2025-10-04

Frederick's – historische Location mit französischem Flair

Bellevuestraße 1 – wer diese Adresse in Berlin sein Eigen nennen darf, residiert an der souveränsten Postanschrift, die man in der Hauptstadt haben kann. Unter dieser Anschrift verbirgt sich der gerettete Kaisersaal des früheren Grand Hotel Esplanade im „Das Center"(am Potsdamer Platz.)


Frederick's – Welcome to the Pleasure Dome!

Seit 2022 befinden sich das Restaurant und die Bar Frederick’s in diesen historischen Räumen und haben ein Konzept des Wohlfühlens konzipiert. Serious about food, serious about fun! Die Strategie geht auf, das spürt man schon bei der herzlichen Begrüßung im Garderobenbereich. Seit Kurzem steht dem Restaurant Chefkoch Nicolas Gémin vor.

Bevor am 1. Oktober 2025 seine neue Speisekarte Berliner Gourmetfreunde begeistern wird, durfte ich sein Begrüßungsmenü im Rahmen des Soft Openings genießen. Noch bis zum 4. November serviert, wird es von einer geflügelten Adventskarte neben der regulären Hauptkarte abgelöst. Das kann man durchaus bedauern, es ist ein Genuss!

Zu viert – nehmen wir zwei Tatsachen vorneweg – waren wir alle mehr als begeistert von dem Menü mit seiner spannenden Wein- und Cocktailbegleitung und: Wieder einmal waren es die vegetarischen Gänge, die uns besonders zu begeistern vermochten.


Who is Nicolas und Josip?

Nicolas Gémin lebt Tempo. Das ist schnell klar, sobald man sich mit dem eloquenten, sehr sympathischen Franzosen unterhält, der uns in seinem schnellen, perfekten Englisch seine berufliche Vita erzählt.
Im französischen Gabat (Nouvelle-Aquitaine) geboren, hatte der junge Baske noch dem typischen Hobby französischer Kinder gefrönt: Go-Karting-Rennen fahren. Die Leidenschaft ging so weit, dass er kurz davor war, in den Profirennsport zu wechseln.

Doch die Liebe zur Küche, das Talent, ist ihm von der Großmutter und Mutter, letztere professionelle Köchin, vererbt, hatte gesiegt. Den Abschluss machte er an der École hôtelière de Biarritz. Seinem Wunsch, nach der Ausbildung zunächst ein nur viermonatiges Praktikum im Ausland zu machen, folgten acht Monate in Marokko und seine große Liebe zu den Gewürzen des Orients. Dem schlossen sich viele Stationen mit jahrelangen Beschäftigungen in Sterneküchen in Kanada, New York, Dublin und Amsterdam an – inzwischen bereits auch zehn Jahre in Berlin. Hierher hatte ihn die Liebe verschlagen. Das SPINDLER, das er mit seinem Team zu einer der Top-Brunch-Adressen in Berlin gemacht hatte, war davon die meiste Zeit seine berufliche Heimat.
Mit der Aussicht auf ein Glas Crémant brut vom Weingut Abril (Kaiserstuhl) als Aperitif begrüßt uns Josip Dzajic im Restaurant. Als Restaurantleiter bildet er gemeinsam mit Gémin das neue Führungsteam des Frederick’s. Dzajics hat kroatische Wurzeln, sein beruflicher Werdegang ist speziell. Nach seiner Ausbildung als Hotelfachmann im Europe Hotel Stuttgart ließ er zunächst ein Theologiestudium in Tübingen mit anschließendem Studienaufenthalt in den USA folgen.
Zurückgekehrt in die Gastronomie, arbeitete er in Deutschland, der Schweiz und den USA. Als diplomierter Sommelier (WSET Level 3) steht er seit 2016 in Berlin namhaften Gastronomien wie dem Reinhard’s am Kurfürstendamm, Einstein unter den Linden und Scirocco Brasserie am Ku’damm als Restaurantleiter vor. Nun zeigt sich Josip Djajic im Frederick’s also für die vorzügliche Weinbegleitung – und somit auch für unser Menü – verantwortlich.


