2025-01-11

Carosselo – die königliche Melongengurke aus dem Salento in Apulien

Carmen Mancarella lud uns im letzten Oktober nach langer Covid-Pause wieder ein, den Salento zu besuchen und dessen historischen und kulinarischen Schätze kennenzulernen. Das Olivenöl und die Weine aus Apulien sind weltweit bekannt und stehen für die Qualität der landwirtschaftlichen Produkte, die auf den roten Böden angebaut und von der Sonne viele Stunden lang beschienen werden.

Ich nutzte die Gelegenheit und reiste einige Tage früher an, um etwas mehr Zeit mit meiner Freundin verbringen zu können. Auf der Fahrt vom Flughafen nach Lecce (in Carmens Traumauto, dem Audi!) hatten wir eine Idee, wie wir den in Kürze eintreffenden Journalisten eine besondere, leckere Spezialität Apuliens vorstellen könnten.

Hierzu vorab eine kleine Geschichte: Anlässlich meiner ersten Einladung von Carmen nach Apulien, damals besuchen wir das Valle d’Itria mit Oria und Ostuni, servierte man uns im Hotel zum vorzüglichen Abendessen einen Teller mit – vermeintlichen – geschälten Gurken zu den Antipasti. Sie schmecken jedoch ganz anders: süßlich, etwas nach Gurke, doch mehr aber nach Melone. Auf jeden Fall: frisch, saftig und lecker.

Also nachgefragt und mir wurde erklärt, ich hätte meine erste Carosselo Leccese – Meloncella Scura – gegessen. Botanisch zu Cucumis melo L, zu den Melonen sortiert, wird die Carosselo als Melonengurke bezeichnet.
Von den üblichen Melonenarten, die wir so kennen, unterscheidet sie die Größe und von der Gurke die Form. Eher rundlich, ist sie lediglich eine Hand voll groß, oft kleiner und sie ist deutlich weniger süß als Melonen. Von den Gurken wiederum unterscheidet sie, dass sie kein Cucurbitacin, also den Bitterstoff der Gurke besitzt. Sie ist reich an Kalium und β-Carotin. Weiterhin enthält sie bioaktive Verbindungen wie Methylgallat, das wirkt antioxidativ und antiviral sowie α-Tocopherol, das hemmt die Lipidoxidation.

Eiskalt und frisch auf dem Teller, ist die Carosello oder ihr biologisches Äquivalent, die Barratiere, eine der besten Erfrischungen, die man in Apulien im Hochsommer genießen kann. Tatsächlich sind diese Züchtungen eine regionale Spezialität des Salentos, die man auch in Norditalien oft gar nicht kennt. Nur in Sizilien ist sie noch bekannt, sie heißt dort Battagliuno. In Apulien wird einem dieses fruchtige Gemüse oder die gemüsige Frucht unter vielen unterschiedlichen Namen begegnen können, auch je nach der Region dieser italienischen Provinz. Sei es, weil es eigene familiäre Züchtungen sind oder weil der Dialekt sie anders bezeichnen möchte. Außerhalb Italiens dürft ihr näher hinsehen, wenn euch der Begriff Cumelo auf dem Markt begegnet.
Bei meinem nächsten Besuch in Apulien erwarb ich im Supermercado eine Packung mit Samen und zog mir meine ersten Carosello vom Typ Carosello Scopatizzo Barese auf meinem Balkon. Die Fotos meiner ersten, übersichtlichen Ernte von zwei kleinen Früchten, schickte ich natürlich Carmen, die sich heute noch darüber sehr freuen kann. (Ein großes und liebenswertes Talent der Salentiner, sich über Kleinigkeiten so freuen zu können!) Und wann immer wir gemeinsam unterwegs sind in Apulien, gibt sie unsere Geschichte zum Besten: Von meiner Begeisterung zu den Carosseli, dass ich sie auf meinem kleinen Berliner Balkon versuche anzubauen.

