2025-03-01

Italien entdecken – beim Pranzo Domenicale

Die Trattoria a'Muntagnola in der Fuggerstraße 27 hat eine wunderschöne Tradition, um interessierten Gästen Süditalien und seine Kultur, Produkte und natürlich Köstlichkeiten nahe zu bringen: das Pranzo Domenicale. Das sonntägliche Mittagessen – in der Familie!

An jedem ersten Sonntag im Monat findet um 13:00 Uhr ein gemeinsames Mittagessen statt. Pino serviert seine Pasta al Forno und Wasser frei Haus. Gerne gegen eine kleine Spende, die meist einem sozialen oder kulturellen Zweck in der Nachbarschaft gespendet wird.

Im offiziellen Teil gibt es Buchpräsentationen, Lesungen, Vernissagen – die Trattoria ist nämlich auch zum Teil Galerie.
Kürzlich hatte der Verein Mafia Nein danke!, zu dessen Gründungsmitgliedern Pino Bianco gehörte, seinen 17. Geburtstag mit der Präsentation des Buches Germafia des Journalisten Sandro Mattioli zelebriert. Was für ein interessantes Mittagesssen! Dieses Buch lese ich gerade und werde es hier bald vorstellen.
Nun im März 2025 lädt Pino mit seinem reizenden Team sogar an zwei (!) aufeinander folgenden Sonntagen euch zum Mittagessen ein! Es wird kalabrisch zitronig, touristisch und wir begegnen dem grünen Gold der Basilikata!

Am 2. März 2025 lernen wir das Dorf Rocca Imperiale (1221 n. Chr.) kennen, es ist das erste Dorf in Kalabrien und liegt direkt an der Grenze zur Basilikata. Letztere Provinz ist die Heimat von Pino. In Kalabrien werden die besten Zitronen angebaut, die sogar mit Schale verzerrt werden können – die wir natürlich verkosten werden – und Rocca Imperiale präsentiert sich auch als ein Urlaubsziel und wird uns familiäre Unterkünfte und Reisetouren präsentierten. Die Rocca Imperiala Marina liegt am traumhaft schönen Ionischen Meer.
Am darauf folgenden Sonntag, dem 9. März 2025 kommen die Produzenten von Olearia De Vincenzis nach Berlin. Sie bauen seit 1957 in der Gegend rund um Matera (Basilikata) die Oliven an, aus denen sie feinste und aromatische Olivenöle produzieren. Diese Öle stehen bei Pino schon seit Jahren auf den Tischen – und sind wirklich außerordentlich gut! Und das sage ich als jemand, die von Olivenöl – als echter Fan – inzwischen durchaus fachliche Expertise besitzt. Dieses Öl ist zum Niederknien (und kann in der Trattoria erworben werden.)

Also werden am 9. März Geschichten über Oliven und Matera zu hören sein – und natürlich das Olivenöl verkostet!

Geöffnet ist die Trattoria dann ab ca. 12:30 Uhr, der offizielle Part beginnt um 13 Uhr. Danach folgt das gesellige Mittagessen, wie es in lukanischen Trattorien zelebriert wird, natürlich mit der üblichen Herzlichkeit der Trattoria a'Muntagnola!

Und das Beste: Alle sind herzlich willkommen!

Trattoria a'Muntagnola
Fuggerstraße 27, 10777 Berlin
Tel: +49 30 211 66 42
E-Mail: trattoria@muntagnola.de

2025-02-28

Gut geschlafen: Das L’Artiere Dimore nei Sassi in den Sassi di Matera

Mein persönlicher Jackpot anlässlich der Reise in die Basilikata, der war natürlich die Freude zwei Nächte in Matera schlafen zu dürfen. In den Sassi. In der Altstadt, dem Bereich in dem die früheren Höhlenwohnungen heute noch existieren, die Sassi di Matera, wofür Matera heute noch steht. Seit ich das erste Mal auf eigene Initiative hin einen Tagesausflug in diese bezaubernde und – im wahrsten Sinne des Wortes – alte Stadt, gemacht hatte, hat sie mein Reiseherz gewonnen!
Dort auch einmal zu schlafen, das stand auf meiner Wunschliste ganz weit oben.

