2007-10-26

Verliebt in ein Stück Schokotorte



Ich habe ja noch etwas zu tun, direkt während meines Ablebens irgendwann einmal, so sagt der Plan. Es heißt aus einigen Berichten von Menschen mit einer Nahtoderfahrung, das eigene Leben würde noch einmal wie im Zeitraffer an einem vorbei laufen im Moment des Sterbens. Kino Exitus – ohne Popcorn vermutlich – und als ich das erste Mal vor Jahren darüber las, habe ich mir sofort in mein persönliches Script geschrieben, dass im Falle eines Todesfalles in meinem letzten Film diese grandiosen Tortenvitrinen in den Cafés, die sich drehenden, mich die unterschiedlichen perfekten Kuchen und feinste Torten auf mehreren Etagen sortiert bestaunen lassenden Tortenvitrinen mindestens eine der Hauptrollen in meinen Abschiedsfilm spielen werden. Schließlich stirbt man nur einmal. Und das dann doch bitte mit Sahne.

Vor Tortenvitrinen kann man mich beruhigt stundenlang abstellen (das kann übrigens man auch vor Aquarien aber Fischkuchen soll heute nicht das Thema sein), sie machen mich ruhig, ausgeglichen und sehr glücklich in ihrer stillen ihrem Drehmodus frönenden Anwesenheit. Wichtig ist natürlich, dass sich die Torten in ihr drehen müssen. Tortenvitrinen mit nur statischen Tortenhaltern unterstreichen die Würde einer Torte nicht perfekt.

Auf der Suche nach des Prinzegenten seiner Torte waren wir neulich übrigens nicht. Wir wollten einfach nur einen Platz an einem Tisch in einem Café in Kreuzberg an einem Samstagnachmittag, an dem fast alle Berliner mit uns das Gleiche wollten. Ein Café war uns dann schließlich doch wohlgesonnen, und zwar so sehr, dass der freie Tisch mir direkt den Blick auf die Tortenvitrine mit Drehmodus offenbarte. Also: eine reizende Begleitung, Sonnenschein, die Aussicht auf einen Café und eine ihre Kuchen uns zärtlich aufdrängende Tortenvitrine der Meisterklasse. Perfekte Berliner Samstagnachmittage.

Ganz unten in der Vitrine aber drehte sich eine Torte, die sehr offensichtlich eine Geburt des Teufels Schokolade zu sein schien: die fast weißen Biskuitböden von einer himmlischen hellbraunen Creme verbunden von hauchdünner schokoladenhafter Kuvertüre umhüllt und mit engelshaften Schokoladenpudellöckchen gekrönt. Sehr hübsch anzuschauen drehte sie sich. In der Tortenvitrine. Wie im Film. In einer sehr stillen ausdrucksstarken Einstellung. Diese Torte hätte sogar nur in s/w noch meine Sinne terrorisiert. Wie es sich für eine Diva gehört, zwang sie uns den Blick nicht mehr von ihr zu nehmen und schlich sich kapriziös in unsere Unterhaltung …

Zwei Tortenjunkies im Dialog:
Sie 1: «Ob das eine Prinzregententorte ist?»
Sie 2: «Keine Ahnung. Würde sagen, dafür hat sie nicht genügend Schichten. Eine Prinzregententorte hat mehr Biskuitböden soweit ich weiß.»
Sie 1: «Hm, ich weiß es auch nicht. Aber sie sieht gut aus.
Sie 2. «Oh ja! Und die Schokopudellocken sind toll.»
Sie 1 (zur Bedienung): «Was ist das denn für eine Torte da unten?»
Die Bedienung im hektischen Vorbeiwuseln antwortet mit einem lässig über die Schulter geworfenen «Schoko!»

Schätzungsweise soweit waren wir in unserer vorherigen Diagnose auch schon gekommen. Eine von uns musste also dieses schokoladige Instrument der Vitrinendramaturgie testen und ich erklärte mich mutig nur allzu bereit dazu. Kein wirklich großes Opfer, ich bestelle immer sehr gerne nur die Schokoladentorte aus der bunten Auswahl an Kuchen. Einmal «Käse von oben» und einmal «Schoko von unten» trafen sich alsbald auf unserem Tisch und schon das Gefühl beim allerersten Eintauchen der Kuchengabel, die die Schichten der Torte unwiderruflich trennte, meldete, das dies eine zarte Sache würde. Und wie zart, locker, leicht und lecker so eine Torte sein kann. Es ist ein Wunder. Immer wieder. Manche Tortenstücke sollten nie ein Ende nehmen dürfen.



