2006-10-24

one step back

Gestern habe ich mich mit Freund microbi getroffen und wir haben unsere übliche Runde durch die Foto- und Kunstgalerien der Spandauer Vorstadt (Berliner Mitte) gemacht. Das erste Mal nach drei Monaten. Vor vier Wochen war ich noch nicht so weit. Ich konnte bis jetzt nur gelegentlich ins Grüne, einmal ins Kino – aber der Film war ausgesucht, ganz leise. Viele Menschen, übertrieben lustige Menschen sind mir noch suspekt und passen zur Zeit einfach nicht in mein Leben. Einmal war ich mit einer Freundin fast den ganzen Tag in Kaufcentern unterwegs – ich habe mich gefühlt wie ein Alien. Sehr fremd.

Sehr viele Dinge sehe ich plötzlich ganz anders. In allen Bereichen. Fotos, von mir vor vier Monaten gemacht und die ich ganz großartig fand, empfinde ich jetzt als nutzlos und leer. Der Blick auf Fehler ist ganz klar geworden. Ganz langsam kommen meine Empfindungen zurück. Ich erinnere mich auch zunehmend wieder an Dinge aus der jüngeren Vergangenheit. Ich konnte direkt nach der Nachricht und noch Wochen danach mich nicht daran erinnern, wie ich z.B. im letzten Jahr mit ihr Geburtstag oder Weihnachten gefeiert hatte. Das war alles weg. Ausgelöscht. Worte sind auch weg. Ich habe immer noch Konzentrationsstörungen und mir fehlen sehr oft die Worte. Das Gehirn hat sich so drastisch verschlechtert. Langsam kann ich auch wieder Menschen wahr nehmen. Ihnen in die Gesichter gucken. Ich fürchte, alles was mir Freunde vor einem oder zwei Monaten erzählt haben, müssen sie mir noch einmal erzählen. Das ging alles durch mich durch. Lustig sein, fröhlich sein, interessiert sein – alles eine Farce.

Erstmals wieder Kunst. Nach drei kleineren Galerien hatte ich eigentlich genug. Es fällt schwer, sich der Intensität der Bilder einfach hinzugeben, nichts bewegt mich mehr so einfach und unvermittelt, wie es noch vor drei Monaten passiert wäre.

Der Tod der Mutter verändert alles auf so unglaubliche Weise und in allen Dimensionen. Der Schock des so unvermittelten Todes reisst einem wirklich den Boden weg. Ja, das trifft es, ich hatte die letzte Zeit keinen Boden unter den Füssen, bin auf schwarzer Leere gewandelt.

Freitag hat mich ein Freund als Begleitperson für seine Klasse in die Oper eingeladen. Ich wollte eigentlich absagen. Ich werde nun aber doch hingehen und mich versuchen zu freuen. Ich kann mich gerade nicht erinnern, ob ich auch mit ihr in diesem Opernhaus war. Ich war's bestimmt, ich war früher so oft im Ballett. Aber an die Male mit ihr kann ich mich auch nicht erinnern … was ist das bloß? Kommt die Erinnerung je wieder?

7 Kommentare:

Melody hat gesagt…

Es wird wieder besser *versprochen*.

silli hat gesagt…

mach so wie du dich fühlst. ich kann dich so verstehen. ich kenne dieses gefühlt. ich musste damals einfach aus dem kino raus oder im cafe wo es laut und eng war..

alles hat seine zeit. mir geht es heute auch wieder gut und ich kann gar nicht genug von neuen leuten bekommen etc.

lass dir zeit zum verdauen. es kommt immer mal wieder....aber es lässt jedesmal einwenig nach

Anonym hat gesagt…

Das stelle ich mir sehr schwer vor, wieder so langsam zurückzukehren. Für einen selber hat die Welt ja erstmal aufgehört, sich zu drehen - und draußen geht sie einfach so weiter. Ich wünsch Dir ganz viel Kraft; und Zeit solltest Du Dir nehmen, so, wie Du sie brauchst.

Anonym hat gesagt…

Ich finde es sehr beruhigend, dass du dir die Zeit für die Trauer nimmst, die du brauchst. Du gehst behutsam mit dir um, das ist das wichtigste im Moment.

creezy hat gesagt…

@melody
Und wehe nicht! ;-)

@ihr alle
Danke, so schöne Worte! Vielen Dank Euch! Und ja, Behutsamkeit ist wohl das Wichtigste zur Zeit.

Anonym hat gesagt…

ja, selbstverständlich kommt die Erinnerung wieder...mein Mitbewohner der Herr Th. hat seine Mum vor 2,5 jahren verloren ! Drüber hinweg ist man zwar nie, aber man lernt damit umzugehen. Also laß dich nicht unterkriegen - nettes Blog ...

creezy hat gesagt…

@bloggender Teddybaer
Na gut, wenn Dein Mitbewohner das aus eigener Erfahrung sagt, dann werde ich Euch das mal glauben. Merci!

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