Ein Ausflug in die Berliner Historie

Zuerst gewährt er uns aber eine charmante Führung über die ehrwürdigen Treppen aus Marmor in den Kaisersaal des legendären Grand Hotel Esplanade, der in die besondere Architektur integriert ist. Denn: Wir dinieren hier in Berliner Geschichte – lediglich etwas vom Originalschauplatz verrückt. Das Anfang des 20. Jahrhunderts eröffnete Hotel, absoluter In-Treffpunkt berühmter Persönlichkeiten seiner Zeit, wurde bei einem Luftangriff der Alliierten auf Berlin 1945 größtenteils zerstört. Erhalten blieben über die Jahrzehnte dann lediglich der Kaisersaal, der Frühstückssaal, das Treppenhaus mit Säulen und Waschräume. Im Kaisersaal finden heute wieder besondere Veranstaltungen, wie z. B. Trauungen im kleineren Rahmen, statt.
Der Abriss für die übrigen Reste des Hotels stand in dem Bebauungsplan nach dem Fall der Mauer mit der neuen gestalterischen Planung des Potsdamer Platzes für das Sony Center. Die über die Jahre immer noch für das pure Vergnügen genutzten restlichen Räumlichkeiten standen u. a. für den Film „Cabaret“, aber auch für Wim Wenders „Himmel über Berlin“ Kulisse.

Der Einspruch des Denkmalschutzes mündete in der millionenteuren Translozierung. Der Kaisersaal wurde auf ein Luftkissen gehoben und Meter für Meter transportiert, um 75 Meter weiter direkt in das Center neu versetzt zu werden. Ein Meter auf dem Luftkisssen kostete knapp eine Million, es hat sich gelohnt. Die Rokokowände des früheren Frühstückssaals, in 500 Einzelteile zerlegt, wurden am neuen Ort ebenfalls wieder zusammengefügt und sind jetzt Teil der Fassade.
Heute sind sie von einem Glascontainer geschützt in den Innenplatz des Centers integriert.
Von der Rhubarb Hospitality Collection 2020 erworben, wurden die Räumlichkeiten zwei Jahre komplett umgebaut, bevor das Fredericks’s unter neuer Führung 2022 eröffnete.
Der Wohlfühlcharakter ist immens. Dazu verhelfen einladende Sofa-Landschaften in gesetzten Farben im nicht überstylten Art-Déco, große Spiegelwelten an den Wänden und moderne multimediale Lichtinstallationen zu den zeitlosen Lichtelementen, wie sie am Anfang des 20. Jahrhunderts en vogue waren. Brüche in der Moderne sind charmant und sehr klug umgesetzt. Immerhin bis zu 150 Gäste finden an den sehr variablen, elegant eingedeckten Tischen Platz.
Der Weg zum Speisesaal, dem ehemaligen Silbersaal, führt zunächst an der einsehbaren Küche vorbei. Begrüßt wird der Gast von der einladenden Art-Déco-Bar mit ihrem Loungebereich, der in der Galerie im ersten Stock Fortsetzung findet. In dem Raum sind die geretteten Säulen des früheren Hotels integriert. Dem kreativen Tempel der Getränke gegenüber liegt der große Speisesaal, der mit einer eleganten Gemütlichkeit und den großen Spiegelelementen abgelöst von moderner Wandgestaltung Berliner Street-Art-Künstler lässige Gastfreundschaft vermittelt. Die Einrichtung von Innenarchitekt Robert Angell vermittelt – trotz der Größe des Saales – ein Gefühl von Intimität am Tisch. Angells Philosophie ist es, ein Gleichgewicht zwischen Opulenz und Wohnlichkeit zu bewahren – job well done!

Frederick's und sein Team – die können was!

