2025-01-16

Köstliches Mattinata, Teil 2

Viel habe ich euch berichtet über Mattinata, diese entzückende Stadt im Gargano im Norden Apuliens. Und ihrer traumhaften Umgebung, die je nach Jahreszeit einlädt zu einem Strandurlaub im glasklaren Wasser der Adria. Im Frühling (nicht nur) im Rahmen des Festivals Orchidays zu spektakulären Wanderungen in einer Ruhe spendenden Abgeschiedenheit mit tief beeindruckenden Zeugnissen der geschichtlichen Vergangenheit der Region. Oder deutlich belebteren Spaziergängen entlang der türkisblauen Küste. Zu jeder Zeit überzeugt Mattinata ihre Besucher*innen mit ihrer abwechslungsreichen Flora und Fauna und Düften. Hier sein zu dürfen, in der Zeit der Blüte der wilden Miniaturorchideen, sie kennenzulernen im Rahmen der Orchidays, das war mir eine besondere Freude.

Die kulturellen Ausflüge in dieser Stadt erzählen viel über ihre heutigen Bewohner und deren wirklich lange Geschichte. Auch die umliegenden Dörfer und Städte locken nicht minder mit ihren besonderen Geschichten und Museen.

Aber wir wären nicht in Apulien, müsste sich nicht noch ein weiteres Blogpost um die heilige Kunst aller Italiener drehen: die köstliche Küche mit ihren besonderen regionalen Spezialitäten. Die ausgezeichnete Küche des Restaurant Terrazza Blu Mare, das zum Hotel Residence Il Porto gehört, hatte ich euch schon vorgestellt. Die Küche ist exzellent! Das Restaurant ist auch dann voll, wenn in dem Hotel saisonbedingt noch nicht alle Zimmer ausgebucht sind. Wer in Mattinata lebt, geht hier sehr gerne essen – die Tische zur Mittagszeit und am Abend sind sehr gut belegt. Hier sollte reserviert werden!

Wo man in Mattinata den allerbesten Käse und frische Ricotta, Mozzarella und Stracciatella erhält – bei Gracia und Rafaele Devida – das wisst ihr bereits aus meinem ersten Blogpost zur köstlichen Küche Mattinatas. Daher nehme ich euch heute nochmals mit, dieses Mal in drei Restaurants von Mattinata, die für die typische apulische Küche bürgen, alle mit ihrem eigenen Charme servieren sie köstliche Gerichte und die dazu passenden Weine.


Terrazzo Matino

Ein Abendessen durften wir bei Matteo und seiner Familie genießen. In der Terrazzo Matino hat man in der wärmeren Jahreszeit von der Terrasse einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt. Wir blieben im April lieber drinnen und haben uns von zwei charmanten Damen zeigen lassen, wie man die typischen Orecchiette formt. Ein kurzer Workshop für uns, der Teig war schon fertig zubereitet.
Aber endlich Orecchiette selber zu formen, war mir dort ein großer Spaß unter der Anleitung der Profis.
Die Speisekarte der Terrazza Matino ist übersichtlich, die einzelnen Gänge kennen drei bis vier Gerichte. Nur das Angebot der Antipasti ist etwas größer. Köstlich: das geröstete Pane mit Cicoria, sahniger Stracciatella und frittierter Artischocke. Alle Gerichte, wie Orecchiette alla Matinese
oder die Polenta mit Sugo sind lecker und sehr eng den apulischen Traditionen und Produkten verbunden.
Natürlich auch das Dolce in einer rustikalen Hippe.
Matteos Steckenpferd ist seine Weinkarte. Über Wein kann man sich lange mit ihm unterhalten und einige gute Tropfen verkosten.


Trattoria dalla Nonna

Nach unserem wunderwunderwunderschönen Ausflug entlang der Küste des Gargano und unseren Besuchen der Bucht von Mergoli mit den Baia delle Zagare und der Bucht Vignanotica, durften wir bei Nonna in der Trattoria dalla Nonna speisen. Dieses Restaurant, das heute in der dritten Generation von ihren Enkeln mit großer Leidenschaft geführt wird, besticht durch seine Lage: Es liegt direkt am Strand der Adria.
Dass es fantastische Fischgerichte gibt, kann nicht verwundern. Der Clou ist die wie in einer Pescheria designte Fischtheke im Restaurant. Hier können sich die Gäste ihren Fisch, frische Tagesfänge natürlich, selber auswählen. Auch ein Becken mit Langusten ist zu bestaunen – oder dessen Inhalt zu essen.

