Confetto Riccio – der süße Schatz von Francavilla Fontana
Süß wurden wir in Francavilla Fontana empfangen – im wahrsten Sinne des Wortes. Im Innenhof des Castello Imperiali begrüßte uns Bürgermeister Antonello Denuzzo mit freundlichen Francavillesi. Eine Stunde liegt diese Stadt von Lecce mit dem Auto entfernt in der Provinz Brindisi im Dreieck Mesagne, Oria und Grottaglie. Wer Keramik liebt, kann in all diesen schönen Orten sehr leicht einem Kaufrausch verfallen.
Konfekt mit Locken
Den süßen Empfang aber bereitete vor allem Nicola Tardio, der sich der historischen Familientradition, frische Mandeln zu verzuckern, verschrieben hat, dem Confetto Riccio D.O.P. Wie schon sein Vater und seine Urgroßväter. In vier Generationen verzaubert die Familie die in der Provinz Brindisis geschätzten Mandeln zu köstlichem Konfekt.
Mandorla a Mazzetta und Tondina, letztere wird auch „Cinque Cinque” genannt, denn ihre Früchte reifen an den Ästen immer in Fünfergruppen. Beiden Mandel-Sorten ist gemein, dass sie geschält raue Oberflächen haben – so kann der Zucker besonders gut haften und sie zart ummanteln. Nicola tourt mit seiner heißen Installation Jahr für Jahr durch die Kindergärten und Schulen, um bei den Kindern ein Gespür für die besonderen Traditionen des Salento zu wecken.
Dieses Geschenk bereitete er uns also auch – und zudem verwöhnte er uns mit seinen süßen Köstlichkeiten.
Menulli rizzi werden sie im Dialekt bezeichnet (lockiges Konfekt), langsam gebrannte Mandeln, die stetig mit sehr wenig Glucosesirup aus der Kelle beträufelt werden. Dabei werden die Mandeln in einer großen Kupferschale andauernd in Wellenbewegungen über glimmende Holzkohle geschwenkt.
Der Zucker schmiegt sich gleichmäßig um die Mandeln, umhüllt sie und versiegelt so ihre knusprige Frische. Hinterher sehen die Mandeln aus wie kleine weiße Ostereier. Es ist ein komplett anderer Vorgang, als wir das Karamellisieren von Mandeln auf unseren Weihnachtsmärkten kennen. Immer und immer wieder werden die Mandeln geschwenkt und beträufelt, geschwenkt und beträufelt …
Vier Stunden dauert alleine dieser Arbeitsprozess! Danach werden die Mandeln auf Baumwolltücher ausgebreitet und müssen komplett austrocknen. Nicht, dass sie nicht schon heiß und frisch aus der großen Pfanne genascht gut schmecken würden. Ich kann’s bestätigen!
Bessser als Krawatten kürzen
Traditionell wurden diese Süßigkeiten früher nur in der Karnevalszeit hergestellt und am Lu sciuitia ti li femmini (die Weiberfastnacht) – also am Donnerstag vor Aschermittwoch – von Frauen, ihren Freunden, Verlobten, Ehemännern und Vätern verschenkt. Sie gelten als besonderes Symbol für die Zuneigung, gar Liebe zur beschenkten Person. Also das süße Äquivalent zu unserem Krawatten-Diebstahl. Was wohl bei den Herren besser ankommt?
Heute wird das Konfekt auch am Tag der Schutzpatronin von Francavilla Fontana, der Madonne della Fontana am 14. September eines jeden Jahres verschenkt (dann übrigens umgekehrt – von den Männern den Damen überreicht.)
Aber finden wird man die Confetti ricci tatsächlich nur in dieser Stadt und in der sehr nahen Umgebung. Diese traditionelle Süßigkeit hat ihren Weg nie weiter hinaus in die Welt gefunden, was zu bedauern ist. Ihr bekommt Il Confetto Riccio aber auch das gesamte Jahr über an den Süßigkeit-Ständen in Francavilla Fontanta. Herzlichen Dank an Nicola Tardio und die Stadt für diese überraschende Begegnung mit einem Produkt der heutigen Slow Food Bewegung.
Das Castello Imperiali
Nach der Knabberei ging es für uns hoch in das Kaminzimmer des dreistöckigen Castello Imperiali. Dieses Castello wurde 1450 n. Chr. von Giovanni Antonio Del Balzo Orsini, Prinz von Tarento in Auftrag gegeben – zum militärischen Schutz. 1547 gestalteten der Marquis von Oria und der Feudalherr von Francavilla Giovanni Bernadino Bonifacio das Castello in eine Wohnresidenz um. Die Fürstenfamlie Imperiali sicherte es sich im Jahr 1575 und lebte darin bis 1727, auch in dieser Zeit unterlief das imposante Gebäude stetigen Änderungen. Übrigens kehrte das Castello während des zweiten Weltkrieges nochmals zurück zu seiner militärischen Bestimmung, als einige Regimente dort untergebracht wurden.
Ein Saal – was für eine Pracht!