Europäisches Brasserie-Essen – so beschreibt das Frederick’s seine Küche. Mit der Präsentation der neuen Speisekarte von Küchenchef Nicolas Grémin werden die üblichen klassischen Verdächtigen der europäischen Küchen serviert: Fine-de-Claire-Austern, Dry-Aged-Beef-Tatar über Burrata mit Rote-Bete-Tatar, Gnocchi mit Trüffel-Beurre-blanc u. v. m. Grémin malt sie mit seiner ihm eigenen modernen, eleganten Art zu delikaten Gebilden auf den Tellern. Daneben serviert er natürlich eigene Kompositionen.
Im Rahmen des Soft-Openings genießen wir das dreigängige saisonale Willkommensmenü von Nicolas Grémin mit der Weinbegleitung. Diesem stellt Josip Djajic mit seinem Barteam optional auch eine vorzügliche Variation an Cocktails zur Seite.

Der Spirit im Frederick’s ist Sharing und dafür wurden extra die Group-Menüs konzipiert. Sich die einzelnen Gänge am Tisch zu teilen, das ist ausdrücklich gewünscht – schließlich genießt man so in vielen Regionen Europas, warum also nicht auch hier? Genau das machen wir: Wir bestellen im Hauptgang die Fleisch- und die fleischlose Variante, teilen und diskutieren deren Weinbegleitung.
Der Einstieg ist ein herbstliches Farbenspiel: Topinambur und konfierte Minikräuterlinge mit frischer Trüffel tummeln sich im schwarzen Geschirr. Ergänzt wird der vegetarische Gang von einer weichen Topinambur-Creme, Lauchfondue mit Petersilienöl und getoasteten Brioche-Croûtons und frittierten Artischocken-Chips. Die Topinambur-Creme vom Meister persönlich angegossen. Die Croûtons wirken auf den ersten Blick groß, sind aber mit aufgenommener Creme einerseits weich, andererseits oben immer noch zart-knusprig und entwickeln sich so zu geschmackstragenden Gaumenschmeichlern.
Knusprige Artischocken-Chips begleiten das Lauchgemüse mit ihrem Crunch, die Topinambur-Creme ist mit orientalischen Gewürzen aufregend abgeschmeckt. Lediglich der Trüffel ist geschmacklich erstaunlich zurückhaltend.
In unserem Glas leuchtet ein Auxerrois vom Weingut Margarethenhof (Mosel) von 2023 hellgelb und pariert die erdigen Genüsse des Herbstes auf dem Teller mit seiner ausgewogenen Mineralik. Herbstliche Früchte wie Mirabelle und Quitte schenken fruchtige Aromatik und das einfach zu gut. Als Cocktail hätten wir auch einen spritzigen, leicht herben French-75-Cocktail dazu trinken können.
Der Hauptgang kann gewählt werden als Gang mit Fleisch– und ohne. Mir wurde ein Iberico-Schweinebauch, langsam gegart, mit knuspriger Polenta und einer Variation vom Blumenkohl mit einer deftigen Senfjus serviert. Der Bauch wird nach 48-stündiger Beize für 8–9 Stunden im Sous-vide-Verfahren gegart, abgeflämmt und schmelzend-zart serviert. Auch für die Glace, in der dieser saftige Schweinebauch auf dem Teller badet, hatte sich Grémin wieder von den Gewürzmärkten Marokkos inspirieren lassen. Die Farbe kommt vom Ahornsirup, gepaart mit der frischen Säure der Limone.
Die Polenta ist knusprig, der Blumenkohl mit Biss genießt die Begleitung der hervorragenden Senfjus. Dazu geschmackvoller Crunch von knuspriger Schweinebauch-Haut. Diese Beilagen könnten bonfortionös alleine als Hauptgang bestehen.
Auch die vegane Variante, ein gedämpfter, dann abgeflämmter Spitzkohl mit Auberginenceme, frischem Koriander und knusprigem Wildreis, überrascht und begeistert uns alle mit einem dezenten Gewürz-Potpourri. Der Spitzkohl erhält einen rauchigen Barbecue-Goût. Dazu begeisterte die Auberginencreme mit Koriander als Begleiter, der nie nach zu viel schmeckt, in seiner Präsenz zum Kohl der Gamechanger. Selten ist mir Koriander so sinnvoll unterstützend serviert worden. Dazu der gepoppte Wildreis als knackiger Gegenspieler. Einigkeit am Tisch: Der vegane Gang triumphiert über den Fleischgang. Dass dieser köstliche Gang einen dauerhaften Platz auf der neuen Speisekarte des Frederick's findet, ist eine sehr gute Nachricht!
Im Glas zum Schwein serviert uns der Service einen 2022er Lemberger Rosé von Dautel aus Württemberg. Der hat einen zarten, fruchtigen Auftritt mit Pfirsich und Himbeere und endet mineralisch im Abgang. Mich begeistert der Guigal: Condrieu La Doriane, der dem veganen Gang zur Seite gestellt wird.
Was für ein Tropfen! Aus 100%iger Viognier-Rebe auf fünf Lagen angebaut, reift er ausschließlich in neuen Eichenfässern, die die Domäne sogar selber herstellt. Sein Bouquet hält, was es verspricht. Weißer Pfirisch, Zwetschge, zarte Honignote mit viel Frische, Säure im unteren Bereich, dafür erstaunlich passende Mineralik. Für mich an dem Abend die Entdeckung im Glas! Cocktailfans hätten einen Mezcalita-Sour-Cocktail dazu genossen.