In der warmen Jahreszeit sitzt man selbstverständlich auf der Terrasse. Da spürt man die Gicht der Adria und genießt den Fisch mit der traumhaften Aussicht auf das Meer. Schöner kann man kaum dinieren.
Oder auch wohnen, denn zu dem Restaurant gehört ein Bed & Breakfast. Das Frühstück ist typisch italienisch süß und einfach, die Stadt Mattinata liegt anderthalb Kilometer entfernt.
Haben wir hier gut gegessen! Parmigiana mit Gamberetti e Zucchini con burrata, Paccheri con Gamberetti rosa e carciofi (letzteres Artischocke, die Paccheri sehr al dente)
der Hauptgang, ein gefülltes mit Zucchini aufgerolltes Fischfilet mit Mandeln und Muscheln – und alles wunderschön auf klassischem Porzellan angerichtet.
Und getrunken. Der Weißwein, ein trockener Fiano di Casa Primis im biologischen Anbau, war so spritzig, wie köstlich, … dass wir uns hinterher erst einmal nicht mehr auf das Rad getraut haben.

Wir haben uns dort an diesem wunderschönen Ort mit dem feinen Mittagessen einfach zu wohlgefühlt, um nicht auch in den köstlichen Wein der Trattoria della Nonna tief einzutauchen.


La Vineria

Am letzten Tag durften wir unser Mittagessen in der Weinbar La Vineria, in der Via Vittorio Emmanuele III 2, zu uns nehmen. Für mich eine große Freude, denn das Restaurant mit seinen bunten Tischen und Stühlen auf den Stufen der hoch laufenden Straße, den Strohhüten an der Wand, den weißen Sonnenschirmen in der Gasse um die Ecke, ist mir schon bei unserem ersten Stadtspaziergang aufgefallen. Es hatte mir – obwohl zu dem Zeitpunkt geschlossen - alleine durch seine lebensfrohe Optik große Lust auf einen Besuch gemacht.
Nun dort auch essen zu dürfen, das war ein – zwar sehr eiliger – aber schöner Abschluss unserer Reise. Fave e Cicoria, Parmigiana di Melanzane, Cozze in einer tiefroten, deftig gewürzten Sugo und weitere Gerichte – heiß und aromatisch, gut gewürzt und wirklich lecker.
Der Mix zwischen der traditionellen Küche Apuliens, internationalem Streetfood und Fischgerichten überzeugt. Dazu die extrem charmante Einrichtung. Definitiv ein must go! in Mattinata!
Vegetarier können hier absolut auf ihre Kosten kommen. La Vineria zeichnete sich auch schon für unseren Aperititvo anlässlich der Olivenölverkostung mit Matteo Granatiero verantwortlich. Dass man hier die hervorragenden Weine aus Apulien genießen kann, dürfte bei dem Namen keine Überraschung sein – aber die hauseigene Cocktailbar ist hier Stadtgespräch!

Weitere Blogposts zu Mattinata und den Gargano

2025-01-14

Nur noch …

… zwei Heißluftfriteusenmarketingjahre. Und wir sind größenmäßig wieder beim normalen Umluftofen angelangt.

2025-01-13

Von Japan nach Deutschland – Berlins neue japanische Botschafterin Shino Mitsuko lud zum Empfang

Mein letztes großes Food-Event in Berlin 2024 war mehr als besonders. Besonders schön, es war besonders lecker – und besonders beeindruckend.

Oh! What a night!

Wir wurden zu dem ersten großen Empfang der neuen Botschafterin, Shino Mitsuko, in die japanische Botschaft eingeladen. Im November letzten Jahres überreichte Bundespräsident Walter Steinmeier ihr – übrigens als erste Frau Botschafterin Japans in Deutschland – die Ernennungsurkunde. „Von Japan nach Deutschland” lautete das Motto für ihren Begrüßungsempfang, der in der Größe und mit der Relevanz höchstens dreimal im Jahr so dort stattfindet.

Es war uns eine sehr große Ehre, eingeladen worden zu sein! Und ich persönlich habe mich sehr darüber gefreut, die japanische Botschaft endlich einmal von innen betreten zu dürfen.
Shino Mitsuko, Japanische Botschafterin in Berlin ©Selina Schrader

Botschafterin Shino Mitsuko

Shino Mitsuko ist 1987 in die Dienste des japanischen Außenministeriums eingetreten und hat eine große internationale Karriere über die Jahre genommen, mit Auslandseinsätzen in Deutschland, Polen, Italien, Island. In Island vertrat sie erstmals ihr Land als Botschafterin.

Ab 2019 war sie als Leiterin der Abteilung internationaler Kulturaustausch im japanischen Außenministerium, die Botschafterin für die Olympischen und Paralympischen Spiele in Tokyo 2020. Kein Wunder – mit diesem beruflichen Werdegang wirbt Frau Shino jetzt schon besonders für die EXPO, die in diesem Jahr in Osaka, Kansai stattfinden wird.