Das war mein Vorschlag an Carmen anlässlich unserer aktuellen Tour. Wir könnten doch einen Produzenten der Carosseli besuchen, damit die Journalisten – neben dem bekannten apulischen Olivenöl – einer weiteren köstliche grüne Spezialität des Saletnos begegnen könnten. Gesagt, getan, am ersten offiziellen Tag der Reise organisierte Carmen für uns die Cooperativa Agricola San Rocco in Leverano, wo uns der Präsident der Cooperative, Walter Ingrosso, mit seinem Team begrüßte und uns alles zur Carosello Leccese beantwortete.
Diese Kooperative wurde 1973 als Floristikunternehmen gegründet und musste sich in einer Absatzkrise neu überdenken. Von da an setzte sie auf den Anbau von Gemüse und Obst. Das tut sie noch heute mit dem Anspruch, die Landwirtschaft möglichst nachhaltig zu betreiben und dabei diesem Land und seiner Vegetation gerecht zu werden.
Eine Genossenschaft, die mit ihren Mitgliedern herrliche Früchte in apulischer Erde angebaut, sortiert und teilweise händisch verpackt und im Direktvertrieb absetzt. Heute besteht San Rocca aus 229 Mitgliedern mit über 300 Hektar Anbaufläche, auf der geschützte apulische Kulturen im nachhaltigen Anbau produziert werden.

5 Millionen Carosellii verkauft dieses Unternehmen inzwischen und ist in jüngster Zeit auch in den Großvertrieb eingestiegen. Tatsächlich habe ich letzten Sommer erstmals die helle Carosseli bei unserem Edeka in Berlin-Mitte bei den Melonen entdecken können: Eine kleine Frucht kostete € 2,95. Das war nicht der ganz große Verkaufserfolg, weil man sie natürlich auch hierzulande nicht wirklich kennt.
Wir erhielten eine umfangreiche Führung in den Hallen, wo tatsächlich Anfang Oktober noch Carosseli und die hübschen Chili-Sträucher (händisch gebunden) von den Mitarbeiterinnen verpackt wurden.
Auch perfekte Tomaten, Auberginen, Peperoncini und Granatäpfel warteten auf ihre weitere Bestimmung. Die Carosellii sind jedoch das Hauptprodukt von San Rocco, die in diesen Früchten ihr besonderes Alleinstellungsmerkmal sehen. Walter Ingrosso, Präsident der Genossenschaft erkläre uns, dass man für Carosello und diese Region rund um Leverano die geschützte geographische Angabe, die g.g.A.-Zertifizierung anstrebe.
Die Cooperativa Agricola San Rocco hat viel investiert, die Erntezeit der Carosello bis in den November hinein um zwei Monate zu verlängern. Üblicherweise endet sie im Feldanbau Anfang September. Hier wurden späte Aussaaten in Gewächshäuser verlegt.
Auch in Apulien hat man in der Landwirtschaft hart mit den veränderten Klimabedingungen und Ernteausfällen zu kämpfen, was solche Maßnahmen – also außerhalb der Freilandkultur – zunehmend notwendig macht.
Natürlich sind wir nach der Verkostung hinaus auf die Felder und die anliegenden Gewächshäuser gefahren, die noch voll mit Blüten an den Carosseli bzw. Peperoncini waren. Die Natur in Apulien macht mich wirklich immer schwach. In einer Jahreszeit, in der bei uns sich alles zurückzieht, geht dort der nächste Frühling nach dem Sommer los. Auf den Feldern stehen jetzt die jungen Artischockenpflanzen. Ein großer Teil der allerersten Artischocken, die ihr ab Februar kaufen könnt, stammen aus Apulien. Die Früchte der Carosello gibt es in rund mit hellgrüner Schale, länglich-dicklich mit dunkelgrüner Schale oder – visuell ähnlich unseren Schmorgurken – mit grüner Schale und hellen Streifen. Dunkelgrün ist die Sorte Barratiere, im Dialekt auch als „Tondo di Fasano“ oder „Cianciuffo“ bekannt, sie schmeckt noch etwas intensiver nach Melone. Carosseli gibt es in großer äußerer Vielfalt – aber dahinter befindet sich immer ein frischer süßlicher Melonen-Gurkengeschmack mit gar keinen Kalorien, aber viel Vitaminen und Wasser.

