2007-09-22

Schräges Kirchengehabe



Als meine Mum ihre glückliche Zeit auf Mallorca verlebte, tat sie dies sie einen Teil davon in Palma in einer der etwas verruchten Ecken in die man aber mittlerweile den Justiz-Palast architektonisch sehr wenig spannend implementiert hat und die sich daher gerade anschickt, sehr in und fein zu werden. Zu Mums Zeiten befand sich schräg gegenüber ihres Apartementos so etwas wie eine Nothilfe für die Drogensüchtigen mit kostenloser Spritzenausgabe und das Publikum war dementsprechend spannend. So wie Mums Auto dementsprechend häufig demoliert war und sich die eh schon defekte Cassenrecorder- und nicht mehr HiFi-Anlage wohl später auf dem Schwarzmarkt wiederfand und sich gefragt haben wird, was sie da eigentlich noch solle. Im späteren Verlauf ihres Aufenthaltes auf der Insel lebte meine Mum im unteren Geschoss einer zweistöckigen Finca in Col d'en rabassa, die über einer erstaunlich großen schönen vollsonnigen Patio verfügte. An dessen Ende eine charmantes kleines Häuschen stand, dem Waschhäuschen, denn hier stand die Waschmamsell (400 Umdrehungen, das reicht bei dem Sonnenstand dort locker) und ihr Fahrrad und der übliche Kram, der sich in solchen kleinen Immobilien gerne versteckt und anzusammeln pflegt. Die Finca an sich war recht klein, dennoch wundervoll reizend und meine Mum war sehr glücklich dort. Ich auch, wenn ich dort war, denn zum Strand waren es knapp fünf Minuten zu Fuß. Eine Strecke, die man entspannt in Bikini, Pajero und Flip Flops zurück legen konnte, ohne Aufsehen zu erregen.



Sehr reizend und ursprünglich auch der Platz auf dem diese Finca sich befand. Denn es war ein Kirchplatz, auf der einen Ecke die Kirche mit der ich jeden Morgen pünktlich zur viertel-, halben-, dreiviertel und vollen Stunde ein ernstes und aufrichtig unausgeglichenes wenig katholisches Wort zu reden hatte, wobei diese Konversation dann doch meist wieder im Kissen erstarb. Die Kirche jedenfalls an einem Ende des Platzes und in L-Form herum gebaut die maximal dreistöckigen Fincas. Zum urbanen Leben gehörten einige Bänke, eine der typischen mallorquinische Bars mit einem der besten Café con leche machina auf der Insel, einem unaufgeräumten schäbigen aber alles führenden Supermarkt und einer Carniceria, also dem was wir unter Fleischerei verstehen mögen, jedoch mit deutlich mehr fellabgezogenen Hasen im kühlenden Angebot und traditionell einer Katze vor der Tür.



Als ich nun in der letzten Woche mit der Urne meiner Mum die Abschiedstour durch Palma und anliegende Örtlichkeiten absolvierte und alle ihr liebgewonnen Plätze mit ihr nochmals besuchte – ein wunderschöner Tag im übrigen, der viel zu meinem nun vorhandenen persönlichen Frieden beigetragen hatte – trank ich an jenem Platz in jener Bar diesen wundervollen Café con leche – dem günstigsten und nebenbei allerbesten an diesem Tag (und ich hatte so einige, denn ich besuchte mit ihr jedes Café, in dem wir gemeinsam waren noch einmal und stand in der Folge nachts höchstmotiviert aufrecht, weil schlaflos, im Bett.) Und als ich fertig damit war, mir die eine oder andere Träne zu verdrücken, das urbane Leben auf dem Platz zu bewundern mit spielenden Kindern, alten tratschenden mallorquinischen Damen und netten Bar-Besitzern, trat ich auch nochmals mit ihr ein in die Kirche, deren Türen offen standen, die auch vorher zur Messe gerufen hatte, was ich unweigerlich an den gepflegten Kirchengängerinnen erkennen vermochte, die eiligen Schrittes über den Platz und durch eben jene offen stehenden Türen hinter einem Vorhang veschwanden. Ich trat also ein, denn ich wusste meine Mum war trotz ihrer Liebe zum Buddhismus dort gelegentlich auch Gast gewesen, benahm mich höflich, wie es mich zwei Jahre katholischer Religionsunterrricht als auch Verehrung zum Pfarrer (meine Mum ließ mir alle religiösen Freiheiten, um mich und alle soweit verfügbaren Religionen auszuprobieren) gelehrt hatten und staunte nicht schlecht, als ich einer Messe folgte, bei der die Stimme des Geistlichen offensichtlich nur noch vom Band kam. Oder aus dem Radio.

Es gruselte mich als ich die Kirche dezent kopfschüttelnd verließ und meine außere Körperhülle verfügte über ungewöhnlich viel Gänsehaut an einem warmen Spätsommerabend.

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