Ich glaube nicht, dass ich je von diesem Ort genug bekommen könnte. Es liegt ein Zauber über diese alten Höhlen und Gemäuer, über die Natur der Gravina, deren Schlucht die Stadt begleitet. Die Besonderheit, die immer noch existierenden Zeichen der extremen früheren Armut, den kann auch der zunehmende Luxustourismus nicht auslöschen. Die Liebe mit der die Materani ihre Stadt schmücken, kunstvoll und überall mit kleinen Details. Jedes Mal, wenn ich in Apulien bin, lockt es mich, wenigstens einen Tagesausflug in die Basilikata nach Matera zu machen.
Am Flughafen Bari Palese abgeholt, dauert es mit dem Auto ca. 45 Minuten und ich fahre zum ersten Mal in die Sassi hinein – anstatt über die Piazza Dumono die Treppen hinabzusteigen – direkt zu unserem B&B.

L'Artiere Dimore nei Sassi

Cinzia und ihr Bruder Nicholas haben ganz zentral im Bezirk Sasso Caveoso ein entzückendes Refugio für ihre Gäste geschaffen. Das L’Artiere Dimore nei Sassi ist ein B&B, das in einigen der früheren zusammenhängenden alten Häuser integriert ist, die – und das ist doch das Besondere an den Sassi – teilweise in das Gestein der Felsen eingehauen oder auf die früheren Höhlen gebaut wurden. Hier ist eine eine riesengroße ehemalige Zisterne, die diese Anlage unterkellert.
Vier traumhaft schöne und große, autark gelegene Appartements warten auf Gäste – alle sind modernisiert und mit Liebe und Charme gestaltet. Sie sind benannt nach den typischen historischen Berufen, die einst in Matera hoch geschätzt waren, es teilweise heute noch sind. Il Ceramista, il Cartapestaio, il Vetraio und il Ferraio – der Keramiker, der Papiermacher, der Glasmacher und der Eisenwarenhändler.
Feine kleine Details in den Räumen deuten auf den jeweiligen Berufsstand hin. Ich – als Enkeltochter eines Kunstschmieds – darf im Il Ferraio schlafen. Und das tue ich, wie ein Engel, in einem wunderschönen Eisenbett mit Baldachin. Das Zimmer ist erstaunlich groß, bietet bequeme Sitzmöbel, einen kleinen Esstisch und eine ebensolche hübsche kleine Küche im Nebengelass. Der Mix des Mobiliars zwischen Antike und Moderne ist gelungen und unterscheidet sich angenehm von der üblichen Stilistik monotoner Hotelzimmer.
Auch das Bad ist modern, groß und lässt mich in einer großen Dusche meine ebensolche genießen. Eine charmante kleine Terrasse, die nach hinten hinausgeht und von der man einen Teil der Sassi überblicken kann, lädt zu ruhigen Momenten ein.

Nach vorne habe ich einen grandiosen Ausblick auf die Via Bruno Buozi. Sie ist eine der relevanten Straßen in den Sassi, durch die auch – der in den Sassi nur partiell geduldete – Autoverkehr geht. Allerdings ist hier lediglich ein Anlieger- und Lieferverkehr zu bestimmten Uhrzeiten gestattet. Ruhe ist garantiert.

B&B, Galerie und Cocktails in der Zisterne

Schräg gegenüber des L'Artiere Dimore nei Sassi liegt die bekannte Pasticceria (und Bar) Il Forno nei Sassi, die das Pane di Matera selber backen und verkaufen. Die Rezeptur ist über 500 Jahre alt und trägt längst das IGP-Siegel. Ein Stück weiter das Restaurant Pane e Pomodorro, hier habe ich immer sehr gut gegessen bei meinen bisherigen Ausflügen nach Matera. Besonders das Fave di Cicoria habe ich hier in leckerer Erinnerung. Da ich diesen Bereich von Matera also schon gut kenne, fällt es mir überhaupt nicht schwer, mich sofort wie zu Hause zu fühlen.

