die hässlichsten Schuhe der Welt und die ich jemals gesehen habe waren.

Die waren vielleicht hässlich! Weiße Stiefel, vorne spitz, hinten unten auch spitz. So spitz, dass, würde man «Mann und Weichteile» nur flüstern, dem armen anderen Geschlecht das Blut in den Adern gefrieren würde, anstatt das lüsternen Signale die Oberhand gewinnen könnten im Hirn des auserwählten Einen. Nach Kunstleder schreiend! Oben auf dem Spann in Falten gelegt umsäumt, mit kleinen Nieten abgesetzt. In Form gebracht, dass nur der jahrelang schmal gebundene Fuß einer Geisha ihrer Form hätte habhaft werden können, jeder andere Fuß muss zwangsläufig in ihnen eine besondere Fehlstellung aller verfügbaren orthopädischen Merkmale wie Senk-, Platt- und Spreizfuss in einem simulieren. Als hätte je ein weißer Schuh Füsse schmaler wirken lassen und würden Falten nicht immer mehr auftragen als der Umfang von Hause aus serviert wird.

Ach, ich mag keine spitzen weißen Stiefel. Ich mag auch keine H&M-Provokateusen mit akuter Aufrück-Schwäche. Und Toilettenschlangen kann ich schon mal gar nicht leiden!

8 comments:

Cecie hat gesagt…

und ich hätte jetzt schwören können, es waren so hässliche plateau-stiefel mit so hohem plateau, dass sie niemals (nichtmal in den 70ern) in waren, womöglich noch in schwarzem lack...

Anonym hat gesagt…

wenn das die hässlichsten deines lebens waren, dann schaust du wohl eher auf ärsche oder frisuren :-0

ich wollte mal ein schuhblog aufmachen - jeden tag ein bild von "gefunden" schuhen und die leser müssen sich die lebesnegschichte des trägers dazu ausdenken und die beste gewinnt ein paar neue schuhe von 'hierfirmennameneinsetzen'

da ich auch eher auf ärsche stehe (nein nicht roland koch) habe ich es aus ermangelung an neuen schuhen gelassen und vor allem, wie verlost man einen neuen arsch…

Anonym hat gesagt…

ein foto haette mich gefreut :D

Anonym hat gesagt…

Ich bin ein wenig fassungslos.

Mit welchem Recht beleidigen Sie H&M-Käuferinnen und Röhrenjeansträgerinnen?

Mit dem Recht der allzeit stilsicheren Tempelhof/Neuköllnerin?

Mit dem Recht der Älteren?

Ihr blog ist ja sonst recht lesenswert, aber das ist, salop gesagt, ein strunzdummer Beitrag.

Ich musste bei der Beschreibung, an die Töchter meiner polnischen Freunde denken. So ein Stil ist in Polen z.B. nicht unangesagt. Hat auch was mit finanziellen Mitteln zu tun. Z.B. ist Schlussverkauf von H&M bei polnischen jungen Frauen sehr beliebt, da sie zwar arbeiten, aber weniger als hier ALG 2 verdienen, obwohl die Lebenshaltungskosten in Polen mit denen in Berlin mithalten können,

Alles Geschmacksache und ästhetische Toleranz wäre angemessen, auch wenn die in einer Grossatdt wie Berlin auf harte Proben gestellt wird. Das zeichnet übrigens Weltstädte aus. Der Beitrag ist ein Zeichen dafür, dass es für Berlin noch ein langer Weg aus der Provinz raus ist.

creezy hat gesagt…

@cecie
Pornoskistiefel? ;-) Ach, die gehen momentan, wären fast eine angenehme Abwechslung. Ich kann momentan weiße spitze ungepflegte Stiefel nicht mehr sehen. Gar nicht mehr.

@prinz charming
Bei dem Schuhblog wäre ich sofort dabei. Da könnte ich auch ständig Fotomaterial liefern. So ein nettes Hinternblog allerdings …

@me.
Ja, leider hatte ich die Knipse nicht «am Mann».

@anonym
Ach herrjemine, mit welchem linken Fuss sind Sie denn heute aufgestanden? Also erst mal Kritik in allen Ehren gerne, aber dann doch bitte in Zukunft mit Namensgebung, der Höflichkeit zu Ehren, okay?

Dann, meine Liebe (sehen Sie, da fangen nämlich beim Anonymbleiben die Schwierigkeiten an), wenn Sie das Blog lesenswert finden, hätten Sie möglicherweise also selber schon entdecken dürfen, dass ich AG II-Empfängerin bin und ich es mir daher nicht leisten kann bei H&M einzukaufen. Somit dürfen Sie 50 % ihres Vorwurfes schon mal in die Tonne treten. Dumm gelaufen.

Der Stil, den ich beschreibe, der ist nicht nur in Polen angesagt, der ist überall angesagt. Und zwar ohne jegliche Klassenrelevanz. Die einen Mädels tragen eben etwas teurere Klamotten, die anderen günstigere. Das ist zum Glück heutzutage aber auch egal, weil selbst «teure» Kleidung heute nicht mehr gleichbedeutend ist mit «hochwertig». Es ist mir völlig schnuppe, wo die Mädels ihre Klamotten kaufen, ob sie nun zu Zara, Orsay, Pimkie, kik, C&A oder H&M gehen. H&M steht hier als ein reines Synomyn für Klamottenkette und Massenproduktion, okay? Und da hätten Sie wahrlich auch von alleine drauf kommen können.

