2007-06-17

Der Biometriepass ist im Bundesrat durchgewunken

und es ist nahezu erstaunlich ruhig in der deutschen Blogger-Szene. Gut, sind alle noch entrüstet wegen flickr, klar. Ist ja auch wichtiger. Wir Bundesbürger können in Kürze für unseren technisch hochgerüsteten Ausweis lächerliche € 60,– hinlegen (das sind umgerechnet immerhin 120,– Deutsche Mark für ein Pflichtdokument!) Das ist aber auch nur der eine Nachteil. Und der ist lächerlich gering, im Vergleich zu dem was noch auf uns zukommen wird mit diesem lustigen Dokument.

Ich möchte aufgrund der Verabschiedung noch einmal auf einen passenden, wenn auch älteren Blogeintrag beim Spindoktor hinweisen, der sich auch mit den möglichen unangenehmen Konsequenzen eines solchen Ausweises für den „Ich-habe-ja-nichts-zu-verbergen-“Bürger auseinandersetzt. Das mit der Skepsis im Bundestag hat sich natürlich erledigt, wissen wir inzwischen. Der Bundesrat jedenfalls war diese Woche restlos überzeugt. Das ist bei dem kompetenten Consultant Otto Schilly kein Wunder, für den die Verabschiedung übrigens nicht nur reiner Image-Gewinn ist. Haben wir wohl auch alle als untergeordnet betrachtet, anlässlich gewisser Schröder-Gasprom-Schmusereien. Neuland für den Bürger. Wann lernen wir endlich ein Politikerimage von deren kommerziellen Seite her zu betrachten?

Der Chaos Computer Club hat eine sehr deutliche – und das sollte man nicht vergessen – auf einer hochgradig technischen Kompetenz basierende Meinung und sagt: Boykottiert das Ding! Und darüber sollte man ernsthaft nachdenken, wenn man das liest: […]Der Hauptlieferant der Fingerprint-Scanner für die deutschen Reisepässe, die Hamburger Dermalog, ist tief in Polizei- und Justiz-Korruptionsskandale in Indonesien verwickelt. […]

Die Niederländer haben den Testlauf durch und nicht unbeschadet überstanden. Merke: Nichts ist schneller gehackt, als das was von Anzugträgern mit Politikerbutton am Revers als sicher bezeichnet wird.

13 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Schon letztes Jahr hatten wir einen Biometrie-Pass bekommen - da waren dann "biometrische Merkmale des Ausweisfotos" abgelegt. Und damals war ich zu langsam, ich hab nicht vorher einen alten beantragt (die bleiben ja gültig), sondern einen solchen neuen. Und mich mächtig über diesen Überwachungsstaat und die Dummheit der Bevölkerung, ausgerechnet die Begründung mit Terrorismusgefahr zu schlucken, geärgert.

Abgesehen davon, dass der Pass gehackt werden kann (dies kann man durch eine Alu-Ummantelung verhindern) ist die Richtung einfach gefährlich: einen voll digitalisierten Bürger überall verfolgen, die wenigsten machen sich Gedanken was das heisst. Als selbst ein sicherer Pass hinterlässt in Staatsinstitutionen Spuren, die dort nichts zu suchen haben. Sind die Hacks erstmal im Umlauf, kann jeder windige Gebrauchtwagen-Verkäufer meine Identität mit den Datenbanken des Schwarzmarktes (Krankengeschichte, Finanz-Gebahren, unterhaltspflichtige Kinder usw) abgleichen - ein Horror.

Man sehe sich nur mal die Demos an: wenn 100 Leut in Berlin zusammenkommen ist das schon viel. Woanders sind es nichtmal soviele, dass es als Demo wahrgenommen wird. Da fragt man sich, was trauriger ist: dass so rasanter Demokratieabbau passiert, oder dass sich keiner ernsthaft darüber aufregt?