Später wurde uns gezeigt, wie man die Carosellii oder Barratiere schält und serviert. Natürlich durften wir sie verkosten – zusammen mit den typischen kleinen Friselli und frisch geernteten Tomaten der Genossenschaftsmitglieder.
Obwohl viele der anwesenden internationalen Journalisten schon oft mit Carmen zusammen diese wunderschöne Region in Süditalien besucht hatten – die Caroselli, als Saisonprodukte des Sommers, waren den wenigsten bisher begegnet. Und alle waren angetan von diesem köstlichen Zugewinn. Ich fühlte mich sowieso wie im Paradies.
Carosellii schält man meist wie Gurken (einige Sorten können mit ihrer dünneren Schale gegessen werden) und entfernt ihre Kerne – und serviert sie leicht gekühlt, üblicherweise pur. Ihr feiner, intensiver Geschmack benötigt keine weiteren Zutaten. Gerne serviert man sie in Apulien mit etwas mit Zitrone vermengtem Olivenöl und einem Hauch Salz, in das man die Schnitten taucht. Das ist so gut! Natürlich schmecken sie auch in einem frischen Salat. Wer im Sommer in Apulien die Friselle im Restaurant bestellt, z. B. mit frischem Tartare di Tonno und Burrata, kann sicher sein, dass die grüne Beilage eine Melonengurke ist. Ich mag sie auch sehr gerne als eine Art Caprese aufgeschnitten serviert, mit etwas frischem Pfeffer und frischer Stracciatella sowie einem Faden Olivenöl.

Wenn ihr sie selber einmal anbauen möchtet – auf dem Balkon oder im Garten, empfehle ich als als Onlinequelle den netten kleinen Samenshop Borlotti. ZEin zuverlässiger Lieferant und bietet ein breites Angebot toller italienischer Samen unterschiedlichster Couleur an. Die Melonengurke findet ihr dort in vielen Varianten in der Kategorie Fruchtgemüse bei den Gurken.

Mein hochgeschätzter Gemüsemarkthändler hier in Berlin, der seinen Stand mit vielen italienischen Produkten auf dem Markt am Winterfeldplatz hat (und dienstags sowie freitags auf dem Hermannplatz steht, direkt rechts neben dem Ausgang der U8 auf Hermannstraßenhöhe), hatte sie in diesem Jahr erstmals entdeckt und war ebenso begeistert wie ich. Er bietet sie, zu meiner großen Freude, nun auch in der Saison an.

2025-01-09

Monte San’Angelo – die Pilgerstadt im Gargano Apuliens

Im Norden Apuliens unbedingt eine Besichtigung wert, das ist der kleine Ort Monte Sant’Angelo, der als höchstgelegene kleine Stadt im Gargano gilt. Wer hierher findet, befindet sich 800 Meter über dem Meeresspiegel. Immer wieder hat man in dieser Stadt einen weiten Blick über die gesamte Region und auf die Adria.
Geografisch, wie geschichtlich ist Monte Sant’Angelo eng mit Mattinata verbunden – so galten sie viele Jahrhunderte als eine Gemeinde. Von Mattinata aus liegt der Ort ca. 20 Kilometer entfernt.
Sportliche Radfahrer haben ab Mattinata ihren Spaß oder in Zahlen: Einen 12 Kilometer langer Aufstieg mit Steigungen um 4 % auf einer sehr gut ausgebauten Straße.

