Gonzine (aus Gonzo und creezyine)
Montag morgens um 7.30 Uhr nicht ganz wach unachtsam Rad zu fahren, ist eine Sache.
Auf einen zweiten Radfahrer zu treffen, der genauso pennt, eine andere.
Als einzige von beiden Pennnasen zu unterliegen und das eigene Knie auf dem Asphalt auftrumpfen zu lassen, ist blöd und macht man wohl nur einmal im Leben.
Mit den Verletzungen auf dem Rad von Tempelhof in den Friedrichshain zu fahren und Treppen in den dritten Stock zu steigen, ist tapfer.
Vor allem wenn man noch an der Unfallstelle erstmals im Leben denkt (zwei Sekunden nachdem man dem Unfallpartner gegenüber noch tapfer behauptet, das mit dem Knie sei nicht so schlimm und weiter schickt), „das wäre jetzt gut, wenn einer den Krankenwagen rufen würde.“
Nach fünf Minuten hinter dem Schulungsrechner zu sitzen und zu denken, „Du solltest jetzt zum Arzt gehen, sonst fällst Du hier in Ohnmacht“, ist dann aufgrund der Schmerzen nur logisch.
Wochenlang mit den Konsequenzen aus der Reaktion des Knies, aufgrund des Asphalt-Triumphes (härter als Knie), leben zu müssen, kann man getrost als „die Rechnung bezahlen“ bezeichnen.
Wenn man nach knappen zwölf Wochen vom Arzt die Erlaubnis erhält, ab sofort auf die (sehr geniale) Flexi-Schiene verzichten zu können, die das Knie daran hindert über einen Winkel von anfänglich 45, später 75 Grad gebeugt zu werden, damit die Seitenband- und Patellasehnen- als auch Patellarupturen „heile heile Gänschen“ machen können, dann ist man schon glücklich. Weil nämlich, dann hat man es so gut wie hinter sich. (Glaubt man jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch.)
…
creezy, Gonzo-Aktivistin, tat zwei Tage nachdem die Schiene ab war das, was sie auch vorher mit Schiene tat, in regelmäßigen Abständen die Wohnung putzen. In dem Moment in dem sie den Flur wischte, rutschte sie dieses eine Mal aus und weil sie das an der schmalsten Stelle des Flures tat, an der creezy, während sie auf den Allerwertesten rutschte, nicht mit den Beinen durch irgendeine der Türöffnungen zielen konnte, tat creezy, was man dann eben so tut. Sich klein machen und die Umgebung anpassen, d.h. heisst: Beine anziehen. Bis an den Podex ran. Also durchziehen.
Was ein Kniegelenk, welches gute zwölf Wochen lang relativ steif in einer Position gehalten wurde die man nur schwach gebeugt nennen kann, wie ich bei dieser Aktion bemerken konnte (nicht, dass ich vorher auch nur einen Moment daran gezweifelt hätte) garantiert nicht zu tun wünscht, ist, durchgezogen zu werden. Mit einer der Gründe, weshalb man nach solchen Phasen der Ruhigstellung üblicherweise eine angemessen lange Physiotherapie erhält.
Natürlich ist das, was ich praktiziert hatte, ein äußerst formidabler und effizienter „sind-die-Innen-und-Außen-Bänder-und-die-Patella-Sehnen-denn-wirklich-wieder-schön-reissfest-angewachsen?“-Test. Ich hätte allerdings einfach darauf vertraut, als es auszutesten. Es war ein bisschen wie den Wagen von 0 auf 100 in 0,2 Zehntelsekunden bringen zu wollen, aber den V8 anstelle mit Super mit Diesel und Zuckerzusatz getankt zu haben: es fetzt.
Der Moment des Schmerzes war … besonders. Um nicht zu sagen … einzigartig. Direkt nach dieser Gonzo-Aktion saß ich, das Knie war sehr schnell wieder nach vorne geschnellt, gefühlte zehn Minuten lang auf dem Boden und dachte … nichts. Ich sagte … nichts. Da war ein Schmerz, der sich als alle bisher in meinem Leben gehabten physischen als auch psychischen Schmerzmomente (und es gab einige) in eine einzige Zehntelsekunde komprimiert gepackt mit einer Zehnerpotenz versehen, beschreiben lässt. Ganz kurz. Aber an Intensität nicht zu übertreffen. Es blitzte in meinem Gehirn nur so als die Synapsen sich mit ihren Meldungen überschlugen. Drei Tage später, als ich von dem Trip wieder runter kam, wußte ich, dass Schmerz einen problemlos wahnsinnig machen kann, von einer Sekunde zur anderen. Das weiß man aus Folterbeschreibungen, das aber nachfühlen zu können, ist die nächste Dimension. Spannend. Unnötig. Ulkig, weil in dem Moment Körper und Geist sich getrennt anfühlten und ich eine Sekunde lang das Gefühl hatte, jetzt nimmt der Geist Schaden.
Nach gefühlten zehn Minuten fing ich an zu heulen, dachte aber immer noch nichts. Irgendwann sehr viel später poppte in meinem Gehirn das Wort „Scheiße“ hoch. Grell und bunt. Laut. Mit Ausrufezeichen. Dem Knie ging es übrigens gut, wurde zwar etwas dick, hatte aber die Reissprobe locker bestanden.
