2007-08-01

Von der Zeitverschiebung in der Blogospäre



Am Morgen des zweiten Tages traf ich am Buffett auf der BlogHer eine sehr charmante Frau, die mir erklärte, was es mit den Cornflakes in der Warmhalteplatte auf sich hatte: diese deckten nämlich eine Art Kartoffelgratin ab. Und ritterlich richtete sie für mich die Cornflakes für's Foto. In dem Moment war schon klar, was wir gemeinsam hatten. Alanna Kellogg (tatsächlich irgendwann im 16. Jahrhundert mit der Familie Kellogg der Kellogg's Cornflakes verschwägert) erklärte mir, dies sei eine Art Farmer's Food. Nun, ich habe Kellogg's Corn Flake Cheese Potatoe Crisps probiert und ähem, würde es wohl anders machen – mit Nüssen könnte das möglicherweise ganz lecker sein. Alanna erzählte, sie hätte das auch noch nie für ihre Familie machen wollen.

Sie selbst ist eine sehr reizende quirlige Person, die uns während des Frühstücks unterhielt, Networking der besonderen Art betrieb und auch jedem voller Freude erklärte, dass wir Mädels aus Deutschland kämen, den Trip gewonnen hätten (über so etwas können sich Amerikaner ja mit einem stundenlang freuen), erzählte es auch einer der BlogHer-Organisatorinnen und ich danke dem straffen Programmplan, der es verhinderte, das wir noch irgendwann auf die Bühne gemusst hätten – als die Blogger-Aliens from outer space. Ich traf Alanna noch später in ihrem Workshop: „The Art of Foodblogging“ als auch in der Mittagspause, sie ist Kolumnistin und ambitionierte Foodbloggerin.

Alanna erzählte uns, dass an dem Abend zuvor als ca. 40 (!) Foodbloggerinnen sich zum Abendessen verabredet hätten, eine der Teilnehmerinnen die schreckliche Nachricht erhalten hatte, dass ihr Lebensgefährte verstorben sei. Aus heiterem Himmel, man vermutete einen Schlaganfall. Ich wusste nicht, wer das war, hatte eine Ahnung als eine Frau in die Nähe unseres Tisches kam. Nun lerne ich gerade bei meiner nachträglichen Aufbereitung, es war tatsächlich diese eine Workshopsprecherin, Jasmine, bei „The Art of Foodblogging“. Sie hatte sich entschieden, vor Ort zu bleiben, um ihren Teil zur Konferenz am Vormittag beizutragen.

Das hatte mich jetzt noch im Nachhinein beeindruckt. Es ist neben dem Zeichen für die persönliche Stärke dieser einen Frau auch der deutliche Hinweis dafür, wie professionell Amerikanerinnen in dieser Blogwelt agieren.


Hängt jetzt bei US-Bloggerinnen am Kühlschrank.

Wann immer man mit einer Bloggerin ins Gespräch kam, folgte früher oder später die Frage, welche Art von Bloggerin man denn sei: Life, Business, Community, Politics, Technical? Diese Themen waren von der Konferenzschemata vorgegeben. Oft waren die Antworten: „Ich habe ein Strick-Blog, ich bin Mommy-Bloggerin." Dies aber mit einem Selbstverständnis, einer Selbstsicherheit und in der Folge des Gespräches mit einem ausgeprägten Know How zu Themen wie Blog-Marketing, -Technologie, was uns alle fünf immer wieder hat erstaunt aufhorchen lassen. Die amerikanische bloggende Hausfrau weiß genau, was sie tun muss, um ihr Blog in Google weit oben zu positionieren, Suchmaschinenoptimierungstipps hauen Dir in jedem Gespräch um die Ohren, sie wissen alle was Widgets sind, alle hatten sie schon mal den Blogger-Blues (ja ja, das Blog-Burnout-Syndrom ist in USA bereits indiziert!). Über Werbung und Advertisings in Blogs wird kaum geredet – und wenn nicht über das «ob» sondern über das «wie», sie wird einfach gemacht. Ein Blog haben ohne eigene URL beim Bloganbieter geführt? Geht schon mal gar nicht. Die Mom-Bloggerin hat im Hinterkopf ihr Blog früher oder später als Biz-Blog zu betreiben – aktiv. Die wollen das, die kämen gar nicht auf die Idee zu bloggen ohne wenigstens mit Advertisings ihre Hosting-Kosten wieder reinzubekommen, das ist keine Frage der Ehre. Es ist blanker Pragmatismus. Und es ist nicht wie bei uns die große Schande, sondern das Selbstverständnis mit diesem Blog wie auch immer irgendwie Geld zu machen und vor allem: vorwärts kommen zu wollen.

Zweimal ist mir im Gespräch angedeutet worden, dass man in den USA sehr wohl weiß, wie schwer wir deutschen Blogger uns mit Werbung in Blogs tun und dies wurde mir gegenüber immer mit höflichem Lächeln bedacht.