Wir erledigen unsere Anfahrt bequem mit dem Minibus und genießen dabei die Ausblicke aber auch die Anblicke der umliegenden kleineren Landwirtschaftsbetriebe als auch hier und dort größeren Industriebetriebe. Und immer wieder grüßt zwischendurch: Il Mare!

Namensgeber: Erzengel Michele

Monte Sant’Angelo ist eine Pilgerstadt. Hier ist am 8. Mai im Jahr 490 n. Christus der Erzengel Michael gläubigen Hirten erstmals in einer Grotte erschienen. Offensichtlich hielt er den Ort für so schön (oder es für so sehr nötig), dass er der Legende nach 492 und 493 wiederkehrte. Das machte diesen kleinen Ort im 7. Jahrhundert nach Christus zum Nationalheiligtum – und seit 2011 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Dies nicht nur alleine wegen der heiligen Erscheinung, auch wegen der geschichtlichen Präsenz der Langobarden an diesem Ort.
Auch ohne diese große christliche Geschichte ist Monte Sant’Angelo ein entzückender Ort, der sich mit seinen pittoresken Häuserreihen im holländischen Stil in seiner Neustadt genauso spannend entdecken lässt, wie die charmante und verwinkelte Altstadt, die mit zahlreichen Treppen und weiteren Sehenswürdigkeiten lockt. Und eines ist sicher: Dem Erzengel begegnet man hier zu hauf!
Knapp 12.000 Menschen, die Montanari, sind hier zu Hause. Der immerwährende Strom der Pilger über das Jahr hinweg macht diese Stadt zu einem sehr lebendigen Platz. Wir waren viel zu kurz, lediglich für einen kleinen Abstecher, hier. Selten habe ich das so sehr bedauert, bei einer Abfahrt aus einem Ort.
Ich mag diese kleine Stadt mit einem spürbaren besonderen Menschenschlag, ihren vielen Straßen, verwinkelten Ecken – und ihrem ganz eigenen Charme.


Basilica Santuario di San Michele Arcangelo

Die Grotte, die dem Heiligen Michael so gut gefallen hatte, ist heute eine Grottenkirche: San Michele. Sie gilt als Hauptkirche von Monte Sant’Angelo. Auf der oberen Ebene lockt sie auf einer abgetrennten Piazza mit einem achteckigen Turm, dem Torre Angionia,
entstanden im Jahr 1274 n. Chr., der 27 Meter in die Höhe ragt. 1395 wurde ihm linksseitig eine zweigeteilte Eingangshalle zur Grottenkirche an die Seite gestellt.
Beide wirken vergleichsweise schmucklos. National Geographics führt die darunter liegende Grotte als eine der schönsten zehn heiligen Grotten weltweit. Unbedingt lohnt sich ein Besuch – man erlebt nach dem Abstieg eine wundersame Welt an Religiösität, an Geschichte und musealen Informationen.

Und ganz nebenbei ist man mit dem Betreten dieser Kirche seiner ganzen Sünden befreit! Ob sich das für einen selbst lohnt, sei persönlich dahingestellt.