Ab Oktober 2022 arbeitete sie als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafterin der ständigen Vertretung Japans bei den Vereinten Nationen, bis sie nun zur neuen Botschafterin Japans in Deutschland für die kommenden drei Jahre berufen wurde.


Die Köchin in der Botschafterin

Dabei versteht sie die Zeichen unserer Zeit, denn das erste Signal, das uns zur Begrüßung gesendet wurde, war der Hinweis, dass die japanische Botschaft jetzt auch einen Account bei Instagram hat. Dort präsentiert sich Shino Mitsuko (der Vorname Mitsuko bedeutet übrigens „Kind des Lichts”) tatsächlich mit ihrer zweiten großen Leidenschaft: dem Kochen.

Ja, wir haben da eine Foodinfluencerin in der schönen Botschaft in der Tiergartenstraße, die uns mit ihrer Kochexpertise von über 30 Jahren zeigt, wie in Japan in den Familien gekocht wird! Wer auf dem Insta-Account sieht, wie sie sich anlässlich ihres Amtsantritts beim Bundespräsidenten im Kimono präsentiert, andererseits sie online volksnah aus der Küche Tipps vermittelt, wie man auch in Japan nachhaltig und mit praktischer Vorratshaltung kocht – den Spagat der japanischen Tradition nach Europa, den absolviert sie mit großer Begeisterung exzellent!

Perfekt versteht sie sich als Botschafterin der japanischen Küche, wie sie mit dieser Einladung unter Beweis stellte. Womit sie und ihr Team bei uns Teilnehmern dieses Empfanges: Gastronom*innen, Distributor*innen, Food-Journalist*innen und -Blogger*/-Influencer*innen stante pede unser Herz gewonnen hatte.
Frau Shino Mitsuko und meine Wenigkeit aus der Perspektive des über 2-Meter-Mannes ©Burkhard Maria Zimmermann

Vor allem hatte uns aber ihre uns gegenüber offene, herzliche und humorvolle Art sehr beeindruckt. Shino Mitsuko, das merkt man ihr bei jedem Satz an, hat so große Freude an ihrer neuen Aufgabe, so große Lust und Interesse an Deutschland und – nun vor allem sicherlich auch Berlin. Ich wünsche ihr von Herzen, dass sie hier eine gute und erfolgreiche Zeit erleben darf.
Stichwort „Food”, natürlich ging es an diesem Abend auch um die grandiose japanische Küche, die Produkte Japans und so hatte Frau Shino Food-Produzenten bzw. Exportunternehmen und einen Sake-Verband ihrer Heimat mitgebracht, die uns ihre mitgebrachten Produkte vorstellten – die wiederum von den Köchen der japanischen Botschaft und einigen namhaften Köchen Berlins zu sehr feinen Köstlichkeiten verarbeitet wurden.

Shino Mitsuko bekannte dabei, dass bei ihrer ersten Tätigkeit als Botschaftssekretärin in Deutschland vor 20 Jahren japanische Küchenkultur noch suchen musste und zeigte sich begeistert darüber, wie groß das Angebot und die Vielfalt der japanischen Küche in Deutschland mittlerweile geworden ist.

Buri trifft Berliner Eisbein

Foodbloggerin Felicitas Then führte uns nach dem Grußwort der Boschafterin an dem Abend als charmante und eloquente Moderatorin durch den offiziellen Teil des Abends. Aber auch als Köchin hatte sie mit ihrem Team den Starter des Abends konzipiert und serviert.
Echte Fusionsküche namens: „Buri trifft Berliner Eisbein”. Ein köstlicher, vor allem kreativer Einstieg. Knackig mmarinierter Weißkohl in einem mild-würzigen Sauerkrautsud, dazu Buri im Sashimi-Stil mit gepoppter Schweinehaut und Erbsensproße. Wir hatten davon nicht nur einen (kleinen) Teller.
Die Gerichte der Berliner Köche Sebastian Leyer und Song Lee, Area Head Chef von Sticks’n’Sushi, bestanden gelegentlich auch aus Reis, wurden aber vor allem mit den beiden Fischarten Rote Meerbrasse, Madai (Red Sea Bream) und der Gelbschwanz, Buri, (Yellowtail) in faszinierenden Variationen serviert. Wobei Leyer für die köstliche europäische Interpretation sorgte, Song Lee sich dem spannenden japanischen Nimbus widmete.
Beide Fischarten durfte ich euch schon einmal in diesem Blog vorstellen. Wer sie noch nicht kennt, hier entlang! Mir war es eine große Freude, diesen schmackhaften Fischen der Japanese Farmed Fish Export Association erneut zu begegnen.
In der profansten Variante durften wir die Fische am großen Sushi- und Sashimi-Buffet genießen, hier überzeugte natürlich die bekannteste japanische Food-Kultur wieder einmal mehr. Wobei profan hier eine dreiste Untertreibung, durften wir auch Imperial Caviar dort verkosten.
Der uns übrigens auf dem Wagyū Sando nochmals beglücken wollte – als Luxus-Tramezzini.