Anonym hat gesagt…

Ich hab jetzt mal ein bißchen rumgesucht. Aber die aktuellste Nachricht zu diesem Thema ist vom 25.5 in der SZ, in der es darum geht, dass der Bundestag die Biometrischen Pässe genehmigt hat. In anderen Zeitungen finde ich (über die Suche) absolut nichts aktuelles.
Das soll wohl auch irgendwie untergehen?

Anonym hat gesagt…

Die Ausweise/Pässe dienen doch nur zur eindeutigen Identifikation und schnellem Abgleich mit Datenbanken. Auf den Dokumenten gibt es keinen Speicher, der andere Angaben als die biometrischen Merkmale enthält.

Das ist bei der Gesundheitskarte anders. Die wird einen Speicher für Medikation, Notfallangaben, Organsoender, usw. haben. Mit der Ausgabe werden da auch die Begehrlichkeiten wachsen, was man da alles draufpacken könnte. Die Preise für solche Speicherchips sinken ja täglich.

Zusätzlich sollen irgendwann alle Gesundheitsdaten online auf zentralen Datenbanken gespeichert (elekronische Patientenakte) werden inkl. Röntgenbilder und HIV-Tests, usw.

Es wird mehr als 200.000 Heilberufe-Ausweise geben, die diese Daten abfragen können. Erheblich mehr Abfrageterminals als bei den Biometriepässen. Wie sicher ist das?

Interessiert niemanden.

Anonym hat gesagt…

Hmm... wenn man wie der CCC fordert die Abnahme der Fingerabdrücke boykottiert, dann heißt das doch, dass man dann eben keinen neuen Ausweis bekommt oder? Und wenn der alte Ausweis ja dann abgelaufen ist, kann man sich dann doch nicht mehr ausweisen - was passiert dann? Reisen außerhalb Deutschlands kann man doch dann z.B. vergessen? Und auf bestimmten Ämtern, kommt man dann auch nicht weiter ... wie soll das also gehen zumal ja gesetzlich eine Ausweispflicht besteht?

creezy hat gesagt…

@truetigger
Meiner Meinung nach: letzteres!

@danii
Was beschlossen ist … ;-) Es war Thema in einigen Nachrichtensendungen. Typisch mal kurz vorm Sommerloch vom Tisch.

@anonym
Ja, aber die Steigerung ist ja bereits beschlossene Sache: „später Fingerabdruck“ und was kommt noch später? Mein genetischen Profil? Die Chipkarte der Krankenkasse (und oh ja, ich habe die auf dem Plan!) ist ja ein sehr sehr gutes Beispiel dafür, was erst mal abgeht, wenn der Einstieg geebnet worden ist.

@liisa
Nun, erst einmal kann man jetzt noch schnell seinen Ausweis als verloren melden und sich einen alten besorgen. Jetzt. Gleich. Dann ist man erst einmal ein paar Jahre versorgt. Zu Deinen anderen Fragen: was passiert wenn der elektronische Reisepass einen Defekt im Chip hat? Wem wird dann u.U. Manipulation an einem behördlichen Dokument vorgeworfen? Wie wirst Du möglicherweise bei Kontrolle in einem Land außerhalb Deutschlands unter diesen Umständen behandelt? Was passiert mit Dir, wenn unbefugte Dritte sich an dem Dokument vergreifen?

Anonym hat gesagt…

@anonym: "keine relevanten Daten" - also Fingerabdrücke, die bisher nur von Verbrechern oder US-Touristen genommen wurden und jetzt von jedem Menschen auf dem Pass bereitstehen, find ich schon sehr bedenklich Richtung gläserner Bürger.

Ganz besonders, wenn man Identitätsklau (in dem Fall: den RFID auf dem Pass kopieren und fälschen, was möglich wär wenn man die Verschlüsselung hackt) mal zu Ende denkt: dann kann ein Krimineller mit *meinen* Fingerabdrücken herumlaufen, und ich komm in schwere Erklärungsnot.

Du hast recht, es ist nicht die ganze Krankengeschichte auf dem Chip selbst, aber wohl ist mir da dennoch nicht.