Warum nicht … einen Cocktail zum Dessert?

Und das tun wir als Zwischengang zum Dessert. Josip Dzajic serviert uns alle im Menü enthaltenen Cocktails: den Mezcalita-Sour-Cocktail, den zum Dessert gedachten Little-Italy-Cocktail und den French-75-Cocktail des Entrées. Alle Drinks mit einer gesunden Bitterkeit, die elegante Begleiter zu den einzelnen Gängen sind. Mit dem Mezcalita Sour fühle ich mich sehr wohl, am meisten begeistert mich aber der elegante Little Italy.
Ein Dream-Team der kleinen Sünden bildet er mit dem zarten Zitrus-Cheesecake, auf dem sich saftige Quitten (pochiert) tummeln, an dessen Seite ein intensiv nach Sanddorn schmeckendes Sorbet. Das ist mit Abstand das erwachsenste Dessert, das ich je kosten durfte – ausgewogene Süße und Säure mit einer Spur Bitterkeit des Sanddorns. Ein Dessert, das selbst nicht allzu großen Fans süßer Abschlüsse gut gefallen dürfte.
Nicolas serviert uns noch seine vegane (!) Mousse mit aufgeschlagener Orange und dunkler Valrhona Gananche und Himbeeren, sie ist ab sofort auf der ständigen Karte zu finden.
Und eine Empfehlung, sie verspricht allerfeinstes Pâtisserie-Talent. Ganz ehrlich: Die vegetarischen und veganen Gänge im Frederick's sind zeitgemäß fantasievoll, köstlich – unbedingt probieren!
Dieses Menü macht große Lust auf die neue Karte des Frederick's von Nicolas Grémin! 45,— Euro kostet das dreigängige Begrüßungsmenü, Weinbegleitung plus 20,— Euro, Cocktailbegleitung plus 25,— Euro. Die neue Karte gibt es à la carte als auch mit dreifacher Menüauswahl ab 79,— Euro. Vegetarier und Veganer sind allerbestens aufgehoben im Frederick's! Freitag und Samstags übrigens mit Musik von DJs an den Turntables begleitet. It's all about fun!


Frederick's Restaurant & Bar
Bellevuestraße 1, 10785 Berlin
Dienstag - Samstag ab 17:30 Uhr
phone: +49 30 3119 6736
e-Mail: hello@fredericksberlin.com

2025-09-30

Ertrunken …

… in einem Meer voller wunderschöner Reiseprospekte.



In die ich natürlich auch nie wieder reingeguckt habe.