Der ehemalige Ratssaal, ein großer Saal mit einer mehr als imposanten Decke …
… im klassischen Barockstil von G. Vollone
… gemalt und dem beeindruckenden Gemälde des letzten Abendmahls, fand seine letzte bauliche Veränderung in dem Einbau eines großen Kamins anlässlich einer relevanten Vermählung. Er trägt kunstvoll arrangiert die Wappen der sich vermählenden Familien.
Das letzte Abendmahl
Ihm gegenüber hängt das große Gemälde des letzten Abendmahls. Es ist beeindruckend! Man findet in dem Gemälde typische salentinische Speisen, wie das speziell geformte Pane di Altamura oder die Friselle (ganz links unten). Aber auch die große Kupferschale der Confetto Riccio lässt sich im Gemälde ausmachen – aus ihr trinkt in dem Gemälde ein Hund (rechts unten).
Ein österliches Lamm liegt zubereitet auf dem Tisch. Dieses Gemälde gilt im Salento als der Ursprung der italienischen Zero-Kilometre-Bewegung. Also die italienische Besinnung darauf, vorrangig regionale Produkte auf den Tisch zu bringen bzw. im Alltag zu verwenden.
Dass zu Füßen von Judas eine Katze liegt und sie somit als Ausdruck des Bösen gedeutet wird, kann ich nur vehement zurückweisen. Katzen als Ausdruck des Verrates – was für eine absurde religiöse Fehlinterpretation! Pah!
Prädikat: Für den Salento besonders wertvoll!
Carmen Mancarella nutzte diesen besonderen Ort und unsere Anwesenheit dafür, zwei junge Menschen aus Francavilla Fontana mit dem von ihr im Namen ihres Tourismusmagazin Spiagge neuen Prädikat als Eccellenze d'Italia auszuzeichnen. Marco Pappadà, Koch, und Simone Santoro, Winzer, sind junge und wirklich begnadete Talente ihrer Zunft, die mit den Produkten Apuliens und auf dem Terroir des Salento traditionelle Gerichte und hochklassige Weine auf den Tisch bringen. Und natürlich so die traditionellen Speisen der Region erhalten bzw. sogar in die Welt tragen.
Später am Tag durften wir uns alle von ihren Talenten überzeugen – und ja, ihre Auszeichnung haben sie völlig zu Recht erhalten.
Archäologische Museum im Castello Imperiali
In weiteren Räumen warten die frisch restaurierten Gemälde (sprich einen Tag vor unserer Ankunft erst wieder in die Räume zurückgelangt) auf ihre senkrechte Rückkehr an die Wände.
Auf der gleichen Etage schließt sich ein archäologisches Museum an,
mit eindrücklichen Grabsimulationen.
Wir durften indes auch auf dem großen Balkon etwas Luft schnappen.
Er liegt an der Ostfassade des Castello im Barockstil und seine Gestaltung wurde in den Tuffstein von Lecce gearbeitet. Vier an die Wand angelehnte Bögen, in denen sich vier von kleinen Blättern umrahmte Fenstertüren befinden.
Ein weiteres kunstvolles Kleinod in diesem hübschen Castello Imperiali.
Die Kirchen von Francavilla Fontana – verhinderte Pracht
Eigentlich stand der Besuch der Basilica Minore del Santissimo Rosario auf unserem weiteren Programm.
Nun war sie aber im Rahmen ihrer üblichen und durchaus ehrenvollen Aufgaben verständlicherweise verhindert. (Ich muss schon anmerken, italienischer Bestatter gestalten sich ihren Beruf angenehm mit dem Fahren unglaublich schöner Autos. Das hier ist ja nur ein Mercedes – aber googlet mal die Bestattungsfahrzeuge von Lancia!)
Der Ursprung der Kirche ist der Überlieferung nach mit der Entdeckung einer byzantinischen Ikone mit dem Bild der Madonna am 14. September 1310. Die römisch-katholische Kirche ist die größte Kirche des Bistums Oria. Das heutige barocke Gebäude mit der höchsten Kuppel des Salento mit einem Durchmesser von 13 Metern ist das Ergebnis eines Wiederaufbaus im Jahr 1743, nachdem ein Erdbeben einen Großteil der im 14. Jahrhundert errichteten Kirche zerstört hatte.
Auch die kleinere Kirche Matrice del Santissimo Rosario direkt nebenan, war unserem Besuch eher abgeneigt aufgrund ihrer räumlichen Kosmetikprozeduren.
Immerhin, der zuständige Pfarrer der Chiesa Padri Liguorini hatte mit uns ein Einsehen und schloss freundlicherweise seine Kirche für uns auf. Was für eine Pracht!
Wieder eine Kirche in der man Tage verbringen könnte, um alle Deckengemälde, …
alle Altäre, die Böden und Seitenschiffe …
auch nur annähernd in ihrer Kompleixtät bewundern zu können. Mir ein deutliches Stück zu viel an Pracht – ich fühlte mich völlig überfordert. Aber wunderschön ist sie ausgestattet! Sie gehört zum 1310 gegründeten Kloster der Liguorini Mönche.
Wer gerne Italiens Kirchen besucht und an barocker Pracht durchaus tiefe Freude empfinden mag, dem sei Francavilla Fontana auf jeden Fall empfohlen.
Wir durften auch den Kreuzgang des Klosters besuchen, das reich an Zitrusbäumen ausgestattet ist – was ein Duft!