2006-08-03

Physik & Asche

Heute früh war ich beim Sozialamt. Das war alles in allem ganz nett und informativ. So informativ, dass ich nun weiß, das eine neue Runde im legendären creezys Familienkult eingeläutet wird. Ich wußte ja, es wird noch lustig werden. Aber dazu ein anderes Mal mehr.

Gestern hatte bei mir die Information über die Freigabe meiner Mum, das Wissen, nun werden zwangsläufig die nächsten Schritte gegangen – auf die ich keine wirkliche Lust habe – bei mir wieder ein klein wenig die in den letzten Tagen brach liegende Denkautomatik in Gang gesetzt. Und zwar wie doll und verrückt ein klein wenig.

Ich will meine Mama ja nach Mallorca überführen und dort – ihrem Wunsch entsprechend – sie auf ihrer liebsten Insel an ihrem liebsten Ort bei dem schönsten Sonnenuntergang dem Meer übergeben. Hierzu habe ich einen Bestatter gefunden, der sich mutig ein wenig im deutschen Bestattungsgraubereich bewegt. Er übergibt mir die Urne. Ich kümmere mich selber um die Überführung.

Gut, also fiel mir gestern im neu wiedergefundenen Denkmode ein: Urne dem Wasser übergeben, ist die denn überhaupt schwer genug um zu sinken? (Physik war ich ja bekanntermaßen nie die große Leuchte!) Wäre ja doof, wenn sie dann zur Flaschenpost de Luxe mutiert. Muss sie dann nicht aus einem schwerem Material, vielleicht aus Stein sein? (Preis? Flugzeug Übergepäck?) Lassen die mich im Flugzeug mit der Urne – als solche erkennbar – wirklich durch? Oder sollte ich Asche vorher in ein unauffälligeres Behältnis umfüllen (keine große Lust)? Überhaupt, füllt denn Asche das ganze Behältnis aus oder sind dann noch Lufträume, die das Absinken unmöglich machen? Außerdem finde ich diese patentierte Urnenform wenig attraktiv. Ich habe sie mir übergesehen, wenn ich's mal so sagen darf.

Im Geiste habe ich schon Netze besorgt, mit Steinen gefüllt; Asche umgefüllt, den Boden mit Steinplatten ausgelegt, Asche wieder eingefüllt und real habe ich im Web gesurft, nach Seebestattungsurnen bzw. Urnen in anderen Formen gesucht. Dann bin ich zu einem Bestattungsinstitut in Kreuzberg gefahren, an dessen Schaufenster ich vor Jahren mal vorbei gekommen bin und die sich auf spezielle freakige Leichenbehältnisse konzentrieren. Ratansärge, Puschelurnen, Dinge, die dank der eigenen AIDS-Sterbekultur dem Thema etwas mehr Chic eingehaucht haben. Die Frau war sehr freundlich, aber als klar wurde, ich habe schon einen Bestatter beauftragt, wollte sie mir leicht gekränkt nicht etwa 'nur' ihre Urnenkunst (quadratische Holzkisten) anbieten. Puh, der Bestattungsmarkt scheint auch leicht gesättigt.

Nun, diese Sorgen in Kombination mit den gestrigen Nachrichten der Gerichtsmedizin (von der ich prompt heute schon die Rechnung für die Ausstellung des Leichenscheines in der Post hatte) habe mich, sagen wir's salopp, heute nach sauschlecht schlafen lassen.

Heute bin ich dann nach dem Sozialamt zum Bestatter und habe mich mit dem Thema Urne physikalisch intensiver auseinander gesetzt: angefasst, aufgeschraubt, reingeguckt. Ich bin so. Ich kann die Dinge besser ertragen, wenn ich genau Bescheid weiß. Ein Behälter mit relativ dünner Wand (nix doppelte Wände oder so, aber ich kann mir auch nicht die Luxusversion leisten), auf dem eine Art Konservendeckel kommt, der wohl noch versiegelt wird und dann abschließend der Urnendeckel. Eigentlich sehr trivial. Gut, das habe ich dann jetzt auch durch. Der Bestatter meinte (zum Sinkthema) ich soll die Asche einfach ins Meer streuen. Recht hat er, dann kann ich ggfs. auch die teurere Bootsfahrt mir schenken und einfach nur auf den Felsen klettern. Er erzählte mir auch, die Urnen hätten tatsächlich nachher ein unterschiedliches Gewicht. Im Durchschnitt so um die zwei Kilo, aber eben auch gelegentlich viel mehr. Dann haben wir gerätselt, woran das wohl liegen mag? Er tippte auf Übergewicht. Das glaube ich nicht, der menschliche Körper besteht zu 80 % nur aus Wasser. Und Wasser gibt im Verbrennungsprozess als erstes auf. Auch Fett und Muskelmasse ist nichts, was hinterher übrig bleiben dürfte. Liegt es doch am schweren Knochenbau? (Grandioser Comic zu dem Thema. via Kaltmamsell)