2025-09-29

Für euch getestet

Wenn man mitten in der Nacht mit dem M29 nach Hause fahren möchte, der aber gerade an der Haltestelle Wittenbergplatz steht und die immerhin 200 Meter noch entfernt liegt – man den Bus also auch mit Rennen nicht erreichen dürfte – man dann hinunter in der Bahnhof geht, dort direkt die am Bahnhof wartende U-Bahn U2 nach Pankow nimmt, dann am Mendelson-Bartoldy-Platz aussteigt, die ca. 500 Meter zur Haltestelle in der Stresemannstraße flinken Fußes läuft, kann man ca. fünf Minuten warten, um in genau den M29 einzusteigen, den man vorher nicht bekommen hätte.

Gestern für euch getestet.

Autofahrer sind wie immer bei dem Spaß draußen.

2025-09-27

So Kinders!

Ich erkläre hiermit den Sommer 2025 offiziell für beendet, denn …



… ich werde morgen die Lüfter in den Keller bringen.

2025-09-26

Ist die Brandgefahr bei e-Autos wirklich hoch?

Ob Autos mit Akku-Antrieb viel häufiger brennen als Fahrzeuge mit Verbrennermotoren, deren Brände schlechter zu löschen sind, diesen Fragen ist das Correctiv nachgegangen. Kurze Antwort, tatsächlich nicht. Es wird medial häufiger darüber berichtet. Die Aussagen der Behörden oder Versicherer können den dadurch entstandenen Eindruck nicht bestätigen.

Der Correctiv-Artikel ließt sich wirklich interessant und klärt das mit den vermeintlichen Gefahren bei e-Mobility.

Angeblich größere Brandgefahr bei E-Auto gibt es nicht

Das Correctiv ist eine der Organisationen, denen rechte konservative und rechtsextreme Parteien gerne die finanziellen Unterstützungen unserer Demokratie streitig machen wollen. Es leistet mit seinen Faktenchecke relevante Arbeit für uns und unsere demokratische Grundordnung und gehört immer unterstützt mit Spenden. Finde ich jedenfalls.

2025-09-24

Trüffel extrem – Sassone Tartuffi bringt kalabrische Trüffel auf den Teller!

Lediglich 13 Minuten sind es mit dem Auto von der Altstadt Rocca Imperiales aus bis zum Trüffel-Paradies in dem kalabrischen Küstenort Montegiordano! Ein Teil der Fahrt führt dabei entlang der schönen ionischen Meeresküste.
Sassone Tartuffi ist Passion. Um die Jahrhundertwende hatte Edigio Sassone, er stammt selber aus Rocca Imperiale, sein Unternehmen gegründet und ist damit seiner tiefen Passion und Liebe zum erdigen Pilz, der Trüffel, gefolgt. Der kalabrisch-lukanische Apennin mit seinen beiden großen Nationalparks, Sila und Pollino, ist reich an diesen lukrativen Bodenschätzen. Sie sind von Kanälen und Wasserwegen durchzogen, die die umliegenden Felder und Wälder bewässern und den „symbiotischen“ Bäumen den Trüffeln Kraft verleihen.
Steinpilze wachsen hier oberirdisch und unterirdisch ruht das weltweit geschätzte weiße oder schwarze Gold Italiens: die weiße oder schwarze Trüffel.

Mit seinem Team produziert Edigio aus diesen besonderen Pilzen wunderbare Spezialitäten und er teilt mit begeisterten Kunden das Wissen über die Kultur der Trüffeljagd.
Die Waffen dieser wohl friedlichsten Jagdform der Welt? Eine begeisterte Spürnase auf vier Pfoten, etwas Belohnung in der Tasche für den schnüffelnden Freund, der hier den bezeichnenden Namen Cash trägt. Ein kleiner, spitz zulaufender Spaten – und ein Pilzkorb mit Deckel aus Weide, der die gefundenen Pilze frisch aufbewahrt.