Mir fiel dieser Moment vor zwei Tagen ein, als ich einen strengen Schmerzmoment vor dem Kühlschrank hatte. Kein Mitleid! Rechte Bewegung beim Öffnen der Kühlschranktür (unschuldig) seitens creezy (schuldig, weil generell Arm- und Oberkörpermuskulatur gerne vernachlässigend). creezy (doppelt schuldig, weil wissend: zu viel Schreibtisch, sitzen, ungeeignetes Sitzmöbel) fühlt, die Sehne in der Schulter rutscht irgendwohin, irgendwo rüber, irgendwo rein, fühlt sich eklig an und der Schmerz zuckt durch den Körper, fieser Schmerz, setzt sofort Erinnerungen frei … und fühlt sich gleich gar nicht mehr so schlimm an im Vergleich an die Erinnerung vor ca. 4 Jahren.
Egal: nicht nachmachen!
17 comments:
Wünsch Dir dennoch einen schönen Sonntag, und dass Dir demnächst solche bösen Feedbacks an die Sache mit dem Knie erspart bleiben. Hört sich ja grauenvoll an!
Heile, heile!
Aber ich stimme zu: Schmerzen sind durchaus ein interessantes Thema. So höllisch wie die beschriebenen hatte ich sie zwar noch nicht (danke auch, man muss nicht alles selbst erlebt haben), erinnere mich aber noch sehr gut an einen Verbrennungsschmerz und die Verwunderung, wie dieses Gefühl anscheinend die ganze Welt schlucken kann, alles andere komplett ausschalten.
Testkommentar, weil es anscheinend mein Blogger-Kommentarprofil zerschossen hatte...
(Bitte gerne löschen.)
Beim lesen steigt das Unwohlsein und am Ende sitzt man da ... ich wäre in Ohnmacht gefallen. Ungelogen.
uha. grade gingen mir beim lesen automatisch alle finger in eine etwas überspannte streckhaltung und die fingernägel haben sich leicht aufgerollt. deutlich empfundenes beileid! gute besserung! (du hast das seeeehr, ähm, nachvollziehbar beschrieben)
oooh ich weiss was du meinst - ich bin knie-op-kreuzbandriss-erprobt. mächtig erschreckt hast du mich, ein glück war das keine schilderung akuter ereignisse... was lernt man daraus? man wird nich jünger... *duck*
liebe sonntagsgrüsse!
(und bitte um sorry für den doofen unsensiblen kommentar, noch nicht wach. ein punkt wär wohl besser gewesen diesmal...)
autsch, das tut ja schon beim lesen weh.
Oha, das hört sich wie eine wirklich extrem Schmerzerfahrung an *grusel
Erstaunlich aber, dass immer, wenn ich denke, DAS war jetzt der ultimative Schmerz, kommt doch noch ein "besserer". Ich hoffe, mein letzterlebter ist nicht mehr zu toppen.
Gefühlsmässig passt da Ihre Schilderung auch....
ein beitrag, den man nur mit sonnenbrille lesen kann.
gute besserung für die schulter!
Autsch.
*Pust*.
*Trösttätschel*
P.S.: Die Abfrage ist "gozoh". Nah dran...
Aua, das erinnert mich zu sehr an meine diversen "Kampfaktionen" gegen meine Anatomie. Gerade diese Blitzschmerzen sind voll eklig - weil verzichtbar.
Was mich aber freut: "heile heile Gänschen" - das habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört. Schön das es noch jemand kennt....
oh frau creezy, die story las sich so böse, dass ich sie nicht zu ende lesen konnte. mir schauderte furchtbar. geht es ihnen inzwischen wieder besser? sie ärmste! eine rasche schnelle und gute besserung.
bibber
oh dear!!! ich habe heute schon bei kirsten von Schmerzen gelesen und nun noch die creezy ... *megatröst*
Hoffentlich geht's inzwischen besser? Ich drücke die Daumen.
Hoffentlich ist heute beinah alles wieder gut! Mein Tip für die Zukunft: Schulterfraktur unbedingt vermeiden. Falls das nicht gelingt und die Kassen pleite gehen: ich hab die 9 Schrauben und die Platte in einem Tütchen eingeschweißt in der Schublade und kann sie bei Bedarf günstig abgeben. Passen in jedes größere Gelenk.
Du liebe Zeit, Frau creezy! Das ist ja haarsträubend! Wenigstens haben sich die Bänder als wieder reißfest angewachsen erwiesen und weiteres Ungemach ist Ihnen erspart geblieben!
Blitzschmerzen sind bestimmt fies. Chronische sind es aber auch. Letztere kenne ich leider allzu gut. Schmerzen sind überhaupt total unfair.
Ein merkwürdiges Phänomen hingegen ist das Unfallgegner-Wegschicken. Was für ein Reflex ist das denn? Ich hab das auch mal gemacht, ebenso reflexartig - und es bereut, weil doch mehr Schäden davongetragen als ursprünglich gedacht. Wie kann man im Schock nur so sicher sein, die Situation richtig beurteilen zu können?
Wohlsein wünsch ich Dir und Deinen gebeutelten Gelenken!
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Fröhlich sein, freundlich bleiben und bitte immer gesund wieder kommen!
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