Um 16.00 Uhr rief er mich wie vereinbart dann an, um mir zu sagen, dass meine Mum heute schon gegen 18.00 Uhr eingeäschert wurde. Es war so verabredet, damit wir an sie denken können in dem Moment. Das war dann aber noch einmal sehr heftig, ging mir von gestern auf heute definitiv zu schnell, meine Einstellung war auf kommende Woche geeicht. Von 16.00 bis 17.45 Uhr habe ich geheult, zwischendurch ihre Freunde angerufen. Um 18.00 Uhr habe ich mich eine Stunde lang hingesetzt und für sie gechantet. Ist mir egal, ob's ulkig klingt. Für Mama nur das Beste. Und mir geht's nun auch wieder gut. Trotzdem ist die Endgültigkeit noch ein Stück näher gekommen.

Jetzt würde ich nur sehr gerne nachher schlafen können …

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Als erstes hoffe ich mal, dass Du schlafen konntest, und zwar möglichst tief und fest.

Dann möchte ich zum Thema "Physik & Asche" noch etwas beitragen:

Der Bestatter meines Vertrauens, übrigens ein ehemaliger Schulkamerad von mir aus dem gleichen Jahrgang, hatte mir seinerzeit, als ich Papa versenken wollte, sehr viel zum Thema erklärt. So besteht die Urne für Seebestattungen aus einer Art Wellpappe, die sich im Wasser relativ schnell auflöst. Hier in Deutschland werden die Urnen an einer von zwei bestimmten, für die Seebestattung freigegebenen Stellen in der Nordsee ausgesetzt.

Meinem Papa war das damals recht, denn er sagte, aus der Nordsee heraus wäre er mit jedem Meer der Erde verbunden. Gut, Papa sah das eher pragmatisch, Kosten sparen wollte er mir natürlich auch noch. Ehrlich gesagt, es hätte schlimmer kommen können, doch wozu ihn vor Kenia oder im indischen Ozean "begraben", wenn doch die Nordsee quasi direkt zum Atlantik gehört?

Das einzige, was ich ihm heute noch etwas übelnehme: Er wollte mich nicht auf dem Schiff haben. Hmpf. Papa halt, er war so. Immer möglichst unauffällig und niemandem zur Last fallen wollend.

Erkundige Dich doch vorsichtshalber wenigstens mal per Internet, wie das mit der Einfuhr einer Urne samt Inhalt nach Spanien aussieht. Nicht, dass Du Gutes vorhast und wir dann monatelang nix von Dir lesen, weil sie Dich in einem mallorquinischen Gefängnis festhalten. Oder so.

Just my 2 cents, liebe creezy.

Anonym hat gesagt…

Hallo creezy,

ich kann vielleicht noch ein paar Informationen betragen, nachdem ich vor ein paar Monaten die Asche meines Papis gegenüber von Mallorca an der Festlandküste zu Wasser gelassen habe.
Soweit ich mich erinnere ist die rechtliche Situation in Spanien so, daß man über die Asche im Prinzip frei verfügen kann (also anders als in Deutschland...). Wenn man die Urne auf der Fensterbank haben möchte ist das auch in Ordnung. Was Seebestattung angeht, gibt es allerdings die Einschränkung, daß man die Asche nicht verstreuen darf sondern in einer Urne versenken muß und daß man zum Bestatten etwas rausfahren muß (ich glaube zwei Seemeilen) - verstreuen vom Felsen ist also nicht erlaubt. Kann man natürlich trotzdem machen - nur kann es ja nicht schaden zu wissen daß es 'prohibido' ist.