Zum L’Artiere Dimore nei Sassi gehört eine kleine Boutique Bar in der uns das Frühstück nach freier Wahl serviert wird. Überall faszinieren hübsche Details. Bei der Restaurierung und Einrichtung war sehr viel Liebe zur Tradition im Spiel.
Die zur Via Bruno Buozzi liegenden Außenplätze lassen uns den willkommenen Spritz später genießen, Gästen können auch kleine, typisch lukanische Spezialitäten bestellen.
Die Bar ist gleichzeitig eine Galerie auf kleinem Raum. Überall hängen Gemälde und Zeichnungen, sind Keramiken und Skulpturen befreundeter Künstler aus Matera ausgestellt, die man natürlich auch erwerben kann. Gemeinsames Thema, es wird nicht wundern: Matera.
Über eine spektakuläre Wendeltreppe gelangt man in den unteren Raum. In die frühere in den Felsen gehauene ehemalige Zisterne ist heute ein Restaurant und Bar eingezogen und kann natürlich als Eventlocation gebucht werden. Es ist ein wirklich besonderer Ort mit historischer Atmosphäre, den das Geschwisterpaar aus dem für Zisternen typisch runden hohen Raum gemacht haben.
Und aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, dass die Flasche Pietrapena von der Casal Dragone, die wir gemütlich oben auf der grandiosen Dachterrasse trinken, sie für alle Gäste zugänglich und bietet einen Rundumblick auf den Sasso Caveoso, ein besonderes Erlebnis ist. Klarer Sternenhimmel on top!
Ach ja: Die kleine Katze, die sich dem B&B verpflichtet gehört, heißt Eva. Ihre Anwesenheit und diese tiefe Ruhe, die dieser wirklich schöne und gastliche Ort auf mich ausstrahlt. Jackpot eben!

Mitten drin!

Die Sehenswürdigkeiten der Sassi di Matera insbesondere in den Sasso Caveoso sind vom L'Artiere Dimore nei Sassi aus zu Fuß bequem zu erreichen. Nicht weit vom B&B entfernt, führen von der Via Bruno Biozzi schmale Treppen auf die höhere gegenüberliegende Ebene und von dort wieder hinunter zur Panoramastraße.
In den verwinkelten kleinen Gassen wohnen Manterani und sie gestalten ihre Außenflächen sehr charmant mit der typischen lukanischen Vegetation. Und das erstaunlich üppig in einem Untergrund, der nur aus Felsen besteht.
Eine Besonderheit dieser Region sind keramische Arbeiten jeglicher Art. Der Berufsstand scheint schon deswegen gerettet, weil überall in der Stadt die Wasserableitungen an den Häusern aus Ton gestaltet sind. Das sieht zum einen sehr harmonisch aus und zum anderen haben sie den Vorteil, dass sie gestückelt installiert sind. Geht also einmal eine Röhre kaputt, kann sie alleine ersetzt werden.
Auf einem Platteau etwas südlich gelegen, ungefähr oberhalb der Chiesa S. Lucia alle Malve, kann man noch Reste von früheren Nekropolen entdecken. Die in den Stein gehauenen Gräber der frühen Materani.
Dieser ruhige Ort, wo heute Touristen auf Felsen sitzen und die Aussicht auf die gegenüberliegende Seite der Sassi genießen, war also einmal ein Friedhof.

Auf der anderen Seiten hinab gestiegen, sind wir wieder auf der Panoramastraße, Vicinato di vico Solitario, auf der wir den Tag zuvor die zahlreichen Sehenswürdigkeit besucht haben. Alles zu erreichen und man ist lediglich einmal über den Berg geschlendert.