Buri, Madai, Wagyū, Reis, Curry und Sake – wenn dann Köche zaubern …

Alle anderen zauberhaften Fisch-Gerichte aus diesen japanischen Fischen nannten sich z. B. Buri Hausfrauenart – als würzige Matjesvarition,
Madai Ceviche mit Kräuteröl (so dermaßen to die for!)
oder Natto Maki. Song Lee zelebrierte auch für interessierte Zuschauer die meisterhafte Filettierung eines solchen Fisches.

Einigen von uns begegneten wohl zum ersten Mal dem japanischen Golden Curry, mit dem einige Variationen der Fische, aber auch vom Wagyū zubereitet wurden, es ist sehr intensiv in der Würze. Aber das lässt sich ja zu Hause variieren – auf jeden Fall eine spannende Begegnung, die ich gerne vertiefen möchte. Danke also an All Japan Curry Manufactures Association für diese interessante Erfahrung!
Die längste und sehr kommunikative Schlange an dem Abend traf sich definitiv am Wagyū-Unami-Counter. Das J-LEC, Japan Livestock Products Export Promotion Council hatte ermöglicht, dass uns Wagyū aus sechs verschiedenen Schnitten des Rindes in Premium-Qualität serviert wurde. Roh, als Sushi Variante, gegrillt.
Ooder auch als Yakitori. Als wir das genießen durften, wurde es sehr still in unserer Runde. Das Fleisch schmolz mit seinen unterschiedlichen Aromen auf der Zunge. Was für ein Genuss!
Der neue Chefkoch der japanischen Botschaft, Hirofumi Kodera, servierte Natto Maki und Wasabi-Mochi. Snacks aus Reis, würzig und süß, und natürlich den Sushi-Reis konnten wir am Tisch der Japan Rice Industry Export Promotion Association verkosten. Und natürlich durften wir auch im Sake-Himmel weilen. Ob als Sparkling Sake (unser aller Liebling) oder als ein mit Hefe und Erdbeerblüten gebrauter Sake (sehr süß), es war für jeden etwas dabei.

Dieser tolle Abend war ein Geschenk mit wundervollen Genüssen, schönen Gesprächen in den schönen Räumen der japanischen Botschaft!

Arigatou gozaimasu!

2025-01-11

Carosselo – die königliche Melongengurke aus dem Salento in Apulien

Carmen Mancarella lud uns im letzten Oktober nach langer Covid-Pause wieder ein, den Salento zu besuchen und dessen historischen und kulinarischen Schätze kennenzulernen. Das Olivenöl und die Weine aus Apulien sind weltweit bekannt und stehen für die Qualität der landwirtschaftlichen Produkte, die auf den roten Böden angebaut und von der Sonne viele Stunden lang beschienen werden.

Ich nutzte die Gelegenheit und reiste einige Tage früher an, um etwas mehr Zeit mit meiner Freundin verbringen zu können. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Lecce (in Carmens Traumauto, dem Audi!) hatten wir eine Idee, wie wir den in Kürze eintreffenden Journalisten eine besondere, leckere Spezialität Apuliens vorstellen könnten.

Hierzu vorab eine kleine Geschichte: Anlässlich meiner ersten Einladung von Carmen nach Apulien, damals besuchen wir das Valle d’Itria mit Oria und Ostuni, servierte man uns im Hotel zum vorzüglichen Abendessen einen Teller mit – vermeintlichen – geschälten Gurken zu den Antipasti. Sie schmecken jedoch ganz anders: süßlich, etwas nach Gurke, doch mehr aber nach Melone. Auf jeden Fall: frisch, saftig und lecker.

Also nachgefragt und mir wurde erklärt, ich hätte meine erste Carosselo Leccese – Meloncella Scura – gegessen. Botanisch zu Cucumis melo L, zu den Melonen sortiert, wird die Carosselo als Melonengurke bezeichnet.
Von den üblichen Melonenarten, die wir so kennen, unterscheidet sie die Größe und von der Gurke die Form. Eher rundlich, ist sie lediglich eine Hand voll groß, oft kleiner und sie ist deutlich weniger süß als Melonen. Von den Gurken wiederum unterscheidet sie, dass sie kein Cucurbitacin, also den Bitterstoff der Gurke besitzt. Sie ist reich an Kalium und β-Carotin. Weiterhin enthält sie bioaktive Verbindungen wie Methylgallat, das wirkt antioxidativ und antiviral sowie α-Tocopherol, das hemmt die Lipidoxidation.