Nachträgliche Recherchen haben im übrigen ergeben, dass die Anzahl der Biskuitböden eines der Originale (die Geschichte der Prinzregententorte ist eine umständlich lange) nach Heinrich Georg Erbshäuser sich auf acht einpendelte: nämlich für jeden damaligen Regierungsbezirk Bayerns einen. Demnach hätte «Schoko» aus Kreuzberg locker (und die war aber auch locker!) mit ihren fünf Schichten als Prinzregententorte durchgehen dürfen, denn hier hätten theoretisch bereits zwei Böden gereicht. Nämlich einer für Kreuzberg und einer für Friedrichshain. Womit eine echte Berliner Prinzregententorte, eine emporragende Herausforderung für den Konditor wäre: immerhin 12 Biskuitschichten. Post Berliner Gebietsreform erst, versteht sich.

Lange Rede, kurzer Sinn. Die allerbeste Schokotorte in dieser Stadt mit Drehwurm gibt es im Kaffeehaus Maybach am Paul-Linke Ufer 23. Klappe!

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ist das fies!

Ich sitz´ hier und komme nicht aus dieser blöde Bude raus und dann DAS! Ein Tortenmanifest, ich geh´kapott! Ich will Torte - aber pronto!

bhuti hat gesagt…

sabber … schluck

Anonym hat gesagt…

Erst die Frau Kaltmamsell und jetzt fangen Sie auch noch damit an... ich muss die wohl auch mal probieren.

Anonym hat gesagt…

Wow! Ich kann hier wieder kommentieren!

kaltmamsell hat gesagt…

Vor dem Tod nochmal alle genossenen Torten an sich vorbeiziehen lassen - einen schöneren Lebensausklang kann ich mir schwer vorstellen. Darauf müsste man doch hinarbeiten können. Ich sehe schon den verzweifelten Feuerwehrler am Wrack mit mir drin stehen, dem ich mit letztem Atem zuhauche: "Nicht! Ich bin erst bei der weißen Schokoladentorte zum 33. Geburtstag..."
(Anzahl von Prinzregentenschichten sind nicht verhandelbar. Aber eine wunderbare Schokoladentore ist doch auch was Schönes.)

Anonym hat gesagt…

Also bei mir ist nix vorbeigezogen, aber ich bin sicher, diese Torte hätte einen Rückholeffekt im Fall der Fälle *schmacht

creezy hat gesagt…

@spontiv
Ja, ich kann nicht immer nur entzückend sein. ;-)

@bhuti
na gut, mir Dir teile ich!

@rob
Der Bürzel? Hast Du den Schattenbürzel gesehen?

@Syberia
Frau Syberia, ich bin so etwas von entzückt. Ich wusste der Internetgott hat eines Tages ein Einsehen mit uns. Angefangen hat ja Herr Exit mit der Prinzregententorte, Frau Kaltmamsell als auch ich sind ja Research-Assistentinnen … (mit zunehmenden Gewichtsproblemen.)

@kaltmamsell
Nicht wahr? Es ist denkbar, dass man wohl unangenehmer sterben kann also gerade so. Obwohl ich Ihnen jederzeit einen anderen Abgang als so einen hässlichen gewalttätigen. brrrr.

Über die Anzahl von Prinzregententortenböden lässt sich ja bekanntlich diskutieren. Ihr Bayern seid's doch selber schuld, wenn Ihr Euch da nicht einigen könnt!

@Jekylla
Ach, na gut. Beim ersten Mal darf man sich ja noch ein bisschen albern anstellen. Und beim nächsten Mal denken Sie bitte an Torte. Torte kann, denke ich in dem Punkt, wirkliche Wunder bewirken.

Aber lassen Sie sich bitte so ca. 200-300 Jahre Zeit bis zur nächsten Übung!

daniela hat gesagt…

HUNGER!

Anonym hat gesagt…

hab was für dich gefunden (falls wieder mal not an des prinzregenten torte herrschen sollte: hilfe zur selbsthilfe quasi):http://femnerd.wordpress.com/2008/07/30/blog-event-xxxvii-prinzregententorte/

beste grüße

creezy hat gesagt…

@koffueßelnde
Wow! Danke, das muss ich gleich Herrn Exit petzen!

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