2006-02-26

Mir ist übel!



Da gibt es britische Ärzte, allen voran ein Mediziner namens Simon Conroy, die plädieren ernsthaft dafür, Bewohnern von Altenheimen bei z.B. einem Herzinfarkt keine Reanimationsmaßnahme mehr zu gewähren. Die Erfolgschancen bei einer Herz-Lungen-Wiederbelebung in einem Altenheim seien im Vergleich zu den Erfolgsquoten in Krankenhäusern zu gering.

Die Idee: Heime zu schaffen, in denen keine Wiederbelebungs-
maßnahmen angeboten werden. Die Heiminsassen werden im Vorfeld darüber informiert. Das Personal mit ihrer Spezialausbildung kosten Geld und dieses könnte an anderer Stelle der Qualitätssteigerung dienen. Sarkastisch vermute ich mal, die sollen verstärkt dem schwachsinnigen Verwaltungskram Herr werden, der Heimen oder Krankenhäusern seitens der Kassen aufgedrückt wird.

Im Endeffekt heißt das aber, solche Heime wären günstiger zu beziehen als andere Seniorenheime. Das heißt wiederum, in diesen Heimen wird man verstärkt arme Senioren vorfinden, die u. U. dem Staat deutlicher zur finanziellen Last fallen, als es vermögende Senioren tun. Die im Vorfeld keine freie Wahl mehr darüber haben werden, ob sie ihr Leben länger leben möchten.

Nicht sterben, weil man im Endeffekt alt oder krank ist. Sondern früher sterben, weil man kein Geld hat.

Ich bin sicher keine Freundin des Gedankens ewig dahin siechen zu müssen, wenn ich alt bin. Aber es gibt dann doch noch genügend Senioren in guter Konstitution, die nach einem Herzinfarkt weitere schöne und für sie lebenswerte Jahre leben könnten. Und die soll ein Arzt, der einmal einen Eid geschworen hat, einfach sterben lassen, weil sie zufällig in Seniorenheim † leben?

Mir ist schlecht.

Wir erinnern uns: Großbritannien ist das Land, dessen vielgelobte Gesundheitsreform unserer zugrunde liegt. Großbritannien ist das Land, das sich rühmt mit seinen Reformplänen mehr als 5 % Einsparungen im Gesundheitssystem durchgesetzt zu haben. Großbritannien ist das Land, in dem heute ein z.B. an einem frühzeitig diagnostizierten Lungenkarzinom erkrankter Patient sechs Monate auf eine Operation warten muss. Und wie das Geld spart, wenn die Patienten ihre erste Chemotherapie gar nicht mehr erleben.

Möglicherweise sollten wir unsere deutschen Ärzte gar nicht mehr ganz alleine demonstrieren lassen!

4 comments:

Anonym hat gesagt…

England ist das Land, das immer genannt wird, wenn die deutschen Ärzte mehr Einkommen verlangen. Vuelleicht sollte man mit Patienten demonstrieren und nicht zusammen mit Ärzten?

Wolf hat gesagt…

Natürlich kann man die angelsächsische Philosophie (Utilitarismus) so leben: nur der größte gemeinsame Nutzen ist etwas wert. Aber es ist die verfasste Ärzteschaft Deutschlands, die KBV und der Chef dieser Ehrenwerten Gesellschaft Koehler, die mit glänzenden Augen auf die Honorare in England starren. Wir haben das beste Gesundheitssystem der Welt (trotz aller Fehler von denen ich eine Menge kenne). Es lohnt sich für dessen Erhalt und positive Ausgestaltung zu kämpfen. Es liegt schon auch in der Hand von Ärtinnen und Ärzten ob das mit ihnen oder gegen sie geschehen muss.

creezy hat gesagt…

Eben, es lohnt sich sehr dafür zu kämpfen. Und es lohnt sich daher auch für die Ärzte zu kämpfen, die über ihre von den Kassen genehmigten Fallzahlen im Quartal hinaus Patienten behandeln, weil es ihnen schlecht geht oder Patienten die Medikamente verordnen, die die benötigen und nicht nur die, die die Kasse ihnen zugesteht – und das obwohl der Arzt dann für diese verursachten Kosten zu haften hat.

Ich verstehe diesen Kompletthass auf die deutsche Ärtzeschaft ehrlich gesagt nicht. Ich sehe Ärtze Praxen schließen weil sie in die Insolvenz gerutscht sind. Ich sehe Ärzte neben ihrer Praxistätigkeit Notarzteinsätze schieben, weil das Geld hinten und vorne nicht reicht, um zu leben.

Aber natürlich kann man dem Volk weiterhin suggerieren, dass alle Ärzte Deutschlands im Schlaraffenland schwimmen, damit dieses Volk auch ja nicht darüber nachdenkt, welche Konsequenzen diese halbausgegorene Gesundheitsreform auf ausschließlich dem Rücken ihrer Gesundheit und ihrem Geldbeutel ausgeführt, haben wird und möglichweise dagegen aktiv würde.

Wolf hat gesagt…

Ach creezy, was soll denn die Klamotte mit der Haftung der Ärzte für Überschreitung des Medikamentenbudgets? Wer haftet denn wirklich wofür? Wieviel Ärzte haben wieviel bezahlen müssen? Wenn: was hätten sie denn bezahlen müssen? Also die Latrinenparolen sind kein Ersatz für eine qualifizierte Argumentation.

Kompletthass auf Ärzteschaft? Aber ja doch. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren Vorsitzender einen gewählten Volksvertreter "und Konsorten" kalt stellen will, also das verdient Abscheu, die Einordnung als kriminelle Vereinigung. Die KBV kann von Glück sagen, dass ich nicht die Rechtsaufsicht habe. Der Vorstand wäre nicht mehr im Amt. Und nicht umsonst distanzieren sich alle mir bekannten Ärzte von dieser Ehrenwerten Gesellschaft, ich habe trotz Suche weder einen Wähler gefunden noch jemanden von außerhalb, der diesen Verein auch nur achtet.

Das Schlaraffenland ist Ärzten weder versprochen worden, noch haben sie ein Recht sich über dessen Fehlen/Ausbleiben zu beschweren. Sie haben einen harten Beruf. Sie müssen viel arbeiten. Aber die Arbeitsbedingungen, unter denen die meisten mehr leiden als unter Geldmangel, die werden von Angehörigen des Berufs gemacht, da knechten Chef- und Oberärzte die Assistenten, da machen Professoren die Auszubildenden nieder, natürlich immer mit der Anrede "Kollege".

Dass die Gesundheitsreform sich gegen "die Bevölkerung" richte ist ein immer wieder von Ärztefunktionären und Journalisten bestimmter Couleur verbreiteter Unsinn. Fakt ist: mit zunehmend abnehmenden Einnahmen ist nicht alles so hoch zu bezahlen, wie manche sich das wünschen. Aber weiter dürften vor allem Ärztefunktionäre bestimmen, wie das vorhandene Geld verteilt wird. Und da wäre manche Beschwerde angebracht, da stehe ich uneingeschränkt an der Seite der Ärzte. Aber sie müssen schon selbst den Arsch hochkriegen und ihre Altvorderen zum Teufel jagen, soviel Selbsthilfe und Courage muss ich Akademikern in D zumuten dürfen.

Frohes Fest!

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