Amerikanische Bloggerinnen sind diesbezüglich mit sich im Reinen, haben die Fragen für sich beantwortet: sie wollen Erfolg mit ihrem Blog haben, das schließt auch den finanziellen Erfolg sehr deutlich mit ein. Das für sich und für „lau“ schreiben, scheint mir bei den Bloggerinnen, die ich dort getroffen habe, allenfalls der Einstieg zu sein.

Ich hatte in den Tagen immer die Vision im Kopf eine dieser Hausfrauen-Bloggerinnen geht auf jemanden wie Sascha Lobo auf einem Event wie beispielsweise die re:publica zu und erklärt ihm voller Stolz und Leidenschaft, sie bloggt «erfolgreich» über ihr Baby und ihr Leben …

Die «Momosphere» z. B. in den USA hat eine Power und ist in Augen der Markteers so attraktiv, dass 70 % der Sponsoren der BlogHer ihr Business genau mit dieser Zielgruppe betreiben. Auch wurde hier das Thema «Election» offensiv an die Frau gebracht. In den USA ist die Zielgruppe „BloggerIN“ eine hart – übrigens erstaunlich intellektuell – umworbene Zielgruppe. Mag daran liegen, dass der dort gebärenden promovierten Uni-Absolventin nicht immer gleich das Abitur nach der Niederkunft abgesprochen wird, wie hier gerne üblich.

In Deutschland wundern sich die Organisatoren einer re:publica darüber, dass die Hälfte der angemeldeten Teilnehmer Frauen waren. Andere Frage: wieviele Blogs von Frauen geführt stehen auf der «wirbt für die adical-Kunden»-Roll? Die Popnutten und hier und da schreibt noch eine Frau in den Gruppenblogs. Alles klärchen?

18 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen ersten Teil der Berichte aus Chicago - ich werde auch nach einer Woche nicht motzen, weil Du immer noch über die Konferenz bloggst! :) -. Was Du bzw. Ihr beobachtet und erlebt habt, verwundert mich nicht sehr. In Deutschland wird das Bloggen größtenteils nicht "locker" genug genommen, wobei "locker" nicht automatisch heißt qualitativ schlecht oder weniger ernsthaft. Mir kommt die sog. "deutsche Blogsphäre" häufig unheimlich verkrampft und "strikt" vor. Weiß nicht, wie ich das besser erklären soll, aber nachdem Du jetzt auf der Konferenz warst, verstehst Du vielleicht, was ich meine.

Freue mich schon auf den nächsten Teil der Berichte! :)

Anonym hat gesagt…

soll ich das jetzt so verstehen, dass Bloggen zum Spaß haben und zum Kommunizieren (sowas) von gestern ist?

creezy hat gesagt…

@liisa
Ja, das verstehe ich sehr gut. Hier wird einem schon sehr gerne vorgeschrieben was „richtig“ und was „falsch“ sein soll beim Bloggen. Was mir immer sehr ungut aufstößt, weil ja die meisten Blogger gestandene erwachsene Menschen sind. Da lassen sich Amerikaner auf ihre Art mehr Freiraum, möglicherweise weil es auch in ihrer Kultur verankert ist, sich gar nicht so nahe zu kommen. (Ich habe überlegt, ob der deutsche Blogger möglicherweise mit dem „Du“ im Blog vielleicht auch ein wenig überfordert ist und deswegen gerne mal Grenzen zum anderen überschreitet?)

@michael
Nein, das ist so zu verstehen, dass drüben die Blogwelt anders beworben wird und diese mit Werbung anders, weil selbstverständlicher umgeht als hierzulande. Das mag mit in der Kultur der Amerikaner liegen, dass sie viele Dinge, die sie tun, grundsätzlich sehr zielorientiert tun und generell fragen „was bringt MIR oder meinem sozialen Anspruch das Bloggen?" Amerikanner bloggen häufiger mit ausgeprägter sozialer Zielsetzung – und das interessiert auch da drüben offensichtlich mehr Leute. Beispiel: http://www.fivemoms.com Deswegen, denke ich, sind sie aber z.B. bei Unterstützung in Form von Sponsoring immer offen, da muss nix ganz alleine gestemmt werden.

Melody hat gesagt…

Einen Vortrag halten müssen oder meinen halten zu müssen, wenn der Lebenspartner gestorben ist, hört sich ganz entsetzlich an. Wenn Bloggen so wichtig ist ... Beeindruckt hätte mich das also auch, aber eher anders.

creezy hat gesagt…

@melody
Ja, den Zwiespalt sehe ich auch. Habe das aber auch darauf geschoben, dass möglicherweise das mal eben sofort zurück fliegen vielleicht seitens des Flugplans oder der zusätzlichen Kosten nicht möglich gewesen wäre. Da kann es viele Gründe geben, die wir nicht kennen. Und den Workshop doch zu machen, kann hilfreiche Abwechslung im Schmerz sein. (Ich weiß ja selber noch zu gut, wie mir Normalität im letzten Jahr erst mal weiter geholfen hat, um mit der Nachricht überhaupt erst mal klar zu kommen.)