Edigo nimmt uns mit zu einem seiner bevorzugten Sammelgebiete und zeigt uns, wie Cash arbeitet. Hierzu verlassen wir die Küste von Montegiordano und fahren keine zehn Minuten erst die Landstraßen hoch in die bewaldeten Höhen, bis wir uns nur noch auf einem befestigten Weg fortbewegen.
Die Autos abgestellt, gehen wir uns nicht wirklich sehr weit zu Fuß, schlagen uns etwas durch das Gebüsch und wild wachsende Olivenbäume.
Schon rast der Hund, von seinem Herrchen aufgefordert, über das Gelände, mit seiner Nase tief über dem Boden. Sobald er anschlägt und anfängt zu graben, ist Edigio zur Stelle mit seinem Spaten und gräbt die dunklen Früchte aus dem Erdreich.
In kurzer Zeit schnüffelt Cash eine erstaunliche Ausbeute dieser aromatischen Knollen für seinen Herren zusammen.
Und für sich selbst einige gut schmeckende Belohnungen. Sibi und Pino sind begeistert, wie es sich für Gastronomen und Köche gehört:
Ungefähr 150 Trüffelsucher suchen täglich in den kalabrisch-lukanischen Apenninen für Sassone Tartuffi mit ihren ausgebildeten Hunden und liefern je nach Pilzsaison die frischen weißen Sommertrüffel und schwarzen Herbsttrüffel in seiner Trüffelfabrik ab, wo sie gut gekühlt auf ihre weitere Verarbeitung warten.
Zuerst erfolgt die Sortierung nach Sorten, dem Zustand und der Größe der klobigen Kugeln. Weiße Trüffel sind ein Überbegriff für eine durchaus ansprechende Artenvielfalt: Tuber magnatum pico, auch Alba-Trüffel genannot oder die Tuber borchii Vittadini, auch Bianchetto (oder Marzuolo) Trüffel genannt. Letztere gilt als die Frühlingstrüffel und kommt mit ihrem besonders intensiven Aroma von Januar bis April in den Wäldern der Pollino- und Sila Nationalparks vor. Während die Alba-Trüffel ab Oktober die Sammler und Genießer mit ihrem besonderen Bouquet aus Knoblauch und Käse beglücken. Anke Sademann, Food-Journalistin, jedenfalls, ist hin und weg vom Duft der frisch der Erde entnommenen Brocken.
Die Trüffel, die die Zulieferer an Edigio verkauft haben, werden nun in den Fabrikräumen weiterverarbeitet. Frische ist hier das allererste Gebot, es gibt wohl kaum einen Ort, wo man sich in den heißen Sommermonaten Kalabriens lieber aufhalten möchte als hier in den extrem gut gekühlten Räumen dieser Produktionsstätte. Die Menge der hier gelagerten frischen Trüffel ist beeindruckend! Jeder einzelne Pilz wird per Hand sortiert und gut gesäubert aufbewahrt.
Dafür werden die Pilze in kleinen Mengen in einer sich langsam drehenden Waschmaschine mit sanftem Wasserstrahl von der Erde befreit. Besonders schöne Exemplare gehen natürlich direkt in die Gastronomie
Kleine oder beschädigte Exemplare werden in der Fabrik weiterverarbeitet zu Trüffelbutter und vielen anderen Köstlichkeiten. Edigio Sassone startete sein Geschäft als Distributor der frischen Trüffel. Inzwischen bedient er weltweit den Groß- und Einzelhandel und verkauft in seiner Fabrik direkt auch an Endkunden.
Der sich auf dem Fabrikgelände befindliche Shop ist ein Eldorado für Trüffel-Genießer – von dem auch Internetkunden profitieren. Das Unternehmen ist mittlerweile von einem reinen Trüffelvertrieb zu einer Produktionsstätte vieler spannender Trüffelspezialitäten geworden.
Die Regale stehen voll mit den Köstlichkeiten, die sich aus den Trüffeln herstellen lassen: Sommertrüffel-Carpaccio, Pesto mit weißer Trüffel, besonders lecker: die intensive Trüffelbutter, auf deren Glasboden sich Trüffelstücke verstecken, die so intensiv ist, dass man sie noch sehr gut mit etwas heimischer Butter verlängern kann. So werden Tagliatelle zu einem besonders schnellen Tüffelgericht – oder wird ein Omelett delikat damit parfümiert. Eine delikate Käsecreme oder Pilzcreme, angereichert mit Trüffel. Mandeln und Cashews mit Trüffel aromatisiert, die Crema di Balsamico mit Trüffel – Sugo mit Tomaten oder – in der typischen kalabrischen Art etwas schärfer, also picante – mit Trüffel. Der Kreativität von Edigio Sassone und seinem Team scheinen kaum Grenzen gesetzt. Selbstverständlich gibt es auch trockene Pasta schon mit Trüffel – und dass man wahlweise all diese Produkte mit weißem oder schwarzen Trüffel kaufen kann, muss ich wohl nicht extra erwähnen.
Edigio lädt uns mit seinem Team herzlich ein zu einem trüffeligen Lunch, wo wir all diese Köstlichkeiten – natürlich auch Salami und Pecorino mit den aromatischen Pilzen – probieren dürfen. Die Köchin gibt reichhaltig von der köstlichen Trüffelbutter in die Pfanne und serviert uns später die köstlichen, duftigen Gnocchi, die mit dem feinen Trüffelaroma umhüllt sind.
Dabei umspielt uns das niedliche Hundebaby Iris aufgeregt und kindlich. Sie soll zwar nicht zum Trüffelhund ausgebildet werden – obwohl zur perfekten Trüffelhundrasse gehörend – hat auf jeden Fall großes Talent für einen Wachhund, die kleine Bellnase.
Es wundert nicht, die Trüffel sind in dieser Region Kalabriens stetige Begleiterinnen in den Küchen. Kaum gibt es hier eine Speisekarte, auf der man das Wort Tartuffi nicht findet – selbst in den Lidi am Strand wird man sie ordern können. Überall, wo sie uns serviert wurden, sind sie hier mit selbstverständlicher Großzügigkeit über die Gerichte gehobelt worden! Und das vorrangig dank solch talentierter Spürnasen wie Cash eine ist!
Wenn ich ehrlich bin, konnte ich mit Trüffeln nie wirklich etwas anfangen: Für mich schmeckten sie immer nach Petroleum. Somit war diese Reise für mich ein kleines Wunder, denn dank der Einladung nach Rocca Imperiale konnte ich erstmals vom Duft und Geschmack der hier sehr frischen Sommertrüffeln Kalabriens doch überzeugt werden.

