2007-07-16

Die Salzstreuerin



Neulich habe ich wieder selbstgefällig grinsen müssen. In der nicht nach Druckerschwärze duftenden Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung stand ein Artikel zum Verkaufstart des iPhones von Apple in den USA. Typischer Tenor durch den gesamten Artikel: der Mann und sein iPhone. Tatsächlich waren nur Männer als Technikkäufer interviewtes Thema. Frauen kamen in dem Artikel zwei Mal als Backgroundstatisten zur Sprache, jedoch nicht selber zu Wort: einmal als Tochter, die von der Technikleidenschaft des Herrn Papa genervt sei *gähn*, einmal als lieb sorgende Mama, die dem Sohnemann das Teil zum Geburtstag spendierte (weswegen ihr endlich all‘ seine Liebe gehörte.)

Nun haben wir das 18. Jahrhundert eine Weile schon hinter uns gelassen und da wirklich nicht wenige Frauen in den Schlangen vor den Apple Stores standen, um ein iPhone mit als erste in den Händen halten zu dürfen, es nebenbei irrsinnig viele Frauen gibt, die sehr wohl programmieren können, gerne technisches neues Equipment in den Händen halten, ab und zu auch fremd ficken und ebenso lässig mit 280 km/h in die Kurve fahren, empfand ich diesen Artikel schwach bis rückständig und war so frei, mein Befremden in den Kommentaren zu äußern. Fand aber meine Argumentation gar nicht so emanzipatorisch:

Typischer naiveinseitiger Artikel zur Markteinführung eines elektronischen Gerätes: es wird nicht eine einzige Frau zitiert, die sich ebenfalls ein iPhone gekauft hat oder in der Schlange stundenlang gewartet hat. (Ja, das haben sie.) Die Vorstellung von Journalisten zu dem Verhältnis Frauen und Technik im Jahr 2007 hat was von 1860. Völlig Banane!

Ich bin keine verbissene Emanze. Ich habe nur schon von Kindesbeinen an nie verstehen können, warum nur Männer zum Bund müssen. Und ich bin im Sternzeichen Waage geboren und diese armen Geschöpfe bekommen einfach schlimmste Ekelpickel, wenn sie Ungerechtigkeiten sehen. Es geht nicht, wir ertragen das nicht. Für uns ist die Welt einfach schöner, wenn in einem iPhone-Artikel Mann, Frau, Kind, Opa, Aktienmillionär und Luftschaukelbremser zu Wort kommen – schön gleichberechtigt durch alle Alters-, Einkommens- und Intelligenzstufen geschrieben. Da stehe ich drauf, dann fühle ich mich erst entspannt.

Selbstverständlich bekam mein Kommentar in der Bewertungskala ganz miese Punkte. Ist ein Novum in dem sonstigen Kuschelchen-Prozedere, insofern machte mich das unbedingt stolz. Lustig fand ich den ersten Kommentar, der Mann (?) hatte genau nicht gerafft, dass es mir um das Inhaltliche ging und eben nicht um das Hochhalten einer emanzipatorischen Scheinwelt, somit direkt in die typische Ecke geheult und – aha! – wurde dabei unpassend persönlich. Dennoch kreierte er nebenbei ein sehr sehr großartiges Wort: die Salzstreuerin!

@ creezy – verlangst du im restaurant auch eine SalzstreuerIN? muss man denn immer gleich eine geschlechterdiskriminierung suchen, wo es eigentlich garkeine gibt? mach immer nur schön weiter, pick dir die rosinen der gleichberechtigung nur schön raus und lass das unangenehme links liegen, wirst schon sehen was du davon hast …

Persönlich war der Kommentar großes Kino für mich, zum einen, weil ich seit der Schlußdrohung klar zum Bettnässer oder Bettnässerin? mutiert bin. Zum anderen, weil ich nichts lächerlicher finde als diese Sprachverstümmelung zugunsten einer pseudo-gleichberechtigten deutschen Welt. Weil ich die Dinge im Großen und im Realen geändert sehen will. Dass es heute die Einzelhandelskaufrau gibt, ist sicher schick. Mehr nicht. Und es ist völlig unwichtig in meinem Wertesystem, denn es hat bis heute nichts an der Tatsache geändert, dass sie bei gleicher Qualifikation weniger verdienen wird als ihr hosentragender Kollege. In den allermeisten Fällen nämlich. Immer noch. In Deutschland. Deutlich: auf die Endung –kaufrau pfeife ich, wenn der Rest – nämlich das große Ganze – im gleichgeschlechtlichen Miteinander nicht gleichberechtigt klappt.