Mein Geschenk an mich

Am letzten Tag unseres Aufenthaltes gehe ich genau diesen Weg noch einmal. Ich wollte unbedingt einmal den Sonnenaufgang in den Sassi di Matera zu erleben, der Wecker klingelte um fünf Uhr. Tatsächlich zeigt sich der Charme der frühen Sonne eher von der anderen Seite der Sassi. Aber diesen friedlichen Moment ganz früh am Morgen, nur für mich, die Ruhe zu dieser besonderen Zeit, das war ein persönliches Geschenk an mich. Lediglich ein Müllauto und ein Mann, der zur Arbeit eilte, sind mir begegnet.

Ich habe mich auf die Felsen gesetzt und über die Schlucht geguckt, den kleinen Katzen beim morgendlichen Mäusefang zugesehen und durfte zuhören, wie die Vogelwelt langsam erwachte mit dem ersten Gruß der Sonne.
Etwas Grillenzirpen mischte sich in Klaviatur. Eine so friedliche Welt, die sich farblich von einem tiefen dunklen Blau der Nacht zur morgendlichen blauen Stunde, später zum hellen Morgen wandelte.

Links von mir liefen zwei Glühwürmer den Abhang zur Gravina hinunter, deren Stimmen in der Ferne entpuppten sich dann doch als Menschen, die sich in der Dunkelheit aufgemacht hatten auf die gegenüberliegende Seite zu wechseln. Faszinierend war zu verfolgen, wie sich deren zwei Lichter durch die Dunkelheit erst hinab, über die Hängebrücke und dann wieder hinauf bewegten. Und eine dieser frühen Menschen ließ es sich nicht nehmen, später mit einer wunderschönen Stimme und klassischem Gesang die Sonne zu begrüßen. Für dieses besondere Erlebnis bin ich ihr dankbar!
Das war mein perfekter Moment in der Basilikata, in den Sassi di Matera. Und ich weiß genau, was ich anlässlich meiner nächsten Übernachtung in Matera auch tun möchte: Den Sonnenaufgang über die Stadt von der anderen Seite der Schlucht ansehen. Keine Sorge, ich werde nicht singen! Die Stille dort – vielleicht mit einem ersten Cafè aus der Thermoskanne – wäre mir Stimmung genug!

2025-02-27

Küchen der Welt

Pierre Raffard ist Franzose, Geograf, Ernährungswissenschaftler mit Stil und einem Faible für Klamotten. Der Mann ist so etwas wie ein Food-Philosoph. Er versucht zu verstehen, wie geografisch lokalisierte kulinarische Systeme interagieren und sich vermischen. Dabei nimmt er intensive Analysen im Kontext der historischen Geschichte von Lebensmitteln und Gerichten in den einzelnen geografischen Regionen vor. Kurz: Der Mann ist ein wandelndes Food-Lexikon.

Seit Januar 2025 strahlt arte.tv seine Sendung „Küchen der Welt” aus – und ich bin Fan. Jeden Tag zeigt arte um 06:50 Uhr die 30minütige Sendung in der sich Pierre Raffard jeweils ein typisches Gericht aus einem Land oder Region vornimmt und uns Zuschauern nahebringt. Dabei reisen seine Mitspieler jeweils durch die Welt und probieren vor Ort landestypische Spezialitäten, besuchen Köche und Küchen in diesem Land, kaufen ein und sind mit Rafard im Dialog über die Entstehung bzw. Entwicklung bestimmter Zutaten oder Kochprozesse.

Am Ende folgt dann immer in der typischen illustrativen arte-Methodik das Rezept zum Nachkochen.

Eine tolle kurzweilige Sendung, die wahnsinnig viel und schönen Input rund um die Küchen unseres Planeten serviert! Wer keine Katze hat und daher um 06:50 Uhr noch nicht die Augen auf hat, kann die Sendung natürlich in der Mediathek sehen. Mittlerweile sollen wohl ca. 70 Folgen produziert sein.