Eiskalt und frisch auf dem Teller, ist die Carosello oder ihr biologisches Äquivalent, die Barratiere, eine der besten Erfrischungen, die man in Apulien im Hochsommer genießen kann. Tatsächlich sind diese Züchtungen eine regionale Spezialität des Salentos, die man auch in Norditalien oft gar nicht kennt. Nur in Sizilien ist sie noch bekannt, sie heißt dort Battagliuno. In Apulien wird einem dieses fruchtige Gemüse oder die gemüsige Frucht unter vielen unterschiedlichen Namen begegnen können, auch je nach der Region dieser italienischen Provinz. Sei es, weil es eigene familiäre Züchtungen sind oder weil der Dialekt sie anders bezeichnen möchte. Außerhalb Italiens dürft ihr näher hinsehen, wenn euch der Begriff Cumelo auf dem Markt begegnet.
Bei meinem nächsten Besuch in Apulien erwarb ich im Supermercado eine Packung mit Samen und zog mir meine ersten Carosello vom Typ Carosello Scopatizzo Barese auf meinem Balkon. Die Fotos meiner ersten, übersichtlichen Ernte von zwei kleinen Früchten, schickte ich natürlich Carmen, die sich heute noch darüber sehr freuen kann. (Ein großes und liebenswertes Talent der Salentiner, sich über Kleinigkeiten so freuen zu können!) Und wann immer wir gemeinsam unterwegs sind in Apulien, gibt sie unsere Geschichte zum Besten: Von meiner Begeisterung zu den Carosseli, dass ich sie auf meinem kleinen Berliner Balkon versuche anzubauen.

Das war mein Vorschlag an Carmen anlässlich unserer aktuellen Tour. Wir könnten doch einen Produzenten der Carosseli besuchen, damit die Journalisten – neben dem bekannten apulischen Olivenöl – einer weiteren köstliche grüne Spezialität des Salentos begegnen könnten. Gesagt, getan, am ersten offiziellen Tag der Reise organisierte Carmen für uns die Cooperativa Agricola San Rocco in Leverano, wo uns der Präsident der Cooperative, Walter Ingrosso, mit seinem Team begrüßte und uns alles zur Carosello Leccese beantwortete.
Diese Kooperative wurde 1973 als Floristikunternehmen gegründet und musste sich in einer Absatzkrise neu überdenken. Von da an setzte sie auf den Anbau von Gemüse und Obst. Das tut sie noch heute mit dem Anspruch, die Landwirtschaft möglichst nachhaltig zu betreiben und dabei diesem Land und seiner Vegetation gerecht zu werden.
Eine Genossenschaft, die mit ihren Mitgliedern herrliche Früchte in apulischer Erde angebaut, sortiert und teilweise händisch verpackt und im Direktvertrieb absetzt. Heute besteht San Rocca aus 229 Mitgliedern mit über 300 Hektar Anbaufläche, auf der geschützte apulische Kulturen im nachhaltigen Anbau produziert werden.