Und immer noch zu selten klappt das leider im deutschen Journalismus. Obwohl er ja komischerweise fast täglich irgendwie über Feminismus, Gleichstellungsgesetzte etc. schreiben muss. Aber mit der konsequenten Rückkoppelung zum eigenen täglichen Geschäft, stehen sie sich andauernd im Weg. Es ist einfach eine Qual heute noch lesen zu müssen, wie unendlich schwer sich Journalisten – egal ob inhaltlich oder im reinen Sprachgebrauch – immer noch on the job mit Gleichstellung tun. Das ist natürlich ein Entwicklungsprozess, der sicher nach all den Jahren männlicher Schreibtischdomäne schwer fallen muss, aber können sie nicht mal so tun als würden sie ihn selbstbestimmt gehen? Das ist doch eine mediale Einbahnstraße. Z. B. heißt Bundeskanzlerin Merkel, so wie ihre Vorgänger Bundeskanzler Schröder oder Kohl in den Artikeln hießen. Wir wissen ja alle mittlerweile, dass sie Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt, verschont uns als mit dieser journalistischen ungelenken Höflichkeit. Damit kann die schreibende Zunft nur lächerlich wirken. Bringt Fakten. Und technikgeileafine Frauen sind Fakten. Das ist Real Life 1.0.

Die Süddeutsche hatte in ihrem nächsten Beitrag zum iPhone humorvollen weiblichem iPhone-Content gebracht. Gleich im ersten Absatz durfte eine Frau namens Liz auch stundenlang in der Schlange stehen und iPhones kaufen. Hach, was war ich entzückt (vor allem über das Video!) [ironie tag off]

Ein Kommentar auf mein Geblöke fand ich übrigens ironisch gelungen: @creezy – Das ist der richtige Geist. Wo überdrehter Konsumismus zelebriert wird, da will und darf eine Frau nicht abseits stehen. Das fällt schließlich in ihre Kernkompetenz.

Gut erkannt! Und glaubt mir: Ich weiß genau was ich nehmen würde, müsste ich zwischen einer Einladung zum Abendessen mit Brad Pitt oder einer Hasselblad H3D-31 entscheiden.

Bis dahin ab sofort nur noch: die Salzstreuerin!

9 comments:

Narana hat gesagt…

.

Anonym hat gesagt…

Beim Tennis (hab vergessen wo, oder war es generell?) bekommen jetzt erstnals Männer und Frauen das gleiche Preisgeld.

Maren hat gesagt…

Recht hast Du,- und irgendwann wird es auch (hoffentlich) der letzte Depp kapieren, das er keine Angst vor klugen Frauen haben muss. Die Hoffnung stirbt zuletzt, oder wie war das??

Anonym hat gesagt…

aber aber..

"Wir wissen ja alle mittlerweile, dass sie Bundeskanzlerin Angelika Merkel heißt,"

sie heißt doch aber angela.. :P
*klugscheißmodus aus*

ansonsten, bravo :-)

maike

tyndra hat gesagt…

es ist - je nach eigener stimmung - komisch bis traurig, dass leserInnen auf schräglagen in der berichterstattung aufmerksam machen müssen (können, sollen, dürfen). im jahr 2007. was allerdings womöglich noch schlimmer ist: es gibt so unglaublich viele menschen, die den kern der debatte bis heute nicht erfasst haben.

Anonym hat gesagt…

Das mit dem Preisgeld ist ungerecht.

Die Männer spielen bei den Grand-Slams auf 3 Gewinnsätze, Fraun nur auf 2. Ist das die Gleichberechtigung, die Frauen wollen?

creezy hat gesagt…

@maike
Danke! Ich nenne die übrigens wirklich immer so (sollte hier natürlich nicht so sein), weil ich mit dem zweiten Namen auch Angela heiße. Und das geht also so schon mal gar nicht. Außerdem sieht sie orgiginal wie Angelika aus … ich habe es korrigiert.

Die anderen Antworten kommen morgen, bin müde … ,-)

Anonym hat gesagt…

auch wenn ich seit jahren in der männer und frauenwelt dafür belächelt werde, plädiere ich sehr wohl auf eine möglichst sensible sprachwahl. nicht nur, aber auch bei diesem thema. denn mit der sprache fängt es immer an. man denke nur daran, dass es früher "frau doktor" oder "frau pastor" hiess, obwohl die damen nur mit solchen verheiratet waren. sicher ist der "kontoinhaber" keine wirklich wichtige baustelle, aber bedenkt man, dass es bis in die frühen 70er Frauen nicht gestattet war ein eigenes Konto zu eröffnen, ist es eben schon ein anderer blickwinkel.

es gibt sprachliche verstümmelungen die schwachsinn sind, aber so lange es eine weibliche entsprechung gibt ohne die sprache zu verbiegen, versuche ich sie zu verwenden.

ach. zum artikel: .

Anonym hat gesagt…

Also den letzten Kommentar finde ich zugegebenermassen auch aeusserst amuesant, zumindest die Formulierung hat was.

Zum Artikel ansonsten: .

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