Für eine solche Situation gibt es keine Patenrezepte, die für jeden passen.

bhuti hat gesagt…

Meine erste Reaktion war auch ein schockiertes "so kalt, das könnt ich nicht". Aber bei weiterem Nachdenken sage ich mir aber auch: Ihm hätte es nicht mehr geholfen, wenn sie sofort abgereist wäre und ihr hat es vielleicht geholfen weiterzumachen, sie abgelenkt, in dem sie einen Hauch von Normalität aufrechterhält (blöde Formulierung, aber ich denke, ihr wißt in etwa was ich meine).

Ob ich das könnte weiß ich trotzdem nicht. Es ist aber auch müßig darüber nachzudenken, solange man nicht tatsächlich in einer solchen Situation ist.

Anonym hat gesagt…

Danke creezey, sehr interessant. Echt jetzt mal.

Und genau da sehe ich auch das Problem; der dt. Blogosphäre fehlt es an Pragmatismus. Einfach machen, einfach laufen lassen; ohne immer alles bis ins letzte Detail ausdiskutieren zu müssen. In den Staaten gibt es natürlich auch vereinzelt Wichser, die versuchen, es allen anderen mit Ihrer Ideologie madig zu machen. Aber es sind halt nur ein paar. Und droben weiss man das; hier schätzt(e) man das noch! Zum Glück schwindet täglich die Ernsthaftigkeit und man kann zum Wesentlichen kommen: Bloggen!

Und: Ich hätte Euch da gerne auf der Bühne gesehen!

Anonym hat gesagt…

Ich glaube nicht, dass das mit dem "Du" in den Blogs zusammenhängt. Wir Deutsche haben das Kritisieren, das immer gleich erstmal das Negative wahr- und annehmen und das ewige "alles muß ausdiskutiert werden" dermaßen verinnerlicht, dass es eben auch in der Blogwelt voll durchschlägt - leider. Diejenigen, die da anders geprägt oder gepolt sind, ziehen sich leider dann schnell in die Nischen der Blogsphäre oder gleich völlig aus ihr zurück. Ist auch verständlich, denn die haben zu recht keinen Bock darauf ihre Zeit mit solchem SChwachsinn zu vertun. In der deutschen Blogosphäre zählt halt das (in weiten Teilen sogar ungeschriebene) Dogma mehr als Freiheit, Kreativität, Toleranz und schlicht Spaß an der Sache.

Anonym hat gesagt…

Ich stehe zur Werbung in meinem Blog. Die Reaktionen im Bekanntenkreis gehen von "belächeln" bis "hast du das nötig?" Ach ja, und von Nicht-Bloggern kommt die Frage: "Und was hast Du davon?"

Anonym hat gesagt…

Ganz vergessen: Danke für den Bericht!

Narana hat gesagt…

Toller Bericht, vielen Dank!

bittersweet choc hat gesagt…

wie schon in chicago gesagt: die deutschen alpha-tierchen-blogger, die glauben, edelfedern zu sein, haben die gurke im arsch. die sollten die sich langsam mal rausziehen.

Sebi Protagonist hat gesagt…

also, die gurke im arsch hat bei mir schonmal für sehr gute laune gesorgt. ich muss mir dauernd vorstellen wie die pro und contra addical fraktionen mit gurken im arsch im kreis stehen und aufgeregt über werbung diskutieren. da wird einem auch gleich bewusst, wie lächerlich das ganze manchmal ist.

aber vielleicht schafft ihr mädels es ja, jetzt ein bischen mehr lockerheit und unverkrampftheit in den laden zu bringen. ich hoffe drauf.

Anonym hat gesagt…

Was ich nicht so ganz verstehe ist der Zusammenhang zwischen "mit dem Blog vorwärts kommen" und der Kommerzialisierung durch Werbung etc. es sei denn, das Ziel des Bloggens wäre es, damit Geld zu verdienen.

Die Gefahr, die sich bei einer Kommerzialisierung für die Inhalte ergeben könnte, ist vielen Amerikanern kulturell wesentlich unverständlicher als uns. Das muss meiner Meinung nach aber nicht zwingend etwas schlimmes sein.

Ich schreib meinen Quark also weiterhin liebend gern für lau; dafür kann's mir aber auch am viel zitierten Arsch vorbei gehen wieviel PIs ich denn nun habe. Und das mit Gurke oder ohne!

Alanna Kellogg hat gesagt…

I recognize that cornflake concoction! It was so nice to meet you in Chicago!

Anonym hat gesagt…

hier
bin ich gerade drüber gestolpert und musste an dich denken.

svensonsan hat gesagt…

Schöner Artikel.

Auf dem Barcamp in Köln habe ich gerade die Begriffe "Blogbedeutungsmafia" und "Blogfundis" gelernt. Das trifft es auch sehr gut, allerdings ist die Gurkennummer sympathischer.

creezy hat gesagt…

@Sven
Hör mal, „Blogfundis“ finde ich aber obercool. Das riecht förmlich nach T-Shirt-Print!

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