5 Millionen Carosellii verkauft dieses Unternehmen inzwischen und ist in jüngster Zeit auch in den Großvertrieb eingestiegen. Tatsächlich habe ich letzten Sommer erstmals die helle Carosseli bei unserem Edeka in Berlin-Mitte bei den Melonen entdecken können: Eine kleine Frucht kostete € 2,95. Das war nicht der ganz große Verkaufserfolg, weil man sie natürlich auch hierzulande nicht wirklich kennt.
Wir erhielten eine umfangreiche Führung in den Hallen, wo tatsächlich Anfang Oktober noch Carosseli und die hübschen Chili-Sträucher (händisch gebunden) von den Mitarbeiterinnen verpackt wurden.
Auch perfekte Tomaten, Auberginen, Peperoncini und Granatäpfel warteten auf ihre weitere Bestimmung. Die Carosellii sind jedoch das Hauptprodukt von San Rocco, die in diesen Früchten ihr besonderes Alleinstellungsmerkmal sehen. Walter Ingrosso, Präsident der Genossenschaft erkläre uns, dass man für Carosello und diese Region rund um Leverano die geschützte geographische Angabe, die g.g.A.-Zertifizierung anstrebe.
Die Cooperativa Agricola San Rocco hat viel investiert, die Erntezeit der Carosello bis in den November hinein um zwei Monate zu verlängern. Üblicherweise endet sie im Feldanbau Anfang September. Hier wurden späte Aussaaten in Gewächshäuser verlegt.
Auch in Apulien hat man in der Landwirtschaft hart mit den veränderten Klimabedingungen und Ernteausfällen zu kämpfen, was solche Maßnahmen – also außerhalb der Freilandkultur – zunehmend notwendig macht.
Natürlich sind wir nach der Verkostung hinaus auf die Felder und die anliegenden Gewächshäuser gefahren, die noch voll mit Blüten an den Carosseli bzw. Peperoncini waren. Die Natur in Apulien macht mich wirklich immer schwach. In einer Jahreszeit, in der bei uns sich alles zurückzieht, geht dort der nächste Frühling nach dem Sommer los. Auf den Feldern stehen jetzt die jungen Artischockenpflanzen. Ein großer Teil der allerersten Artischocken, die ihr ab Februar kaufen könnt, stammen aus Apulien. Die Früchte der Carosello gibt es in rund mit hellgrüner Schale, länglich-dicklich mit dunkelgrüner Schale oder – visuell ähnlich unseren Schmorgurken – mit grüner Schale und hellen Streifen. Dunkelgrün ist die Sorte Barratiere, im Dialekt auch als „Tondo di Fasano“ oder „Cianciuffo“ bekannt, sie schmeckt noch etwas intensiver nach Melone. Carosseli gibt es in großer äußerer Vielfalt – aber dahinter befindet sich immer ein frischer süßlicher Melonen-Gurkengeschmack mit gar keinen Kalorien, aber viel Vitaminen und Wasser.

Später wurde uns gezeigt, wie man die Carosellii oder Barratiere schält und serviert. Natürlich durften wir sie verkosten – zusammen mit den typischen kleinen Friselli und frisch geernteten Tomaten der Genossenschaftsmitglieder.
Obwohl viele der anwesenden internationalen Journalisten schon oft mit Carmen zusammen diese wunderschöne Region in Süditalien besucht hatten – die Caroselli, als Saisonprodukte des Sommers, waren den wenigsten bisher begegnet. Und alle waren angetan von diesem köstlichen Zugewinn. Ich fühlte mich sowieso wie im Paradies.
Carosellii schält man meist wie Gurken (einige Sorten können mit ihrer dünneren Schale gegessen werden) und entfernt ihre Kerne – und serviert sie leicht gekühlt, üblicherweise pur. Ihr feiner, intensiver Geschmack benötigt keine weiteren Zutaten. Gerne serviert man sie in Apulien mit etwas mit Zitrone vermengtem Olivenöl und einem Hauch Salz, in das man die Schnitten taucht. Das ist so gut! Natürlich schmecken sie auch in einem frischen Salat. Wer im Sommer in Apulien die Friselle im Restaurant bestellt, z. B. mit frischem Tartare di Tonno und Burrata, kann sicher sein, dass die grüne Beilage eine Melonengurke ist. Ich mag sie auch sehr gerne als eine Art Caprese aufgeschnitten serviert, mit etwas frischem Pfeffer und frischer Stracciatella sowie einem Faden Olivenöl.

Wenn ihr sie selber einmal anbauen möchtet – auf dem Balkon oder im Garten, empfehle ich als als Onlinequelle den netten kleinen Samenshop Borlotti. ZEin zuverlässiger Lieferant und bietet ein breites Angebot toller italienischer Samen unterschiedlichster Couleur an. Die Melonengurke findet ihr dort in vielen Varianten in der Kategorie Fruchtgemüse bei den Gurken.

Mein hochgeschätzter Gemüsemarkthändler hier in Berlin, der seinen Stand mit vielen italienischen Produkten auf dem Markt am Winterfeldplatz hat (und dienstags sowie freitags auf dem Hermannplatz steht, direkt rechts neben dem Ausgang der U8 auf Hermannstraßenhöhe), hatte sie in diesem Jahr erstmals entdeckt und war ebenso begeistert wie ich. Er bietet sie, zu meiner großen Freude, nun auch in der Saison an.

2025-01-09

Monte San’Angelo – die Pilgerstadt im Gargano Apuliens

Im Norden Apuliens unbedingt eine Besichtigung wert, das ist der kleine Ort Monte Sant’Angelo, der als höchstgelegene kleine Stadt im Gargano gilt. Wer hierher findet, befindet sich 800 Meter über dem Meeresspiegel. Immer wieder hat man in dieser Stadt einen weiten Blick über die gesamte Region und auf die Adria.
Geografisch, wie geschichtlich ist Monte Sant’Angelo eng mit Mattinata verbunden – so galten sie viele Jahrhunderte als eine Gemeinde. Von Mattinata aus liegt der Ort ca. 20 Kilometer entfernt.
Sportliche Radfahrer haben ab Mattinata ihren Spaß oder in Zahlen: Einen 12 Kilometer langer Aufstieg mit Steigungen um 4 % auf einer sehr gut ausgebauten Straße.