Kreolische Garnelen, französische Paté oder Currywurst – nichts ist vor Rafard und seinem Team sicher. Tolle Unterhaltung mit echtem Mehrwert

2025-02-25

Ein Spaziergang durch den Sasso Caveoso di Matera

Der Himmel ist strahlend blau über den Sassi di Matera in der Basilikata, kleine Schäfchenwolken schweben, die Sonne leuchtet die alten Häuser aus Tuffstein freundlich, beinahe weiß aus.
Müde Katzen, die sich von den Restaurants haben mit den Resten füttern lassen, liegen entspannt im Schatten.
Die Kunsthandwerker beziehen wieder ihre Outdoor-Werkstätten und die Straßen füllen sich langsam wieder nach der ruhigen Mittagszeit.

Contróra

Es ist nach der Contróra, der in Süditalien praktizierten Mittagszeit, in der sich alle Menschen aus der Hitze zurückziehen in ihre Häuser, um sich nach dem Mittagesseen etwas ausruhen. Wenn um ein Uhr die Schulen aus sind und die Kinder abgeholt werden, wird es sehr geschäftig in den Städten und Gemeinden Süditaliens. Eine Art Feierabendverkehr zu einer, für uns, ungewohnten Zeit setzt ein.

Und ganz plötzlich zieht sich das Leben völlig zurück. Alles wird ruhiger, gelassener. Die Innenstädte leeren sich. Sogar die Züge fahren jetzt in einem deutlich reduzierten Takt. In den Restaurants bzw. in die Familien wird zusammen Mittag gegessen und danach geht man dorthin, wo es kühl ist.
Das kann durchaus heißen, das man in den Restaurants gegen 14 Uhr gebeten wird, langsam zum Ende zu kommen mit seinem Besuch. Und es erklärt auch, warum man in Süditalien um zwei Uhr bei sehr vielen Restaurants vor geschlossenen Türen steht. Die meisten Geschäfte sind nun zu. Keine Unhöflichkeit, die hart arbeitenden Menschen benötigen in der Hitze einfach ihre Ruhe!

Auch in den Familien ziehen sich alle Mitglieder nach dem Essen in ihre Zimmer zurück und ruhen sich aus. Ja, auch die Kinder genießen diese Zeit in Ruhe. Die Sicherheit, dass sie nichts versäumen in der Zeit, scheint ihnen eine gute Beruhigung zu vermitteln. Erst zwischen 16-17 Uhr kehrt das Leben zurück in die Straßen.

Und genau jetzt, um diese Zeit, beginnt unsere geführte Wanderung durch den Sasso Caveoso von Matera.

Kirchen aus Stein im Stein

Unser B&B liegt in diesem Bereich der unteren Altstadt Materas, den Sassi di Matera, Wir folgen von dort aus dem Verlauf der Via Bruno Buozi, die auf einer Piazza endet, wo uns der Blick auf die beeindruckende tiefe grüne Schlucht, durch die der kleine Fluss Gravina plätschert, erwartet. Ihrem Verlauf folgt die untere Altstadt von Matera mit ihren berühmten Höhlenwohnungen. In dem Felsmassiv gegenüber liegen die früher auch bewohnten Höhlen und sind als größere dunkle Löcher im Gestein zu erkennen.

Diese Seite ist jedoch nie bebaut worden. Heute führt eine kleine Hängebrücke nach einem Abstieg über den Fluss, und man kann auf angelegten Wegen wandern. Eine Führung hierfür zu buchen, um die geschichtlichen Zusammenhänge erklärt zu bekommen, kann sich sehr lohnen.

Auf der Piazza San Pietro, auf der wir stehen, befindet sich auch die Chiesa San Pietro Ceveoso, die Kirche stammt aus dem Jahr 1300. Ihre heutige Fassade erhielt sie im Jahr 1706.
Beeindruckend thront dahinter ein großer Kalksteinfelsen – der Monterrone. Oben bzw. in seinem Inneren befindet sich die Kirche Santa Maria de Idris aus dem 13. Jahrhundert. Es gibt einige Höhlenkirchen in Matera – aber eine, die so in die Höhe gebaut wurde, findet man weltweit nicht oft.