In der Eingangshalle geht es zunächst abwärts: 86 breite Stufen (barrierefreier Zugang möglich) zur Porta del Toro – das älteste Bronzetor weltweit aus dem Jahr 1076 wurde in Konstantinopel gefertigt. An den Seitenwänden entdeckt man die Zeichnungen, die sehr frühe Pilger in den Stein gehauen haben.
Über diesen Eingang gibt es eine Archivolteninschrift, die besagt, dass jeder Person, die durch dieses Tor tritt, ihre Sünden vergeben werden. (Non è poi così male)
Hinter der Porta del Toro liegt das imposante Kirchenschiff und in der Mitte der Basilika liegt die asketische Grotte des Erzengels Michael. Man steht in einer echten Höhle mit einem Felsengewölbe, in der der Hauptaltar und die Statue des Heiligen Michael aus Carrara-Marmor untergebracht sind. Ja, und ich gebe es zu, wenn in der weiteren Begehung die multimediale Begleitung auf dem Headset an der Stelle, an der es zu einer der Erscheinungen gekommen sein soll, die Stimme ergrifffen von dem Geschehen flüstert – da bekommt man ganz schön Gänsepelle am Rücken und an den Armen.
Und dieser geschichtsträchtige Ort ist apart in die Moderne unserer Zeit integriert. Die Szenerie ist absolut beeindruckend – ob man nun gläubig ist oder nicht. Man kann sich, auch, durch der Anwesenheit der gläubigen Montanari und Pilger*innen der Besonderheit dieses Ortes kaum entziehen.
Gleichzeitig befinden sich in diesem Gewölbe zwei Museen: das Andachtsmuseum (modern und prunkvoll) und das Lapidarium – das sich mit der Existenz der Langobarden beschäftigt, die heute als die erste italienische Nation geltenund deren wunderschöne, naiv anmutende Kunstform dieser Zeit präsentiert. Absolut sehenswert! Ach – und der gute Michael begegnet einem natürlich oft in den unterschiedlichsten Formen und Farben!
Da schon im Mittelalter dieser Ort Teil des als „Homo, Angelus, Deus“ bekannten Weges der spirituellen Erlösung war, haben im Laufe der Jahrhunderte nicht wenige Päpste der San Michele einen Besuch abgestattet.
Zuletzt im Jahr 1987, da war es der von den Italienern nach wie vor sehr verehrte Papst Johannes Paul II – deren Relikte, z. B. Messegewand und Pallium im Andachtsmuseum ausgestellt sind. Dieser Museumsbereich hat mir mit seiner Innenarchitektur und Lichtgestaltung sehr gut gefallen. Ob einem der dargestellte Luxus der katholischen Kirche auch so gefällt, darüber kann man streiten.
Man erwartet diese Vielfalt überhaupt nicht, wenn man die Basilicata betritt – es gibt hier so viel zu entdecken! Wir waren relativ kurz vor Ende der Öffnungszeiten (und vor Beginn der Abendmesse) in der Kirche angekommen und wurden in einem – nennen wir es ruhig Affentempo – durch den Ort geführt. Viel zu kurz, um diesem Ort wirklich gerecht werden zu können als Besucher. Ich möchte wirklich noch einmal nach Monte Sant’Angelo wiederkommen!


Der Energieriegel der Pilger*innen: Ostie Chjene

Wieder oben, während eines sehr schnellen Stadtrundgangs, begegneten wir überall den bunten Federn, mit denen sich Pilger hier schmücken, und hier und dort den ursprünglich gekleideten Pilgerfiguren.
Unbedingt probieren, gerne mit einem Cafè, muss man hier die Ostie Chjene – Ostie di San Michele –, zwei ovale Oblaten-Blätter, mit in Honig und einer Spur Zimt karamellisierten Mandeln gefüllt. Das ist so etwas, wie der erste Energieriegel überhaupt für die viel und lang wandernden Pilger, den die Nonnen des Klosters der Heiligen Dreifaltigkeit hier im 16. Jahrhundert eher versehentlich geschaffen hatten. Der Legende nach waren ihnen versehentlich Mandeln in einen Topf mit heißem Honig gefallen, die sie versuchten mit den Oblaten herauszufischen. Die Mandeln blieben an den Blättern kleben – der Rest ist eine süße und sehr leckere Geschichte. Und die Ostie ist sicherlich das häufigste Mitbringsel, das einem beim Abschied von Monte Sant'Angelo begleitet.
Die Ostie Chjene gibt es überall in Monte Sant’Angelo im Centro Storico zu kaufen und überzeugen – ihre Frische vorausgesetzt – sofort.
Ein großer Teil des Centro Storico von Monte Sant'Angelo besteht aus vielen Treppen und sehr schmalen Straßen – und ist angenehm zu Fuß zu erlaufen, weil hier Autos schlicht gar nicht hinkommen. Hoch und runter führen die Wege an den alten Häusern und weiteren Kirchen vorbei zu hübschen kleinen Plätzen.
Spät am Abend füllen sich die Straßen und öffnen die Restaurants und Monte Sant'Angelo wird unglaublich lebendig.