Wir erledigen unsere Anfahrt bequem mit dem Minibus und genießen dabei die Ausblicke aber auch die Anblicke der umliegenden kleineren Landwirtschaftsbetriebe als auch hier und dort größeren Industriebetriebe. Und immer wieder grüßt zwischendurch: Il Mare!

Namensgeber: Erzengel Michele

Monte Sant’Angelo ist eine Pilgerstadt. Hier ist am 8. Mai im Jahr 490 n. Christus der Erzengel Michael gläubigen Hirten erstmals in einer Grotte erschienen. Offensichtlich hielt er den Ort für so schön (oder es für so sehr nötig), dass er der Legende nach 492 und 493 wiederkehrte. Das machte diesen kleinen Ort im 7. Jahrhundert nach Christus zum Nationalheiligtum – und seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Dies nicht nur alleine wegen der heiligen Erscheinung, auch wegen der geschichtlichen Präsenz der Langobarden an diesem Ort.
Auch ohne diese große christliche Geschichte ist Monte Sant’Angelo ein entzückender Ort, der sich mit seinen pittoresken Häuserreihen im holländischen Stil in seiner Neustadt genauso spannend entdecken lässt, wie die charmante und verwinkelte Altstadt, die mit zahlreichen Treppen und weiteren Sehenswürdigkeiten lockt. Und eines ist sicher: Dem Erzengel begegnet man hier zu hauf!
Knapp 12.000 Menschen, die Montanari, sind hier zu Hause. Der immerwährende Strom der Pilger über das Jahr hinweg macht diese Stadt zu einem sehr lebendigen Platz. Wir waren viel zu kurz, lediglich für einen kleinen Abstecher, hier. Selten habe ich das so sehr bedauert, bei einer Abfahrt aus einem Ort.
Ich mag diese kleine Stadt mit einem spürbaren besonderen Menschenschlag, ihren vielen Straßen, verwinkelten Ecken – und ihrem ganz eigenen Charme.


Basilica Santuario di San Michele Arcangelo

Die Grotte, die dem Heiligen Michael so gut gefallen hatte, ist heute eine Grottenkirche: San Michele. Sie gilt als Hauptkirche von Monte Sant’Angelo. Auf der oberen Ebene lockt sie auf einer abgetrennten Piazza mit einem achteckigen Turm, dem Torre Angionia,
entstanden im Jahr 1274 n. Chr., der 27 Meter in die Höhe ragt. 1395 wurde ihm linksseitig eine zweigeteilte Eingangshalle zur Grottenkirche an die Seite gestellt.
Beide wirken vergleichsweise schmucklos. National Geographics führt die darunter liegende Grotte als eine der schönsten zehn heiligen Grotten weltweit. Unbedingt lohnt sich ein Besuch – man erlebt nach dem Abstieg eine wundersame Welt an Religiösität, an Geschichte und musealen Informationen.

Und ganz nebenbei ist man mit dem Betreten dieser Kirche seiner ganzen Sünden befreit! Ob sich das für einen selbst lohnt, sei persönlich dahingestellt.