Sie scheint das rustikalere Spiegelbild des ebenfalls erhöht gebauten Duomo auf der gegenüber liegenden Seite, den Sasso Barisano, zu sein. Wer ausreichend höhenfest ist, kann über eine kurze steile Treppe diese Kirche erreichen, äußerlich blieb sie immer über die Jahrtausende unverändert. Von ihr aus gelangt man in die Krypta von San Giovanni in Monterrone (11. Jh. geweiht). Dort warten Fresken aus dem 12. bis zum 17. Jahrhundert, gemalt, aber auch in den Stein gehauen.

Diese Schande Italiens

„Die Schande Italiens!”, so sprach der italienische Ministerpräsiden Alcide De Gaspari von den Sassi di Matera nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und ließ die Stadt 1953 räumen. Zuvor wurden am Rande der heutigen Altstadt viele Wohnblöcke hochgezogen und in diese die 15.000 Bewohner der Sassi zwangsweise umgesiedelt.
Die untere Altstadt wurde gesperrt, eingezäunt und verfiel.
1986 vergab Italiens Staat einen Kredit von 50 Millionen Euro, damals waren das ca. 100 Milliarden Lire für den Wiederaufbau und die Modernisierung der Sassi. Immerhin gilt Matera – zusammen mit dem syrischen Aleppo – als eine der ältesten Städte unserer Welt. Eine Frischwasserversorgung wurde installiert, ebenso ein Stromnetz und die Kanalisation wurde angelegt. Die Besiedelung erfolgte neu, heute leben ungefähr 3.000 Menschen wieder in den restaurierten Häusern.

Viele Häuser wurden in den letzten Jahren restauriert und in Luxus-Etablissements für Touristen umgewandelt. Aber man findet auch noch viele Höhlen, die zwar vor Zugängen gesichert sind, aber mit den erkennbaren Spuren der Bewohner aus ihrer Vergangenheit.
Darin liegt – von der Historie abgesehen, der man hier folgen kann – der besondere Charme der Sassi: diese Brüche. Ruinen, die hoheitsvoll in ihrer Bedeutung neben dem touristischen Ausverkauf liegen. Aber ich möchte fair sein, es gibt auch viele Häuser, die sehr bedacht auf die besondere Geschichte Materas rücksichtsvoll neu aufgebaut wurden, in denen die Menschen wirklich noch leben. Und hoffentlich nicht so verdrängt werden, wie es an vielen anderen Orten geschieht.

Bei der zum Wiederaufbau dazu gehörigen Inventur zählte man alleine 3000 Höhlenwohnungen und 162 Höhlenkirchen, die zum Teil immer noch einen unfassbaren Schatz an den Wänden mit oft hervorragend erhaltenen bunten Fresken tragen.

Man erkennt von außen nicht, dass sich hinter den kleinen Häusern oder Kirchenfassaden teilweise Räume und Gänge mit bis zu 15 Metern Tiefe in das Gestein gehauen befinden. Die Höhlen, die nachweislich in der Steinzeit bereits bewohnt waren, wurden erst im Mittelalter mit Türen verschlossen.

Chiesa Santa Lucia alle Malve

Unser Spaziergang folgt der Panoramastraße und wir besuchen die Chiesa Santa Lucia alle Malve. Eine kleine Felsenkirche mit drei unterschiedlich geformten Schiffen, die durch ihre sehr gut erhaltenen Fresken aus dem 11. bis 17. Jahrhundert besticht.
Zwölf wunderschöne Fresken sind hier zu sehen. Unter anderem sieht man das Bildnis einer stillenden Madonna. Im dritten Seitenschiff kann man einen besonderen Fresko der Heiligen Lucia sehen. Ihr Martyrium bestand in einer Blendung und in dem Bildnis hält sie uns Betrachter*innen ihre beiden Augen hin.
Ich begegne an diesem Ort erstmals dem Abbild der Heiligen Agnes – deren Vertretung ich anlässlich der Feierlichkeiten der Il Tavole di San Giuseppe in Apuliens Giurdignano einmal bei der feierlichen Speisung übernehmen durfte.