Direkt neben der Basilica di San Michele hatten es mir zwei Läden ganz besonders angetan – in die ich nicht gehen durfte, weil wir viel zu wenig Zeit hatten: Eine Salumeria mit sehr viel Käse und ein Geschäft mit Haushaltswaren.
Es lockte mich mit dem umfangreichsten Angebot an Olio-Kännchen, das ich je sehen durfte. Und ausgerechnet dort konnte ich nicht hineingehen! Ja, es schmerzt mich sehr!

Die vielen weiteren Sehenswürdigkeiten – die Tomba di Rotari, das Castello Normanno – lediglich vorbei gegangen und von außen betrachtet, fehlte es uns einfach an mindestens zwei, drei Übernachtungen in dieser Stadt.

Ach ach, Monte Sant’Angelo – ich bin noch so gar nicht fertig mit dir!

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2025-01-08

Wanderungen im Gargano: Die Nekropole der Daunier auf dem Monte Saraceno

Ein weiterer großartiger Ausflugstag rund um die schöne Küstenstadt Mattinata im Gargano im Norden Apuliens. Wir wandern auf dem zweiten Hausberg von Mattinata, den Monte Saraceno. Und erneut erwartet uns jetzt im Frühling eine immer grüne, dank der häufigeren Regenschauer nun reichhaltig sprießende und blühende Botanik.
Sie scheint jedoch dennoch ganz anders als auf dem Monte Sacro oder an der Küste. Die Landschaft ist hier oben nicht ganz so stark bewaldet und lockt mit neuen Pflanzen und Gewürzen.
Königskerzen, Rosmarin und Thymian stehen satt in ihrem Grün. Der wilde Knoblauch betört mit seinen zarten weißen Blüten. Auch die wilde Malve leuchtet mit ihren Blüten, die bei uns weiter nördlich in Europa sich noch mindestens zwei Monate lang zieren wird. Und der Affrodil trohnt königlich über den Bodendeckern.
Ein betörender Duft liegt in der Luft und viel beschäftigtes Gesumme saust durch die Atmosphäre dieser grünen Oase. Zwischendurch erfreuen wir uns immer wieder an einigen kleinen wilden Orchideen – mittlerweile ist unser Blick für diese zarten Geschöpfe gut trainiert.
Wir besuchen die Grabstätte der Daunier und legen ein gutes Stück zu Fuß auf unbefestigten Wegen zurück – die man natürlich auch hervorragend mit dem Fahrrad bewältigen kann. Nicht vergessen: wir bewegen uns in die Höhe – ein E-Bike auszuleihen, könnte den Charme einer solchen Tour deutlich erhöhen!
Unsere Wanderung ist im Rahmen der Pressereise leider nur kurz, denn wir sind mit dem Auto ein Stück weit auf den Berg gefahren, weil wir später noch weiter die Stadt Monte Sant'Angelo besuchen wollen. Zu Fuß dauert der Aufstieg knapp eine Stunde von Mattinata (Contrada Funni in der Piana di Mattinata) aus – unbedingt machen!
Die Wege führen durch eine stille Landschaft und immer wieder mit einem Blick auf das Meer. Dieser kleine Flecken unserer Erde ist traumhaft schön!
Der Monte Saraceno läuft entlang dem adriatischen Meer, das uns mit seinem entzückenden Türkisblau begleitet. Wir haben von hier einen sensationellen Blick auf die Bucht von Mattinata und die Stadt und natürlich auch auf das adriatische Meer.
Dieser Blick verdeutlicht uns noch einmal, warum von Mattinata als weißer Schmetterling, La Farfalle bianca di Gargano, gesprochen wird. Überhaupt kein Zweifel besteht mehr an der Grandessa der Lage dieser kleinen Stadt. Uns gegenüber liegt mächtig der Monte Sacro, auf dem wir einen Tag zuvor die Abtei SS Trinitá besucht haben.
Auf einem Plateau des Monte Saraceno, ungefähr 250 Meter über dem Meeresspiegel, wird die Stimmung besonders. Und wir werden angehalten, hinsichtlich unserer Schritte besondere Vorsicht walten zu lassen. Tatsächlich tut sich vor uns in den Felsen ein Meer von kleineren und größeren, in den Kalkfelsen gehauenen Löchern von einem bis zu anderthalb Metern Tiefe auf.
Tief genug also, sich bei einem Sturz womöglich die Haxen zu brechen.