Ich bin Jahrgang 65, ich habe das Thema Röhrenjeans, Stulpenstiefel, Faltenminiröcke in Türkis quer gstreift usw. usf. am eigenen Dasein durchexerziert. Es war eine grauenvolle Mode. Mit Abstand die grauenvollste unansehnlichste, die die Mode jemals hervorgebracht hatte.

Darüber gibt es Bildmaterial. Die Mädels kennen die Fotos ihrer Mütter i. A. Komischerweise habe ich klamottenbedingt nie die Sünden gemacht, die z. B. meine Mutter gemacht hatte und ich hätte im Laufe der Jahre die Chance mehrfach dazu gehabt. Teenager mit etwas Spaß am Geschmack und Individualität können und dürfen ruhig auch mal «nein» sagen, wenn ihnen offensichtlich etwas nicht steht.

Und es ist für mich keine Entschuldigung zu sagen, die Dinge, die «in» sind, müssen ohne kritisches Hinterfragen getragen werden, weil's eben nur «in» ist. Auch Mädchen oder Jungs können sich mit 18 auch mal fragen, ob sie ein Kleidungsstil ihren Typ positiv unterstreicht.

Und ehrlich, wenn ich ein an sich wirklich apartes und hübsches Menschenkind vor mir sehe (und da ist mein Anspruch nicht mal besonders hoch btw.), der/die es mit jeder stilistischen Sünde aufnimmt, die sich gerade bietet, dann frage ich mich, wo die eigentlich ihre Augen, ihren Kopf und ihre eigene Entscheidungskompetenz haben?

Alles Geschmacksache ist nämlich gut und schön, da ist es aber im Hintergrund nicht. Im Background ist es nur Business und Kapitalismus, dem blinden teilweise dummen Folgen irgendwelcher Modediktate. Das sollen sie tun, meinethalben, aber das Mädels ihr Geld für Sachen rausschmeissen, die sie nur hässlich machen, das sollte mit Verlaub nicht Sinn der Sache sein. Und an der Stelle hört es bei mir mit der Toleranz auch mal auf.

Das mögen Menschen wie Sie als Intoleranz bezeichnen, mir sind hingegen die Töchter von Freundinnen zu wichtig, als das ich sie ungerührt als Vogelscheuchen durch den Tag ziehen sehen will. (Ausgenommen sie liefern mir gute Argumenten, warum wie eine Vogelscheuche auszusehen gerade Tagesziel ist.)

Und nein, Kleidung ist nicht alles. Und sollten Sie sich dazu entschließen dieses Blog weiterzulesen, kann ich Sie nur warnen: hier wird es immer Kritik am Mainstream geben. Das ist klarer Bestandteil dieses Blogs. Und es ist nicht Aufgabe dieses Blogs grundsätzlich bequem in der Mitte zu schwimmen und niemals nicht anzuecken!

Anonym hat gesagt…

liebe hinterwäldlerin creezy,

ich finde es tiefst bedauerlich dass sie die wohlgemeinte kritik von er/sie/es anonym nicht annehmen können - schließlich müssen er/sie/es aus einer kulturhauptstadt kommen in der man anscheinden h&m schnikksen und polinen mit schlechtem geschmack den nötigen respekt gegenüber bringen kann - wohl weil man dort ein besserer menschenschlag ist und anscheinend auch noch viel gleicher als gemeine berliner/innen - denn die für anderen geltenden maßstäbe/toleranz scheinen nicht für eingeboreren dieser stadt zu gelten …

des weitern möchte ich ihnen auch mitteilen, dass es mich sehr enttäuscht, bei ihnen eine eigene meinung anzutreffen - so etwas ist heutzutage und vor allem in einem blog wirklich fehl am platze…

was ich allerdings am erschreckensten von allem finde, ist die tatsache, bei ihnen die wortkombination "dieses blog" vorzufinden - da schaue ich mir doch lieber geschmacklich verirrte schnikksen an…

hochachtungsvoll, ihr prinz intolerant

Cecie hat gesagt…

oooh, neue verehrer!? ;o)

creezy hat gesagt…

@prinz charming
sie haben recht wie immer! und ich freue mich, dass sie heute wieder einen clown zum frühstück hatten. wer hat den schon sonst in so schöner regelmäßigkeit? hatte ich erwähnt, dass im gebürtigen berliner immer ein ordentliches stück proletarier inne wohnt? was uns im negativen wie im positiven sinne vom rest der nation unterscheidet. die entscheiden was nun, überlasse ich ihnen.

sie sehen mich im übrigen schuldbewusst. das mit der eigenen meinung, das war dumm. blöd. entgegen der bloggenden stangenmode. ich geb's zu. so etwas ist stilistisch so etwas von out in zeiten der massenbloginhaltsproduktion. shame on me. leider weiß ich nicht, wie das jetzt auf polnisch heisst.

und zum schluss, nehmen sie bitte «dieses blog» nicht persönlich. für sie heisst es doch immer noch «ihr zweites wohnzimmer». «dieses blog» ist es nur für die anderen.

ich troll mich jetzt: hinter den wald!
mit holzigen grüßen
ihre creezy

@cecie
Ach nee, ich glaube, da hat jemand meine Grundaussage nicht verstanden: ich komme verdammt schlecht drauf in schlecht strukturierten Toilettenschlangen. Aber das ist ja auch legitim.

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