Diese Art der Bestattung ist auch nicht unüblich in Spanien. Wenn Du ein Boot 'chartern' willst kannst Du in einem Yachthafen fragen, ob jemand 'schnell mit Dir rausfährt', vielleicht gegen eine Spritbeteiligung.

Die Urne die wir verwendet haben war übrigens nicht aus Wellpappe sondern aus einer Art Ton (der sich angeblich nach zwei Stunden im Wasser auflöst) und wenn man sie an einer Kordel ins Wasser läßt, füllt sie sich mit Wasser und sinkt - ich hatte auch befürchtet, sie würde schwimmen aber das tat sie nicht.

Ich fand diese Art der Bestattung gut, es war auch ein guter/angemessener/passender Abschied - schön aber ohne Pathos. Wir hatten einen Cassettenrecorder mit Lieblingsmusik dabei, die Sonne brannte, das Meer hat ziemlich geschaukelt, der Skipper hatte Dosenbier dabei und ich war froh als ich die Urne im Wasser hatte.

Also… ich fands gut, es kann eine schöne Erinnerung werden.

Gruß,

stormy_weather

creezy hat gesagt…

Herzlichen Dank für Euren Erfahrungsaustausch! Das hat mir richtig gut getan zu lesen, den irgendwie ist das doch alles eine unbekannte Größe für mich.

Erst einmal, Narana, Deine Wünsche haben gewirkt. Ich konnte fast sehr gut schlafen mit einer kleinen Unterbrechung um 5 Uhr, weil drei kleine bis große Katzen meinten, den Tagesanbruch begrüßen zu müssen.

Ist ein komisches Gefühl heute, am Tag danach. Ich finde die Idee, sie ist jetzt physisch nur noch Asche äußerst merkwürdig. Andererseits gibt's mir auch einen bemerkenswerten Frieden gerade.

Von diesen speziellen Seebestattungsurnen hatte mir gestern der Bestatter auch berichtet, dass sie aus Zellulose sein und sich binnen von 30 Minuten auflösen. Und das sie eben auch nicht wirklich günstig sind, er meint (er kennt meine finanzielle Situation natürlich), die kosten schon im EK 150 Euro.

Was die Urnenausfuhr bzw. Einfuhr anbelangt, soll das Procedere wohl sein, dass ich vom Bestatter einen Urnenpass erhalte. Damit kann ich sie aus Deutschland problemlos raus bekommen (obwohl ich mich schon sehr auf diesen einen Moment an dem Röntg-o-Mat im Securitybereich am Flugplatz freue ;-) ) Klug ist natürlich eine Bestätigung aus Spanien zu haben, dass dort ein Grab oder so bereit gestellt ist. Die wird mir eine Freundin über die Freundin einer Freundin die in einem mallorquinischen Bestattungsinstitut arbeitet besorgen können, habe ich gestern gehört, woraufhin mir ein gletschergroßer Stein vom Herzen geplumpst ist. Hoffentlich klappt das, dann muß ich mir wirklich keinen Kopf mehr machen.

Die Einfuhr selber in Spanien – ich bin seit ich nach Mallorca geflogen bin, dort noch nie kontrolliert worden. Da mache ich mich den geringsten Kopf.

@stormy_weather
Vielen Dank für die Hinweise mit den Seemeilen bzw. der Felsengeschichte, das ist gut zu wissen, dann werde ich das unauffälliger machen ;-) Deine Erfahrung zu lesen, gibt mir einmal mehr Mut, dass ich es so richtig mache, wie ich es mache: für sie! Und ja, ich denke, ein paar ordentlich Pullen Cava werden bei uns auch dabei sein. ;-)

Ich habe zwar viel Angst davor und vor dem Moment, aber ein kleines bisschen freue ich mich schon doch jetzt für sie.

Melody hat gesagt…

Wieso darfst du bis 5 Uhr schlafen? Ungerecht. (Kenzofoto)

creezy hat gesagt…

@melody
Erpressung: Ich bis fünf Uhr schlafen. Ihr heute abend Krabben. Ich nicht bis fünf Uhr schlafen. Ihr heute abend keine Krabben.

Sie sind käuflich. Ich sehe es ein.

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