Sant'Agostino al Casulvuovo

Mit dem gleichen Eintrittsticket kann man die direkt daneben liegende Höhlenkirche Sant'Agostino al Casulvuovo besichtigen. Deutlich rustikaler im Ausbau enthält sie eine der Schneezisternen, die, lange vor der Erfindung des Kühlschranks, für die Wasserversorgung und Speisekühlung verantwortlich waren. Man differenzierte den weißen und den schwarzen Schnee. Der weiße Schnee war für die menschliche Versorgung geeignet, den verschmutzten schwarze Schnee bekam die Landwirtschaft bzw. wurde für die Reinigung verwendet.

Unterhalb der Kirche existierten sogar Wohnungen.
Diese Höhlenkirche aus dem 13. Jahrhundert interpretiert sich heute gleichzeitig als eine Galerie für moderne Kunstobjekte und landwirtschaftliches Museum.
Gerade werden Feierlichkeiten für die Vernissage vorbereitet.
Ich liebe das so in Italien, diese unbekümmerte und durchaus auch liebevolle Verknüpfung uralter Geschichte mit der heutigen Zeit.

Storica Casa Grotta di Vico Solitario

In unmittelbarer Nachbarschaft können Interessierte die Casa Grotta besuchen, und ich möchte es jedem Besucher Materas empfehlen. Die ehemalige Höhlenwohnung der Familie Vico Solitario wurde mit zahlreichen erhaltenen Möbeln und Gegenständen des gelebten Alltags ausgestaltet, sodass man einen guten Einblick in das frühere Leben der Materani erhalten kann.
Diese Art Museum ist klein, so klein, dass die Besucher in kleineren Gruppen eingelassen werden – und nach angemessener Zeit auch wieder zum Verlassen gebeten werden. (Das gilt für viele Sehenswürdigkeiten hier in den Sassi.)
Aber die ganzen Artefakte sind so liebevoll aufbereitet und diese Höhle so anschaulich eingerichtet – sie ist sehr entzückend!
Tatsächlich waren diese nicht allzu großen Behausungen, in denen die Großfamilien lebten und schliefen, gleichzeitig auch die Ställe für die Tiere, Toiletten und Waschräume – und nicht selten erledigte man das alles in einem einzigen großen Raum.
Im Winter war die zweifache Nutzung als Stall und Wohnung durchaus praktisch, weil das Stroh Feuchtigkeit aufnehmen konnte und die Tiere auch Wärme spendeten.
Die Wohnungen hatten keine Fenster, waren dunkel, viele von ihnen bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts ohne Stromversorgung. In der Casa Grotta steht das Pony mitten im Raum – gegenüber dem großen Bett der Eheleute. Ein interessanter Ausflug in eine Zeit, der uns das Leben in den Sassi um einiges bewusster erleben lässt – im Nachhinein. Alleine von dem olfaktorischen Erlebnis der damaligen Zeit wird man heute verschont.
Natürlich wurde in der früheren Zeit fast überall so gemeinsam gelebt, purer Pragmatismus. Aber dass in den Sassi di Matera lange, bis Mitte des letzten Jahrhunderts, in einem sonst zivilisierten Europa so gelebt wurde und erst durch eine politische Agenda verändert wurde … Ich nehme einige besondere Eindrücke für mich mit aus der Casa Grotta.

Storica Casa Grotta di Vico Solitario
Vicinato di vico Solitario, 11
75100 Matera (MT) Italia
e-mail: info@casagrotta.it

Turismo di Matera

Weitere Blogposts zu Matera