Plötzlich mag ich die Trüffel – und hätte nie gedacht, dass dieser Schatz der kalabrischen und lukanischen Erde mir wirklich so gut schmecken würde. Was echte Frische von einem Produkt verändern kann …


Sassone Tartuffi
Online-Shop
Adresse: Via Antonio Gramsci, 5, 87070 Montegiordano CS
E-Mail: info@sassonetartufi.com

2025-09-15

Stehe heute …

im U-Bahn-Zug der Linie U2 auf dem Bahnsteig Märkisches Museum. Der Zug fährt erst einmal nicht weiter.

Nach einer Weile erklärt uns der Zugführer, es würde jetzt einer der neuen U-Bahnzüge (also einer von denen ohne Klimaanlage, ihr erinnert euch?) aus irgendeinem Tunnel vor uns zu einem anderen Standort wechseln über das Nachbargleis und deswegen müssten wir ihn erst einmal über eine Weiche passieren lassen. Danach ginge es gleich weiter.

Gleichzeitig steigen in unseren Waggon drei männliche Jugendliche ein. Kurz darauf passiert der neue Zug langsam den Bahnhof, schön gelb, glänzend. Im Inneren leuchtet kein Licht, also die perfekte Symbiose zwischen tiefem Schwarz und strahlendem BVG-Gelb. Er sieht aus wie eine futuristische Schlange und ist flüsterleise. Um ihn herum der, meiner Meinung nach, schönste Bahnhof Berlins.

Die Jungs sind völlig begeistert davon und schlussendlich lässt sich einer zu der Aussage hinreißen: „Wenn ich das sehe, bin ich total stolz auf mein Berlin!”

Gut. Dieser Satz wird mich dann doch die nächsten Jahre mit diesen Zügen ohne Klimaanlage versöhnen. Einfach mal wieder stolz auf Berlin sein, ich gebe es zu, ich habe es etwas verlernt die letzten Wochen.