In der Eingangshalle geht es zunächst abwärts: 86 breite Stufen (barrierefreier Zugang möglich) zur Porta del Toro – das älteste Bronzetor weltweit aus dem Jahr 1076 wurde in Konstantinopel gefertigt. An den Seitenwänden entdeckt man die Zeichnungen, die sehr frühe Pilger in den Stein gehauen haben.
Über diesen Eingang gibt es eine Archivolteninschrift, die besagt, dass jeder Person, die durch dieses Tor tritt, ihre Sünden vergeben werden. (Non è poi così male)
Hinter der Porta del Toro liegt das imposante Kirchenschiff und in der Mitte der Basilika liegt die asketische Grotte des Erzengels Michael. Man steht in einer echten Höhle mit einem Felsengewölbe, in der der Hauptaltar und die Statue des Heiligen Michael aus Carrara-Marmor untergebracht sind. Ja, und ich gebe es zu, wenn in der weiteren Begehung die multimediale Begleitung auf dem Headset an der Stelle, an der es zu einer der Erscheinungen gekommen sein soll, die Stimme ergrifffen von dem Geschehen flüstert – da bekommt man ganz schön Gänsepelle am Rücken und an den Armen.
Und dieser geschichtsträchtige Ort ist apart in die Moderne unserer Zeit integriert. Die Szenerie ist absolut beeindruckend – ob man nun gläubig ist oder nicht. Man kann sich, auch, durch der Anwesenheit der gläubigen Montanari und Pilger*innen der Besonderheit dieses Ortes kaum entziehen.
Gleichzeitig befinden sich in diesem Gewölbe zwei Museen: das Andachtsmuseum (modern und prunkvoll) und das Lapidarium – das sich mit der Existenz der Langobarden beschäftigt, die heute als die erste italienische Nation geltenund deren wunderschöne, naiv anmutende Kunstform dieser Zeit präsentiert. Absolut sehenswert! Ach – und der gute Michael begegnet einem natürlich oft in den unterschiedlichsten Formen und Farben!
Da schon im Mittelalter dieser Ort Teil des als „Homo, Angelus, Deus“ bekannten Weges der spirituellen Erlösung war, haben im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige Päpste der San Michele einen Besuch abgestattet.
Zuletzt im Jahr 1987, da war es der von den Italienern nach wie vor sehr verehrte Papst Johannes Paul II – deren Relikte, z. B. Messegewand und Pallium im Andachtsmuseum ausgestellt sind. Dieser Museumsbereich hat mir mit seiner Innenarchitektur und Lichtgestaltung sehr gut gefallen. Ob einem der dargestellte Luxus der katholischen Kirche auch so gefällt, darüber kann man streiten.
Man erwartet diese Vielfalt überhaupt nicht, wenn man die Basilicata betritt – es gibt hier so viel zu entdecken! Wir waren relativ kurz vor Ende der Öffnungszeiten (und vor Beginn der Abendmesse) in der Kirche angekommen und wurden in einem – nennen wir es ruhig Affentempo – durch den Ort geführt. Viel zu kurz, um diesem Ort wirklich gerecht werden zu können als Besucher. Ich möchte wirklich noch einmal nach Monte Sant’Angelo wiederkommen!


Der Energieriegel der Pilger*innen: Ostie Chjene

Wieder oben, während eines sehr schnellen Stadtrundgangs, begegneten wir überall den bunten Federn, mit denen sich Pilger hier schmücken, und hier und dort den ursprünglich gekleideten Pilgerfiguren.
Unbedingt probieren, gerne mit einem Cafè, muss man hier die Ostie Chjene – Ostie di San Michele –, zwei ovale Oblaten-Blätter, mit in Honig und einer Spur Zimt karamellisierten Mandeln gefüllt. Das ist so etwas, wie der erste Energieriegel überhaupt für die viel und lang wandernden Pilger, den die Nonnen des Klosters der Heiligen Dreifaltigkeit hier im 16. Jahrhundert eher versehentlich geschaffen hatten. Der Legende nach waren ihnen versehentlich Mandeln in einen Topf mit heißem Honig gefallen, die sie versuchten mit den Oblaten herauszufischen. Die Mandeln blieben an den Blättern kleben – der Rest ist eine süße und sehr leckere Geschichte. Und die Ostie ist sicherlich das häufigste Mitbringsel, das einem beim Abschied von Monte Sant'Angelo begleitet.
Die Ostie Chjene gibt es überall in Monte Sant’Angelo im Centro Storico zu kaufen und überzeugen – ihre Frische vorausgesetzt – sofort.
Ein großer Teil des Centro Storico von Monte Sant'Angelo besteht aus vielen Treppen und sehr schmalen Straßen – und ist angenehm zu Fuß zu erlaufen, weil hier Autos schlicht gar nicht hinkommen. Hoch und runter führen die Wege an den alten Häusern und weiteren Kirchen vorbei zu hübschen kleinen Plätzen.
Spät am Abend füllen sich die Straßen und öffnen die Restaurants und Monte Sant'Angelo wird unglaublich lebendig.

Direkt neben der Basilica di San Michele hatten es mir zwei Läden ganz besonders angetan – in die ich nicht gehen durfte, weil wir viel zu wenig Zeit hatten: Eine Salumeria mit sehr viel Käse und ein Geschäft mit Haushaltswaren.
Es lockte mich mit dem umfangreichsten Angebot an Olio-Kännchen, das ich je sehen durfte. Und ausgerechnet dort konnte ich nicht hineingehen! Ja, es schmerzt mich sehr!

Die vielen weiteren Sehenswürdigkeiten – die Tomba di Rotari, das Castello Normanno – lediglich vorbei gegangen und von außen betrachtet, fehlte es uns einfach an mindestens zwei, drei Übernachtungen in dieser Stadt.

Ach ach, Monte Sant’Angelo – ich bin noch so gar nicht fertig mit dir!

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