Wir stehen auf einem Sanktuarium, einem Friedhof a. D. Die über 500 Löcher in dem Boden sind die Felsengräber der Daunier (VII. und VI. Jahrhundert vor Christus), die Nekropole. Gelegentlich kreischt eine Möwe auf dem Meer. In dieser Totenstadt hier oben herrscht eine faszinierende Ruhe, sonst nur von den Erklärungen unserer kompetent erzählenden Begleitung unterbrochen. Natürlich sind diese Gräber heute leer.
Vor ungefähr 2500 Jahren haben die Daunier hier gelebt und direkt neben ihren einfachen Häusern auch ihre Toten bestattet. Die Daunier, eine meist friedliche Zivilisation, verdiente sich vor allem in der Landwirtschaft und Fischerei. Gut, einige von ihnen sollen sich auch als Piraten gefallen haben, wird gemunkelt.

Sie bestatteten ihre Verstorbenen zusammengerollt in das für sie in den Felsstein gehauene Grab, das oftmals in der Form einer Gebärmutter gestaltet wurde. Die Gräber wurden mit Steinplatten verschlossen. Einige dieser Gräber sind so klein, dass sich vermuten lässt, das dort ein Kind seine letzte Ruhe gefunden hatte.
In der daunischen Kultur wurde die Gestaltung und Ausstattung der Gräber ihrer Liebsten ein großer Wert beigemessen. Sie legten ihre Toten jeweils einzeln in eines dieser Gräber – nie zu mehreren oder übereinander – und gaben ihnen reichhaltige Beigaben: Waffen, Schmuck, Keramiken und Prunkrüstungen mit ins Grab.

Von hier stammen also die großartig erhaltenen Keramiken, die wir zuvor im archäologischen Nationalmuseum Matteo Sansone von Mattinata bewundert haben. Ein großer Teil seiner Sammlung wurde hier von den Bauern gefunden und ins Tal gebracht. Es darf bezweifelt werden, dass die Daunier zu ihren Lebzeiten auch nur annähernd so komfortabel wohnen konnten, wie sie es in ihren Gräbern durften. Sehr sicher wohnten sie aber in der direkten Umgebung.

Äußerlich schmückten die Daunier diese Gräber mit aufrecht gestellten Köpfen und hohe Tafeln aus Stein, den sogenannen Stelen. In diesen Stelen waren Gesichter der Verstorbenen gehauen – aber auch ganze Szenen, die den Beruf der Verstorbenen oder ihre Herkunft beschrieben. Im Dialekt der früheren Mattinos nannte man diese Stelen „Testine”.
Auch von ihnen findet man einige in der Sammlung im Museum Matteo Sansonse. Eine noch größere Sammlung ist im Castello di Manfredonia zu entdecken. Für uns Besucher schließt sich hier der Kreis der Geschichte der Daunier, der sich mit unserem Besuch des Museums eröffnet hatte.

Am Ende unseres Ausflugs hier dürfen wir ein besonderes Highlight erleben, denn der Himmel schenkt uns einen Regenbogen über dem Meer. Ganz ehrlich, dieser besondere Ort schüttet seine Magie reichhaltig über uns aus.
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