Anonym hat gesagt…

ich habe ja damals meinen alten reisepass "aus versehen" mit der waschmaschine gewaschen und mir noch schnell einen "alten" 10 jahre gültigen reisepass geholt. beim perso steht die frage wieder an.

warum es so ruhig ist in der bloggosphäre? weil die aufregung darüber schon beim reisepass durchlaufen wurde. was natürlich kein grund ist, jetzt die füsse still zu halten.

zum thema gesundheitskarte: die droht zum glück zu einem neuen grossen IT-megaflopp zu werden (wie die Maut, neue Software für die Bundeswehr oder Digitalfunk für die Polizei) - alles milliarden (!)-gräber. gut die maut läuft heute. und das ist genau der grund, warum man sich auch gegen die gesundheitskarte wehren muss!

Anonym hat gesagt…

Wehren? Gegen die Gesundheistkarte?

Das Ding ist verabschiedet, die Aufträge sind raus. Pilotregionen laufen schon.

Wer dann irgendwann keine hat, wird nicht behandelt. So einfach ist das,

Anonym hat gesagt…

Stimmt, das läuft irgendwie so ein wenig am Rande mit. Ich frage mich auch, warum dies so locker akzeptiert wird. Wie lange hatten sich bisher angeblich fälschungssichere Dinge gehalten? Ob es die damals neuen D-Mark Noten, EURO oder Personalausweise waren, immer war es sehr schnell vorbei mit der Herrlichkeit. Und die Kröte RFID muss dann auch noch mit geschluckt werden. Soll die Kontrolle bei der Ein- und Ausreise beschleunigen, soso. Wie viele Sekunden werden gespart, wenn ich den Pass nicht kurz zur Kontrolle aushändige - in Relation zum Gesamtprozess z.B. an Flughäfen? Macht nur dann Sinn, wenn ich ab und zu heimlich kontrollieren will.

Hmm ... ich könnte mich als Steuerzahler mit ein wenig gutem Willen als Arbeitgeber der Politiker verstehen. Darf ich dann auch über Lockerung des Kündigungsschutzes und verlängerte Probezeit für Politiker nachdenken ;-)?

Anonym hat gesagt…

Als man vor Wochen drauf hinwies, hat auch noch keiner reagiert... Die Dame im Bürgeramt meinte ja netterweise: Kommse vor November!

Übrigens ist es beinahe unmöglich, hier Kommentare abzusetzen. Bloogle mag mich wohl nicht und schmeißt mich immer wieder raus. Vielleicht sind antviller nicht genehm?

kopfkratzt nullzeitgenerator (anonym)

Anonym hat gesagt…

@anonym (15:59, weiss ja nicht, ob alle anonymen hier dieselbe person ist):

also, bis das ding so im einsatz ist, dass niemand ohne sie auskommt - sprich behandelt wird, vergehen sicher noch 5-10 jahre. bis dahin kann man sich schon "wehren". zum beispiel gegen bestimmte ausprägungen der karte. ich lehne so eine karte nicht grundsätzlich ab. aber sie sollte sinnvoll genutzt werden und dem gebot der datensparsamkeit genügen und die datenhoheit beim bürger belassen.

über die von mir erwähnten schwierigkeiten, trotz "verabschiedung und tests" lässt sich hier wunderbar nachlesen.

Der_grosse_Transzendentale_Steini hat gesagt…

Kleine Anmerkung: Der Reisepass ist kein Pflichtdokument. Ich brauche ihn nur, wenn ich ins außereuropäische Ausland reisen will. So kann ich wenigstens noch verzichten, wenn mir wirklich etwas daran liegt. Viel spannender wird es, wenn der Personalausweis biometrisch wird. Kann nicht mehr lange dauern und dann erkennt dich irgendwann wirklich jede Kamera in der U-Bahn. Das wird mal richtig geil... Ich glaube, dann wird es selbst mir mulmig.

creezy hat gesagt…

@steini
Ja, aber die aktuelle Verabschiedung betrifft unseren normalen Perso ;-(

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